Was ist ein Vampirmythos?

gastmann

Vollpfosten
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Hier wird häufig von Vampirmythen geredet und argumentiert, dass dieser oder jener Clan dem Vampir aus irgendeinem Mythos entspricht oder eben auch nicht entspricht.

Welche Vampirmythen gibt es denn tatsächlich?

Wenn jemand in den letzten hundert Jahren etwas über Vampire geschrieben/verfilmt hat, darf man das schon als Mythos bezeichnen? Haben Stoker, Murnau oder Rice einen "Mythos" geschaffen? Oder haben sie Mythen aufgegriffen? Und wenn ja welche?

Verfügt hier irgend jemand über halbwegs fundiertes Wissen?
 
AW: Was ist ein Vampirmythos?

http://de.wikipedia.org/wiki/Vampir

Wieder einmal gilt: Wikipedia ist dein Freund.

Stoker hat aus den Legenden und einem gefürchteten Adligen namens Vlad Tepes einen aristokratischen Untoten gemacht, Murnau aufgrund der verweigerten Lizenz wegen ein einsames, trauriges Monster. Rice schliesslich hat die erotische Komponente breitgewalzt und aus den Monstern sympathietaugliche(*) Protagonisten gezaubert.

Dann kam WW und vermarktete das ganze Konzept als spielbares RPG, und inzwischen sind genug Spacken unterwegs die über dem VtM-Kanon den Mythos dahinter vergessen und/oder jegliche andere Verwendung von Vampiren in Filmen und Serien (Underworld, Buffy, Angel, Blade, etc. pp.) als "untrue" dissen.

(*)=Ich finde die ganze Bande von ihr dennoch zum Pflocken. Alles selbstmitleidsversunkene Pussies.

-Silver
 
AW: Was ist ein Vampirmythos?

Im klassischen Mythos (also dem, was man im 18. Jahrhundert wirklich so an Volksglauben gefunden hat. 18. Jahrhundert deshalb, weil Vampirismus da erst richtig "populär" wurde) sind Vampire ja im Grunde nichts anderes als bessere Zombies, weil sie nicht verwesen...und außerdem hatte jedes kleine Tal in den Südkarpaten so seine eigene Vorstellung von Untoten, so das es schwer sein dürfte da einen "Urmythos" (den es vermutlich garnicht gab) zu finden.
 
AW: Was ist ein Vampirmythos?

Alles was mit Vampiren zu tun hat beruht auf Mythen. Sprich alles ist aufgegriffen.

Zum beispiel haben sich Leichen nach ihrem Tod manchmal noch bewegt, also dachte man, sie wären Untote. Oder Fledermäuse haben Blut von Menschen getrunken, was in manchen Gegenden vorkommt, also dachte man, das wäre ein Vampir, der sich in eine Fledermaus verwandelt hat. Letztendlich kannst du alle Vampir geschichten und ähnliches auf Mythen zurückverfolgen. Ich kann hier jetzt nicht alles aufzählen, aber wenn dich etwas speziell interessiert, frag doch einfach, ich versuche dir dann zu antworten, wenn's um das allgemeine geht, ja, alles beruht auf irgendwelchen fakten und wurde dann von abergläubischen Bauern zu Gruselgeschichten und Mythen umgeformt. Wahr ist davon leider nichts...
 
AW: Was ist ein Vampirmythos?

Hier mal ein Text, den ich vor Urzeiten irgendwo im Netz gefunden hab (weiß leider nicht mehr, woher).

Merkwürdige Vorfälle trugen sich zu in der Habsburger Monarchie zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Die erste "entsetzliche Begebenheit", bei der behördliche Organe anwesend waren, ereignete sich im Dorf Kisolova: Neun Dorfbewohner hatten zu Protokoll gegeben, zweieinhalb Monate nach dem Tod des Bauern Peter Plogojewitz von just diesem im Schlaf gewürgt worden zu sein. Alle neun sollten bald darauf sterben.

Es kommt zur Exhuminierung, bei der sich ein grauenhaftes Bild zeigt: Der Leichnam zeigt keine Verwesungserscheinungen. Haare, Bart und Nägel scheinen gewachsen, und Plogojewitz' Lippen sind mit frischem Blut befleckt.

Das größte Aufsehen erregt ein Vorfall in Meduegya im Winter 1731/32. Am 26. Januar 1732 unterzeichneten mehrere Offiziere aus der Hauptstadt Belgrad einen medizinischen Bericht. Dieser bestätigt, dass 16 Leichen untersucht worden waren. Fünf von ihnen, zwei Mütter mit ihrem Baby und ein Knecht, befanden sich im normalen Zustand der Verwesung. Alle anderen waren unzweifelhaft im "Vampir-Stand". Dieser Bericht spielt in allen Erörterungen über den Vampyrismus eine wesentliche Rolle. Fortab ist Europa im Vampyr-Fieber. Wieder einmal!

"Von 1730-1735 war von nichts anderem die Rede als von Vampyren, je mehr man verbrannte, desto mehr tauchten auf", spottete Voltaire später. Gerade hatte die Aufklärung ihren Siegeszug angetreten, und dann so was! Gott ist der Schöpfer der Welt und der Menschen und die Quelle der Vernunft. Alles - sogar das Dasein Gottes - ist beweisbar. Oder doch nicht? Fragen, die längst beantwortet schienen, mussten erneut gestellt werden …
Warum waren die Vampyre gerade in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts so interessant? Mit Sicherheit nicht nur wegen der Auffindung der Leichen. Diese waren nur der Anlass für vielschichtige und heftige Diskussionen und Erklärungsversuche. Zum einen waren es die Mediziner, die mit ihrer rationalen Denkweise und ihren neuen Erkenntnissen in der unverwesten Leiche eine Herausforderung sahen. Zum anderen die Dogmatiker des christlichen Glaubens, die darin eine blasphemische Umkehrung einiger ihrer wesentlichen Lehrmeinungen sehen mussten. Und schließlich gab es in dieser Zeit bereits Kritiker des damals noch gültigen Wertesystems, die der Aufklärung verhaftet waren und dieses Thema sarkastisch aufgriffen.

So schrieb beispielsweise Voltaire um 1770: "Die wahren Sauger wohnen nicht auf Friedhöfen, sondern in wesentlich angenehmeren Palästen … Die persischen Könige, heißt es, waren die ersten, die sich nach ihrem Tod konservieren ließen. Fast alle heutigen Könige folgen ihnen darin; aber die Mönche essen ihre Diners und Soupers und trinken den Wein. Demnach muss man eigentlich nicht die Könige als Vampire ansehen. Die wirklichen Vampire sind die Mönche, die auf Kosten der Könige und des Volkes essen."

Der Vampyrismus war zum Streitpunkt philosophischer Debatten geworden. Dabei ging es um nichts Geringeres als die Durchsetzung des Cartesianismus, am Beispiel der Vampyre speziell um die Leib-Seele-Problematik. Descartes verfolgte das Ziel, vernünftige (rationale), absolut gewisse, zweifelsfreie Erkenntnisse zu gewinnen. Er bestimmte die Seele im Gegensatz zum Körper als unausgedehnt und unvergänglich. Obwohl sie unräumlich sei, habe sie ihren Sitz in der Zirbeldrüse, von wo sie durch die in den Nervenröhren befindlichen "Lebensgeister" (spiritus animales) Impulse vom Körper empfange und an ihn verteile.

Vom cartesianischen Standpunkt aus musste es eine natürliche Erklärung für den Vampyrismus und die unverwesten Leichen geben. Die bis dahin gültigen aristotelischen Erklärungsprinzipien hatten es leicht: Die Aufspaltung in vegetative, animalische und rationale Seele erlaubte zumindest den Verbleib der vegetativen Seele im Körper, wohingegen der Cartesianismus sich zunächst schwertat, Erklärung für das Weiterleben des Körpers nach dem Tode zu finden.

Voltaire drückte die Problematik in einem Satz aus: "Die Schwierigkeit bestand darin, in Erfahrung zu bringen, ob hier die Seele oder der Körper des Toten fraß."

Schließlich kam nur noch eine Erklärung für die aufgetretenen Vampyrfälle in Betracht: eine unbekannte Krankheit.

Das Besondere dieser Krankheit und Seuche war "eine anhaltende Resistenz der Toten gegen den Zerfall und ein akutes Leiden der Lebenden, dem auch die phantastische Heimsuchung durch den Vampir als Symptom der verstörten Einbildung zugerechnet wird." (Hamberger: Mortus non mordet, S. 22). Die Trennlinie zwischen dem Heimsucher und dem Heimgesuchten ist somit der Tod. Aber können Lebende und Tote an der gleichen Krankheit leiden?

Die Antwort konnte nicht voll befriedigen, weshalb eine Strömung Bedeutung erlangte, "die in den Debatten um die Vampyre eine aktive Rolle spielte". Man fühlt sich versucht, diese Tendenz, die sich als eine Art Gegenströmung zur rationalistischen, cartesianischen Hauptrichtung des philosophischen Denkens jener Zeit entwickelte, als "Wiederbelebung des Okkulten im 18. Jahrhundert" zu bezeichnen (Klaniczay: Heilige, Hexen, Vampire, S. 90). Das heißt, der Sensationswert der Vampyrgeschichten in den 1730er Jahren wird erst durch okkulte Interpretationen, die zu ihrer Erklärung herangezogen werden, gesteigert.

Eine letzte Theorie, die zu dieser Zeit größere Bedeutung erlangt hatte, ist die Theorie des Astralleibes: Der Mensch besitzt neben seinem Körper eine energetische Aura, den Astralleib. Dieser Leib ist es, der weiterlebt, denn er braucht viel längere Zeit, um zu verwesen (daher kommt auch die Vorstellung, dass der Vampyr keinen Schatten hat, denn Schatten und Astralleib werden oft gleichgesetzt).

Während der Körper zu Humus wird und die Seele zu Gott auffährt, verweilt der Astralleib auf der Erde. Rein theoretisch ist dies die sauberste Theorie, jedoch beinhaltet sie ein großes theologisches Problem: Sie stellt eine Verletzung des göttlichen Schöpfungsplans und des göttlichen Wiedererweckungsmonopols dar.

An einer solchen Interpretation konnte keine der christlichen Kirchen Gefallen finden, genauso wenig wie die Aufklärer. Die Vernunft kann das Phänomen nicht erklären, die Kirchen ebenfalls nicht. So stellt sich die Bevölkerung immer wieder die Frage nach dem Beitrag des Teufels. Ist es widernatürliche Ursache oder Gottes Wille? Ein Wunder kann es nicht sein, da es keine höhere Ehre Gottes verkündet, noch das Heil der Menschen fördert.

"Aus alledem können wir ersehen, dass die Mythologie des Vampyrismus die Menschheit jener Zeit in mehrfacher Hinsicht faszinierte und ihnen eine neue Möglichkeit bot, ein Ventil für drängende Probleme zu finden, ihrer Neugierde zu frönen und ihre Phantasie auszutoben. Sobald der Vampyrismus als Phänomen am Horizont des Übernatürlichen im Europa des 18. Jahrhunderts einmal fest etabliert war, befriedigte der Vampyr solche Bedürfnisse und tauchte schließlich auch in der Literatur auf, wo er oder sie in eine neue Dimension gerückt wurde: die der Sexualität.

Der Vampyrkuss wurde allmählich in einen Todeskuss umgewandelt: das Blutsaugen und die Verwandlung des Opfers in einen Vampyr beschworen uralte Fragen, unangerührte Geheimnisse im Zusammenhang mit der Sexualität herauf." (Klaniczay: Heilige, Hexen, Vampire, S. 90)

Die einsetzende Aufklärung sorgte dann zumindest zeitweise dafür, dass der Vampyrglaube aus dem öffentlichen Diskurs verschwand. Wenn es sein musste, mittels Verbot. Maria Theresia sah sich 1755 veranlasst, einen ›Vampyrerlaß‹ zu verfügen. In diesem wurde der Glaube an Vampyre verboten.

Er verschwand allerdings nur aus dem wissenschaftlichen Diskurs, denn die schöngeistige Literatur griff dieses Thema umso dankbarer auf. Die Vampyre feiern Widerauferstehung in der Literatur und Musik.
In William Polidoris Erzählung The Vampyre betritt 1819 mit Lord Ruthven ein Vampyr die Weltbühne, der aristokratisch, edel, verschlagen und machtvoll ist.

Er ist der Vorläufer von Graf Dracula und beschwört jene uralte Fragen, Mythen und Geheimnisse herauf.
 
AW: Was ist ein Vampirmythos?

Nicht dass ich wuesste, wer will schon einen solchen Waelzer mit UNMENGEN an Verweisen uebersetzen (und schauen dass dann auch die deutschen Bezeichnungen/Namen/Uebersetzungen der "Quellen" korrekt sind)
 
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