[30.04.08] Pferde die sich nicht drehen

Grinsekind

Antonin Philippe Tesnos
Registriert
22. Juni 2005
Beiträge
3.332
Fabian blickte in den Himmel. Es war ungewöhnlich warm und ein ganz leichter Wind schien die letzten Winterreste davon wehen zu wollen. Seine Hände waren hinter dem Kopf verschränkt und sein Körper flach auf dem Rand der Vertiefung, die dafür gebaut worden war, jungen Menschen in dem Viertel einen Nachmittäglichen Spass zu erlauben, der sie aus dem depressiven Elendsstrudel herausholen sollte, den sie im täglichen Leben hier in der Gosse der Stadt erlebten.
Letztendlich half er ihnen nicht darüber hinweg, aber er gab Beschäftigung. Man konnte sich mit Fahrrädern, Skateboards und Inlinern körperlich ausleben, sich in Gruppen zusammenfinden und Rollen etablieren, erste Drogen konsumieren, oder einfach nur herumsitzen und zusehen.

Fabian war ein wenig durch die Stadt gewandert, um sich von den vielen Gedanken zu befreien. Seit er sich mit den Anarchen eingelassen hatte, schwirrten tausende dieser kleinen Biester in seinem Kopf herum und liesen sich schwer vertreiben. Und wenn dann geschah es für einen Augenblick. Für einen Augenblick hatte er Ruhe von den vielen Gedanken, die wie Mücken um ihn herumschwierten.
...und dann hat das rote Pferd sich einfach umgedreht...
Leider funktionierte das nicht mehr.

Sein Kopf war voll von all den Dingen, die plötzlich vor ihm lagen und getan werden mussten. Getan werden wollten. Er sah sich in der Lage, die ganze Welt plötzlich am Schopfe zu packen und so lange zu schütteln, bis sie ihm zeigte, wohin er als nächstes zu gehen hatte. Doch das Problem war, er konnte nicht aufhören zu schütteln. Wollte er das?
Auf jeden Fall wollte er wiedermal ein paar Dinge wissen. Was war mit Jenny? Trieb sie sich immer noch mit diesem LudgerLurkerNosferatu herum?
Was tat sein Primogen gerade? Und wie konnte er das herausfinden ohne den Griesgram persönlich zu kontaktieren.
Vielleicht sollte er einfach ins Black Hammer spazieren, ein DJ-Set auflegen und so tun als wäre nichts gewesen. Es wäre sein Stil, seine Art. Doch noch war dies nicht möglich. Noch war er nicht sicher.

Als erst einmal eines nach dem anderen. Jenny, Crain, Hannah, Max, die Geissel und vielleicht noch sein Primogen. Achja und dann war ja da noch die Sache mit Olaf.
Der gute machte sich ein wenig Sorgen über die Gruppe und warum sie plötzlich so getrieben davon waren, die Stadt in Schutt und Asche zu legen, oder ihr zumindest einen Stempel aufzudrücken. Und warum hörten sie plötzlich alle auf Fabian, obwohl er doch eigentlich der Leitwolf war? Hatte der Beta den Alpha überholt?
Darum würde sich der Brujah auf jeden Fall noch kümmern.

Doch jetzt erstmal den leichten Teil.
Während er versuchte am Himmel irgendwelche Sternformationen astrologischen Figuren zuzuordnen, griff er in die Hosentasche und zog sein Mobiltelephon heraus, mit dem er die Nummer von Jenny wählen würde.
Vielleicht ging ja heute einer ran.
 
AW: [30.04.08] Pferde die sich nicht drehen

Die Signale sausten durch ihre Kanäle. Wurden durch die Luft bis ins Weltall geblasen und über Satelliten wieder zurückgespiehen in Relaisstationen, von wo sie Adern aus Glas oder Kupfer entlang rasten und sich verknoteten und verzweigten. Hätte man sich das Netzwerk wirklich ansehen können, bestehend aus seinen Abertausenden Enden und Teilnehmern und dem Wimmeln in den vielen Verteilern und Unterverteilern, würde man sich wundern das überhaupt ein Anruf dort ankam, wo man ihn haben wollte.

Für den jungen DJ waren all diese verworrenen Wege der Telekommunikation aber nicht zu fühlen. Er hörte nur ein kurzes Schweigen in der Leitung, als seine Anfrage gedankenschnell durch den Äther strömte.
Instinktiv mochte er das gleichmäßige tönen eines Freizeichens erwarten, das sich wie der Atem eines elektronischen Tieres durch die Leitungen hob und senkte.
Das Zeichen blieb aus. Einen Wimpernschlag nachdem der Brujah die Nummer gewählt hatte, war bereits eine Frauenstimme zu hören, deren verbindlich fröhlicher Tonfall durch ihre elektronische Herkunft zum blechernen Abklatsch einer Emotion verzerrt wurde.

...called is temporarily not available. Die gewünschte Person ist momentan nicht zu erreichen. The person you have called...

Jenny Färber war wie ausgelöscht. Als hätte es sie niemals gegeben. Das einzige das von ihr blieb, war eine digitale Ansage im riesigem Labyrinth des Telefonnetzes, anstelle eines Grabsteines.
Vielleicht würde das eines Tages auch das einzige sein das von Fabian übrig bleiben würde. Das und ein paar gebrannte CDs die zusammen mit 20 anderen Datenträgern für 2 Euro auf dem Flohmarkt den Besitzer wechselten.
 
Zurück
Oben Unten