[12.05.2008] Die Party geht weiter

"Keine Regeln, zu viel Ablenkung von aussen, keine Werte vor der Verwandlung verinnerlicht" antwortete Moishe prombt und knapp. Er bezog auch Amanda mit in diese Beurteilung ein. Wenn kein moralischer Kompass vorhanden war ging es eben schief.
 
"Man kann ja nicht nur in den Kanälen sitzen und anderen nachsteigen, nicht wahr ? Das wird mit der Zeit doch langweilig." versetzt Thürmer mit gespielt-belehrendem Ton.

"Ansonsten kann man sagen, ich hatte Schlimmere, auch wenn der Zinnober hier selbstverständlich eher unerwartet kam..." Trapper also ! Thürmer war dabeigewesen, als dieser Hal in den Einsatz entlassen hatte. Was er von diesem Umstand halten sollte, wußte er daher noch nicht so recht. Ganz besonders nicht, wenn man bedachte, was für ein Typ Mensch auf der Position zu arbeiten pflegte, die Malik innehatte.
Andererseits, wenn der ihm Ärger machen wollte, würde er es so oder so tun, ob er sich da jetzt noch mit solchen Fragen herumschlug, oder nicht.

"Tun sie das, ich habe nichts dagegen. Von ihrem kleinen Konzert habe ich ja nun nicht allzuviel mitbekommen, wie ich zugeben muß. Insofern nehme ich ihre Einladung gerne an."
Er kramte etwas in seiner Tasche und warf einen zerknitterten Schein in den Hut.
 
"Und viele überlegen nicht wirklich, ob sich das Kind eignet." Antonia hatte noch aus Den Haag die Erlaubnis, aber es war schwierig ein passendes Kind zu finden und so gab es noch keines, das ihr gehörte.

Ob sich Amanda je als geeignet gezeigt hatte oder aus anderen Gründen gezeugt wurde, aber eigentlich hätte sie Iain eher einen besseren Frauengeschmack zu getraut, was das Aussehen anging, aber man kann sich ja auch irren.
 
"Das ist der schlimmste Fehler. Bevor man ein Kind erschafft muss man es beobachten und alle romantischen Gefühle und Äusserlichkeiten dabei ausblenden. Nun, vielleicht nicht im Bereich Kunst wo es auch auf Bühnenpräsenz und Charisma ankommt." gab Moishe Antonia zu.
Allerdings gewinne ich immer mehr den Eindruck das viele Erzeuger sich von der Schnelllebigkeit dieser Epoche anstecken lassen und bei ihrer Auswahl vergessen dass wir genügend Zeit haben um eine Entscheidung zu fällen."
 
Auf die Kanalanspielung des Doktors konterte Jack lächelnd und freundlich.

"Dies würde ich Ihnen auch niemals unterstellen wollen. Sie und ich möchten doch keinesfalls üble Klischees unterstützen. Und schon während unserer ersten Unterhaltung habe ich erkannt, dass Sie nicht nur sehr gebildet sind, sondern auch sehr erfahren. Genau dies schätze ich an den Verborgenen."

Mit einer kurzen und nicht übertriebenen Verbeugung bedankte sich Jack für die Spende vom Doktor.

"Es wäre mir eine Ehre, Sie als Gast auf dem Konzert empfangen zu dürfen. Ich werde mich bald telefonisch mit Ihnen in Verbindung setzen. Haben Sie noch einen schönen Abend, Doktor Thürmer."

Wieder ein Schein mehr im Hut. Das lief doch wie am Schnürchen! Jack ging nun auf die unscheinbare Frau zu.
 
"Oh doch, denn die Person muß stark genug sein um ihre Inspiration nicht zu verlieren und das erfordert schon einige Jahre, meistens macht man diese Leute erstmal zu Guhlen, damit man feststellen kann, wie das Kainskinderblut wirkt."

Ja, es war nicht einfach.
 
"Danke sehr, ebenso, Herr Cunningham."

Thürmer wandte seine Aufmerksamkeit wieder den Geschehnissen, aber insbesondere den Paarungen um sich herum zu. Wer mit wem zusammensaß war eben fast so aufschlußreich, wie das, was gesagt wurde...
 
Marta hatte von ihrer Position aus einen guten Überblick über das Geschehen. So konnte sie erkennen wer mit wem sprach und wie die Stimmung der entsprechenden Personen war. Die Königlichen umworben die Harpyie. Bloß sicherstellen, dass sie eure Version erfährt. Rin lies sich offenbar über die Situation aufklären. Die gleiche Version übrigens. Thürmer hielt sich zurück. Vielleicht die klügste Entscheidung. Kiera stand noch bei dem Musiker, welcher bei der Gruppe um Antonia wohl nicht so beliebt war, wenn sie die Blicke richtig deutete.

Der Unbekannte begann nun mit einem Hut umherzugehen. Du sammelst jetzt wirklich Geld ein? Soviel zu 'es steht jedem frei'. Iain und die Harpyie machten gute Miene zum bösen (?) Spiel und schlüpften problemlos in die Rolle der Woltäter. Grün? Ja, Finnlay du hast wirklich ein großes Herz... Moishe war mit deutlich weniger Begeisterung dabei, schien jedoch auch Rins Anteil zu übernehmen. Skeptisch oder nicht ganz zufrieden? Der nächste 'Freiwillige' war Thürmer. Die kennen sich doch, oder?

Nach einem kurzen Gespräch löste sich der Gitarrenspieler und kam in ihre Richtung. Marta nahm einen Schluck aus ihrem Glas, während sie den Fremden unauffällig musterte. Na mal schauen, was du für einer bist.
 
Jack schritt freundlich lächelnd auf die Unbekannte zu. Er schien locker, entspannt und kontaktfreudig zu sein. Die Unbekannte wirkte auf Jack etwas schüchtern oder zurückhaltend und so beschloss er sich etwas förmlicher vorzustellen.

"Guten Abend. Gestatten, Jack Cunningham. Mit wem habe ich das Vergnügen? Ich hoffe doch, dass Ihnen meine musikalische Darbietung am heutigen Abend gefallen hat."

Den Hut hatte er immer noch in der Hand, doch bisher machte Jack keine Anstalten sie um eine Spende zu fragen.
 
Abgesehen von ihrem unscheinbaren Auftreten konnte sie die Frau durchaus mit den anderen Damen messen. Ihre Kleidung war nicht minder hochwertig, wenn auch etwas weniger prunkvoll, und sie selbst war definitiv ein Hingucker. Einer der Sorte, bei dem man sich fragte, warum er einem nicht eher aufgefallen war. Anscheindend gehörte sie irgendwie zu der Gruppe, die aus dem Nebenraum aufgetaucht war. Hätte Jack gewusst, dass es sich bei ihrem Getränk um reinen Wein handelte, wären ihm vielleicht Zweifel gekommen, ob sie überhaupt ein Blutsauger war und nicht nur eine Dienerin. Obwohl - blass war sie und ob sie atmete war nicht ersichtlich.

Sein Lächeln wurde zwanglos und nicht minder freundlich erwidert, angespannt wirkte sie nicht. Anmutig wandte sie sich in seine Richtung und sah ihm in die Augen. Sieht ja schonmal nicht schlecht aus. Erstaulicherweise blieb der Hut vorerst unten. Der kommt bestimmt noch früh genug darauf zu sprechen.

"Guten Abend. Marta Hagen. Ich würde es einen gelungenen Auftritt nennen." Wenn auch etwas improvisiert. "Johnny Cash, oder?"

Wenn du jetzt falsch liegst, machst du dich lächerlich. Die spirituelle Nachricht war bei ihr zwar verloren, doch wenigstens die Musik war angenehm. Und Teilen der Botschaft konnte sie auch zustimmen. 'Sooner or later God'll cut you down' - dazu braucht es keinen Gott. Trapper reichte vollkommen...
 
Jack war zwar nur durchschnittlich schön, doch sein Charisma konnte ihn sehr attraktiv für Andere machen. Nicht selten fesselte er seine Gesprächspartner dadurch an seine schillernde Persönlichkeit.
Seine Kleidung passte auf jeden Fall zu dem auffallend starken Südstaatendialekt. Seine Gürtelschnalle zierte die Konföderiertenflagge, die spitzen Cowboyschuhe waren aus rotbraunem Leder und der Hut in seiner Hand war ein echter Stetson.

"Es freut mich, Sie kennen zu lernen. Danke für Ihr Lob. Sie kennen sich ja gut mit Musik aus. Die Zugaben waren tatsächlich von Johnny Cash. Wie ich immer zu sagen pflege: Wenn jemand anders es schon am besten formuliert hat, und man es selbst nicht besser kann, dann stiehlt man eben von ihm und verschafft sich einen starken Abgang. Die Stücke davor stammten jedoch aus meiner eigenen Feder. Haben Sie denn einen schönen Abend im Café verbracht?"

Jack musste zugeben, dass er es hier mit einer wirklich sympathischen Frau zu tun hatte. Als Mensch hätte er sich zwar nicht von ihr in seiner Orientierung umdrehen lassen, doch sicherlich hätte sie eine prima Scheinfreundin für die konservative Presse abgegeben.
 
Iain hatte Moishes und Antonias Unterhaltung mit einem scharfen Stich im untoten Herzen schweigend verfolgt, jetzt schaltete er sich aber doch ein.

"Und all das nutzt wenig, wenn das Kind auf halber Strecke eigenständig vom Weg abkommt. Diese Gefahr besteht wohl stets..."

Er schüttelte den Kopf. Alles was Antonia und Moishe empfohlen hatten, hatte er bei Amanda berücksichtigt. Er hatte sie lange beobachtet, ihre Werte, Entschlossenheit und Ansichten getestet und dafür gesorgt, dass sie in ihrer Ausbildung einen angemessenen Respekt ihm und vor allem dem Clan und der Gesellschaft der Kainiten gegenüber verinnerlichte. Und trotzdem war sie rebellisch vom Wege abgekommen.

Hätte er vom Blutsband zwischen ihr und dem Duke gewusst, hätte er vermutlich das rebellische Brujahblut in ihren Adern für dieses schändliche Verhalten verantwortlich gemacht. So grübelte er darüber nach, ob er vielleicht Opfer der Jahrtausende währende Fehde zwischen dem Clan der Könige und dem der Philosophen geworden war, eine weiterer Streich der Rache und Gegenrache, wie er seit den Konflikten zwischen Sparta und Athen und spätestens seit der Vernichtung Karthagos hin und her tobten.
 
"Das stimmt natürlich, aber es ist immer ärgerlich, wenn so was passiert, bei uns in Den Haag, oblag es dann dem Erzeuger, das Mißgeschick zu entfernen und meistens war dann eine sehr lange Zeit nötig, bis derjenige ein neues Kind zeugen durfte", war dann Antonias Antwort darauf.

Was ein Blutband anging, so war das alleine schon was, was sie echt unfein fand und sowas mit jemandem zu tun, den man gerade mal ein paar Stunden kannte, wer war denn so blöd? Okay, Amanda
 
Iain neigte den Kopf und nickte. Darauf lief es also hinaus, er hatte es ja geahnt.

"Ich werde abwarten müssen, wie Mdm. d'Auvergne und der Prinz diesbezüglich entscheiden, werde jedoch noch heute Nacht bei ihnen diesbezüglich vorstellig werden." Iain blickte auf die Uhr. Ein wenig Zeit hatte er noch, aber wahrlich nicht mehr viel.
 
"Lässt denn das Ergebnis der Sizung zu sich heute an den Prinz oder die Seneschall zu wenden, wenn ich das fragen darf Frau de Groote? Ich denke wenn Du jetzt uneingeladen in der falschen Situation dort hineinplatzt schadet es mehr als es nutzt, Iain."
 
Antonia überlegte einen Moment und nickte dann.

"Ich denke schon, allerdings sind die Beiden noch mit Helena unterwegs, um sich einige Örtlichkeiten in der Stadt anzuschauen, die für eventuelle Aktivitäten im Bezug auf die Werwölfe nutzbar wären", sagte sie dann. "Ansonsten hätte ich doch gedacht, dass einer der anderen Primogene herkommt und die Neugierde der Anwesenden befriedigt udn Fragen beantwortet."

Nun, Helena, Sybille und Galante waren entschuldigt, aber der Rest ...

"Soll ich dann mal den Erklärbär machen?" Dabei grinste sie spitzbübisch.
 
"Ist es denn angemessen die Ergebnisse der Besprechung so einfach jedem mitzuteilen? Ich will natürlich nicht sagen das ich nicht neugierig bin, aber aus meiner Sicht sollten diese Inhalte nur dann nach aussen dringen wenn sie für jeden in der Domäne bestimmt sind."
 
Glück gehabt. Marta hatte bei weitem nicht so viel Ahnung, sie kannte bloß das ein oder andere Lied und den ein oder anderen Künstler. Und das ein oder andere Mal schmiss sie die auch durcheinander. Jacks Selbstbild hätte sie wohl etwas nach oben korrigiert. Er war attraktiver als die meisten, dazu besaß er Ausstrahlung. Und der Akzent steht dir, Cowboy.

"Man kann wohl sagen, dass es ein interessanter Abend war. Zuerst war die Festlichkeit ja in der Akademie - wurde aber wegen eines 'Zwischenfalls' hierherverlegt. Aber wie man sieht, ist das Café auch nicht sicher."
 
Antonia zuckte die Schultern.

"Wenn es keiner von denen für nötig erachtet, es zu tun, dann müssen sie mit den Ergebnissen leben", sagte sie dann. "Außer den Archonten und Helena hat schließlich keiner eine Ausrede, oder etwa nicht?"
 
Iain nickte Antonia freundlich zu.

"Wir sind ganz Ohr, Frau de Groote."

Es war einer von Moishes besseren Einfällen gewesen, Antonia an ihren Tisch zu bitten.
 
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