Skyrock
t. Sgeyerog :DDDDD
- Registriert
- 10. September 2003
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Nachdem es im Grofafo schon eine ganze Menge an ausgezogenen Klassikern wie VtM, oMage und DSA gibt, ist es an der Zeit zu zeigen dass wir Blutschwerter das auch können. Da ich Taten gegenüber Sprücheklopferei vorziehe mache ich mich direkt selbst an einen Klassiker ran: An Shadowrun 1-3. (Die 4. Edition zählt für den Zweck dieser Ausziehaktion nicht da sie sich völlig anders anfühlt als ihre Vorgänger.)
Warum gerade SR?
1.) Im Zuge des Editionswechsels waren viele der Ansicht dass im Zuge des Streamlinings zu viele identitätsstiftende Merkmale über Bord geworfen wurden.
Das macht SR stripped zu einer angemessenen Herausforderung für mich, da ich damit zeigen kann ob ich die Sache besser angehen kann als die offiziellen Autoren.
2.) Mit SR habe ich einige der coolsten Spielerlebnisse meiner Anfangszeit als Rollenspieler - ich weiß also nicht nur theoretisch sondern auch praktisch wonach ich suchen muss und wovon ich rede.
3.) SR1-3 hat eine Menge Kram der neben dem Fokus des Spiels steht, womit es einiges zu strippen gibt.
4.) Es ist eines der populärsten Rollenspiele zwischen Langeoog und Lörrach, was bedeutet dass ich schon rein quantitativ einiges an Feedback und Kritik erwarten kann.
Dieser Thread soll zunächst einmal nur dem Brainstorming dienen. Konkrete Entwicklungsarbeit wird in einem eigenen Thread geschehen sobald ich genug Material, Muse, Muße, Zeit und Energie haben. Diese Punkte sind sicher nicht abschließend und allein selig machend weshalb weitere Punkte, Ergänzungen und Kritik gerne gesehen sind.
Die drei magischen Fragen
Diese drei Fragen kommen aus dem [wiki]Forge[/wiki]-Dunstkreis. Jeder Rollenspielautor sollte sie beantworten um zu erfahren wo der Fokus des Spiels liegt und wie das Spiel aussehen soll ohne sich in Kleinigkeiten zu verzetteln.
Es sind zugegebenermaßen krude Werkzeuge, aber da ich keine besseren habe benutze ich sie um besser zu verstehen was ich meine, was ich machen will und damit andere besser verstehen können wie ich SR1-3 sehe.
1.) Worum dreht sich das Spiel?
Shadowrun dreht sich darum mit der Ingame-Welt zu taktieren. Das beinhaltet das Sammeln von runrelevanten Informationen, den Einsatz dieser Informationen um einen Plan aufzustellen und die Durchführung dieses Plans. Und es dreht sich darum alles umzudisponieren wenn der Plan schiefgeht, sich die Nase zuzuhalten und einen verzweifelten Sprung zu tun um den Job doch noch durchzuführen oder zumindest lebend davon zu kommen.
Das Taktieren mit Werten spielt auch eine Rolle, ist aber gegenüber der Erforschung und der Ausnutzung des gemeinsamen Vorstellungsraums untergeordnet.
2.) Was tun die Charaktere?
Die Charaktere sind außerhalb der Gesellschaft stehende Mietkriminelle die regelmäßig für illegale Aufträge angeheuert werden an denen sich Mr. Johnson entweder nicht die Finger dreckig machen will oder für die er keine geeigneten Leute hat. Sie führen den Job durch, kassieren die Bezahlung und verbessern sich in der Downtime indem sie bessere Ausrüstung kaufen, ihre Fähigkeiten trainieren und neue Kontakte knüpfen, um den Job nächste Woche noch besser durchführen zu können.
3.) Was tun die Spieler?
Die Spieler spielen ihre Runner und taktieren sowohl mit Werten als auch mit dem gemeinsamen Vorstellungsraum um den Shadowrun zu lösen.
Der SL bereitet die Grundlagen vor, hält ein paar Komplikationen bereit für den Fall dass das Spiel zu glatt ablaufen sollte und beschränkt sich ansonsten darauf, auf die Aktionen der Spieler zu reagieren.
Identitätsstiftende Merkmale
Diese Merkmale sind IMHO essentiell für das SR-Spielgefühl und dürfen nicht entfernt werden um das gute alte Feeling beizubehalten. Sie gilt es zu kultivieren und zu verstärken um SR stripped zu erreichen.
Strukturierte Story
SR hat von Haus aus eine feste Storystruktur die nicht nur dabei hilft immer zu wissen was getan werden muss, sondern zwingend notwendig ist damit sich SR wie SR anfühlt. Diese Struktur sieht so aus:
1.) Auftragsvergabe und -annahme
2.) Vorarbeit: Informationen sammeln, Legwork, Auskundschaften, Ausrüstung beschaffen
3.) Durchführung
3.a.) wenn alles schief geht: Alarm, wilde Action, Versuch den Run entgegen des Plans doch noch zu Ende zu bringen oder zumindest lebend zu entkommen
4.) Abschluß: Mr.Johnson ggf. das Objekt übergeben und Bezahlung kassieren
5.) Downtime: Bessere Ausrüstung kaufen, Fähigkeiten trainieren, neue Kontakte knüpfen und pflegen, auf dem laufenden bleiben, ggf. Run auf eigene Faust; anschließend wieder zu 1.) springen
Variable Mindestwürfe
Dazu bewirkt das eine ganz eigene Wahrscheinlichkeitskurve in der leichte Aufgaben so gut wie jedem gelingen, mittelschwere Aufgaben stark von den Fähigkeiten abhängen und schwierige Aufgaben so gut wie reines Glücksspiel sind, etwas das IMHO essentiell für das SR-Spielgefühl ist.
Außerdem macht das Zittern, ob man mit seinen vier Würfeln den MW von 15 schlagen kann, und das Glücksgefühl wenn man das gepackt hat einfach verdammt viel Laune.
Poolverteilung auf Offensive und Defensive
Versuche ich den bösen Troll da hinten schnell niederzumachen und bete darum dass er nach meinem Schuss nicht mehr aufsteht? Mache ich den Schuss halbherzig und konzentriere mich auf meine Verteidigung? Stecke ich allen Saft in den Feuerball um das Problem schnell und nachhaltig zu lösen, auch zum Risiko durch den Entzug ausgeknockt zu werden?
Dieser Einfluss des Spielers und dieses Glücksspiel sind wichtig. Pools sollten neben den bestehenden Anwendungen auch auf Bereiche wie soziale Interaktion ausgedehnt werden, wobei es auch dort Offensive und Defensive zu geben hat.
Klassenbildung durch die beschränkte Ressource Essenz
Cyberware frisst Essenz. Cyberware hilft nur bei bestimmten Aufgabenbereichen. Essenz ist endlich.
Das bewirkt eine ganz eigene Art von Klassenbildung und Multiclassing wie ich sie in kaum einem anderen Rollenspiel je erlebt habe und die essentiell für das SR-Feeling ist.
(Der saure Teil hier sind hohe Cyberwaregrade, Cybermantie und Initiationen die dieses Prinzip wieder aufweichen. Diese würden also aus dem Spiel entfernt gehören damit sich SR stripped auch wirklich shadowrunnig anfühlt.)
Ungewissheit, Informationsdefizit und schnelle Entscheidungen mit hohem Risiko
Joe Samurai schwitzt in seinem Geschäftsanzug als er die Paßwörter in das Magschloß zu Mr. Coogles Büro eingibt. Keiner von ihnen funktioniert - anscheinend kannte sein Kontakt nur die veralteten Codes. Der Wachmann am Ende des Flurs wird mißtrauisch und schlendert langsam auf Joe zu...
Was jetzt? Versucht Joe sich rauszureden? Flieht er? Zieht er seine Predator und schießt auf den Wachmann? Er muss den Plan sofort ändern und sich schnell entscheiden - und eine falsche Entscheidung könnte ihn sofort seinen Hals kosten.
Diese Hochspannungssituationen wo alles auf dem Spiel steht, nicht alle Informationen verfügbar sind und spontane Entscheidungen getroffen werden müssen machen für mich einen guten Teil am Spaß an SR aus. Es steht außer Frage diese zu verwässern - also keine Unsterblichkeitsregeln, kein Railroading und keine spielerinduzierten Fakten.
Probleme
In den vielen Jahren SR bin ich auf etliche Probleme mit dem Spiel gestoßen. Hier nur die wichtigsten die für SR stripped auf jeden Fall gefixt werden müssten.
"Seien sie realistisch!"
An diesem bis heute überlebenden Punkt in den SL-Tipps im GRW und in den Köpfen vieler Spieler merkt man die Ursprungsära von SR: Die Spätachtziger, als Realismus im Rollenspieldesign als Wert für sich und als wichtigstes Prinzip galt und solche überkomplizierten Spiele wie GURPS, Milleniums End oder Rolemaster hervorbrachte.
Ich kann dazu nur sagen: Tretet diesen Mist in die Mülltonne mit den Vokuhilafrisuren und dem Italo-Synthipop zurück aus der er hervorgekrochen ist.
Und damit will ich nicht einmal auf das uralte Totschlagargument "Trolle, Feuerbälle und Drachen sind auch unrealistisch" hinaus.
Shadowrun simuliert Black Ops, Kampf, Hacking und eigentlich alles andere in etwa so realistisch wie Monopoly Immobilienhandel simuliert. Schon alleine die Grundlagen von Shadowrun sind himmelschreiend unrealistisch: Welcher Konzern sollte dutzende von Kilonuyen in abgerissene Mietkriminelle stecken wenn er mit dem gleichen Geld eine wesentlich bessere Truppe von hirngewaschenen und fingerabdrucklosen Konzernninjas aufstellen könnte? Wie soll eine Welt funktionieren in der 20%-50% der Leute keine SIN haben? Und am wichtigsten: Wen soll das kümmern?
So ziemlich jede D&D-Welt hätte angesichts von hunderten geplünderten Drachenhorten und hunderten Dungeons schon längst durch Inflation und den Einsturz des unterhöhlten Bodens untergehen sollen, und trotzdem macht D&D Spaß, indem es genau die Kulisse bietet die notwendig ist um den Kern des Spiels umzusetzen der eben nichts mit Realismus, sondern mit Wettbewerb und Taktik zu tun hat. Mit SR ist das ähnlich.
SR ist keine Weltsimulation: Die sechste Welt ist nur eine billige Pappkulisse, die den Kern des Spiels unterstützt, und kein bißchen mehr.
Inkonsistente Sonderregelbereiche
Kampf, Matrix, Fahrzeuge, soziale Interaktion, Magie - alles folgt völlig verschiedenen Mechanismen. Hier müsste ausgemistet und völlig(!) gleichgeschaltet werden - Risus und HeroQuest wären hier gute Vorbilder.
Zu teure Ausrüstung
Gut, es gibt doch einen Punkt wo ich die Realismuskeule aus dem Sack holen muss: Ausrüstung ist dermaßen schweineteuer dass jedem der zwei Sekunden darüber nachdenkt und kein devoter Fanboy ist der Kopf explodiert.
Dazu kommt noch die extrem weit auseinander gehende Schere in den Kosten zwischen den verschiedenen Aufgabenbereichen: Drück dem Einbrecher 50k in die Hand und er kann nach dem Einkauf von Elektronikkit, Cybermikroskop, Kletterausrüstung und ein paar Sensoren dicke Zigarren rauchen da er keine Ahnung hat wie er das Geld sonst noch loswerden soll. Drück das gleiche Geld dem Sammy in die Hand und er muss schon etwas mehr knobeln, kann er aber durch Dermalpanzerung, verstärkte Reflexe, Smartlink und ein paar Kleinigkeiten recht kompetent aus der Praxis des Ripperdocs zurückkommen. Gib dem Decker 50k, und die Leute im Computergeschäft lachen ihn aus, bevor sie ihm das Cyberdeck-Äquivalent zu einem gebrauchten C64 in die Hand drücken.
Neben der o.g. Gleichschaltung von Aufgabenbereichen sollten entweder die Preise revidiert werden (aufwendig) oder die konkreten Nuyenkosten sollten, wie von b_u_g schon mal im FP-Forum vorgeschlagen, in abstrakte Ressourcenpunkte umgewandelt werden (schnell und simpel).
Beschäftigungsdefizit und Hartwurst
Immer wieder kommt es in SR zu Beschäftigungsdefiziten: Während etwa der Decker in der Matrix ist hat der Rest der Spieler nichts zu tun. Das ist ein kleinerer Bug der mit o.g. Gleichschaltung schnell gefixt ist.
Schwerwiegender ist das Defizit in der Planungsphase: Hier hat der SL so gut wie nichts zu tun während die Spieler rumknobeln. Schnelle Interaktion zwischen den Spielteilnehmern in der Planungsphase sollte also forciert werden.
Ein weiteres Problem in der Planungsphase ist Hartwurst, wenn die Spieler eine halbe Stunde darüber diskutieren ob sie die dritte Doppeltür jetzt von links oder von rechts aufdrücken sollen (nein, keine Übertreibung, das ist ein realer Fall aus meiner leidensgeprüften Spielpraxis). Hier gehört ein hartes Timelimit her das es knallhart bestraft wenn die Spieler sich zu lange an Nebensächlichkeiten festknabbern.
Weitere Punkte? Ergänzungen? Kritik? Fragen? Lasst hören.
Warum gerade SR?
1.) Im Zuge des Editionswechsels waren viele der Ansicht dass im Zuge des Streamlinings zu viele identitätsstiftende Merkmale über Bord geworfen wurden.
Das macht SR stripped zu einer angemessenen Herausforderung für mich, da ich damit zeigen kann ob ich die Sache besser angehen kann als die offiziellen Autoren.
2.) Mit SR habe ich einige der coolsten Spielerlebnisse meiner Anfangszeit als Rollenspieler - ich weiß also nicht nur theoretisch sondern auch praktisch wonach ich suchen muss und wovon ich rede.
3.) SR1-3 hat eine Menge Kram der neben dem Fokus des Spiels steht, womit es einiges zu strippen gibt.
4.) Es ist eines der populärsten Rollenspiele zwischen Langeoog und Lörrach, was bedeutet dass ich schon rein quantitativ einiges an Feedback und Kritik erwarten kann.
Dieser Thread soll zunächst einmal nur dem Brainstorming dienen. Konkrete Entwicklungsarbeit wird in einem eigenen Thread geschehen sobald ich genug Material, Muse, Muße, Zeit und Energie haben. Diese Punkte sind sicher nicht abschließend und allein selig machend weshalb weitere Punkte, Ergänzungen und Kritik gerne gesehen sind.
Die drei magischen Fragen
Diese drei Fragen kommen aus dem [wiki]Forge[/wiki]-Dunstkreis. Jeder Rollenspielautor sollte sie beantworten um zu erfahren wo der Fokus des Spiels liegt und wie das Spiel aussehen soll ohne sich in Kleinigkeiten zu verzetteln.
Es sind zugegebenermaßen krude Werkzeuge, aber da ich keine besseren habe benutze ich sie um besser zu verstehen was ich meine, was ich machen will und damit andere besser verstehen können wie ich SR1-3 sehe.
1.) Worum dreht sich das Spiel?
Shadowrun dreht sich darum mit der Ingame-Welt zu taktieren. Das beinhaltet das Sammeln von runrelevanten Informationen, den Einsatz dieser Informationen um einen Plan aufzustellen und die Durchführung dieses Plans. Und es dreht sich darum alles umzudisponieren wenn der Plan schiefgeht, sich die Nase zuzuhalten und einen verzweifelten Sprung zu tun um den Job doch noch durchzuführen oder zumindest lebend davon zu kommen.
Das Taktieren mit Werten spielt auch eine Rolle, ist aber gegenüber der Erforschung und der Ausnutzung des gemeinsamen Vorstellungsraums untergeordnet.
2.) Was tun die Charaktere?
Die Charaktere sind außerhalb der Gesellschaft stehende Mietkriminelle die regelmäßig für illegale Aufträge angeheuert werden an denen sich Mr. Johnson entweder nicht die Finger dreckig machen will oder für die er keine geeigneten Leute hat. Sie führen den Job durch, kassieren die Bezahlung und verbessern sich in der Downtime indem sie bessere Ausrüstung kaufen, ihre Fähigkeiten trainieren und neue Kontakte knüpfen, um den Job nächste Woche noch besser durchführen zu können.
3.) Was tun die Spieler?
Die Spieler spielen ihre Runner und taktieren sowohl mit Werten als auch mit dem gemeinsamen Vorstellungsraum um den Shadowrun zu lösen.
Der SL bereitet die Grundlagen vor, hält ein paar Komplikationen bereit für den Fall dass das Spiel zu glatt ablaufen sollte und beschränkt sich ansonsten darauf, auf die Aktionen der Spieler zu reagieren.
Identitätsstiftende Merkmale
Diese Merkmale sind IMHO essentiell für das SR-Spielgefühl und dürfen nicht entfernt werden um das gute alte Feeling beizubehalten. Sie gilt es zu kultivieren und zu verstärken um SR stripped zu erreichen.
Strukturierte Story
SR hat von Haus aus eine feste Storystruktur die nicht nur dabei hilft immer zu wissen was getan werden muss, sondern zwingend notwendig ist damit sich SR wie SR anfühlt. Diese Struktur sieht so aus:
1.) Auftragsvergabe und -annahme
2.) Vorarbeit: Informationen sammeln, Legwork, Auskundschaften, Ausrüstung beschaffen
3.) Durchführung
3.a.) wenn alles schief geht: Alarm, wilde Action, Versuch den Run entgegen des Plans doch noch zu Ende zu bringen oder zumindest lebend zu entkommen
4.) Abschluß: Mr.Johnson ggf. das Objekt übergeben und Bezahlung kassieren
5.) Downtime: Bessere Ausrüstung kaufen, Fähigkeiten trainieren, neue Kontakte knüpfen und pflegen, auf dem laufenden bleiben, ggf. Run auf eigene Faust; anschließend wieder zu 1.) springen
Variable Mindestwürfe
Dazu bewirkt das eine ganz eigene Wahrscheinlichkeitskurve in der leichte Aufgaben so gut wie jedem gelingen, mittelschwere Aufgaben stark von den Fähigkeiten abhängen und schwierige Aufgaben so gut wie reines Glücksspiel sind, etwas das IMHO essentiell für das SR-Spielgefühl ist.
Außerdem macht das Zittern, ob man mit seinen vier Würfeln den MW von 15 schlagen kann, und das Glücksgefühl wenn man das gepackt hat einfach verdammt viel Laune.
Poolverteilung auf Offensive und Defensive
Versuche ich den bösen Troll da hinten schnell niederzumachen und bete darum dass er nach meinem Schuss nicht mehr aufsteht? Mache ich den Schuss halbherzig und konzentriere mich auf meine Verteidigung? Stecke ich allen Saft in den Feuerball um das Problem schnell und nachhaltig zu lösen, auch zum Risiko durch den Entzug ausgeknockt zu werden?
Dieser Einfluss des Spielers und dieses Glücksspiel sind wichtig. Pools sollten neben den bestehenden Anwendungen auch auf Bereiche wie soziale Interaktion ausgedehnt werden, wobei es auch dort Offensive und Defensive zu geben hat.
Klassenbildung durch die beschränkte Ressource Essenz
Cyberware frisst Essenz. Cyberware hilft nur bei bestimmten Aufgabenbereichen. Essenz ist endlich.
Das bewirkt eine ganz eigene Art von Klassenbildung und Multiclassing wie ich sie in kaum einem anderen Rollenspiel je erlebt habe und die essentiell für das SR-Feeling ist.
(Der saure Teil hier sind hohe Cyberwaregrade, Cybermantie und Initiationen die dieses Prinzip wieder aufweichen. Diese würden also aus dem Spiel entfernt gehören damit sich SR stripped auch wirklich shadowrunnig anfühlt.)
Ungewissheit, Informationsdefizit und schnelle Entscheidungen mit hohem Risiko
Joe Samurai schwitzt in seinem Geschäftsanzug als er die Paßwörter in das Magschloß zu Mr. Coogles Büro eingibt. Keiner von ihnen funktioniert - anscheinend kannte sein Kontakt nur die veralteten Codes. Der Wachmann am Ende des Flurs wird mißtrauisch und schlendert langsam auf Joe zu...
Was jetzt? Versucht Joe sich rauszureden? Flieht er? Zieht er seine Predator und schießt auf den Wachmann? Er muss den Plan sofort ändern und sich schnell entscheiden - und eine falsche Entscheidung könnte ihn sofort seinen Hals kosten.
Diese Hochspannungssituationen wo alles auf dem Spiel steht, nicht alle Informationen verfügbar sind und spontane Entscheidungen getroffen werden müssen machen für mich einen guten Teil am Spaß an SR aus. Es steht außer Frage diese zu verwässern - also keine Unsterblichkeitsregeln, kein Railroading und keine spielerinduzierten Fakten.
Probleme
In den vielen Jahren SR bin ich auf etliche Probleme mit dem Spiel gestoßen. Hier nur die wichtigsten die für SR stripped auf jeden Fall gefixt werden müssten.
"Seien sie realistisch!"
An diesem bis heute überlebenden Punkt in den SL-Tipps im GRW und in den Köpfen vieler Spieler merkt man die Ursprungsära von SR: Die Spätachtziger, als Realismus im Rollenspieldesign als Wert für sich und als wichtigstes Prinzip galt und solche überkomplizierten Spiele wie GURPS, Milleniums End oder Rolemaster hervorbrachte.
Ich kann dazu nur sagen: Tretet diesen Mist in die Mülltonne mit den Vokuhilafrisuren und dem Italo-Synthipop zurück aus der er hervorgekrochen ist.
Und damit will ich nicht einmal auf das uralte Totschlagargument "Trolle, Feuerbälle und Drachen sind auch unrealistisch" hinaus.
Shadowrun simuliert Black Ops, Kampf, Hacking und eigentlich alles andere in etwa so realistisch wie Monopoly Immobilienhandel simuliert. Schon alleine die Grundlagen von Shadowrun sind himmelschreiend unrealistisch: Welcher Konzern sollte dutzende von Kilonuyen in abgerissene Mietkriminelle stecken wenn er mit dem gleichen Geld eine wesentlich bessere Truppe von hirngewaschenen und fingerabdrucklosen Konzernninjas aufstellen könnte? Wie soll eine Welt funktionieren in der 20%-50% der Leute keine SIN haben? Und am wichtigsten: Wen soll das kümmern?
So ziemlich jede D&D-Welt hätte angesichts von hunderten geplünderten Drachenhorten und hunderten Dungeons schon längst durch Inflation und den Einsturz des unterhöhlten Bodens untergehen sollen, und trotzdem macht D&D Spaß, indem es genau die Kulisse bietet die notwendig ist um den Kern des Spiels umzusetzen der eben nichts mit Realismus, sondern mit Wettbewerb und Taktik zu tun hat. Mit SR ist das ähnlich.
SR ist keine Weltsimulation: Die sechste Welt ist nur eine billige Pappkulisse, die den Kern des Spiels unterstützt, und kein bißchen mehr.
Inkonsistente Sonderregelbereiche
Kampf, Matrix, Fahrzeuge, soziale Interaktion, Magie - alles folgt völlig verschiedenen Mechanismen. Hier müsste ausgemistet und völlig(!) gleichgeschaltet werden - Risus und HeroQuest wären hier gute Vorbilder.
Zu teure Ausrüstung
Gut, es gibt doch einen Punkt wo ich die Realismuskeule aus dem Sack holen muss: Ausrüstung ist dermaßen schweineteuer dass jedem der zwei Sekunden darüber nachdenkt und kein devoter Fanboy ist der Kopf explodiert.
Dazu kommt noch die extrem weit auseinander gehende Schere in den Kosten zwischen den verschiedenen Aufgabenbereichen: Drück dem Einbrecher 50k in die Hand und er kann nach dem Einkauf von Elektronikkit, Cybermikroskop, Kletterausrüstung und ein paar Sensoren dicke Zigarren rauchen da er keine Ahnung hat wie er das Geld sonst noch loswerden soll. Drück das gleiche Geld dem Sammy in die Hand und er muss schon etwas mehr knobeln, kann er aber durch Dermalpanzerung, verstärkte Reflexe, Smartlink und ein paar Kleinigkeiten recht kompetent aus der Praxis des Ripperdocs zurückkommen. Gib dem Decker 50k, und die Leute im Computergeschäft lachen ihn aus, bevor sie ihm das Cyberdeck-Äquivalent zu einem gebrauchten C64 in die Hand drücken.
Neben der o.g. Gleichschaltung von Aufgabenbereichen sollten entweder die Preise revidiert werden (aufwendig) oder die konkreten Nuyenkosten sollten, wie von b_u_g schon mal im FP-Forum vorgeschlagen, in abstrakte Ressourcenpunkte umgewandelt werden (schnell und simpel).
Beschäftigungsdefizit und Hartwurst
Immer wieder kommt es in SR zu Beschäftigungsdefiziten: Während etwa der Decker in der Matrix ist hat der Rest der Spieler nichts zu tun. Das ist ein kleinerer Bug der mit o.g. Gleichschaltung schnell gefixt ist.
Schwerwiegender ist das Defizit in der Planungsphase: Hier hat der SL so gut wie nichts zu tun während die Spieler rumknobeln. Schnelle Interaktion zwischen den Spielteilnehmern in der Planungsphase sollte also forciert werden.
Ein weiteres Problem in der Planungsphase ist Hartwurst, wenn die Spieler eine halbe Stunde darüber diskutieren ob sie die dritte Doppeltür jetzt von links oder von rechts aufdrücken sollen (nein, keine Übertreibung, das ist ein realer Fall aus meiner leidensgeprüften Spielpraxis). Hier gehört ein hartes Timelimit her das es knallhart bestraft wenn die Spieler sich zu lange an Nebensächlichkeiten festknabbern.
Weitere Punkte? Ergänzungen? Kritik? Fragen? Lasst hören.