Brainstorming Taktische Entscheidungen in RPG-Kampfsystemen

Die Idee war folgende: Der Kampf soll nicht ohne weiteres ausrechenbar sein, was einem taktische Optionen rauben würde.
Anstatt aber nun auf reines Würfelglück zu setzen (was ja auch ausrechenbar ist), soll das Ergebnis durch möglichst viele kleine Spielerentscheidungen sozusagen iterativ verfolgt werden. Vergleichbar z. B. mit Go.
Das klingt interessant. :)
Ich glaube so ganz vorstellen kann ich mir das doch nicht...

Ganz naiv hätte ich jetzt erst einmal gesagt, dass bereits die Koordinierung der Aktionen der Charaktere (z.B. "die Barbarin versucht möglichst viele Monster zu binden, um dem Zauberer den Rücken frei zu halten.") so viele taktische Optionen bietet, dass man einen Kampf mit mehreren Beteiligten nicht "ausrechnen" kann.

Also "ausrechnen" im Sinne von "die unter statistischen Gesichtspunkten günstigste Zugfolge bestimmen".
Oder habe ich das "ausrechnen" jetzt falsch interpretiert?

Bei Duellen hingegen, da stelle ich mir das richtig schwierig vor.
Kann man auch die bei dem Kampfsystem nicht "ausrechnen"?
 
Eine reine 1 vs. 1 Aufstellung muss man auch testen. Da du eine Ressourcen hast, die du zum Kämpfen einsetzen kannst, aber auch ein Gebot abgegeben MUSST, würde ich sagen dass auch Duelle nur schwierig einschätzbar sind. Woher willst du auch wissen, wieviel dein Gegner bereit ist, einzusetzen?

Die Regeln hier abzutippen wäre in jedem Fall zu umfangreich, da wir auch beim Experimentieren sind und sich alles ändert (und auch im Mülleimer landen kann). Im Grunde gehts nur darun die Komplexität zu erhöhen (und ich meine nicht die Regelkomplexität).

Ausrechenbar meine ich auch nur theoretisch. Man kann aber oft gut abschätzen, "was man als Sinnvollstes tun kann". In den meisten RPG Kämpfen ist relativ schnell klar, was du tun musst, um zu gewinnen. Insbesondere bei Kampfsystemen, wo man große Mengen von Lebenspunkten abtragen muss, ist relativ schnell klar, wer gewinnt, je länger der Kampf dauert und da kannste dann auch nix dran ändern.
Meistens lautet die beste Antwort "hinlaufen und draufhauen". Deswegen tun sich viele RPGs auch so schwer, ihre anderen Kampfoptionen, die keinen Schaden machen (z.B. Entwaffnen), gleichwertig zu machen. Einzige seltene Ausnahme ist vielleicht Savage Worlds, wo sie das bewundernswert hinkriegen. Dort kannst du selbst als Sozialcharaktere sinnvolle Beiträge im Kampf leisten.

Die Sache ist eben, dass jede zusätzliche Entscheidung auch zusätzliche Fehler bedeutet, auch irrationale Entscheidungen. Und das kann man eben irgendwann nicht mehr abschätzen. Wichtig zu verstehen ist, das ich nicht OPTIONEN meine, sondern Entscheidungen. Du kannst einen sehr komplexen Kampf haben mit nur zwei Optionen (Kämpfen oder Weglaufen), und es ist die Anzahl der Entscheidungen, die die Komplexität bringt. Go kombiniert das natürlich, du hast viele Optionen und viele Entscheidungen (stell dir vor du spielst Go, aber jetzt legt nur einen Stein, dann ist ziemlich schnell klar, was der beste Zug ist, obwohl du 100 und mehr Optionen hast.)

Du sagst völlig richtig, wenn man z.B. 5 vs 5 kämpft - jeder ist einmal dran, das sind 10 Entscheidungen, schön nach Ini-Reihenfolge - das ist schon recht komplex. Aber auch nicht unmöglich abzuschätzen.
Wobei viele dieser Entscheidungen oft auch nix als reine Feigenblätter sind und auch nichts bewirken:
S: "ich renne zum Gegner"
SL: "ok, du schaffst ein Drittel zum Gegner, was machst du jetzt?"
S: "na, ich renne nochmal zum Gegner"
SL: "Ok, du bist noch näher dran, was machst du jetzt?"

Du triffst deine Entscheidung und tust was, und so lange es nicht noch Regeln wie "Abwarten" gibt (was übrigens schon eine Entscheidung mehr ist), wird sich an der Situation nichts mehr ändern. Wenn aber jetzt jeder der 10 Teilnehmer beim Angreifen nochmal z.B. 4 Entscheidungen trifft, von denen viele die anderen Spieler betreffen, dann bis du vielleicht mit dem Angriff dran, aber weißt nicht mal, ob du am Ende deines Zuges nicht selbst als Getroffener aus deinem eigenen Spielzug gehst. Da kannst du irgendwann nur noch nach Gefühl spielen -> was auch die Absicht ist.

Ich kann jetzt nur ein Beispiel geben:
In dem Kampfsystem gibts auch Blickrichtung. Nach jeder Bewegung einer Figur darf jeder Spieler seine Figuren in eine andere Richtung drehen (ohne groß den SL um Erlaubnis zu fragen), falls seine Figur die Bewegung wahrgenommen hat. So wird z.B. backstabbing geregelt. D.h. wenn du dran bist, kannst du doch nicht mal sagen, wer am Ende wen angreifen kann (weil du an der Entscheidung gar nicht beteiligt bist).
 
Zuletzt bearbeitet:
S: "ich renne zum Gegner"
SL: "ok, du schaffst ein Drittel zum Gegner, was machst du jetzt?"
S: "na, ich renne nochmal zum Gegner"
SL: "Ok, du bist noch näher dran, was machst du jetzt?"
Das ist es, was mich an den meisten, wenn nicht gar allen, diesen klein-klein Kampfregelsystemen so ankotzt.
Eine Kampfsituation sollte spannend sein.
Nicht wie ein lahmarschiger Spaziergang auf der Flaniermeile.

Daher bevorzuge ich inzwischen zonen-basierte Bewegungsmechaniken, bei denen man eben gerade nicht dieses ätzende "Fang den Hut"-Brettspiel-Bewegen durchexerzieren muß.

In einer Kampfszene möchte ich KÄMPFEN, nicht spazieren gehen.
 
Ja, es gibt sehr viele sehr schlechte Kampfsysteme. Aber auch viele regelleichte, deswegen sehe ich erstmal kein Problem im Kleinklein. Es darf halt nur den Spielfluss nicht aufhalten.

Savage Worlds hatte das wieder genial gelöst, wo du mein Rennen ja zufällig 1W10 (?) zusätzliche Inches läufst (was ich im Kampf auf viel glaubwürdiger finde). Das ist selbst rennen spannend, weil du nicht mal planen kannst, wo du am Ende stehst.
 
Das ist es, was mich an den meisten, wenn nicht gar allen, diesen klein-klein Kampfregelsystemen so ankotzt.
Eine Kampfsituation sollte spannend sein.
Nicht wie ein lahmarschiger Spaziergang auf der Flaniermeile.

Zugegeben dreimal "ja, ich will wirklich weiter laufen" in Serie ist nicht gerade das beste Beispiel für eine spannende "Entscheidung".

Allerdings würde ich diese Aufteilung eher als Regelmechnismus sehen.
Die eigentliche Entscheidung liegt für mich eher bei der Frage "soll ich von A nach B laufen?" (selbst wenn das drei Runden dauert)

Drei Runden "Downtime" sind schon ein ordentlicher Kosten-Faktor, der bei der Abwägung von Vor- und Nachteilen ins Gewicht fallen kann.

Das Aufbrechen in drei (Pseudo-)Entscheidungen "bitte weiter laufen" ist da für mich eher ein Zugeständnis an den Spieler.
Du darfst Dich auch noch einmal umentscheiden - z.B. wenn während des Laufens etwas passiert, dass Dich den Plan "laufe von A nach B" ändern lässt.
 
Ich bin noch nicht ganz sicher, ob ich an der richtigen Stelle suche...

Bei einem 5 vs 5 Kampf gibt es ja schon bei der Aufteilung auf die Gegner viele Entscheidungsmöglichkeiten.

Eine Strategie könnte sein:
  • zu dritt gemeinsam auf den dicken Oger stürzen.
  • während zwei die vier Goblins in Schach halten.
Eine andere Strategie könnte sein:
  • einer lenkt den Oger ab.
  • während die anderen vier schnell die Goblins ausschalten.
Spontan kann ich da bei keinem System, das ich spiele sagen, von welchen Parametern es abhängt, welche Variante günstiger ist.
(ich vermute je nach Stats kann man das so hinbiegen, das Mal die eine Mal die andere Taktik statistisch günstiger ist)
Theoretisch kann man das sicher ausrechnen. Aber da es so viele Konstellationen von Gegnern und Stats gibt, wird sich da vermutlich keiner die Mühe machen, sondern die Entscheidung wie gewünscht eher nach Gefühl fällen.

Zudem ist bei dem Gedankenexperiment oben das "Setup" der Heldengruppe noch gar nicht mit einbezogen. Also die Frage Wie teilt sich die Gruppe auf die Gegner auf? Das liefert ja auch noch weitere Möglichkeiten.

Oder suche ich da auf einer zu hohen Ebene nach (taktischen) Entscheidungen?

Bei einem 1 vs 1 Kampf sehe ich die oben beschriebene "praktische Unberechenbarkeit" so noch nicht.
Aber vielleicht fehlt mir da auch einfach die Phantasie. :)
Primär schwirrt mir bei Kampf sofort etwas mit Lebenspunkte runter hauen im Kopf herum.

Die Komplexität bei Go resultiert ja z.B. daraus, dass man sehr viele Züge im Voraus planen muss.
Sprich: Man kann die Frage "was ist der günstigste Zug?" nicht damit lösen, dass man den nächsten Zug und seine direkte Auswirkung vom zukünftigen Spielgeschehen isoliert bewertet.

Bei einem klassischen haue die HP des Gegeners so schnell wie möglich runter Szenario greift das so nicht.
Da kann man jeden Zug vollkommen unabhängig von anderen Zügen bewerten und den wählen, der den meisten Schaden anrichtet.
Zugegeben es muss nicht ganz so gibt nicht ganz so drastisch aussehen. Es gibt ja auch Systeme, bei denen man die Möglichkeit hat Gegener au andere Art und Weise (Wunden, etc.) zu schwächen. Da kann es dann schon eine Überlegung wert sein, ob man den Gegener zunächst schwächen oder ihm direkt HP-Schaden zufügen will.
Von der Komplexität eines Kampfs mit mehreren Beteiligten und den Entscheidungsmöglichkeiten, die sich dabei bieten ist das aber noch immer sehr weit entfernt.
 
Das ist es, was mich an den meisten, wenn nicht gar allen, diesen klein-klein Kampfregelsystemen so ankotzt.
Eine Kampfsituation sollte spannend sein.
Nicht wie ein lahmarschiger Spaziergang auf der Flaniermeile.

Daher bevorzuge ich inzwischen zonen-basierte Bewegungsmechaniken, bei denen man eben gerade nicht dieses ätzende "Fang den Hut"-Brettspiel-Bewegen durchexerzieren muß.

In einer Kampfszene möchte ich KÄMPFEN, nicht spazieren gehen.
Was mich da anödet ist wenn viel für wenig gewürfelt wird. Also Angriff würfeln, Verteidigung würfeln, gegebenenfalls Schaden würfeln, alles eventuell noch mit anzurechnenden Modifikatoren, vorher vielleicht auch noch die Initiative, jedes mal pro Beteiligten bis zum Ende, je nach Verhältnis Schaden zu Lebenspunkten kann das dauern, für mich zumindest wird das recht schnell langweilig.
 
@mikyra: ich komme jetzt erst dazu, mich mit dem Post näher zu beschäftigen. Zunächst Disclaimer: es ist noch völlig unklar, ob ich in die richtige Richtung gehe, es kann auch komplett verkorksen. In 2 Wochen haben wir wieder ein Testspiel.

Es geht einfach nur daeum die Komplexität und den menschlichen Faktor zu erhöhen. Du kannst die Komplexität relativ leicht erhöhen, indem du Chaos hinzufügst. Würfeln ist kein Chaos, je mehr du würfelst, desto eher haste den Mittelwert. Ein tödliches System wäre anfällig für Chaos (also auch Einzelwürfe), aber das empfinden die meisten Spieler als ... unkontrollierbar und unfair. Die andere Möglichkeit ist eben, viele menschl. Entscheidungen einzubauen. Der Spieler hat dann zwar die "Kontrolle", aber die richtige Entscheidung ist nicht automatisch sichtbar (siehe Go).

d.h. Grundsätzlich meine ich es so: Je nach System hast du schon relativ schnell Standardtaktiken entwickelt, wie "Kill the mage first" oder "Tank stellt sich in Tür und zieht Schaden auf sich" und die spulst du dann immer wieder ab. Sowas gibt schon sehr viele Entscheidungen vor, auch bei deinem Beispiel mit den Goblins und dem Oger.

Doch egal wie komplex oder einfach du das Szenario aufbaust (5 gegen 5, 3 gegen 8, 1.000 gegen 1.300), man kann die Unvorhersehbarkeit relativ schnell explodieren lassen, in dem man die Spieler öfter entscheiden lässt. Aber man hat in den meisten RPG Systemen nicht genug Runden dafür (das wäre ja eine Lösung).
Aber sagen wir der Tank stellt sich wie immer in die Tür und der erste Goblin kommt, aber diesmal müssen bei jedem Treffer beide nacheinander eine Entscheidung treffen, die vom jeweils anderen abhängt, z. B. wieviel Ausdauer sie zur Verteidigung einsetzen wollen (obwohl sie noch gar nicht wissen,wer wen trifft). Ok, jetzt kann man sagen, hängt halt von der Ini ab, der Schnelle fängt an, aber was ist, wenn die Ini von der Entscheidung abhing, welche Kampfhaltung man einnimmt? Und was ist, wenn die Mehrheit an Ausdauer entscheided, ob jemand noch zusätzlich einen Trick ausführen darf (z.B. Entwaffnen oder Umwerfen), den man dann wieder wählen darf (also unabhängig davon, ob man getroffen werden wird) usw.

Oder sehe ich das falsch?
Der Trick ist ja nur, diese Entscheidungen (Kämpfe sind nur aus Entscheidungen aufgebaut, die Figur irgendjemanden angreifen zu lassen, ist auch eine) da zu mehren, wo sie nicht stören!

Das ist auch nichts Neues per se.
In Mythras zum Beispiel werden die Bewegungen pro Runde teilweise gedrittelt in 3 Phasen pro Runde (sofern ich die Kampfregeln verstehe, denn kein Mensch auf der Welt versteht wirklich die Kampfregeln von Mythras). Das heißt, du kannst drei mal pro Runde die Entscheidung treffen, wo du hingehen willst, normal wäre ja einmal. Das ist aber eine schlechte Regel, das sie den Spielablauf EXTREEEEM verkompliziert.

p.S. falls du Gloomhaven gespielt hast, das basiert auf einem ähnlichen Prinzip. Jeder Kämpfer kann jede Runde aus 2 von bis zu 10 Spielkarten (Manöver) wählen.
 
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