Rezension Scion: Demigod [B!-Rezi]

Infernal Teddy

mag Caninchen
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Scion - Demigod


Grundregelwerk [A!-Rezi] von Infernal Teddy


Wer mag eigentlich keine Heldensagen? Ganz ehrlich, wessen Herz wird nicht durch die Worte der Sänger und Barden zum erklingen gebracht, wenn diese die Geschichten der tapferen Krieger und Heroen von sich geben? Wer wollte nicht so sein wie jene, die in den tiefsten Schatten der Vergangenheit sich gegen ihr Schicksal stemmten? Im Mai habe ich hier die deutsche Übersetzung von White Wolfs Scion: Hero vorgestellt, ein Rollenspiel in dem die Spieler die Söhne und Töchter der Götter in der Gegenwart spielen. Nun ist zur SPIEL das erste Quellenbuch erschienen, Scion: Demigod. Dort, wo Hero dem Spieler erlaubte, einen überlebensgroßen Heroen zu spielen, einem Nachkommen der Götter vergleichbar mit Achill bietet Demigod wie der Name schon sagt den Aufstieg zum Halbgott, setzt die Charaktere auf einer Ebene mit Herakles und Konsorten.

Rein äußerlich gilt für dieses Buch alles, was bereits schon zu Hero gesagt wurde:
Hardcover, zum größten Teil schwarz-weiß bis auf ein bestimmtes Kapitel, "Pantheon", welches in Farbe gedruckt wurde. Das Titelbild zeigt einen der „Signature Characters“, Eric Donner, zusammen mit den Raben Odins vor der Kulisse einer modernen Stadt. Der Vordergrund und Titel des Buches sind glänzend aufgedruckt, der Hintergrund ist Matt. Layout und Schrift des Buches sind sehr klar und angenehm zu lesen, das Artwork ist auf dem selbem hohen Niveau das man von White Wolf gewohnt ist. Auf der Innenseite der Buchdeckel sind die „Signature Characters“ in Farbe abgebildet – die „Guten“ vorne, die „Bösen“ hinten. Optisch also ein schönes Produkt.
Demigod ist physikalisch etwas dicker als Hero, dies liegt aber nicht am Seitenumfang (350 Seiten gegen 370), sondern am stabilieren Papier, das allerdings nicht mehr Hochglanz ist, sondern das etwas mattere Papier das Prometheus Games auch bei Sundered Skies für Savage Worlds verwendet. Optisch also immer noch ein Leckerbissen. Inhaltlich?

Auch dieses mal eröffnet das Buch mit einer längeren Kurzgeschichte von Carl Bowen, und ist dieses Mal in Farbe gehalten. Erzählt wird dieses mal wie Donnie Rhodes, Nachkommen der Aphrodite und einer der Signature Characters, in das Labyrinth entführt wird, und stimmt damit auf eines der Themen des Regelwerks ein. Ohne einer großartigen Einleitung stürzt sich das erste Kapitel auf sein Thema – wie wird ein Nachkomme ein Halbgott? Jeder Nachkomme der einen Legendenrang von Fünf erreicht erhält automatisch die Steigerungsschablone „Halbgott“ – und die hat’s in sich: noch mal neun Attributspunkte, noch mal zehn Punkte für Epische Attribute und Segnungen, noch mal fünf Geburtsrechte, und noch mal 15 Bonuspunkte für Steigerungen. Mit andern Worten – Damn sind Halbgötter heftig. Nach der Vorstellung dieser Steigerungsschablone werden uns die Beispielcharaktere aus Hero noch mal vorgestellt – allerdings um 150 Erfahrungspunkte und der Schablone aufgewertet.

Natürlich brauchen Charaktere auf diesem Niveau neue, mächtigere Fähigkeiten, und dieser können sie auch erhalten – Epische Attribute und Kniffe jenseits des dritten Punktes im Epischen Attribut. Konnte ein Held mit drei Punkten im Epischen Attribut noch vier Bonuserfolge zu seinem Würfelpool addieren kann ein Halbgott seinen Wert auf bis zu sieben anheben, wo er 22 Bonuserfolge erhält. Auch die Kniffe und die neuen Göttlichen Segnungen sind von entsprechender Macht – niemand wird einen Charakter, die diese Fähigkeiten anwendet, für einen gewöhnlichen Sterblichen halten. Ein Beispiel? Jemand mit sechs Punkten in der Domäne des Feuers kann ein Inferno erzeugen mit einem Radius welcher die Anzahl der Erfolge entspricht, die er bei der Probe erreicht hat (Erinnert sich noch jemand an die 22 Bonuserfolge?). Und das ist nicht mal einer der besonders mächtigen Kräfte. Mit dem Ende des dritten Kapitels endet auch der Spielerteil, und der weitaus Umfangreichere Erzählerteil beginnt.

Demigod hat neben dem offensichtlichen Thema noch ein zweites: die Unterwelt. Während Hero sich mit dem Kampf der Nachkommen gegen die Titanenbruten in unserer Welt beschäftigte, bietet Demigod einen Ausblick auf den Kampf, der in den Totenreiche der verschiedenen Pantheone und in den Welten, die zwischen der Unseren und der Oberwelt liegen, tobt. In Demigod hat irgendwas die Kommunikation zwischen den Göttern und ihre Nachkommen unterbrochen, und dieses Ereignis ist eng verbunden mit der Unterwelt und mit dem zerschmetterten Gefängnis der Titanen. Zunächst werden die verschiedenen „Unbekannten Lande“ vorgestellt – diese sind unter anderem Prüfsteine, besondere Orte mit symbolischer Bedeutung die verschiedene Punkte dieser Welt und der Anderen miteinander verbinden, wie die Freiheitsstatue oder Stonehenge. Ebenfalls dazu gehören auch die „Seltsamen Stätten“, Orte, die so bedeutungsvoll sind das sie selbst angefangen haben Legendenpunkte anzusammeln, ob es nun das Britische Museum ist oder die von Japan liegende Insel der Geister. Und dann gibt es noch die Terrae Incongnitae – Plätze, die einst Teil unserer Welt waren, nun aber Außerhalb liegen, wie die Insel der Kirke oder Jotunheim. Ebenfalls Teil dieses Kapitels ist Atlantis, einst ein mächtiges Reich im Atlantik, heute die Eiswüste die man Antarktis nennt. Die Atlantischen Götter werden hier ebenfalls vorgestellt, auch wenn sie keiner mehr kennt, und niemand in Jahrtausenden gesehen hat. Dieses Material hat an und für sich eher wenig Nutzen, es sei denn man möchte Atlantis zu einem Kernthema seiner Chronik machen, oder man das Abenteuer durchspielen möchte das später im Buch folgt. Den Abschluss des Kapitels bildet eine Beschreibung der Totenreiche der einzelnen Pantheone – Duat, Hades, Helheim, Yomi, Guinee und Mictlán – und wie sie sich seid dem Ausbruch der Titanen verändert haben, zusammen mit einigen Abenteuervorschlägen.

„Der Vorabend der Ragnaröck“ ist der Titel des Abenteuers nach dem Storytelling Adventure System, welcher in diesem Buch eingefügt wurde. Das Abenteuer orientiert sich – wie schon das Letzte – an die vorgefertigten Charaktere, und führt die Spieler an einige der vorher im Buch vorgestellten Locations, und über (beziehungsweise unter Atlantis hinein in die Unterwelt um wieder mit ihren göttlichen Patronen in Kontakt treten zu können. Das Abenteuer verschlingt einen Großteil des Buches, und ist sehr gut geschrieben. Es ist dazu gedacht die Charaktere an einen Punkt zu bringen, an dem sie nicht mehr sehr weit entfernt sind vom Übergang zum Götterstatus – und damit zu Scion: God. Nach dem Abenteuer folgt nur noch ein weiteres, dickes Kapitel, in dem neue, noch mächtigere Antagonisten vorgestellt werden: Kolosse wie Mökkurkalfi, Talos oder Uschebti; Drachen wie Xiuhcoatl oder Nidhöggr; niedere Unsterbliche wie Charon, die Furien, die Walküren oder Itzpapalotl; die Toten und Untoten; Titanenbruten wie die Sphinx oder die Hydra; und andere seltsame Wesenheiten wie Chiron der Zentaur, Ammit, Ikarus oder Sisyphus. Ebenfalls in diesem Kapitel enthalten sind Riesen und neue Dienerrassen. Den Abschluss bilden wieder die Scionen, die schon in Hero als Antagonisten eingeführt wurden, und auch diese sind auf Halbgott-Stufe angehoben worden. Am Ende des Buches kommen wie gewohnt ein sehr guter Index, ein Charakterbogen, und die Vorankündigung für Scion: God welches (hoffentlich) im Frühling 2010 erscheint.

Fazit:
Demigod ist schwer einzuordnen – weder ist es ein echtes Quellenbuch, noch ist es wirklich ein Regelbuch, am ehesten könnte man es als „Fortsetzung“ des ersten Buchs bezeichnen. Abgesehen vom Abschnitt über Atlantis ist das Material wie schon von Hero gewohnt von höchster Qualität. Wem Hero also gefallen hat wird mit Demigod[7i] glücklich werden, da es „more of the same“ darstellt. Um ehrlich zu sein, das ist eigentlich der einzige Vorwurf den man machen könnte – es ist einfach mehr Material ohne großartige Neuerungen im System einzuführen. Jedenfalls bin ich sehr angetan von diesem Buch, und freue mich auf jeden Fall auf die Fortsetzung im Frühjahr – wer will mit mir zusammen die goldenen Tore Asgards stürmen?

Allen Edlen gebiet ich Andacht,
Hohen und Niedern von Heimdalls Geschlecht;
Ich will Walvaters Wirken künden,
Die ältesten Sagen, der ich mich entsinne.

Die Edda - Simrock ÜbersetzungDen Artikel im Blog lesen
 
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