[30.04.2008]Der Ruf zur Versammlung

Nezumi

Marie Wegner
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16. Februar 2009
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Marie schritt gemächlich durch die dunklen Tunnel der Kanalisation. Die Situation hatte sich inzwischen offenbar wieder etwas beruhigt, die Tiere antworteten wieder, also rief sie Ratten herbei. Viele Ratten. In regelmässigen Abständen stieß sie ihren Ruf aus, während sie Kilometer in den Tunneln zurücklegte, bis sich letztlich hunderte der Tiere um sie versammelt hatten. Während der gestrigen Nacht war das kaum möglich gewesen, so verstört und verängstigt wie die Tiere gewesen waren.

Mit vampirischem Blut angereicherte Speckwürfel, Käse, Körner und Brot - alle möglichen Leckereien - verteilte sie unter den Tieren, bevor sich die Verborgene daran machte, den Ratten klar zu machen, dass sie eine Botschaft für sie überbringen sollten.

Die Fischfrau will ein Treffen lautete die Nachricht und die Tiere sollten diese Nachricht an ein bestimmtes Kainskind überbringen. Zusammen mit der Nachricht vermittelte die Ahnin den kleinen Nagern das Bild Lurkers in ihren Geist und schickte sie dann los durch die unzähligen Gänge der Kanalisation und anderer Tunnel, die es unter der Stadt gab.

Wenn die Tiere Erfolg haben würden, würde es dennoch einige Zeit dauern, bis sich für sie ersichtlich ein Ergebnis einstellen würde. Also machte sie sich auf den Weg noch ein paar weitere Dinge zu überprüfen, bevor sie auf die Halde zurückkehrte. Es war Zeit für ein paar 'Hausbesuche'. Neben der Akademie und dem Haus, in dem Fabian Mahler als wohnhaft gemeldet war, standen noch einige Sterbliche auf ihrer Liste, bei denen Sie einige kleinere 'Gefallen' einfordern würde.
 
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Der Geruch von Furcht waberte nicht mehr so stark durch die schlammigen Adern der Stadt und das schauerliche Echo, das jeden Laut zu einem dröhnendem Lärm stilisierte, war zu dem heimischem Gurgeln und Plätschern der unterirdischen Ströme zurückgekehrt. Die Lage hatte sich beruhigt, das konnte die Nosferatu deutlich spüren. Nur noch wie ein zarter Nebel, waberte das Destillat der Panik durch ihr Reich, gemahnte zu aufmerksamer Vorsicht, aber nötigte nicht mehr zu kopfloser Flucht.
Die Gemeinschaft der Ratten kannte jene Beiden die Marie suchte natürlich. Die Wesen teilten ihren Lebensraum und hatten oft freundliche Begegnungen mit ihnen gehabt. Allerdings fehlte den Ratten, wie beinahe allen Tieren natürlich, das planerische Denken wie es den Menschen zu eigen war. Daher war nicht zu bestimmen ob der Wirbel aus Erinnerungen in der Gedankenwelt der Tiere ein frischer Eindruck war, oder nur ein bloßes Bewusstsein die Gesuchten schon einmal gesehen zu haben. Dennoch, sie liefen los und waren bemüht zu sehen, ob sie diese großen Kanalbewohner zu finden vermochten. Das Verständnis der Ratten für den Tod und das Ende der Existenz war lange nicht so abstrakt wie das von Marie oder einem menschlich entwickeltem Verstand. Für die Ratten war der Tod etwas unmittelbares. Sie erkannten ihn, wenn sie auf einen toten Artgenossen stießen, oder ein anderes totes Tier und sie konnten daraus Schlussfolgerungen ziehen wie 'Gefahr' oder 'Raubtier in der Nähe', oder auch 'kann ich fressen'. Sie dachten nicht an das Ende ihrer eigenen Existenz, waren sich der Endlichkeit ihres Lebens nur als Ereignis bewusst, das irgendwann eintreten mochte, aber nicht als Ziel oder Endpunkt ihres Daseins. Folglich konnten sie weder die Sorge der Nosferatu ob es ihre Geschwister noch gab in vollem Umfang erfassen, noch waren sie in der Lage darüber nachzudenken, dass ihre Suche vergebens sein mochte und sie nur Schatten und Erinnerungen jagten. Sie würden suchen und suchen. Irgendwann würden sie wieder aufhören zu suchen. Marie blieb alleine in der Finsternis zurück. Aber sie würde warten, darin waren sie und ihre Freunde hier unten sich ähnlich.
 
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Marie streifte tatsächlich noch einige Zeit länger durch die dunklen Tunnel, fragte sich, was es wohl gewesen sein mochte, das die Tiere noch am gestrigen Tag so in Angst versetzt hatte, aber die Tiere konnten es selbst nicht beantworten. Ein Rätsel also, das die Nosferatu gegenüber Anderen nicht leichtfertig zugeben würde.

Ihr erster Weg allerdings führte sie ganz in der Nähe der Kunstakademie an die Oberfläche und zufrieden sah sie nur kurz darauf, dass im Büro des Ghuls Toni Romero Betriebsamkeit vorherrschte. Gut. Immerhin hielt man hier den Anschein der Normalität aufrecht, was von unsäglichem Wert war, wie die Nosferatu wußte. Natürlich gab es mehr als genug Fragen, die gestellt werden mußten und einer Antwort benötigten - aber es war noch nicht Zeit für einen Besuch dort. Es war an der Zeit ein paar Kontakten einen nächtlichen Besuch abzustatten, also ging sie zurück in die Kanalisation und begab sich in die Wohngegend einiger betuchteren Herren und Damen der sterblichen Gesellschaft.

Wollen wir doch mal sehen, ob wir dem Unmut des einfachen Volkes nicht ein wenig die Luft aus den Segeln nehmen können.
 
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Sie wurde 'die braune' genannt. Zumindest von jenen die sie suchte. Ihr selber war das Konzept eines Namens nicht so recht zu vermitteln. Es war unnötig mehr als die unmittelbaren Wesen um sich herum benennen zu können. Derjenige der links von einem lief war einfach der Linke. Wer älter war, wurde einfach mit 'der Ältere' bedacht und so konnte man von Situation zu Situation jeden zuordnen.
Sie war eine durchaus schlaue Vertreterin ihrer Art, das hatten ihr die Gesuchten oftmals mitgeteilt und sie belohnt. Diese Toten waren merkwürdige Wesen die nicht in die Welt passten. Aber wer passte schon in diese Welt? Die Menschen beispielsweise, waren der Überzeugung das sie selber und ihre Brüdern und Schwestern auch nicht in diese Welt passten. Sie wusste nichts von den Geschichten der Menschen, die sie schmutzig schimpften und ihr die Schuld gaben das sie Krankheiten übertrug und Nahrung verdorb. Es wäre ihr wohl auch absurd vorgekommen. Schließlich hatte niemand die Menschen gezwungen sich zu so großen Ansammlungen zusammen zurotten, das sie fast an ihrem eigenem Dreck und Unrat erstickt währen. Natürlich waren dann die Ratten schuld, das sich dort Keime und Krankheiten tummelten, sich bei ihnen einnisteten und schließlich von ihnen verbreitet wurden. So dumm konnte nur ein Mensch sein, mehr Dreck zu produzieren als er verkraften konnte und sich dann beschweren wenn es anfing zu stinken. Sie waren sie eben selbst im Weg, mit ihren großen Köpfen in denen große Gedanken wohnten.

Sie war ein schlaues Exemplar ihrer Art, in der Tat. Sie erinnerte sich wo der eine Tote hauste. Niemals wären sie auf die Idee gekommen von dem Kadaver zu nagen, denn das Fleisch war krank. Schlimmer als alle Krankheiten die angeblich von ihnen verbreitet wurden. Krank mit wandelndem Tot. Krank mit etwas altem und bösem, das sie jede Nacht von neuem quälte. Es folterte sie mit zermürbender Unendlichkeit. Viel Zeit um sich bewusst zu werden wie sinnlos alles war.
Wieder so ein Vorteil ihrer Art. Das Leben musste keinen Sinn machen. Man musste satt sein und einen guten Schlafplatz haben. Man musste die Geburt seiner Jungen überleben und die dauernden Säuberungen. Das reichte um als Leben zu gelten. Immer noch besser als das was die Leichname hatten.

Aber die Leichname waren gut zu ihnen. Aus irgendeinem Grund beschützten sie ihr Volk, teilten den Raum mit ihnen, schenkten ihnen Aufmerksamkeit und, noch wichtiger, Nahrung und Schlafplatz. Genauso wenig wie es ihrem Wesen entsprach darüber zu sinnieren was das Leben für einen Sinn machen sollte, würde sie darüber lamentieren in welcher Beziehung sie zu den belebten Toten stand und warum es diese Wesen überhaupt gab. Ihre Art hatte viele Zeitalter überdauert und würde sicherlich noch sehr viele kommen und gehen sehen. Sie waren bekannt dafür sich anzupassen, zu akzeptieren was man ihnen zuspielte und damit zu arbeiten was eben da war. Wenn es sich dabei um wandelnde Leichname handelte, dann war das eben so. Menschen, Untote, unerheblich.

Sie spürte derartige Dinge eher in ihrem Blut, als das sie sie wirklich dachte, auf ihrem Weg zum alten Friedhof. Hinab in den alten Brunnen führte sie ihr Weg. Eigentlich war es eher eine Brunnen Ruine. Als sie den Boden und die kleine Tunnelanlage erreichte, wusste sie, dass sie Erfolg haben würde. Der schimmernde Glanz eines schwachen Lichtes flackerte in der Tiefe des grabkalten Gewölbes. Dann witterte sie etwas. Wut, unbändige, abscheuliche Wut. Sie kam auf einer Welle aus Gier und ungezähmter Wildheit dahergerast und schwappte überbordend durch die Tunnel. Ängstlich fiepend presste sie sich ganz dicht an den Boden. Das Geschrei war entsetzlich. Es klang als würde sich der Hass aller Menschen die in der Hölle eingekerkert waren seine Bahn brechen und hier Unten entladen, in einem infernalischem Crescendo aus Schreien, Fauchen und Brüllen. Es roch nach Blut und Tod. Sie wusste das irgendwo ein paar Leichen lagen, denn der süßliche Geruch von gestorbenem strömte träge in die Luft. Sie hörte Ketten, schwere, eiserne Ketten, deren Glieder einzeln gehärtet und geschmiedet worden waren. Sie kamen aus einer anderen Zeit, einer älteren Zeit, geschaffen um ältere Übel in Zaum zu halten als sich die Menschen dort oben heute vorstellen konnten. Die Mauern erzitterten, als das etwas an seinen Fesseln zerrte und sich dagegen warf, als wollte es sich gegen die Gebeine der Erde selbst aufbäumen. Dann war ein Gurgeln, ein reißen und ein Schmatzen zu hören, gefolgt von einem wohligem Grunzen. Das Etwas hatte aufgehört zu toben. Zumindest für den Moment.

Sie wollte weg von hier, musste hier raus, fort von dem schrecklichem Ding in seiner Nähe. Aber sie musste noch etwas tun. Sachte, ganz langsam robbte sie über den staubigen Boden. Dann spürte sie plötzlich das sie die Aufmerksamkeit von etwas erregt hatte. Es war keine Gefahr zu riechen, es war eher ein beruhigender, warmer Ton. Dann wurde sie sachte vom Boden hochgehoben.
Lange, vielgliedrige Finger streichelten sachte ihr struppiges, nasses Fell. In ihren kleinen Knopfaugen spiegelte sich das gedämpfte, unterirdische Licht und ein bräunlicher Mantel. Kurz sah man einen kahlen, aufgedunsenen, blassen Schädel aufblitzen.

Ich verstehe...

Raunte ein raschelndes Krächzen leise durch die Dunkelheit. Es klang wie eine alte Krähe die zuviel rauchte.

Ich gehe zu ihr, gleich als erstes, wenn ich kann.
 
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