AW: Was ist das MEIST-GEHASSTE Rollenspiel?
Ohne Shadowrun zu hassen (ich mag es einfach nur nicht mehr), möchte ich dennoch auf Visions Beitrag eingehen:
Vision schrieb:
Ähnlich wie URPG schon sagt... Shadowrun wird leider..
... meiner Erfahrung nach absolut nicht taktisch gespielt. Sondern in der Mehrheit der Runden die ich erlebt habe, trat man lediglich die Tür ein, stürmte das haus, legte ein Massker nach dem anderen aus weil der SL die Gegner so wahnsinnig dumm spielte das sie aus Hollywood kommen könnten, und dann waren alle zufrieden. In so gut wie jeder Runde war ein Troll, was für mich so der Inbegriff des "Anti-Runners" ist. Egal wie hoch die Schleichwerte sind.. so ein Monster schleicht nicht und ist dabei unauffällig. Shadowrun wird, meiner erfahrung nach, leider nicht wegen dem "Oceans Eleven" Effekt gespielt.. sondern wegen dem Neo&Trinity Effekt. Mit der Sporttasche voller Knarren in den Sicherheitsdienst hinein laufen und alle abknallen die sich bewegen.
Du darfst an dieser Stelle nicht vergessen, dass Shadowrun als System sich an mehreren Stellen selbst ein Bein stellt. Es will eine eierlegende Wollmilchsau sein und das bereits seit der 2ten Edition. Sie wollen unbedingt JEDEN Spieler bedienen, jeden Spieltyp und dabei wird leider Gottes eine Kernaussage vergessen.
Grundsätzlich handelt Shadowrun von Shadowrunnern (also Verbrechern auf Abruf), die für verschiedene Aufträge heran gezogen werden um in ihrem Spezialgebiet möglichst aktiv werden zu können. Per default also wenig Kampagnengeeignet, da es sich grundlegend um ein Auftragsbasiertes Spiel handelt. Man
kann auch Kampagne spielen. Entweder den offiziellen, epischen Weg (z.B. Brainscan) oder man bastelt halt eine fertige Runnertruppe, die sich anheuern lässt oder (was wiederum leider EXTREM selten vorkommt) auch mal von allein aktiv wird. Im ersteren Fall ist die Gruppe aber nach wie vor darauf angewiesen, dass irgendwer einen Auftrag springen lässt und man hangelt sich wiederum von Auftrag zu Auftrag. Persönliche Ziele der Charaktere bleiben auf diesem Weg gänzlich außen vor. Außer sie sind eben die besten Freunde, die grundsätzlich immer alles gemeinsam machen. In der Regel würde man sich aber nur für den Auftrag treffen und danach bis zum nächsten Ding eigene Wege gehen. Shadowrun motiviert die Spieler nicht von selbst aktiv zu werden und sich nach Möglichkeit eigene Ziele zu formulieren. Das Spiel kann nur mit einem Mr Johnson funktionieren auf seinem kleinsten gemeinsamen Nenner.
Dann hat man halt verschiedene Professionen, die untergebracht werden müssen. Ähnlich wie beim A-Team: Den Kämpfer und Mann fürs grobe. Den Hacker, den Magier, das Face, (damals auch den Rigger). Decker, die gleichzeitig auch noch sozial fit waren, waren früher bereits eine Seltenheit. Und wer mal versucht hat einen einigermaßen fähigen magisch aktiven Troll zu spielen, der wusste, dass er überaus knauserig sein musste. In der Dritten Edition konnte man exakt eine Spezialisierung wirklich wählen und das musste mit aller Gewalt durchgeboxt werden, da man sonst de Facto nichts reißen konnte. Die Regeln stimmten in manchen Bereichen hinten und vorne nicht: Von kleinen Pistolen, die keinen Schaden gemacht haben und somit keine Gefahr darstellten außer für den schwächsten Startcharakter, über vollvercyberte, die sich vernünftige Ausrüstung nur am Anfang leisten konnten (allerdings stark reglementiert durch die Verfügbarkeit) und später keine Essenz mehr hatten um sich bessere Sachen zu holen (Adepten hatten es ohne den Besitz des Magiebuchs noch schwerer und waren völlig sinnlos), bis hin zu Magiern, die, wenn sie einigermaßen klug gebaut waren, ganze Runs im Alleingang gelöst haben. Das Regelsystem und alles was dahinter stand (insbesondere die Ausrüstung) waren extrem buggy. Ein Decker der sein Deck verlor war unspielbar. Ein Rigger ohne Fahrzeuge ebenfalls (und wir alle wissen: Entweder war das Fahrzeug sofort schrott oder es hatte keinen Schaden).
Selbst die Bezahlung stimmte nicht. 5 Leute gehen auf einen Run und kriegen alle dasselbe. Die Schwierigkeiten fingen damit an: Was zahlt man denn so Runnern? Was ist ein guter Kurs? Und wieso sollte ein Decker, der - wenn er einmal seine Ausrüstung hatte - genauso viel ein Magier kriegen, der möglicherweise einen Geist eingesetzt hat, was bares Geld kostete. Und wieso konnten Schamanen sowas ohne Geld zu bezahlen? Und wieso gab es dermaßen viel Ausrüstung, die man sich zum einen nie leisten konnte, weil sie nach Spielstart um ein vielfaches teurer war und zum anderen über eine einzige Probe gehandlet wurde ob sie verfügbar war?
Mit all diesen (und weitaus mehr) Macken hatte Shadowrun zu kämpfen. Was als schattenmäßiges Stealth Abenteuer der Marke Splinter Cell, Oceans Thirteen, Thief und Batman gedacht war, war so nicht spielbar. Es gab zig Zusatzbücher und es dauerte VERDAMMT lange bis mal vernünftige Stealth-Einbrecherkits rauskamen, bis mal darauf eingegangen wurde wie Cops funktionierten und wie sie arbeiteten. Es dauerte ewig lange bis mal auch nur ansatzweise dargelegt wurde wie so ein typischer Konzern Compound aufgebaut war. Aber die wichtigsten Informationen fehlten schmerzlich bis zur 4ten Edition (da hab ich mich ausgeklingt). Wieviele Leute arbeiten da? Was passiert in so gigantischen Riesenwolkenkratzern von Ares oder Mitsuhama? Was passiert mit einem Runner der von der Polizei geschnappt wird und und und. Das durfte man als kriminell bisher unbeschriebenes Blatt alles selbst rausfinden und dann noch auf 2050 übertragen. Gibts da noch U-Haft? Wie lange dauert die da denn? Immerhin leben wir in einem Land, in dem ein 12h Stromausfall in der City für Chaos und Anarchie sorgt (siehe Brainscan)? Wen muss man schmieren um Leute ausm Knast zu kriegen? Und und und ... stattdessen wurde man zugemüllt mit Geisterhaften Transylvanienerscheinungen eines Horrorschlosses, Kometen aus der Muppet Show und noch mehr Ausrüstung, die man niemals irgendwoher beziehen konnte (weil die Spieler ja auch nur den Weg über den Schieber kannten und nicht auf die Idee kamen mal selbst zu gucken, wo man den Kram her kriegt). Von den Differenzen zwischen der amerikanischen und deutschen Redaktion samt der unterschiedlichen Bücher möchte ich gar nicht erst anfangen. Wie gut, dass sie das wenigstens nach und nach reduzieren konnten.
Und die 4te Edition scheint mir ein Hohn vor dem Herrn zu sein. Das Powerlevel sank, die Leute wurden noch inkompetenter als vorher schon, es gab immer noch sehr viel unnütze Ausrüstung, war immer noch Regelüberladen ... und an den klassischen Problemen hat sich scheinbar bis heute nichts getan.
Ich hab Shadowrun zu lange geliebt um es jetzt zu hassen, aber das sind so Sachen auf die die Entwickler NIE eingegangen sind. Fand ich persönlich sehr schade.