V-tM: Backgroundstory: Marco Eisenhardt

traum

Grinsekatze
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2. Oktober 2003
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"Es war der traurigste Tag, den die Erde je geboren,
an dem ich dich und all meine Hoffnung verloren.
Ein Tag war nie wieder so grausam und trist,
wie der Tag, an dem du gegangen bist.
Jede Sekunde des Atmens nur Schmerz;
Jeder Gedanke ein Stich in mein Herz;
Jede Träne Erlösung, jedes Empfinden total;
Jeder Zuspruch vergebens, jeder Schritt eine Qual.
Ich werde niemals verstehn und ich frag immerzu:
Warum nicht ICH? Warum jetzt? Warum DU?"

Deine Haare glitzerten so wunderschön im Mondlicht, meine Liebe. Ich sehe es vor mir als sei es gestern gewesen als wir uns kennen gelernt haben und zusammen durch den einsamen Park gewandert sind. Weißt du es auch noch? Es war eine warme Sommernacht und auf der Party hattest du dich gelangweilt und bist auf die Straße hinaus um dir etwas die Beine zu vertreten, bevor du mich auf der einsamen Bank sitzen gesehen hast.
Ich möchte mich gerne vorstellen, sprach ich zu dir. Mein Name ist Marco Eisenhardt, und ich bin verflucht. Ich kann mich noch genau an deinen Blick und an das schallende Lachen erinnern welches du mir freundlich entgegen schleudertest. Doch wüsstest du nur von all' dem Schmerz den ich erfuhr, du hättest sicher nicht gelacht.

Ich wurde am 13.Oktober.1870 geboren. Es war eine schöne Zeit damals, das kann ich dir gleich sagen. Ich genoss eine behütete Kindheit und hatte viele Freunde, mit denen ich spielen konnte wenn der Privatlehrer gegangen war. Am liebsten spielte ich Fangen im großen Garten meiner Eltern. Meistens waren auch meine Brüder dabei, und wenn es mal ab und zu eine Schramme gab oder man sich stritt, dann vertrugen wir uns auch alle schnell wieder. Heutzutage kommt man ja eher selten in den Genuss so wohlig warm aufgezogen zu werden und Freunde zu haben, die einem nicht bei jeder Gelegenheit ein Messer in den Rücken jagen.

Ich lernte bald die Macht des geschriebenen Wortes kennen und arbeitete mit einem extra Lehrer an dieser Fähigkeit, Menschen mit meinen Worten zu fesseln. Ich wurde langsam erwachsen, und meine Eltern brachten mich in einem Flügel des Hauses unter, so dass ich meine eigenen Wände um mich hatte, doch immer wenn uns danach war, dann konnten wir uns sehen und gemeinsam den Abend ausklingen lassen oder zusammen Essen. Essen?

Weil ich instinktiv würgte als ich dir das erzählte hast du mich so seltsam angesehen, aber du hast ja keine Ahnung wie es ist nie mehr etwas zu kauen und schmecken zu können. Ich wunderte mich den ganzen Abend über dich, dass du meinen Worten einfach so gelauscht hast, und mir wurde klar, du musst etwas besonderes sein. Mit deinem Arm um meine Hüfte folgten wir dem Pfad weit in den Park hinein, es schien, dass du mich wirklich mochtest, obwohl wir uns grade mal ein paar Stunden kannten.

Gegen Ende 1890 nahm ich noch immer Unterricht bei meinem Lehrer. Er hatte mich oft ob meiner Fortschritte gelobt und oft gemeint, dass aus mir noch etwas ganz besonderes werden würde. Wer freut sich nicht über derartige Komplimente? Ich war es schon gewöhnt, dass er immer nur Nachts zu mir kam und meist auch die halbe Nacht mit mir zusammen verbrachte. Er war ein sehr schlauer und charismatischer Mann mittleren Alters. Stets gut gekleidet und einem gesunden Sinn für Humor, der gut tat. Hätte ich damals gewusst, dass ich noch viel mehr von ihm lernen würde, dann hätte ich meine Eltern sicher gebeten mir einen neuen Lehrer zu suchen.

Eines Nachts geschah etwas seltsames, als er hinter mir stand um mir beim Schreiben über die Schulter zu blicken, wie er es schon immer gerne getan hat. Er sagte zwar immer, ich schriebe zu langsam und würde zu viel nachdenken, doch ich wollte schließlich meinen eigenen Stil entwickeln und keinen der großen Künstler kopieren. Doch plötzlich schoss für einen kurzen Moment eine derartige Muse durch meinen Körper, wie ich es seitdem niemals mehr empfunden habe. Stöhnend schrieb ich Worte auf das Blatt Papier vor mir, bevor es für einen kurzen Moment dunkel um mich wurde.

Ich bot dir damals an, in der nächsten Nacht wieder zu der Bank zu kommen an der wir uns getroffen haben, wenn du den Rest der Geschichte hören wollen würdest. Und du kamst zurück, schöner noch als gestern, mit einem strahlenden Lächeln. Ich hatte dir einen alten, vergilbten Zettel mitgebracht. Die Worte, die ich schrieb bevor es Dunkel um mich wurde.

"ich will nicht
zu dir sagen
ich möchte
daß du gehst

weil ich
nicht möchte
daß du gehst

aber ich muß
zu dir sagen
ich möchte
daß du gehst

weil ich möchte
daß du
wiederkommst"

Und so tat ich. Ich schlug die Augen auf und saß noch immer auf meinem Stuhl. Markus, mein Lehrer, hatte sich neben mir auf der Tischkante niedergelassen und lächelte mich an. Was war passiert? Was ist geschehen? Fragend blickte ich ihn an und erwartete eine vernünftige Antwort, die mir erklären würde was in den letzten Sekunden passiert war.

Er sagte nichts, er nahm mich bei der Hand und entschwand mit mir durch den Rosengarten in die Stadt. Zu seinem Haus, in welchem ich weitere 80 Jahre an seiner Seite verbrachte und verstand was mit mir geschehen war.

Er hatte mir verboten meine Freunde, Eltern, Großeltern und Brüder wieder zu sehen, er sprach immer von einer Maskerade und dass ich sie so in Erinnerung behalten sollte wie sie waren als ich ging. Gehen musste. Jung, Schön, Stark. Und nicht Alt, Gebrechlich, Krank und Verwelkt.
Mir war in diesen Jahren klar geworden, dass meine Lieben schon längst gestorben sind. Und der Schmerz der sich tief in meine Brust fraß, machte das Denken unerträglich. Ich hasste es, so zu sein wie ich plötzlich geworden war, nur weil Markus mich dazu gemacht hatte. Er hatte mich nicht einmal gefragt, sondern mein Leben einfach so an sich genommen und mich zu einem von ihnen gemacht. Von ihnen! Ich hasse sie! Sie haben mich umgebracht!

Du warst so fasziniert von der Geschichte die ich dir auf der Bank erzählte. Du fragtest mich noch nicht einmal, ob ich mir das alles ausgedacht habe. Scheinbar glaubtest du mir wirklich, als du deinen Kopf an meine Schulter legtest während ich weiter sprach.

Markus lehrte mich vieles, was mir das Unleben als Vampir erleichtern sollte. Regelmäßiges Trinken von Blut zum Beispiel. Er sagte immer es sei sehr wichtig daran zu denken, denn es gäbe etwas, was er Raserei nannte. Ich trank regelmäßig mit ihm, denn er hatte scheinbar Menschen an der Hand die freiwillig zu uns kamen, um sich stöhnend auf dem Sofa zu winden, während wir von ihnen tranken. Sie gingen mit wackeligen Knien wieder und standen nach 7 Tagen wieder vor der Tür. Selbst als die großen Kriege herrschten kamen sie zu uns, da wir das Haus nicht mehr verließen.

Im Jahre 1960 lies mich Markus ziehen. Er hielt mich für gebildet genug meine eigenen Wege zu gehen. Er gab mir noch einige Worte mit auf den Weg, an welche ich mich zu halten hatte um keine Probleme zu bekommen. Doch wollte ich das überhaupt? Wollte ich diese Existenz wirklich weiter führen? Es wäre schließlich so einfach, ruhig auf den Sonnenaufgang zu warten und als lebende Fackel zu vergehen.

Als ich dies das erste Mal versuchte bekam ich gigantische Panik, kurz bevor die Sonne aufging. Ich hatte das Gefühl ich würde schon jetzt von innen heraus verglühen, es war schrecklich und nicht auszuhalten, so dass ich mich sofort in meine Wohnung zurückzog und dort prompt in meine Tagesstarre fiel. Das war also das, was Markus immer Rötschreck nannte. Und die erste Raserei lies sicher auch nicht mehr lange auf sich warten.

Leider hatte ich oft Recht. Zu oft, denn meine Vorahnungen waren nicht grade selten.
So geschah es, dass ich aus Protest mehrere Nächte keinen Schluck Blut zu mir nahm um mich zu stärken. Ich hasste diesen Zustand, ich wollte so nicht mehr weiter machen und nahm an, dass ich vielleicht verhungern würde, wenn ich nichts mehr trinke. Leider war dem nicht so. Ich musste meine Wohnung verlassen, da ich das Gefühl hatte ich würde sonst explodieren. Ich war zuvor 8 Tage in der Wohnung geblieben, doch jetzt ging es nicht mehr. Es trieb mich hinaus auf die Straßen. Ich zitterte und fror entsetzlich, es war die Hölle durch die ich ging. Durch die ich noch heute gehe. In dieser Nacht verfiel ich in meine erste Raserei. Zwei jungen Menschen nahm ich in dieser Nacht das Leben. Neben ihren Leichen weinte ich blutige Tränen und beklagte dieses verfluchte Dasein. In dieser Nacht war mir klar, dass ein Fluch auf mir lastet, den ich niemals brechen können würde.

In diesem Moment hast du mich ganz verängstigt angesehen, ich sehe dich heute noch vor meinem geistigen Auge, wie du aufstehen und gehen wolltest. Doch ich glaubte doch, dass ich mich in dich verliebt habe. Ich legte dir sacht meine Hand auf die Schulter und bat dich flehend, zu bleiben. Ich hatte seit einer halben Ewigkeit mit niemandem mehr darüber gesprochen, und ich hatte niemanden der mir zuhörte. Ich war einsam, das sagte ich dir. Alles was ich gewann, zerfiel nach einiger Zeit wieder zu Staub. Ich wollte nicht mehr einsam sein. Du verstandest und bliebst bei mir. Dafür möchte ich dir noch heute danken, und mich dafür entschuldigen was in der nächsten Nacht, als wir uns wieder an der Bank trafen, geschah.

Ich hätte dir sagen sollen, dass ich wieder lange Zeit nichts mehr getrunken habe.
Dein glänzenden Haar im silbernen Mondlicht, deine geschlossenen Augen und das Lächeln auf deinen Lippen. Du warst so wunderschön, auch im Tode noch. Ach, wärest du doch nur bei mir geblieben. Hätte ich dich nicht so angelogen! Ich bin verflucht! Ich hasse es! Ich möchte sterben, und zwar endgültig.

"Mir ist, als war es gestern,
Als ich dich traf und in mein Herz schloß.
Heut ist der Tag, an dem ich unzählige Tränen vergoß,
Weil du mir morgen sein wirst ganz fern.

Nun lieg ich hier am Boden und starre zur Tür.
Wie oft gingen Menschen von mir!
Mit dieser Tür ist es wie mit meinem Herzen,
Mir scheint, als gingen mehr Menschen als kamen,
Weil Abschied hinterläßt die größeren Schmerzen.
Was mir bleibt, sind Bilder ohne Namen.

Ich schließe die Augen und seufze tief.
Wenn sie doch kämen, wenn ich sie rief!
Doch stumme Schreie hört man nur schwer,
Sie gehen unter im Tränenmeer.

Bei jedem Abschied stirbt der Mensch ein Stück,
Und jedes Wiedersehen ist das größte Glück.
Doch was, wenn es kein Wiedersehen gibt?
Obwohl doch niemand den Abschiedsschmerz liebt!

Damit werden wir wohl leben müssen.
Noch oft werden wir ihre Bilder küssen.
Und wenn wir die Augen schließen,
Werden wir noch einmal die Erinnerung genießen."
 
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