Würfelmechanik

Skar

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Würfelmechanik - Jede Würfelmechanik lässt sich mehr oder weniger leicht nach ihrer prozentualen Wahrscheinlichkeit berechnen.

Was aber ist eine gute Wahrscheinlichkeit für das Gelingen oder Fehlschlagen einer durchschnittlichen Talentprobe? Würfle ich mit Attribut (1-10) + Fertigkeit (1-10) + 3W6 gegen 20, oder sollten es doch 4 W6 sein?

Wie verhindere ich das Flat-Dice-Problem, dass mein Würfelergebnis zu wenig aussagt?

Wie sollten Wahrscheinlichkeiten für einen Patzer liegen?

Muss sich so etwas in langem Testspiel herausstellen, oder kann man das an %-Zahlen festmachen?

Misslingt eine Durchschnitts-Probe ständig, werden die Spieler unglücklich. Gelingt sie ständig, wird vielleicht der SL unglücklich.
 
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Was aber ist eine gute Wahrscheinlichkeit für das Gelingen oder Fehlschlagen einer durchschnittlichen Talentprobe?

Kommt schwer auf das Talent der Person und die Schwierigkeit der Aufgabe an. Aber ich setz mich jetzt mal auf einen dünnen Ast und behaupte frech folgendes:

Ein durchschnittlich gut ausgebildeter Charakter sollte eine durchschnittlich schwierige Routineaufgabe in 95% der Fälle bewältigen können.

Warum? Simpel. Du erwartest von deinem Automechaniker doch auch, das er fast jedes "normale" Problem anstandslos hinbekommt, oder? Deswegen gehst du zu ihm.

Was anderes ist es, wenn die Aufgaben schwierig sind. Dann zahlt sich hohes Können aus. Ebenso sollte es aber selbst mit einer schlechten Ausbildung möglich sein, grundlegende Aufgaben in den meisten aller Fälle zufriedenstellend zu lösen.


Ernsthaft, würdet ihr zu jemandem gehen der eine 50%-Chance hat etwas zu verbocken?

-Silver
 
AW: Würfelmechanik

Das kommt immer darauf an was denn eine einzelne Aufgabe/Probe eigentlich ist. Vielleicht probiert mein Automechaniker ja erst einmal zwei oder drei Dinge die nicht funktionieren und erst dann findet er den eigentlichen Fehler - waren das jetzt vier Proben, von denen drei misslungen sind, oder war es nur eine, die einfach bloss kein "kritischer Erfolg" oder dergleichen gewesen ist?

mfG
bvh
 
AW: Würfelmechanik

Ich würde das ja ein wenig abwandeln wollen:
Silvermane schrieb:
Ein durchschnittlich gut ausgebildeter Charakter sollte eine durchschnittlich schwierige Routineaufgabe IMMER PROBLEMLOS bewältigen können.
Im Ernst: ich gehe nicht zum Friseur, wenn eine 5% Chance besteht, daß er mir ein Auge aussticht oder mir die Halsschlagader beim Haarschnitt öffnet.

Diese in der Regel unabhängig von jeglichem Handlungskontext anstehenden "kritischen Fehler"-Wahrscheinlichkeiten finde ich schwachsinnig.

Ich kann verstehen, daß ein Friseur, der gerade emotional mitgenommen ist, weil er einem Interviewer berichtet, wie er als Friseur in einem KZ seiner eigenen Frau die Haare vor dem Vergasen schneiden mußte (siehe die sehr berührende TV-Dokumentar-Serie "Shoah"), daß in solch einem Moment als Ausnahme(!) einmal bei einer Routine(!)-Handlung ein Mensch nicht mehr in der Lage ist sicher zu arbeiten. (Das ist natürlich ein extremes Beispiel, aber das ging mir beim Thema Haareschneiden gerade im Kopf herum.)

Aber mir scheinen recht viele Regelsysteme davon auszugehen, daß prinzipiell JEDE Handlung unter enormem Streß und unter höchstem Risiko für Leib und Leben ausgeführt werden MUSS.

Unknown Armies geht da u.a. einen anderen Weg: hier wird NUR in Streßsituationen überhaupt gewürfelt!

Das ist eigentlich der Widersinn an kritischen Fehlern. Man würfelt für jeden Scheiß und erhält dann solche Tiefpunkterlebnisse, bei denen man beim Hosenanziehen den Gürtel so eng schnallt, daß man an Nierenfunktionsstörung verstirbt.

Wenn man in einem Regelwerk nicht von einer GRUNDKOMPETENZ der Charaktere ihren NORMALEN ALLTAG zu bewältigen ausgehen kann, dann taugt das Regelwerk in meinen Augen leider nichts.

Ich will nicht "Cereals: The Breakfasting" spielen müssen.

Kritische Erfolge und kritische Fehler sollten das Spielerlebnis interessanter machen, nicht unsinniger. Ebenso sollten Unsicherheiten/Konflikte im Spielgeschehen immer erst dann per Schicksal entschieden werden, wenn es wichtig für das Geschehen ist.

Ob mein SC beim Flanieren entlang der Hauptstraße jetzt von einem vorbeifahrenden Wagen mit Schlamm bespritzt wird, ist in einem Western-Setting, wo alles dreckig und schmuddelig ist und jeder versifft herumläuft, kein Problem. Wenn ich jedoch einen geschniegelten Stutzer aus dem Osten spielen will, der nie auch nur das kleinste Stäubchen an seinen teuren Klamotten toleriert, dann ist es für diesen Charakter wichtig genug, daß er mal versuchen könnte auszuweichen - und auch nur dann, wenn es für die Geschichte insgesamt wichtig ist! Denn, wenn ein Charakter drei Wochen im verregneten Denver verbringt, dann WIRD er garantiert seine Sachen verdreckt bekommen haben, aber er wird sie ebenso garantiert auch in der Zwischenzeit in die Reinigung gegeben haben. Das alles verschwindet einfach - weil unwichtig - in einer "Cut Scene", die drei Wochen später wieder einsetzt, als ein Zug mit seiner Verlobten am Bahnhof in Denver eintrifft. Hier ist es vielleicht wieder wichtig, ob er einen properen Eindruck macht, oder nicht.

Die mir viel zu weit verbreitete Erbsenzählerei, die die SCs künstlich inkomptenter als sie es dem Regelwerk nach sein müßten, erscheinen läßt, mag ich einfach nicht. Wer einen Charakter in einem Setting spielt, der sollte das Grundwissen und die Grundkompetenz eines Bewohners der betreffenden Spielwelt von dem Stand, der Bildung und dem Alter haben, das der Charakter darstellt.

Natürlich weiß in Falkenstein ein Adeliger Charakter, wie eine Fuchsjagd abläuft, und warum er für manche Dinge, die es zu besprechen gilt, sich ins Raucherzimmer oder die Bibliothek zurückzuziehen hat. Wenn er anfängt sich im Salon ungebührlich zu benehmen, dann weise ich als Spielleiter den Spieler daraufhin (falls sich der Spieler der gesellschaftlichen Regeln des Settings nicht bewußt sein sollte), daß er gerade einen enormen Fehltritt zu begehen im Begriff ist. So kann sich der Charakter bewußt entscheiden, etwas anderes zu tun oder eben trotz aller Konventionen doch seinen Weg zu gehen. - Dabei ist kein Wurf auf Benehmen, Etikette, etc. notwendig.

Ich finde bei Castle Falkenstein z.B. sehr erfrischend, daß der Charakter einfach "ist". Man spielt einen SC von Format. Eine echte Persönlichkeit, die sich über Selbstverständlichkeiten des Alltags keine Gedanken zu machen braucht. Nicht: "Würfel mal auf Kultur: Gehobene Gesellschaft, ob Du weißt, ob und wieviel Trinkgeld Du dem Ober geben solltest. - Oh, Mist! Ein Patzer! - Hähähä, Du gibst dem Ober Deinen gesamten Geldbeutelinhalt und noch Deine goldene Familienerbstück-Taschenuhr. Der Ober schaut Dich belustigt an und steckt die Wertsachen ein und geht in die Küche." Sondern: "Ich gebe dem Ober, der uns so freundlich bei der Weinauswahl beraten hat, ein gutes Trinkgeld. Nicht zu hoch, denn nur die niederen Stände haben es nötig mit ihrem Geld zu protzen." - Im zweiten Beispiel kommt die genaue Höhe des Trinkgeldes, wie auch im ersten (Würfel-)Beispiel, nicht zur Sprache. Es ist nur die Qualität der Handlung von Interesse.

Das sollen ja auch die kritischen Erfolge bzw. kritischen Mißerfolge abbilden.

Eine unterschiedliche Handlungsqualität als die normal zu erwartende. In beiden Beispielen hätte der Charakter auch einfach bloß ein normales, angemessenes Trinkgeld geben können. Das hätte man sogar nicht einmal erwähnen müssen. Eher schon, falls der Ober wegen seiner Langsamkeit KEIN Trinkgeld erhalten hätte.

Man sollte sich auch bei würfelintensiven Systemen schon mal überlegen, ob überhaupt ein Wurf - d.h. eine Entscheidung durch Zufallsfaktor (Schicksal) - jetzt notwendig ist, oder ob nicht der Verlauf der Geschichte (Drama) bzw. die Vorkenntnisse und die Vorgeschichte des Charakters (Karma) die Zufallsentscheidung überflüssig machen.
 
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Ars Magica fängt das ganze mit unterschiedlichen Definitionen eines W10-Wurfes ab: Bei einem "Simple Die" gibt es keine kritischen Patzer, aber auch keine unglaublichen Erfolge. Bei einem "Quality Die" gibt es ebenfalls keine kritischen Patzer, aber der Wurf ist nach oben offen. Bei einem "Stress Die" besteht eine Chance für Patzer und der Wurf ist ebenfalls nach oben offen.

Die Entscheidung wann welche Würfelart verwendet wird, wird vom Regelwerk vorgeschlagen, liegt aber ultimativ beim Spielleiter.
 
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Vielleicht, um mal etwas mehr in Richtung der eigentlichen Frage zu steuern, muss man noch einen Schritt vorher beginnen und zunächst über einige Definitionen nachdenken.

Insbesondere:

- durchschnittliche Talentprobe
- durchschnittlich gut ausgebildet (klingt etwas seltsam...)
- durchschnittlich schwierig

Über Skar's ursprüngliche Frage habe ich nämlich in ähnlicher Form auch schon gegrübelt und kam da ins Schwitzen.

Wie definiert man denn durchschnittlich? Gibt es ein "absolut" durchschnittlich? Oder ist der Begriff immer relativ zu sehen? Ist die tägliche Aufgabe wie oben beschrieben für den Friseur und den Mechaniker durchschnittlich? Oder würden die das als "einfach" betrachten? Was sagt denn der jeweilige Chef dazu? Und was der, der noch nie ein Friseur- oder Mechanikerwerkzeug in der Hand gehabt hat? Und wie verhält sich "durchschnittlich schwer" zu "durchschnittlichem Können"? Definiert man die getrennt oder definiert das eine das andere?

Insofern ist die ursprüngliche Frage "Was aber ist eine gute Wahrscheinlichkeit für das Gelingen oder Fehlschlagen einer durchschnittlichen Talentprobe?" möglicherweise gehaltvoller, als man zunächst denken mag. Vielleicht hat dazu jemand gute Ideen.

(Secret of Zir'An übrigens verfolgt ebenfalls einen Ansatz, wie er bereits in einigen Beispielen vorher angedeutet bzw. erwünscht wurde: Ist die Stufe des Könnens gleich der Schwierigkeit oder darüber, dann klappt das eben, und gut. Dann muss nur unter Stress gewürfelt werden. So handle ich das eigentlich auch in den meisten Systemen, die das nicht explizit so fordern. Macht Tempo.
smile.gif
)
 
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Greywood schrieb:
(Secret of Zir'An übrigens verfolgt ebenfalls einen Ansatz, wie er bereits in einigen Beispielen vorher angedeutet bzw. erwünscht wurde: Ist die Stufe des Könnens gleich der Schwierigkeit oder darüber, dann klappt das eben, und gut. Dann muss nur unter Stress gewürfelt werden. So handle ich das eigentlich auch in den meisten Systemen, die das nicht explizit so fordern.)
Ja. D20 hat ähnliche Ideen mit Take-10 bzw. Take-20 umgesetzt. Wer es ruhig angehen lassen will, der "nimmt 20" und braucht halt laaange. Wer sich seines Könnens gut bewußt ist, der kann "10 nehmen" und hat damit nicht das Risiko, daß er doch mal überraschend mies würfelt - das geht dann auch ohne die Zeit der Handlung zu verlängern, man braucht dafür nur einen guten Wert in der Fertigkeit und die Sicherheit, daß dieser Wert + Attribut-Bonus + 10 ausreichen wird.
(Kleiner Hinweis zum D20-Beispiel: Da es schon ein Weilchen her ist, daß ich D&D 3.0 länger gespielt habe, könnte es natürlich sein, daß obige Take-10, Take-20 Regelungen nicht für alle D20-Regelausgaben gelten. Bei D20 Modern kenne ich mich z.B. garnicht aus.)
 
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Das hängt davon ab was man als Durchschnittsprobe definiert...

Routineaufgaben sollten einem halbwegs kompetenten Charakter der nicht völlig unbegabt ist so gut wie immer gelingen.
Als Durchschnittsaufgaben würde ich dagegen eher Aufgaben ansehen die einem halbwegs kompetenten Charakter in 50% der Fälle ge- oder mißlingen, also schon etwas kniffligere Fälle als den Alltag.

Im Falle des von dir angesprochenen Systems(wobei du dich auf [wiki]Fuzion[/wiki] zu beziehen scheinst) dürfte das hinhauen, denn hier ist die Schwierigkeit einer Durchschnittsaufgabe 20 und die Chance diese Schwelle bei Attribut 5 und Fertigkeit 5 zu erreichen liegt marginal über 50%.
 
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Ich denke, das ist letzlich Geschmackssache. Manche Leute finden es sinnvoll, dass Patzer auch in alltaeglichen Situationen passieren koennen, andere nicht.

Das Probelm sind aber meiner Ansicht nach weniger die Proben, die man schaffen "sollte", sondern einen sinnvollen Uebergang zwischen etwas durchschnittlichem und etwas nicht mehr durchschnittlichem hinzukriegen- ohne gleich das Wuefeln unsinnig zu machen und zu sagen, das eine schaffft man immer und das andere .... nie? manchmal? je nach Erschwernislust des Spielleiters? Auch immer?

Ich bin mir recht sicher, dass wir hier im Forum Veteter ungefaher jeder moeglichen Theorie dazu, wie schwer welche Wuerfe sein sollten, finden werden. Letzlich ist es an Frage davon fuer wen das System gedacht ist.

Nebenbei beruert das auch die Frage, wie viele Fertigkeiten man haben sollte. Angenommen der schon erwaehnte Automechaniker verwendet fuer seine die Reparatur eines Autos eine "Reparatur genannte Ferigkeit, die aber auch andere zu reparienende Dinge miteinschliesst und die genauso gut auch jemand benutzt der beispielweise Fernseher repariert. Beide sollen auf jeweils ihrem Gebiet bei entsprechend typischen Aufgaben sehr gute Erfolgschancen haben- aber icht mehr realistischerweise auf dem Gebiet des jeweils anderen.
 
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Ich mag auch SLA Industries, dass ebenfalls den Verzicht auf Würfelwürfe kennt, dies aber nicht unbedingt von Stresssituationen abhängig macht. - Wer Electronics Repair auf 1 hat, der wird eben niemals dazu in der Lage sein ein Thresher Alpha Band Funkgerät, das von zwei Kugeln durchlöchert wurde, wieder zusammenzuflicken, selbst wenn er seine Schummelwürfel die auf allen Seiten die 10 zeigen zückt, jemand mit einem Wert von 5 wird es in Ruhe sicher schaffen und unter Stress vielleicht oder vielleicht nicht, jemand mit der Fertigkeit auf 10 kann das ganze auch in einem dunklen Abwasserkanal während die Kugeln um in herum zischen ohne würfeln zu müssen.

mfG
bvh
 
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Wie ist das dort regeltechnisch gelöst?
 
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stargazer schrieb:
Ich denke, das ist letzlich Geschmackssache. Manche Leute finden es sinnvoll, dass Patzer auch in alltaeglichen Situationen passieren koennen, andere nicht.

Letzlich ist es an Frage davon fuer wen das System gedacht ist.

Diese drei sehr klugen Sätze möchte ich bitte ganz dick unterstreichen.

Bis dann, Bücherwurm
 
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