Re: Tod der Spieler
Das mit dem Charakter(!)-Tod (nicht dem Tod der Spieler!) hängt bei mir vom System und dem Setting ab.
Bei Cthulhu ist es eigentlich oft zu erwarten, daß ein Charakter auf schlimme Weise vom Grauen aus dem All oder ähnlichem erwischt wird. Da gibt es zwar auch den Glücks-Wurf, aber wo auch der nicht mehr hilft, ist Sense. Da die Spieler mit dem Charaktertod rechnen und man bei Cthulhu eher selten ein langes Kampagnenspiel mit denselben Charakteren durchspielt, ist das auch in Ordnung so.
Bei Deadlands gibt es die Pokerchips, die eine Art Lebensversicherung für die Spielercharaktere (und die wichtigen Spielleiterfiguren

) sind. Wer mit nur noch einem oder gar keinem Chip in üble Situationen gerät, der hat eben kein Glück mehr übrig gehabt. Chips können übrigens weder bei Duellen Mann gegen Mann at high noon noch bei kritischen Fehlern/Patzern/Fumbles wie auch immer eingesetzt werden. Da es bei Deadlands aber ähnlich wie bei Cthulhu auch psychisch schockierende Ereignisse gibt, kann es sein, daß ein Charakter bevor er denn vielleicht sterben mag, eher dem unheilbaren Wahnsinn zum Opfer fällt. Auch solche Charaktere werden dann aus der Kampagne "herausgeschrieben". Das ist dann nicht so heldenhaft, wie im Duell gegen Wyatt Earp draufzugehen, aber die Welt von Deadlands verzeiht einem Charakter eben auch nicht wirklich viel - nur manchmal gibt es eine zweite Chance. Wer sie nicht nutzen kann, frißt Staub.
Bei Savage Worlds ist der Power Level noch niedriger als bei Deadlands, wobei ein recht ähnliches System vorliegt. Da haben die Spielercharaktere als "Wild Cards" ein paar "Bennies" um ihrem Charakter (nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit) aus der Patsche zu helfen. Wenn die Bennies nicht reichen, dann stirbt der Charakter. Da das Savage Worlds System aber extrem schnell bei der Charaktererschaffung ist, kann man binnen weniger Minuten (bei vorhandenem groben Charakterkonzept) wieder einen aktionsfähigen Charakter haben. Außerdem fangen verstorbene Spielercharaktere bereits mit der Hälfte der Erfahrung des ursprünglichen Charakters an, so daß kein Totalverlust droht. Meiner Erfahrung nach erleichtert das durchaus den Spielern auch einmal einen Heldentod absichtlich in Kauf zu nehmen, wenn eine erinnerungswerte Geschichte daraus resultiert.
Bei HeroWars sind die Charaktere Helden von mystischen Dimensionen. Daher ist eine einfache Niederlage zwar schlimm aber praktisch nie tödlich. Anders sieht es bei einer Niederlage gegen andere Helden aus, vor allem wenn diese auf den Götterebenen von Gegnern mit starker Affinität zur Todesrune erfolgen. Dann ist auch durchaus in einer erweiterten Auseinandersetzung (so heißen dort die "Main Events" in einem Szenario) auch der Charaktertod eine Option. Ähnlich wie in Deadlands gibt es hier Heldenpunkte, die schlechten Erfolg eines Charakters zu einem gewissen Grade verbessern können. Wenn diese verbraucht sind und kein Verbündeter mehr eingreifen kann oder will, dann geht es auch für mystische Helden ab in die Unterwelt. (Vielleicht holt sie da ja mal ein anderer Held wieder heraus? Das wäre dann ein nettes Folgeabenteuer.).
Bei Engel lasse ich ausschließlich die Spieler selbst entscheiden, ob ihr Charakter stirbt oder nicht (man merkt, wir spielen nicht nach d20, sondern nach Arkana-System). Eine Grenze wie "dreimal Herr der Fliegen gezogen = tot" gibt es hier nicht. Ein Herr der Fliegen bedeutet ja zwar stets ein Desaster, aber doch nicht immer für den der ihn gezogen hat. Oft genug darf der Ziehende zusehen, wie Verbündete sterben, andere Engel verletzt werden, man den Unschuldigen doch nicht helfen konnte, auch wenn vorher alles gut aussah. Also ich würde das nicht am Kartenziehen allein festmachen wollen. Wenn ein Spieler seinen Engel in eine Situation manövriert hat, aus der er selbst keinen anderen Ausweg mehr zu erzählen weiß, der irgendwie glaubwürdig in den Kontext der bisherigen Geschichte paßt, dann erzählt der Spieler eben vom Tod seines Charakters. So viel Verantwortung kann man - insbesondere bei Engel - den Spielern schon zugestehen.
Was ich mit den Beispielen aus den Systemen, die ich derzeit spiele, zeigen wollte, ist, daß es Systeme gibt, die bereits eingebaute "Sicherheitsgurte" für die Spielercharaktere haben, so daß weder Spieler noch Spielleiter hier viel verbiegen müssen, um einen Charakter zu retten (ja, auch in Deadlands will jeder ausgegebene Pokerchip mit einer Story erklärt sein). Bei HeroWars oder Engel ist der Charaktertod eher unwahrscheinlich, was daran liegt, daß die Erzählungen einfach andere sind. Hier läuft man nicht einfach in eine verirrte (oder gezielte) Kugel und ist tot. Das ergäbe eine langweilige Geschichte. Bei Cthulhu dagegen reicht ein durchgeknallter Kultist mit einem Beilchen aus, um einen oder mehrere Charaktere ins Jenseits zu befördern, da das Spiel eine m.E. sogar gegenüber unserer Realität erhöhte Verletzlichkeit der Charaktere als Basis für den Grusel in den Geschichten hat. Wem nie etwas passieren kann, der muß auch nicht um sich bzw. seinen Charakter bangen.
Es hängt m.E. von der Art der Geschichte, dem Setting und dem Spielsystem ab, ob und in wie weit ein Spielercharaktertod akzeptabel ist oder eher frustrierend. (Nebenbei: als ich 1979 mit D&D angefangen habe, hatte mein Elf mit ganzen 5 Hitpoints bereits im zweiten Raum eines typischen Dungeons 8 Punkte Schaden gefangen und war tot. Ich fand das so scheiße, daß ich erstmal überredet werden mußte, noch einmal einen Charakter zu basteln und noch mal mitzuspielen. Gerade für Spielanfänger kann der Tod eines Charakters leicht noch frustrierender sein, als für "alte Hasen", die auch schon einmal loslassen können, wenn es der Story dient.)