Brainstorming Taktische Entscheidungen in RPG-Kampfsystemen

Die Idee war folgende: Der Kampf soll nicht ohne weiteres ausrechenbar sein, was einem taktische Optionen rauben würde.
Anstatt aber nun auf reines Würfelglück zu setzen (was ja auch ausrechenbar ist), soll das Ergebnis durch möglichst viele kleine Spielerentscheidungen sozusagen iterativ verfolgt werden. Vergleichbar z. B. mit Go.
Das klingt interessant. :)
Ich glaube so ganz vorstellen kann ich mir das doch nicht...

Ganz naiv hätte ich jetzt erst einmal gesagt, dass bereits die Koordinierung der Aktionen der Charaktere (z.B. "die Barbarin versucht möglichst viele Monster zu binden, um dem Zauberer den Rücken frei zu halten.") so viele taktische Optionen bietet, dass man einen Kampf mit mehreren Beteiligten nicht "ausrechnen" kann.

Also "ausrechnen" im Sinne von "die unter statistischen Gesichtspunkten günstigste Zugfolge bestimmen".
Oder habe ich das "ausrechnen" jetzt falsch interpretiert?

Bei Duellen hingegen, da stelle ich mir das richtig schwierig vor.
Kann man auch die bei dem Kampfsystem nicht "ausrechnen"?
 
Eine reine 1 vs. 1 Aufstellung muss man auch testen. Da du eine Ressourcen hast, die du zum Kämpfen einsetzen kannst, aber auch ein Gebot abgegeben MUSST, würde ich sagen dass auch Duelle nur schwierig einschätzbar sind. Woher willst du auch wissen, wieviel dein Gegner bereit ist, einzusetzen?

Die Regeln hier abzutippen wäre in jedem Fall zu umfangreich, da wir auch beim Experimentieren sind und sich alles ändert (und auch im Mülleimer landen kann). Im Grunde gehts nur darun die Komplexität zu erhöhen (und ich meine nicht die Regelkomplexität).

Ausrechenbar meine ich auch nur theoretisch. Man kann aber oft gut abschätzen, "was man als Sinnvollstes tun kann". In den meisten RPG Kämpfen ist relativ schnell klar, was du tun musst, um zu gewinnen. Insbesondere bei Kampfsystemen, wo man große Mengen von Lebenspunkten abtragen muss, ist relativ schnell klar, wer gewinnt, je länger der Kampf dauert und da kannste dann auch nix dran ändern.
Meistens lautet die beste Antwort "hinlaufen und draufhauen". Deswegen tun sich viele RPGs auch so schwer, ihre anderen Kampfoptionen, die keinen Schaden machen (z.B. Entwaffnen), gleichwertig zu machen. Einzige seltene Ausnahme ist vielleicht Savage Worlds, wo sie das bewundernswert hinkriegen. Dort kannst du selbst als Sozialcharaktere sinnvolle Beiträge im Kampf leisten.

Die Sache ist eben, dass jede zusätzliche Entscheidung auch zusätzliche Fehler bedeutet, auch irrationale Entscheidungen. Und das kann man eben irgendwann nicht mehr abschätzen. Wichtig zu verstehen ist, das ich nicht OPTIONEN meine, sondern Entscheidungen. Du kannst einen sehr komplexen Kampf haben mit nur zwei Optionen (Kämpfen oder Weglaufen), und es ist die Anzahl der Entscheidungen, die die Komplexität bringt. Go kombiniert das natürlich, du hast viele Optionen und viele Entscheidungen (stell dir vor du spielst Go, aber jetzt legt nur einen Stein, dann ist ziemlich schnell klar, was der beste Zug ist, obwohl du 100 und mehr Optionen hast.)

Du sagst völlig richtig, wenn man z.B. 5 vs 5 kämpft - jeder ist einmal dran, das sind 10 Entscheidungen, schön nach Ini-Reihenfolge - das ist schon recht komplex. Aber auch nicht unmöglich abzuschätzen.
Wobei viele dieser Entscheidungen oft auch nix als reine Feigenblätter sind und auch nichts bewirken:
S: "ich renne zum Gegner"
SL: "ok, du schaffst ein Drittel zum Gegner, was machst du jetzt?"
S: "na, ich renne nochmal zum Gegner"
SL: "Ok, du bist noch näher dran, was machst du jetzt?"

Du triffst deine Entscheidung und tust was, und so lange es nicht noch Regeln wie "Abwarten" gibt (was übrigens schon eine Entscheidung mehr ist), wird sich an der Situation nichts mehr ändern. Wenn aber jetzt jeder der 10 Teilnehmer beim Angreifen nochmal z.B. 4 Entscheidungen trifft, von denen viele die anderen Spieler betreffen, dann bis du vielleicht mit dem Angriff dran, aber weißt nicht mal, ob du am Ende deines Zuges nicht selbst als Getroffener aus deinem eigenen Spielzug gehst. Da kannst du irgendwann nur noch nach Gefühl spielen -> was auch die Absicht ist.

Ich kann jetzt nur ein Beispiel geben:
In dem Kampfsystem gibts auch Blickrichtung. Nach jeder Bewegung einer Figur darf jeder Spieler seine Figuren in eine andere Richtung drehen (ohne groß den SL um Erlaubnis zu fragen), falls seine Figur die Bewegung wahrgenommen hat. So wird z.B. backstabbing geregelt. D.h. wenn du dran bist, kannst du doch nicht mal sagen, wer am Ende wen angreifen kann (weil du an der Entscheidung gar nicht beteiligt bist).
 
Zuletzt bearbeitet:
S: "ich renne zum Gegner"
SL: "ok, du schaffst ein Drittel zum Gegner, was machst du jetzt?"
S: "na, ich renne nochmal zum Gegner"
SL: "Ok, du bist noch näher dran, was machst du jetzt?"
Das ist es, was mich an den meisten, wenn nicht gar allen, diesen klein-klein Kampfregelsystemen so ankotzt.
Eine Kampfsituation sollte spannend sein.
Nicht wie ein lahmarschiger Spaziergang auf der Flaniermeile.

Daher bevorzuge ich inzwischen zonen-basierte Bewegungsmechaniken, bei denen man eben gerade nicht dieses ätzende "Fang den Hut"-Brettspiel-Bewegen durchexerzieren muß.

In einer Kampfszene möchte ich KÄMPFEN, nicht spazieren gehen.
 
Ja, es gibt sehr viele sehr schlechte Kampfsysteme. Aber auch viele regelleichte, deswegen sehe ich erstmal kein Problem im Kleinklein. Es darf halt nur den Spielfluss nicht aufhalten.

Savage Worlds hatte das wieder genial gelöst, wo du mein Rennen ja zufällig 1W10 (?) zusätzliche Inches läufst (was ich im Kampf auf viel glaubwürdiger finde). Das ist selbst rennen spannend, weil du nicht mal planen kannst, wo du am Ende stehst.
 
Das ist es, was mich an den meisten, wenn nicht gar allen, diesen klein-klein Kampfregelsystemen so ankotzt.
Eine Kampfsituation sollte spannend sein.
Nicht wie ein lahmarschiger Spaziergang auf der Flaniermeile.

Zugegeben dreimal "ja, ich will wirklich weiter laufen" in Serie ist nicht gerade das beste Beispiel für eine spannende "Entscheidung".

Allerdings würde ich diese Aufteilung eher als Regelmechnismus sehen.
Die eigentliche Entscheidung liegt für mich eher bei der Frage "soll ich von A nach B laufen?" (selbst wenn das drei Runden dauert)

Drei Runden "Downtime" sind schon ein ordentlicher Kosten-Faktor, der bei der Abwägung von Vor- und Nachteilen ins Gewicht fallen kann.

Das Aufbrechen in drei (Pseudo-)Entscheidungen "bitte weiter laufen" ist da für mich eher ein Zugeständnis an den Spieler.
Du darfst Dich auch noch einmal umentscheiden - z.B. wenn während des Laufens etwas passiert, dass Dich den Plan "laufe von A nach B" ändern lässt.
 
Ich bin noch nicht ganz sicher, ob ich an der richtigen Stelle suche...

Bei einem 5 vs 5 Kampf gibt es ja schon bei der Aufteilung auf die Gegner viele Entscheidungsmöglichkeiten.

Eine Strategie könnte sein:
  • zu dritt gemeinsam auf den dicken Oger stürzen.
  • während zwei die vier Goblins in Schach halten.
Eine andere Strategie könnte sein:
  • einer lenkt den Oger ab.
  • während die anderen vier schnell die Goblins ausschalten.
Spontan kann ich da bei keinem System, das ich spiele sagen, von welchen Parametern es abhängt, welche Variante günstiger ist.
(ich vermute je nach Stats kann man das so hinbiegen, das Mal die eine Mal die andere Taktik statistisch günstiger ist)
Theoretisch kann man das sicher ausrechnen. Aber da es so viele Konstellationen von Gegnern und Stats gibt, wird sich da vermutlich keiner die Mühe machen, sondern die Entscheidung wie gewünscht eher nach Gefühl fällen.

Zudem ist bei dem Gedankenexperiment oben das "Setup" der Heldengruppe noch gar nicht mit einbezogen. Also die Frage Wie teilt sich die Gruppe auf die Gegner auf? Das liefert ja auch noch weitere Möglichkeiten.

Oder suche ich da auf einer zu hohen Ebene nach (taktischen) Entscheidungen?

Bei einem 1 vs 1 Kampf sehe ich die oben beschriebene "praktische Unberechenbarkeit" so noch nicht.
Aber vielleicht fehlt mir da auch einfach die Phantasie. :)
Primär schwirrt mir bei Kampf sofort etwas mit Lebenspunkte runter hauen im Kopf herum.

Die Komplexität bei Go resultiert ja z.B. daraus, dass man sehr viele Züge im Voraus planen muss.
Sprich: Man kann die Frage "was ist der günstigste Zug?" nicht damit lösen, dass man den nächsten Zug und seine direkte Auswirkung vom zukünftigen Spielgeschehen isoliert bewertet.

Bei einem klassischen haue die HP des Gegeners so schnell wie möglich runter Szenario greift das so nicht.
Da kann man jeden Zug vollkommen unabhängig von anderen Zügen bewerten und den wählen, der den meisten Schaden anrichtet.
Zugegeben es muss nicht ganz so gibt nicht ganz so drastisch aussehen. Es gibt ja auch Systeme, bei denen man die Möglichkeit hat Gegener au andere Art und Weise (Wunden, etc.) zu schwächen. Da kann es dann schon eine Überlegung wert sein, ob man den Gegener zunächst schwächen oder ihm direkt HP-Schaden zufügen will.
Von der Komplexität eines Kampfs mit mehreren Beteiligten und den Entscheidungsmöglichkeiten, die sich dabei bieten ist das aber noch immer sehr weit entfernt.
 
Das ist es, was mich an den meisten, wenn nicht gar allen, diesen klein-klein Kampfregelsystemen so ankotzt.
Eine Kampfsituation sollte spannend sein.
Nicht wie ein lahmarschiger Spaziergang auf der Flaniermeile.

Daher bevorzuge ich inzwischen zonen-basierte Bewegungsmechaniken, bei denen man eben gerade nicht dieses ätzende "Fang den Hut"-Brettspiel-Bewegen durchexerzieren muß.

In einer Kampfszene möchte ich KÄMPFEN, nicht spazieren gehen.
Was mich da anödet ist wenn viel für wenig gewürfelt wird. Also Angriff würfeln, Verteidigung würfeln, gegebenenfalls Schaden würfeln, alles eventuell noch mit anzurechnenden Modifikatoren, vorher vielleicht auch noch die Initiative, jedes mal pro Beteiligten bis zum Ende, je nach Verhältnis Schaden zu Lebenspunkten kann das dauern, für mich zumindest wird das recht schnell langweilig.
 
@mikyra: ich komme jetzt erst dazu, mich mit dem Post näher zu beschäftigen. Zunächst Disclaimer: es ist noch völlig unklar, ob ich in die richtige Richtung gehe, es kann auch komplett verkorksen. In 2 Wochen haben wir wieder ein Testspiel.

Es geht einfach nur daeum die Komplexität und den menschlichen Faktor zu erhöhen. Du kannst die Komplexität relativ leicht erhöhen, indem du Chaos hinzufügst. Würfeln ist kein Chaos, je mehr du würfelst, desto eher haste den Mittelwert. Ein tödliches System wäre anfällig für Chaos (also auch Einzelwürfe), aber das empfinden die meisten Spieler als ... unkontrollierbar und unfair. Die andere Möglichkeit ist eben, viele menschl. Entscheidungen einzubauen. Der Spieler hat dann zwar die "Kontrolle", aber die richtige Entscheidung ist nicht automatisch sichtbar (siehe Go).

d.h. Grundsätzlich meine ich es so: Je nach System hast du schon relativ schnell Standardtaktiken entwickelt, wie "Kill the mage first" oder "Tank stellt sich in Tür und zieht Schaden auf sich" und die spulst du dann immer wieder ab. Sowas gibt schon sehr viele Entscheidungen vor, auch bei deinem Beispiel mit den Goblins und dem Oger.

Doch egal wie komplex oder einfach du das Szenario aufbaust (5 gegen 5, 3 gegen 8, 1.000 gegen 1.300), man kann die Unvorhersehbarkeit relativ schnell explodieren lassen, in dem man die Spieler öfter entscheiden lässt. Aber man hat in den meisten RPG Systemen nicht genug Runden dafür (das wäre ja eine Lösung).
Aber sagen wir der Tank stellt sich wie immer in die Tür und der erste Goblin kommt, aber diesmal müssen bei jedem Treffer beide nacheinander eine Entscheidung treffen, die vom jeweils anderen abhängt, z. B. wieviel Ausdauer sie zur Verteidigung einsetzen wollen (obwohl sie noch gar nicht wissen,wer wen trifft). Ok, jetzt kann man sagen, hängt halt von der Ini ab, der Schnelle fängt an, aber was ist, wenn die Ini von der Entscheidung abhing, welche Kampfhaltung man einnimmt? Und was ist, wenn die Mehrheit an Ausdauer entscheided, ob jemand noch zusätzlich einen Trick ausführen darf (z.B. Entwaffnen oder Umwerfen), den man dann wieder wählen darf (also unabhängig davon, ob man getroffen werden wird) usw.

Oder sehe ich das falsch?
Der Trick ist ja nur, diese Entscheidungen (Kämpfe sind nur aus Entscheidungen aufgebaut, die Figur irgendjemanden angreifen zu lassen, ist auch eine) da zu mehren, wo sie nicht stören!

Das ist auch nichts Neues per se.
In Mythras zum Beispiel werden die Bewegungen pro Runde teilweise gedrittelt in 3 Phasen pro Runde (sofern ich die Kampfregeln verstehe, denn kein Mensch auf der Welt versteht wirklich die Kampfregeln von Mythras). Das heißt, du kannst drei mal pro Runde die Entscheidung treffen, wo du hingehen willst, normal wäre ja einmal. Das ist aber eine schlechte Regel, das sie den Spielablauf EXTREEEEM verkompliziert.

p.S. falls du Gloomhaven gespielt hast, das basiert auf einem ähnlichen Prinzip. Jeder Kämpfer kann jede Runde aus 2 von bis zu 10 Spielkarten (Manöver) wählen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Kürzlich hatten wir wieder einen Spieltest für ein selbstgemachtes Kampfsystem. Ein Bietmechanismus, bei dem jeder von zwei Duellanten eine Manöverressource einsetzen kann/muss bringt abseits von den Würfelwürfen (tolles Wort) das notwendige Maß Diffusivität rein, die ein schnelles "ausrechnen" der besten Option verhindern.

Aber das nur am Rande.

Es stellte sich die Frage, wie man einen glaubwürdigen Fantasykampf mit Schusswaffen (Wurfdolch, Bogen etc.) umsetzen kann, der nicht nur aus Würfeln -> Danebenschiessen -.> Nachladen -> GoTo1 besteht.

m.E. kann man die spannenden Entscheidungen nur VOR dem Schuss einbringen. Meine erste Idee ist ein Zeilenmanöver, welches aber die Bewegung verbraucht (es gibt 1 Bewegung und 1 Aktion pro Runde). Dies zwingt den Spieler z.b. zur Entscheidung, ob er schießen odernsih bewegen will.
Man könnte noch andere Vorbereitungen wie z.b. ein sih Fokussieren mit einer Willensprobe oder ähnliches machen. Im besten Falle könnte man sogar den Schuss auf 1-3 Runden ausdehnen und hat trotzdem interessante Entscheidungen. Allerdings muss das mit entsprechender Tödlichkeit des Schusses ausgeglichen werden.
 
Bogen etc.) umsetzen kann, der nicht nur aus Würfeln -> Danebenschiessen -.> Nachladen -> GoTo1
Als Bogenschütze kann ich sagen: genau so läuft das aber mit dem Bogen. Man schießt, trifft oder auch nicht, dann schießt man den nächsten Pfeil. Solange, bis einem die Pfeile ausgehen oder die Gegner - was auch immer früher passiert.

Gerade auch die Idee des "Zielens" mit einem Bogen ist schon irre - denn das impliziert eine "Gewehrperspektive", die beim Bogen nicht und noch viel weniger bei einer Schleuder angebracht ist.

Mit dem Gewehr und mit manchen Armbrüsten kann man tatsächlich zielen, sich wirklich mit etwas Zeit auf ein Ziel einstellen. Aber auch da gibt es allein anhand der vorliegenden Waffen schon Probleme, denn mit einer Brown Bess Muskete zielt man GAR NICHT. Man schießt in Formation in eine andere Formation und hofft irgendwas zu treffen und selbst nicht getroffen zu werden. Die Teile sind einfach scheiße. Mit einer Baker-Rifle geht das schon besser, aber auch das braucht entsprechendes Training, was Soldaten zur Napoleonischen Ära meist eh nicht hatten.

Das "Zielen" beim Bogenschießen, wenn man auf Scheibe oder bei der Jagd auf ein sehr nahes Ziel, an das man sich kompetent herangepirscht hat, schießt, erfolgt über die gesamte Körperhaltung. Man "weiß" (in etwa) wohin der Pfeil geht, wenn man so oder so steht, man so oder so den Rumpf hält. Das sind Erfahrungswerte. Aber man "zielt" nicht, auch nicht bei weiter entfernten Zielen oder beweglichen, denn man schießt aus dem ganzen Körper. Es ist die Erfahrung, es ist der "Schießen-Wurf", der über Treffen oder Verfehlen entscheidet.

Das moderne Sport-Bogenschießen ist weit, weit weg vom Verwenden eines kriegs- oder jagdtauglichen Bogens. Die technischen Gimmicks an modernen Bögen und die Materialien bzw. die gesamte Machart (Compound-Umlenkrollen) erlauben tatsächlich ein langsames Zielen bei ausgezogenem Bogen, was einen historischen Bogen einfach ruinieren würde. Da brechen einem die Fasern aus dem Langbogen heraus, wenn man den zu lange ausgezogen hält.

Zielen ist ein Mythos.

Man schießt und trifft - oder auch nicht. Gezielt wird mit anderen Waffen.

(Das gilt auch für den Nahkampf mit Schwertern und anderen Nahkampfwaffen. Auch da "zielt" man nicht, sondern man KÄMPFT, und dann ergibt sich aus der Gesamtkonstellation, eigener Haltung, eigenem Moment, gegnerischer Haltung, generischen Moments ab und an eine Gelegenheit z.B. die Waffenhand abzuschneiden oder in den Hals zu stechen etc. - Aber wenn einen ein Gegner umbringen will, dann geht man nicht in einen Kampf und nimmt sich vor irgend einen "Called Shot" zu machen. Das klappt nicht, bringt einen dafür um. - Auch hier ist es die Erfahrung, die einen in dem Moment, wo der Gegner etwas tut, sofort ganzheitlich wahrnehmen läßt, wie dessen Lage und Dynamik ist. Und das erlaubt einem dies auszunutzen. - Nicht umsonst ist in alten Fechtbüchern oft dem Thema "Urteilskraft" des Fechters Raum gewidmet, denn das ist enorm wichtig. )
 
Ich versuche mich nur auf muskelbetriebene Fernkampfwaffen zu beschränken (+ sowas wie Armbrüste). Schießpulverwaffen sind natürlich nochmal eine ganz eigene Dose Würmer.

@Zielen: Das ist interessant. Deckt sich mit meiner Recherche. Ohne jetzt darüber zu diskutieren, was man unter dem Wort "zielen" versteht (oder jedes andere Wort in diesem Post), wäre mein Vorschlag ja das phrasing umzudrehen, dass man NIE ohne Zielen schießt (so hatte ich das bislang auch in meinen eigenen Spielregeln man schießt halt immer so gut, wie man kann und im Nahkampf gibts das auch nicht). Das Zielen ist das Auswählen eines Aufschlagpunkts oder Richtung. Warum sollte man auch irgendwo hinschießen, ohne sich für eine Richtung zu entscheiden? Als Abkürzung verwende ich hier das Wort "zielen".
Um meinen (nörgelnden) Spielern aber entgegenzukommen, überlegte ich das Zielen eben als Bewegung (aka: "mit dem ganzen Körper") einzubringen, so dass man sich dann nicht weit bewegen kann (was auch spieltaktisch interessanter ist).

Feuerraten scheinen mir meist von RPGs ignoriert zu werden, entweder schießen z.B. Bögen zu schnell oder zu langsam. Die Regeln, die ich nutze haben sehr kurze Runden, 1,5 sek. eine GURPS Runde wäre sogar 1 Sek. Das kommt mir schon sehr schnell vor für die meisten Schusswaffen, wenn man versucht, etwas bestimmtes zu treffen. Jedoch dürfte streng genommen mehr passieren in dem ganzen Ablauf des Schießens. Theoretisch passiert auch mehr, wenn ich einen Füller aufs Papier setze, als nur "schreiben". Man könnte z.B. versuchen Teilaspekte so einer Prozedur spielerisch interessanter zu machen, um eine niedrigere Feuerrate (als 1 mal pro SEKUNDE) spannend zu machen (nur wie? und welche?).

Die Probleme im Rollenspielfernkampf sind ja meistens die Rüstung des Gegners und der Schaden des Bogens, die sich so nicht umsetzen lassen. i.d.R. umgehen die Spiele das Problem damit, aus jeder Fernkampfwaffe einfach eine "Nahkampfwaffe mit Reichweite" zu machen, D&D z.B., deswegen ist der Schaden und die Wirkung gegen Rüstung auch meist ähnlich (unrealistisch), wenn nicht identisch.
Den Gegner "nicht rankommen" lassen zu müssen - was einige Spieler ja gerne so hätten - kann man ja nur durch hohe Trefferchance, hohe Reichweite und sehr hohen Schaden ausgleichen. Dadurch würde jedoch jede Nahkampfwaffe obsolet werden.

Insgesamt finde ich es SEHR schwierig Fernkmapf und Nahkampf spielerisch gleich interessant und nutzbar zu machen. Ich habe grundsätzlich kein Problem damit, wenn ein Schütze auf einem Feld auf 30 m Entfernung vor einem gut Gerüsteten einfach weglaufen muss, aber so stellen sich wenige ihren Fernkampf vor.
Wie siehst du das?
 
Zuletzt bearbeitet:
Als Gelegenheitsbogenschütze habe ich meinen eigenen Erfahrungswert. Wenn der Bogen gespannt ist. Ist die erste Handlung einen Pfeil zu nehmen und anzulegen. dauert 2-3 Sekunden. Wer es kann macht es bestimmt schneller. Zu dem Zeitpunkt denke ich wohin ich schießen will, und spanne den Bogen und richte ihn fürs Ziel aus. Danach lasse ich den Pfeil fliegen. Für einen schnellen Schuss würde ich damit insgesamt 6 Sekunden brauchen.

In der Zeit könnte ein Nahkämpfer aus 50 Metern mich erreichen. Ich selber würde aber über 20 Meter schon nicht mehr treffen.

Als Bogenschütze braucht man entweder einen Nahkämpfer hinter dem man sich verstecken kann. Oder einen Hinterhalt , für einen überraschenden Schuß. Mit dem Bonus, das ein gerüsteter Kämpfer langsamer ist, und ich nach genau einen Schuss ich die Beine in die Hand nehmen muss
 
Für einen schnellen Schuss würde ich damit insgesamt 6 Sekunden brauchen.

In der Zeit könnte ein Nahkämpfer aus 50 Metern mich erreichen.
10 Schuß in einer Minute bekomme ich auch trotz recht wenig Übung hin. Wie gut die dann ein Ziel treffen, das ist noch eine andere Frage, aber Bogen als Kriegswaffe muß natürlich nicht auf einzelne Ziele wie beim Scheibenschießen oder beim Jagen eingesetzt werden, sondern man kann in die Masse der Gegner schießen.

50 Meter mit normalen Straßenschuhen auf festem Boden sind eine Sache, 50 Meter mit mittelalterlichem Schuhwerk, d.h. SEHR glatten Sohlen, in einem Acker oder über eine feuchte Wiese - das dauert. Das dauert so lange, daß man gleich mehrere Schüsse einstecken muß, um in Nahkampfdistanz zu kommen - siehe Agincourt.
 
Die Regeln, die ich nutze haben sehr kurze Runden, 1,5 sek. eine GURPS Runde wäre sogar 1 Sek. Das kommt mir schon sehr schnell vor für die meisten Schusswaffen, wenn man versucht, etwas bestimmtes zu treffen
In Aces&Eights, dem Western-Rollenspiel, gibt es zwei Tick-Leisten mit 0,1-Sekunden-Ticks. Eine für die Handlungen mit der Feuerwaffe, die andere für Bewegung, weil man ja auch gehen und dabei schießen könnte. Das ist das BEKLOPPTESTE und gleichzeitig UNREALISTISCHSTE Kampfsystem, das mir je untergekommen ist.
Da wird versucht in immer kleinerer Auflösung etwas simulativ zu modellieren, bei dem schon die Grundannahmen komplett falsch sind.
Das ganze ist dann noch kombiniert mit einer extrem kleinteiligen Tick-Leisten-Abwicklung (Anheben des Waffenarms vor dem Feuern. 1 Tick, tut man das nicht, dann ist der Schuß "aus der Hüfte" schwieriger, trifft man daneben, dann muß der Nichtgetroffene eventuell einen "Flinching"-Widerstandswurf machen, um zu sehen, ob er zurückzuckt und Ticks verliert usw. * seufz * ).
Heraus kamen, und ich habe das tatsächlich gespielt, weil ich bei Western-Rollenspielen nicht nein sagen kann, die LANGWEILIGSTEN und UNPLAUSIBELSTEN Kampfszenen, die ich je in einem Rollenspiel erlebt habe.

Mehr Details sind der Weg in den Wahnsinn, aber keiner, um einen Kampf INTERESSANTER zu gestalten.
 
ie Probleme im Rollenspielfernkampf sind ja meistens die Rüstung des Gegners und der Schaden des Bogens, die sich so nicht umsetzen lassen.
Das sind doch dieselben Probleme, die auch im Nahkampf bestehen.
Eine Rüstung absorbiert normalerweise so gut wie ALLEN Schaden, daher machen Rüstungen einen schwerer zu Treffen.
Ich hatte bisher nur in Kettenhemden Harnischfechterfahrung sammeln können - man kommt sich vor wie Superman, weil man weder vor Schnitten noch vor Stichen (selbst mit Speeren!) Angst haben muß, wenn man ein historisch korrekt gefertigtes Kettenhemd trägt (keine LARP-Scheiße).
Selbst Hiebe werden vom Unterzeug gut abgepolstert.
Was eigentlich ALLE Kampfregelsysteme ignorieren: man geht mit einem Treffer mit. Durch Abdrehen, Lehnen, Beugen, halben Schritt usw. nimmt man jede Menge Wucht aus dem Treffer. Das ist auch im Waffenlosen, gerade im Boxen, enorm wichtig. Aber Meidbewegungen und Mitgehen mit der Kraft eines Angriffs macht man auch im Harnischkampf.
Die falscheste Art Rüstungen umzusetzen ist die der Schadensreduktion. Das ist einfach Unsinn.

Aber das fängt ja schon mit den Schadensmodellen an. Trefferpunkte - das geht gar nicht. "Wunden" geht auch nicht. Verletzungen, die müßten erst einmal sauber abgebildet werden, was den Effekt anbetrifft. Tritt ins Knie - wie wirkt sich das auf die Bewegung, auf Angriffs- und Meidbewegungen aus? Stich in die Schulter - wie wirkt sich das auf die Armbeweglichkeit aus, auf Angriffs- und Abwehrbewegungen? Schmerzen - wie ist die Schmerztoleranz des Einzelnen - manche historisch belegte Kämpfer konnten eine brutale Behandlung mental überstehen und trotzdem weiterkämpfen, während andere psychisch zusammenbrachen und obschon kaum verletzt kampfunfähig wurden. Wie wird das denn im Kampfsystem modelliert?

Wenn man einmal anfängt sich mit Kampf, waffenlos, bewaffnet, auf Reichweite, auseinanderzusetzen, dann merkt man, daß man ein wirklich simulatives Abbild dessen GAR NICHT WILL.

Warum?

Weil man weder als Spieler und noch weniger als Spielleiter das NICHT ERTRAGEN KÖNNTE!

Das wird einfach zu vielschichtig mit zu viel Gleichzeitigkeit, zu vielen Variablen - und dabei noch UNSPANNEND:

Wer Rollenspiele spielt, der möchte Kämpfe, die UNTERHALTEN.

Reale Kämpfe unterhalten nicht, sie verstümmeln und töten. Die Kämpfer machen sich in die Hosen, sie sehen vor Schmerzen durch tränende Augen. Sie sehen ihre Hand am Boden liegen, die ihnen abgehackt wurde. Sie sehen ihren Bruder, der direkt neben ihnen massakriert wird und um Hilfe schreit, während ihm das Gedärm mit einem Bill-Hook aus dem Leib gerissen wird.

Na? Unterhaltend genug?

Wer so etwas spielen möchte, der steht auf "Snuff-Porn".

Das ist nur etwas für "sehr speziellen Geschmack".

Nicht meiner.

Ich mag Kampfregeln, die mir überkandidelte cinematische Action "wie im Film" ermöglichen. Wie man mit den Waffen tatsächlich umgeht, das weiß ich und das trainiere ich in meinen anderen Hobbys. Im Rollenspiel darf es viel sauberer, spannender, unterhaltender und sogar lustiger zugehen, denn das reale Leben ist hart genug, so hart, daß ich nicht auch noch "Realismus" zum Runterziehen meiner Laune im Hobby brauche.
 
Tatsächlich hast du das Wort Realismus nach meinem Post #69 eingebracht. Das und die Grenzen dessen lässt sich sicher gut in einem separaten Thread diskutieren.

Faktisch sind für mich, wie beschrieben, spannende und taktische Entscheidungen interessant. Dieses schwurbelige "ich erzähl mir irgendwelche Vorteile herbei" mag ich nicht so.
Man könnte theoretisch bei so kurzen Runden das Pfeilanlegen etc. "zelebrieren", aber dann müsste man es auch regeltechnisch interessant (und fair) machen.

Eure Zeitangaben beim Schießen passen sehr gut zu diesem Beispiel, was ich mal abgespeichert hatte mit einem englischen Langbogen:



Er braucht da 4,5 Sekunden und ist sicher nicht der fitteste. Ist natürlich keine Kampfsituation aber man sieht, dass auf der Entfernung die Genauigkeit schon... ineffizient ist gegen ein einzelnes Ziel.

GURPS z.b. braucht mit Zielen und Nachladen mit Langbogen übrigens auch 4 sek. Der Schaden wurde von den Designern im Vergleich zu den Nahkampfwaffen sehr hoch gesetzt (ich weiss auch warum), und trotzdem würde in diesen Regeln der Fernkämpfer immer den kürzeren ziehen.
Was nicht ganz richtig ist: der Nahkämpfer würde ihn LOCKER erreichen, würde aber vrmtl. einen Pfeil kassieren, der alles oder nichts bewirken kann.


Ps.
Er benutzt im Video übrigens das Wort Aim, also Zielen. Da es da scheinbar Missverständnisse gibt, was man landläufig darunter versteht: damit ist das Zielen gemeint wie ich es oben definiert habe.
 
50 Meter mit normalen Straßenschuhen auf festem Boden sind eine Sache, 50 Meter mit mittelalterlichem Schuhwerk, d.h. SEHR glatten Sohlen, in einem Acker oder über eine feuchte Wiese - das dauert. Das dauert so lange, daß man gleich mehrere Schüsse einstecken muß, um in Nahkampfdistanz zu kommen - siehe Agincourt.
Auf dem nächsten Lager, kannst du mal in normaler Kleidung gegen einen Gerüsteten Laufen. Ich wette du bist überrascht wie schnell der am Ende ist. Unter 20 Sekunden auf 100 Meter durchs Gelände
 
Ich wette du bist überrascht wie schnell der am Ende ist
Nein, ich bin ganz und gar nicht überrascht, wie schnell man auch mit historisch akkuratem Schuhwerk auf gutem Boden laufen kann.
Aber, wie das Beispiel Agincourt zeigt, auf einem gestern gepflügten Acker auf den es auch noch geregnet hat, mit Schuhwerk ohne "Griff", das sind dann keine 20 Sekunden für 100 Meter.
 
detailsensiblen RPGs abgedeckt über "schwieriges Gelände"
Und auch da hapert es gewaltig an Anspruch und Wirklichkeit der Umsetzung.
Es macht nämlich schon einen gehörigen Unterschied, ob man mit einer absatzlosen, glatten Ledersohle über feuchte Wiese oder gar einen Acker geht, oder ob man das in genagelten römischen Legionärssandalen tut. - Welches Rollenspiel bildet denn Schuhwerk irgendwie in diesem Detailgrad ab, der tatsächlich einen Unterschied macht?

Die meisten Fantasy-Rollenspiele gehen eh davon aus, daß die SCs mit einer Fantasy-Version von Biker Leather plus Springerstiefeln rumrennen.
Das findet sich leider auch in vielen sich als "historisch" gebenden Verfilmungen (gerade diese unsägliche Musketier-Serie mit den Biker Leather tragenden Versagern liegt mir noch nach Jahren schwer im Magen).

Wenn man taktische Entscheidungen im Rollenspiel treffen will, dann kann man einen Gegner z.B. in einem Musketier-Rollenspiel im Degenduell auf eine nasse Stelle des Kopfsteinpflasters der französischen Gasse drängen - das ist dann nicht einfach "schwieriges Terrain", sondern "erhöhtes Risiko auszugleiten", was man eventuell vermeiden kann oder auch nicht.
Das Anrennen über einen frisch beregneten gepflügten Acker, das läßt sich nicht vermeiden, da muß man dann durch.
Beides wird in vielen Rollenspielen entweder gar nicht oder gleichartig behandelt.

Es gibt KEINE taktische Entscheidung ohne die Umgebung, das Terrain, die Lichtverhältnisse, die Truppen/Gruppenstärke, Bewaffnung, etc. - das ist somit nicht mit einfachen "Kampfmanövern" getan. Da kann man sich die Kampfmanöver genauso gut herbei erzählen.
 
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