AW: Weird Wars - kennt es wer ??
Toa schrieb:
... Savage Worlds ... das System war das "Deadlands getötet hat".
Erstaunlich!
Daß ein Regelsystem es schaffen kann ein anderes Regelsystem zu "töten" will mir nicht so recht einleuchten. Schon garnicht, wo doch noch weiterhin Deadlands-Bände (die alten) im Verlags-Online-Shop als Kauf-PDFs zu haben sind (die Lagerhaltung von fast zehn Jahre alten Druckerzeugnissen kann sich ein solcher Kleinverlag nicht mehr leisten - daher der praktischere Weg der Kauf-PDFs).
Pinnacle hat Deadlands nicht WEGEN Savage Worlds in irgendeiner Weise begraben.
Vielmehr hatte die mißglückte Deadlands-D20-"ich will auch auf den D20-Wagen aufspringen"-Eskapade den neueren Deadlands-Büchern einen SEHR geringen Absatz verschafft. Diese waren "double statted" mit Deadlands Classic Regelabschnitten und Deadlands D20 Regelabschnitten in demselben Buch. Somit bekam jeder Käufer den vollen "Fluff" aber nur den halben "Crunch", für den er aber voll bezahlt hatte. - Ich fand die letzten erschienenen Deadlands-Bücher etwas "dünn". Es wurde z.T. viel nochmal aufgekocht (z.B. die Critter-Listen im Lone Stars Band) und auf die sonst üblichen, und bis auf wenige Ausnahme guten bis sehr guten Abenteuer in den Bänden verzichtet. Hätte man statt D20-Werten jeweils ein Abenteuer von der Klasse "The Mission" oder "The Crucible" eingebaut, dann wären die Käufer weniger enttäuscht worden.
Die Firma Pinnacle befand sich nach dem Entschluß die D20-Gehversuche einzustellen vor der Pleite. Selbst die alten Cash Cows wie The Great Railwars und Deadlands haben die Verluste durch den D20-Flop nicht aufgewogen.
In diesem Zeitpunkt hatte man neben dem obligatorischen Entlassen von Leuten bzw. dem Nichtweiterbeschäftigen von Freelance-Autoren einen Kurswechsel gebraucht. Es mußte etwas sein, daß nicht die D20-Monokultur-Richtung darstellte. Es sollte etwas Ausbaufähiges sein, was dem Verlag inhaltliche und wirtschaftliche Optionen eröffnen und erhalten sollte.
Und dann mußte es ja schließlich noch einen Markt für das neue Produkt bzw. die neue Produktlinie geben.
Letzteres war schnell gefunden: nicht die jungen, über endlos viel Zeit verfügenden Rollenspieler, die eh alle von den Computer-"Rollen"-Spielen und der Ubiquität des D20-Systems vorgeprägt waren, sollten die Zielgruppe sein, sondern die Spieler, die über ausreichend Geld, aber über viel zu knappe Zeit verfügen. Die Alt-Rollenspieler. Die berufstätigen Rollenspieler. Die Rollenspieler, die ihre Frau und ihre Familie mit ins Spiel integrieren wollen/müssen, um überhaupt noch etwas spielen zu können. (Shane Hensley hatte diese Motivation in einem langen Artikel zur Entstehung von Savage Worlds auf der alten Pinnacle Seite in seiner Shootin' Blind Kolumne erläutert - ich weiß nicht, ob dieser Artikel noch auf der aktuellen, umgezogenen Homepage verfügbar ist. Für mich war es dieser Artikel, der mir Savage World "verkauft" hatte, da ich diese Situation als Ehemann, berufsgestreßter Lohnsklave, chronisch im Zeitmangel agierender Rollenspieler nur ZU GUT nachvollziehen konnte.)
Mit Savage Worlds wollte man die länger überfälligen Schwachpunkte im Deadlands Classic System angehen: zu lang ausufernde Kämpfe (14 NSC-Soldaten gegen 6 SCs => 5 Stunden Shoot-Out - und das bei einem noch nicht einmal wichtigen Kampf!), Unmengen von Zaubern, Edges, Aptitudes, die im Prinzip sehr Ähnliches tun (jeder kann irgendwie heilen, die konkrete Darstellung der Heilung ist eigentlich nur eine "Geschmacksrichtung", ein "Trapping" für dieselbe Macht, die da eingesetzt wird), schwer nachverfolgbare Kompetenzniveaus der einzelnen Charaktere (ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, wie schlecht ich es einschätzen konnte, ob meine Spieler für die Heart of Darkness Kampagne überhaupt schon fit genug waren - sie waren es NICHT!), ...
Savage Worlds vollführt eine Gratwanderung: es hat definitiv gewisse Wurzeln im Deadlands Classic System, aber auch im Tabletop-System The Great Railwars, und zusätzlich neue Mechanismen. Damit deckte es den Bereich von individuellem Rollenspiel, über Skirmish bis hin zu Massenschlachten komplett (und erfolgreich!) ab. - Aber zu einem Preis: der Preis ist die Detailfülle, die bei Deadlands Classic enorm hoch war und bei Savage Worlds schlichtweg stark vergröbert wirkt (z.B. nur noch ein Skill "Shooting" gegenüber x unterschiedlichen "Shootin': <insert gun here>"-Aptitudes in Deadlands Classic). Ich finde diesen gröberen Blickwinkel völlig in Ordnung, wenn ich als Spielleiter nicht mehr soviel Arbeit mit dem Vorbereiten habe und ich als Spieler merke, wie schnell und dennoch optionsreich die Kampfszenen durchzuspielen sind.
Es gibt andere Rollenspiele, die noch weitaus gröbere Raster bei ihren Charakteristiken anwenden. Diese ordnen sich selbst gerne in die "Erzählspiel"-Schublade ein. Savage Worlds macht das nicht. Aber wir haben mit Savage Worlds enorm intensives Charakterspiel erlebt und enorm involvierende Massenschlachten mit einer Zahl an Charakteren in der Szene, daß man sie m.E. NIE mit dem Deadlands Classic System überhaupt versucht hätte. (Man darf nicht vergessen: ein Spielleiter, der weiß, wie lange eine Kampfszene in Deadlands dauert, der wird sich hüten den Endfight der Glorreichen Sieben im mexikanischen Dorf mit zig Bandidos, Dutzenden mexikanischer Bauern und den sieben Gunslingern durchzuspielen; einfach weil es das hoch detailierte Deadlands Classic System zu einem Allnighter machen würde, diese eine einzige Szene durchzuspielen. - Für mich und meine knappe Zeit soll schlichtweg mehr Handlung in meiner freigekämpften Spielzeit drin sein. Das ist sicherlich ein Alters- und Berufstätigkeits- und Familien-Problem, aber genau dafür wurde Savage Worlds explizit gemacht. - Was nicht heißen soll, daß Savage Worlds nicht auch jüngere Generationen an Rollenspielern anspricht, wie man ja auch aus den Altersangaben im Pinnacle-Forum entnehmen kann.).
Interessant ist derzeit gerade die wirtschaftliche Seite: WhizKids, die Hersteller von Pirates of the Spanish Main, Rocketmen, etc. haben mit Pinnacle einen Vertrag geschlossen, nach welchem Pinnacle für diese Hintergründe jeweils Savage Worlds Adaptionen produzieren soll (siehe
11.29.05
Pinnacle Entertainment Group to Produce WizKids RPGs, Scenario Books!
NOVEMBER 29th 2005 (Los Gatos, CA) – WizKids Inc., creators of the Constructible Strategy Game and Collectable Miniatures Game genres has granted award-winning game publishers Pinnacle Entertainment Group the rights to produce and support a range of roleplaying books for its game properties, including the Pirates and Rocketmen Constructible Strategy Games and the Mage Knight Collectable Miniatures Game.
The deal also allows GWG to support such genre-defining products as Pirates of the Spanish Main and MechWarrior with a series of scenario books, including new rules, games pieces, and fiction, bringing an additional level of fun and a new twist to some of WizKids’ best-loved properties.
“We’re huge fans of WizKids’ games, and are thrilled to be able to help further flesh out and develop their worlds,” says Shane Hensley, CEO of Pinnacle. “These are going to be full-color, gorgeous books that maintain WizKids and Pinnacle’s taglines of fast, furious, and fun!”
Pinnacle’s line manager for the new WizKids products, Paul Wade-Williams, says, "As a fan of WizKids’ lines, it’s great to be able to take their wonderfully rich worlds and add an entire new level of game play and creativity.”
“Pinnacle has emerged as a leader in role-playing products in recent years,” said Jordan Weisman, CEO of WizKids Inc. “It is an honor to work with a cutting-edge company and a staff of role-playing pros.”
Founded by 25-year game-industry veteran Jordan Weisman, WizKids® is a Seattle-based game developer and publisher dedicated to creating tabletop games driven by imagination. Its MechWarrior® and HeroClix® CMGs and Pirates and Rocketmen CSGs are among the most successful games on the market today, and the company has sold hundreds of millions of game pieces worldwide. For additional information, visit
www.wizkidsgames.com.
Pinnacle Entertainment Group is a California-based game company specializing in roleplaying games. Founded by Shane Hensley—best known for the smash hit Deadlands™ and Weird Wars™ and for its Origins award-winning Savage Worlds™ roleplaying game. For additional information, visit
www.greatwhitegames.com.
).
Man kann auf alle Fälle nicht mit Ernst der Überzeugung sein, daß Savage Worlds das Deadlands Classic System "getötet" hätte. Im Gegenteil: derzeit werden z.B. mit Beast of Fire immer noch NEUE Deadlands-Publikationen produziert! Diese Dime Novel ist als Kauf-PDF auf intelligente Weise "triple-statted": man kann durch einen Mausklick die Spielwerte für das System der Wahl: Deadlands Classic, Deadlands D20, Savage Worlds Deadlands auswählen und nur diese werden dann auch - ohne Layout-Probleme - angezeigt bzw. ausgedruckt. SO ist ein "multi-statted" Szenario für mich kein Problem.
Und derzeit im Druck: Deadlands: Reloaded, die Savage Worlds Adaption des Deadlands-Settings. Mit Deadlands: Reloaded wird es WIEDER Deadlands als HARDCOVER geben! Damit wird das Deadlands-Setting wieder neuen Spielern nahe gebracht, die eventuell Deadlands Classic nicht mehr kannten. Und noch besser: es werden neue Kampagnen geschrieben, die zeitlich NACH den letzten Classic-Bänden angesiedelt sind und die Great Railwars Endkämpfe behandeln, die Black Circle Verschwörungen, den Cackler, ...
Somit wird WEGEN des guten Erfolges von Savage Worlds (immerhin ist das Grundregelwerk ausverkauft und inzwischen ein Revised Edition herausgekommen) eher Deadlands am Leben erhalten!
Das Beste daran: man muß sich nicht einmal die Savage Worlds Deadlands:Reloaded Adaption zulegen, um die Kampagnen spielen zu können. Die Werte von Savage Worlds sind ruckzuck in Deadlands-Werte (und umgekehrt) umgewandelt. So können neue Reloaded-Fans die alten Szenarien nach den Savage Worlds Regeln spielen, und alte Classic-Fans, die neuen Kampagnen nach den alten Deadlands-Regeln.
Für mich ein Gewinn für beide Seiten. Es bleibt hier nur eine Geschmacksfrage.
Ich spiele derzeit eine Nordstaaten-Kampagne nach Deadlands Classic und (für mich zum Vergleich, aber mit z.T. anderen Spielern) eine Südstaaten-Kampagne nach Savage Deadlands (der DL:Reloaded-Preview). Beide haben das typische Deadlands-Feeling, bei beiden geht den Spielern das Chili in die Hose, wenn es an die Guts-Checks geht. - Ich habe z.T. Szenarien aus DL Classic nach Savage Deadlands übertragen (Trouble a'Brewin', Forbidden God, Worms!, Night Train, ... ) und kann nur feststellen: es ist Deadlands, nur flotter bei den Kampfszenen. Alles andere spielt sich noch genauso schnell aus wie im Good Old Classic Deadlands. (Aber: ich spiele hier nach einer Preview! Das finale Produkt mag natürlich immer noch anders sein - und eventuell auch enttäuschen. Das bleibt noch abzuwarten, bis man es erwerben kann...)
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Noch ein Punkt am Rande:
Pinnacle ist ein Verlag, der die von ihm nicht mehr weiter aufgelegten Spiele immer noch auf Webseite und im Forum unterstützt. Anders als bei so manche anderen - z.B. deutschen "Veredler"-Verlagen - kann man im Pinnacle-Forum immer noch Fragen und Diskussionen zu DL Classic (und zu DL D20!) anbringen und einem wird geholfen. Das ist nicht selbstverständlich. Das würde ich aber auch nicht als "Töten" von Deadlands Classic von Verlags wegen bezeichnen. Im Gegenteil.