AW: Problem mit hoher Schadensvarianz
Gleich im Voraus: Savage Worlds hat ganz grundsätzlich einen STARKEN Zufallseinfluß im gesamten Regelsystem. Das muß man mögen, wenn man Savage Worlds mögen möchte. - Wenn man es weniger zufällig haben will, dann ist man mit einem anderen Regelsystem meist besser bedient - und man braucht sich nicht in gekrampfen Hausregeln zu verlieren.
Dies nur als Vorab, weil entsprechende Diskussionen seit der 1st Ed. von SW bekannt sind - und deren Lösung: Nimm ein anderes Regelsystem.
1. Die Höhe des verursachten Schadens hat grundsätzlich eine sehr hohe Varianz (z.B. d12+d10)
Das ist durch die WotB-Nahkampfschadensregelung in der SW:EX natürlich noch eine ganze Spur breiter geworden. - Jedoch: Bei Fernwaffen wie Bögen gab es das auch schon immer. - Ist das bei Euch auch ein Problem?
Meine Bogenschützin in der Fantasy-Kampagne ist oft am Fluchen, daß ein guter Schuß, selbst mit Raise für letztlich 3d6 Schaden, nur z.B. 5 Punkte gemacht hat und das unter der Toughness von 6 des Gegners lag (hier kann man ins Slapstickhafte verfallen und schildern, wie der nahezu perfekt geschossene Pfeil von der Brust des Getroffenen abprallt - solche Auslegungen der Würfelergebnisse mag natürlich kaum jemand).
Hohe Varianz heißt aber auch, daß ein Treffer, der gerade so eben die Parry erreicht hat, durch explodierende Schadenswürfel einen One-Hit-Kill produzieren kann - auch bei Legendary Rank Charakteren (die müssen dazu natürlich noch ihren Vigor-Wurf bei Incapacitation vergeigen).
Das SW-Regelsystem drückt viele Spielwerte in Würfeln aus und gibt darauf feste Modifikatoren.
Ein Bonus von +2 oder gar +4 ist ein heftiger Bonus.
Nach dem alten Schadenssystem wäre eine Waffe, die Stärke-Probe + 4 an Schaden macht, eine Waffe, die MINDESTENS 5 Punkte mit jedem Treffer verursachen wird - eher mehr. Das bedeutet, daß ein Gegner mit Toughness 5 schon AUTOMATISCH SHAKEN sein wird. Das ist einfach sicher. Keine Frage, keine Unsicherheit.
Nach dem WotB-Schadenssystem kann eine Waffe mit Stärke-Würfel + d10 aber auch nur 2 Punkte Minimumschaden verursachen. Damit wäre sogar ein Gegner mit der Mindest-Toughness von 3 (Vigor d4 und Small) nicht einmal mehr Shaken!
Eine solche Spanne, wie bei WotB eingeführt, erlaubt natürlich auch einen Treffer, der sich nur als "Kratzer" darstellt genauso, wie das Explodieren BEIDER Würfel und den entsprechend hohen Schaden.
Hier ist eben die Frage, ob man Kämpfe gegen Gegner mit HOHER Toughness durch solche öfter explodierenden Schadenswürfe wie in WotB plus Revised-Bonus-Schaden +1d6 eher mal schaffen lassen möchte, oder ob man sie "berechenbarer" hätte wie in 1st Ed. mit Stärke-Probe (inklusive Wild Die) + Waffenbonus + 2 pro Raise? - In letzterem Falle kann man auf einem sehr zähen Gegner mit hoher Toughness EWIG herumkloppen, ohne in kleinzukriegen. Und das mag durchaus gewollt sein! Es kann aber auch frustrierend für die Spieler sein, wenn nun einmal die Stärke-Probe nicht explodieren mag und die festen Zuschläge nicht reichen.
Beispiel:
Called Shot (Vitals) + Wild Attack + Treffer mit Raise bei WotB-System mit Str d10 und Waffe d10 macht: d10+d10+d6+2+4, also ohne explodierende Würfel im Schnitt 18,5 Punkte Schaden, mit dem Effekt des Explodierens im Schnitt 21,5 Punkte. Das bekommt einen Toughness 20 Gegner schon klein. - Irgendwann.
Called Shot (Vitals) + Wild Attack + Treffer mit Raise bei 1st Ed. System mit Str d10 und Waffe +4 macht: (d10/d6 bester von beiden)+4 (Waffe)+2(Wild Attack)+2(Raise) +4 (Called Shot) = (d10/d6)+12 also im Schnitt mit Explodieren und Wild-Die-Effekt 19,5 Punkte. Knapp zu wenig.
Im zweiten Fall ist der einzige variable Punkt nach der Erfordernis mit -6 zu Treffen (+2 Wild Attack -4 Called Shot -4 für den notwendigen Raise) nur noch die Stärke-Probe, auf die man zwar Bennies ausgeben kann, die aber nur den besten zweier Würfel verwendet, statt wie oben drei explodierende Würfel einsetzt.
Man muß sich daher überlegen, was für eine Art von "Geschichten" man gerne spielen würde, und danach die Schadensregel verwenden, die diese am Besten unterstützt. - Dann sollte man aber auch bedenken, daß bei dem mehr auf feste Zuschläge setzenden System manche Gegner (die Schwelle liegt bei Toughness 20 als Erfahrungswert) kaum noch zu packen sein werden.
WotB bietet mehr Zufälligkeit und kürzere Kämpfe mit drastischeren Resultaten.
2. Die genutzte Waffe selbst hat einen zu geringen Einfluß auf den verursachten Schaden (Zweihänder und Langschwert machen im Schnitt nur einen Punkt unterschied im Schaden)
Das finde ich nicht. - Im Revised Regelsystem stellt der Unterschied ja meist nur 1 Punkt Schaden dar, aber bei WotB ist die höhere Würfelgröße schon manchmal SEHR HEFTIG als Unterschied. ein d4 explodiert schneller einmal, aber ein d10 erzielt meist höhere Ergebnisse und wenn er explodiert, dann ist das doppelt übel.
Was ich auch schon in der 1st Ed. bei SW so schön finde: Die verwendeten Waffen haben einen GERINGEN EINFLUSS auf den Kampferfolg. Es ist der KÄMPFER SELBST, die Manöver, Called Shots, die Edges, die den Ausschlag geben. - Das macht endlich Schluß mit dem öden, langweiligen "Langschwert+N"-Materialismus bei D&D. - Ich empfinde das als befreiend und erfrischend, daß die Waffen untereinander nur geringe Unterschiede aufweisen.
Noch besser bei Schußwaffen: Die meisten Pistolen machen 2d6 oder 2d6+1 - Welche Art Revolver nun ein Gunslinger führt, ist bei diesen Werten mehr eine Frage des Stils als der Waffenoptimierung. Und das finde ich gut so!
Cinematic Unisystem macht es vor: Gun, Big Gun, Big Ass Gun; Knife, Big Knife, Big Ass Knife. - Muß man wirklich mehr über eine Waffe wissen? - Ich nicht.
3. Die Qualität des Treffers hat kaum Einfluß auf den Schaden bzw. der Einfluß eines guten Treffers (+1d6 bzw. +2 je nach SW Version) ist zu gering im Vergleich zur Varianz des Schadens
Mit dem Raise-Effekt des Bonus-Schadens (in 1st Ed. +2 pro Raise, ab Revised +1d6 für den ersten Raise und alle weiteren werden ignoriert) WIRD die Trefferqualität honoriert. - Willst Du noch mehr Bonus für einen Guten Treffer (tm), dann MACH einen guten Treffer! Mach einen Called Shot to the vitals und hole Dir +4 Punkte Schaden. Und mache den Called Shot mit Raise, und es sind +4+1d6 Punkte Schaden. Und DAS ist dann wirklich eine hohe Trefferqualität.
Ein Glückstreffer bei einem nicht auf bestimmte verwundbare Punkte gezielten Angriff (Treffer mit Raise) bekommt in SW die CHANCE mehr Schaden zu verursachen. - Ein Treffer mit Raise ist immer ein Glückstreffer, verglichen mit einem bewußt und planvoll ausgeführten Called Shot!
Zu dieser Form der sehr groben, aber dennoch vorhandenen Honorierung guter Treffer kommt noch die pragmatische Abwicklungsgeschwindigkeitsbetrachtung: Wenn man nach dem ersten Raise beim Treffen nicht mehr seine explodierenden Würfel bis zum bitteren Ende weiter hochwürfeln muß, da kein zusätzlicher Effekt eintritt, dann kann man auch schon bei Feststellung des Raise aufhören. - Und das SOLL man laut Willen derer, die diese Änderung in die Revised Ed. reingebracht haben, da gerade bei Extras, gerade bei Hunderten von Extras in einer Kampfszene man NIE UND NIMMER für jeden popeligen Extra alle Raises auswürfeln will. Das ist ein übler Zeitfresser und nicht mehr FFF.
SW kann groß angelegte, groß bestückte Kampfszenen mit minimalem Aufwand und geradezu rasant durchspielen lassen. Dazu wurde das Kampfsystem auch entsprechend stromlinienförmig angelegt. - So die "Begründung", wie man sie im Pinnacle-Forum zu lesen bekam.
Meine Meinung dazu: Ich finde ja, daß die 1st Ed. Regelung sogar noch schneller als die Revised ist, da ich mich bei der Revised merken muß, daß dieser oder jener Extra noch einen d6 mehr Schaden machen wird. Und mit der WotB-Nahkampfschadensregelung werfe ich dann 3 Würfel, wo ich in der 1st Ed. nur pro Extra einen Treffer-Würfel und einen Stärke-Würfel geworfen habe. DAS ist wirklich schnell. - Meine größtangelegten Kampfszenen habe ich meist nach der 1st Ed. gespielt.
Hier ein Beispiel: Krieger mit Zweihänder landet "kritischen Treffer" [Raise], würfelt dann den Schadenswurf aber recht niedrig: Dein Kritischer Treffer scheint dem Banditen nichts auszumachen ...
Halt! - Ein Treffer mit Raise ist weit weg von dem, was in anderen Regelsystemen ein "kritischer Treffer" ist!
Das ist zunächst einmal ein guter Treffer. Ein sehr guter sogar. Aber "kritisch" würde er erst, wenn es wirklich ein Called Shot gewesen wäre. - Bei SW entscheidet der SPIELER, ob er einen kritischen Treffer setzen möchte, zum Preis der Erschwernis des Called Shots. Ansonsten ist das ein unspezifisch ausgeführter Treffer, der etwas glücklicher die Parade des Gegners umgangen hat, als ein gerade so eben durchgekommener Treffer.
Folge eines etwas besseren Treffers: Man bekommt die CHANCE(!) mehr Schaden als bei einem gerade so eben gelungenen Treffer zu verursachen. Sicher ist aber nicht, daß man wirklich eine vitale Stelle erwischt hat (dazu gibt es die Called Shots).
So kann der Krieger mit Str d10 und Waffe d10 und Raise im Treffen seine 2d10+1d6 auch zu einer 3 als Ergebnis würfeln. Der Angriff sah wie aus dem Lehrbuch aus, hatte aber nicht genug Power dahinter, um den Gegner ernsthaft zu verletzen. - Im Schnitt würde man natürlich etwas in der Art von 14 oder 15 Schadenspunkten erwarten können. - Doch spielt hier eben der Zufall mit rein.
Ist das denn überhaupt plausibel, oder hat man es hier mit reinem Regelkonstrukt bar jeder Plausibilisierbarkeit für die In-Game-Schilderung zu tun?
Das ist plausibel. - Wenn man sich alte Fechtbücher anschaut, so wird auch dort Wert darauf gelegt, daß man die Zeit (das Timing) des Angriffs bestimmt, den Platz (die Blöße - siehe Called Shot), und die Stärke für den Angriff hat. Schon DiGrassi hat zu Krafttraining als Vorbereitung auf seine Schule des Rapierfechtens geraten. - Es kommt nämlich nicht darauf an den Gegner sauber und kunstgerecht zu "touchieren" (das ist ein freundschaftliches, mindergefährliches Kämpfen), sondern ihm WIRKUNGSTREFFER zu versetzen.
Savage Worlds sorgt für die Timing-Frage durch Edges, die die Aktionskarten beeinflussen bzw. First Strike und andere Edges, sowie Manöver wie Wild Attack, das zwar eher einen Angriff durchbringen läßt, aber zum Preis des erhöhten Risikos selbst etwas einzufangen.
Savage Worlds sorgt für die Blößen-Frage durch Called Shots, die Rüstung umgehen lassen und mehr Schaden verursachen können, wenn lebenswichtige Stellen getroffen wurden.
Savage Worlds sorgt für die Stärke-Frage durch den Stärke-Würfel bei WotB-Schadenssystem bzw. die Stärke-Probe beim alten Schadenssystem.
Wer zwar kunstvoll fechten kann (hoher Fighting-Skill, Edges, Angriffswurf mit Raise), aber keinen WIRKUNGSTREFFER setzen kann (niedriger Schadenswurf), der ist eben auch kein guter Fechter. Der hat aber bei SW die Kompensationsmöglichkeit für geringe Stärke schon mitgeliefert: Called Shots, Wild Attack. Wer höhere Fighting-Würfel als Strength-Würfel hat, der sollte sich überlegen mit Called Shos und Wild Attack zu arbeiten, statt auf einen glücklichen, aber "underpowered" Treffer zu setzen.
Ich finde die Regelumsetzung von SW durchaus plausibilisierbar. - Nein, sie ist natürlich nicht "realistisch", aber das ist KEINE Kampfregel (nein, die von TRoS auch nicht!). Sie ist aber plausibel genug, daß man im Spiel nicht ständig "raus kommt", wenn man sie anwendet (etwas, was mir und meinen Spielern bei den D&D 4E Powers immer wieder passiert ist).
Ein normaler Angriff, mag er auch noch so glücklich landen, stellt jedenfalls KEINE herausragende Schwertkunst dar. Diese zeigt sich in Manövern und Edges, in Called Shots, First Strike, usw.
Bei uns diskutierte Lösungsvorschläge, zu denen ich gerne eure Meinung hätte:
1. Zurück zu der Schadensregelng aus früheren SW-Editionen (also Str + fixer Wert je nach Waffe)
Wenn Du mehr Berechenbarkeit und ggf. längere Kämpfe haben willst, dann wäre das auch meine Empfehlung. Gefahr: High Toughness Gegner, besonders Wildcards, können zu zähen, langdauernden Kämpfen führen. Das ist dann nicht mehr FFF, sondern fffrustrierend, weil man nicht einmal mit einem zu schwachen Treffer wenigsten eine Handvoll der mehreren Hundert Hitpoints weggeschlagen hat, sondern ALLES in der Toughness hängen geblieben ist. Auch das noch so bunteste Beschreiben wird in der 20. Kampfrunde langsam müde, wenn sich nicht irgendwas SPÜRBARES getan hat.
Also: aufgepaßt bei solchen Harten Brocken (tm) als Gegnern mit dieser Schadensmethode. - Dafür ist sie aber geradezu ideal um Kämpfe mit 200 oder mehr Figuren noch ohne jegliches Massenkampfsystem durchzuspielen. (Für mich sind normale Kampfszenen bei SW Szenen mit 100 bis 200 Beteiligten. Das braucht nicht einmal besondere Organisation als Spielleiter, sondern das packt SW einfach so. - Bei über 500 Beteiligten kann eine Kampfszene auch mal 6 bis 7 Stunden dauern (inklusive Aufbauen der Figuren!). - Bei über 1000 Beteiligten braucht man eine sehr gute Spielleiter- und Spieler(!)-Organisation und mehr als eine normale Spielsitzung Zeit (aber es lohnt sich!). - Mit WotB-Schadenssystem würde ich diese Größenordnung nicht spielen.)
2a. Für jeden Raise (also auch bei mehrfachraises) gibt es einen fixen Bonus von +2 auf den Schaden, oder
Das ist die 1st Ed. Regelung. - Die mag ich auch sehr, jedoch:
2b. Für je 2 Punkte beim Angriff über dem Mindestwert steigt der Schaden um +1
Das ist zu "billig" und außerdem verwendet es den bereits gelieferten Raise-Mechanismus nicht.
Noch ein Vorschlag:
Punkt 2c.: Für den 1. Raise gibt es nach WotB wie üblich +1d6 Schaden. Für jeden weiteren Raise gibt es +1 Punkt Schaden. (Nicht +2, da sonst der d6 schnell entwertet würde.)
Da dies auch für die NSCs gilt, sollten sich die SCs warm anziehen! - Ich habe z.T. auch verdammt hohe Treffer-Würfe bei NSC-Extras gemacht, die nach diesen Methoden (2a, b, c) den SCs ziemlich den Arsch aufgerissen hätten.
Punkt 2 führt zu minimalem Mehraufwand (Kopfrechnen können wir alle ganz gut), macht das Spiel aber sicherlich auch tödlicher.
Das Rechnen ist nicht schlimm. Die Tödlichkeit auch nicht. - Das Explodieren bei WotB-Nahkampfschaden und +1d6 Bonus-Schaden bei Raise ist WEITAUS TÖDLICHER!
Ich habe das sowohl in DL:R als auch in Sundered Skies und anderen Settings erleben können. Z.T. hatte ich das gleiche Szenario, das ich vor Jahren als 1st Ed. Szenario geleitet hatte, in Sundered Skies eingebaut, mit dem Resultat, daß es den SCs MÄCHTIG was auf die Mütze gab. - Zwei bis drei Würfel, die explodieren können und die ADDIERT werden, sind schon heftiger als den besten von zweien zu nehmen und festen Bonus zu addieren.