harekrishnaharerama
Geist
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- 4. Juni 2007
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6 Uhr früh. Die U-Bahn ratterte in ihrem alltäglichen Rhythmus Downtown. Jedoch waren die Waggons voller als sonst, denn es war Black Friday. Viele Fahrgäste waren verschlafen. Gemischte Gerüche über Putzmittel, Alkohol, Parfüm, Kaffee und körperlichen Ausdünstungen machten die Runde. Nachdem es immer voller wurde, entluden sich die Waggons in den Einkaufsstraßen fast vollständig. Langsam flossen die Menschentrauben die Treppen hinauf in das Freie, um die großen Warenhäuser zu umfluten, Stunden bevor sie aufmachen würden. Hier ist in der Schlange stehen eine Ehrenpflicht jedes Käufers und stellt gleichzeitig auch einen Rang dar, den man nur höchst ungerne aufgibt. Konkurrenz gebietet man auf diese Weise schon im Vorfeld Einhalt. Hier stand auch ein junger Mann, nennen wir ihn T.J. T.J hatte einen ungewöhnlicheren Tag als die anderen Käufer, aber das soll er uns selber erzählen.
T.J.
Der junge Mann richtete sich in seinem Bett auf und begann mit einer angeschlagenen Stimme zu erzählen:
Mr. K.
Mr. K. ist der Vater des Jungen, der T.J. überfallen hatte. Er ist ein verheirateter Mann mittleren Alters. Nach mehrmaliger Nachfrage fängt er an, die Dinge aus seiner Sicht zu schildern. Er wirkt konzentriert, will es hinter sich bringen. Jedoch ist ihm die Situation deutlich unangenehm:
Durch die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten nimmt die Polizei immer mehr solcher Straftaten wahr. Die Bürger scheinen zunehmend gewaltbereiter zu werden und lassen sich selbst durch Kleinigkeiten reizen. Die Behörden stehen vor einem Rätsel. Weitere Analysen der Statistik müssen erst noch zeigen, in welchem genauen Zusammenhang der Anstieg der Gewalt unter der Bevölkerung steht.
T.J.
Der junge Mann richtete sich in seinem Bett auf und begann mit einer angeschlagenen Stimme zu erzählen:
“Es war alles wie immer. Ich wartete halt mit den anderen in der Schlange eine ganze Weile. Manche hatten sich sogar Klappstühle und Decken mitgebracht. Ich muß zugeben, ich begann auch ein wenig zu frieren, als sich durch das Geschrei das Öffnen der Tore ankündigte. Mir war als Schnäppchenjäger klar, daß ich nur ganz bestimmte Stellen anlaufen würde. Ich hatte diese schon vorher angeschaut, mich über den Weg und das Gelände schlau gemacht, um möglichst schnell an die begehrten Objekte zu gelangen. Schließlich waren da diese Kartons, halb versteckt, die ich mir genauer ansah. Dort fand ich zufällig genau meine Boots, die oben auf dem Tisch schon vergriffen waren. Ich nahm diese und noch ein paar andere Sachen mit, um sie an der Kasse zu bezahlen. Dort viel mir dieser Strich auf den Schuhen auf und ich wollte das Reklamieren oder zumindest einen besseren Preis bekommen. Es gab ein riesiges Gestänker, weil die anderen Kunden keine Zeit hatten. Dann hatte ich schließlich meinen Nachlass und bin raus. Nochmal 25%. Zuhause würde ich probieren den Strich mit Terpentinersatz wieder weg zu bekommen, dachte ich mir. Auf dem Weg begegnete mir dann dieser Typ, der wollte SEINE Boots zurück, die ich ihm geklaut hätte. Er hätte sich diese zurückgelegt. Er wollte mir auch den Preis zahlen. Ich wollte aber nicht. Da ist der Typ voll ausgerastet, hat mich geschubst und ich falle mit dem Hinterkopf voll auf das Pflaster. War ganz benommen. In der Zeit krallt er sich die Dinger und rennt weg. Gott sei Dank hat jemand das auf seinem Handy mitgefilmt und so konnte der Typ ermittelt werden. Aber trotzdem schon scheiße im Krankenhaus zu landen. Die Wunde mußte genäht werden und ich muß eine Nacht hier bleiben, wegen Gehirnerschütterung und so.”
Mr. K.
Mr. K. ist der Vater des Jungen, der T.J. überfallen hatte. Er ist ein verheirateter Mann mittleren Alters. Nach mehrmaliger Nachfrage fängt er an, die Dinge aus seiner Sicht zu schildern. Er wirkt konzentriert, will es hinter sich bringen. Jedoch ist ihm die Situation deutlich unangenehm:
“Meine Frau und ich waren schon am Donnerstag unterwegs, um einige Stücke mit einem Schreiber zu kennzeichnen, damit diese erstmal für andere unattraktiv und zweitens eventuell dann nochmal nachverhandelbar wären. So auch ein paar limitierte Designer Basketballschuhe von Leon Treveux, einem berühmten, ehemaligen Basketballspieler der NBA. Wir versteckten teilweise auch schon Sachen in Verstecken, um diese nicht mehr zusammensuchen zu müssen. Das klappte alles wunderbar. Hier und da wurden wir von Blicken verfolgt, aber das störte uns nicht, denn wir hatten nur ein kleines Auskommen, das wir auf diese Weise aufwerten wollten. Sobald die Stücke in unserem Besitz übergingen, wurden sie im Internet als Auktion angeboten. Teilweise erhielt man für Sammlerstücke über das Doppelte des Einaufspreises. Das war ein gutes Polster für die kommenden Wochen. Besagte Turnschuhe wollte jedoch mein Sohn haben. Widerwillig, wie man das so als Elternteil tut, gaben wir schließlich nach und versahen, wie schon erwähnt, diese Schuhe mit dem Zeichen - einem Stift den man wieder entfernen konnte, wenn man wußte wie. Am besagten Tag hatten wir uns den Transporter vom Nachbar geliehen und fuhren schon so früh in die Stadt, daß wir keine Probleme hatten, durch zu kommen, noch einen Parkplatz zu finden. Wir standen in unterschiedlichen Schlangen an, mein Junge natürlich am Sportwarenladen, der seine heißgeliebten Schuhe verkaufte. Er hatte sich so darauf gefreut. Als er sich jedoch nach dem Öffnen die Schuhe holen wollte, waren sie bereits fort. Er suchte überall und hörte durch Zufall an der Kasse von jemanden, der die Schuhe die er suchte gefunden zu haben schien, denn er regte sich über den Strich auf den Schuhen auf. Er sah für sich einen Hoffnungsschimmer und verfolgte den Käufer. Irgendwie mußten sie sich wohl auf dem falschen Fuß erwischt haben oder missverstanden. Jedenfalls hat mein Junge wohl überreagiert und den anderen geschubst - was nicht richtig ist, das weiß er. Zuerst hatte er auch nichts gesagt. Erst als das Video veröffentlicht wurde, sah ich, daß das unserer Sohn gewesen sein mußte. Ich fragte ihn daraufhin und wir gingen sofort zur Polizei, um es nicht schlimmer zu machen. Dort wurden seine Personalien aufgenommen und nun warten wir auf den Prozess. Körperverletzung wird wohl die Anklage lauten. Wir durften ihn trotzdem nochmal mit nach Hause nehmen. Das wird eine sehr bittere Zeit für ihn und uns werden, vor allem für ihn. Ich hoffe T.J. erholt sich wieder und er kann zur Aufklärung beitragen. Ich weiß noch immer nicht, wie genau es dazu kommen konnte.”
Durch die Verarmung breiter Bevölkerungsschichten nimmt die Polizei immer mehr solcher Straftaten wahr. Die Bürger scheinen zunehmend gewaltbereiter zu werden und lassen sich selbst durch Kleinigkeiten reizen. Die Behörden stehen vor einem Rätsel. Weitere Analysen der Statistik müssen erst noch zeigen, in welchem genauen Zusammenhang der Anstieg der Gewalt unter der Bevölkerung steht.