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Mit großem Interesse habe ich im letzten Envoyer-Magazin, das noch in seiner alten Form daherkam (jetzt geht es mit in die SpielXPress auf) den Artikel von Frank Heller bezüglich eines Ausblicks auf das pen&paper-Rollenspiel gelesen.
Meine Herren, Frank Heller wird von mir sehr geschätzt und ich möchte euch diesen Artikel nicht vorenthalten. Zudem in diesem Forum schon die Frage danach aufkam.
Auf Nachfrage bei André Wielser erwiederte mir dieser, dass ich diesen Artikel hier einstellen darf.
Ihr findet ihn daher nachstehend. Da es sich um eine PDF-Extraktion handelt, bitte ich um Nachsicht, was Trennungen oder Absätze angeht.
-------------------------
Frank Heller, Jahrgang 1974, ist seit über neun Jahren als freier Mitarbeiter für Pegasus Spiele tätig und betreut seit vielen Jahren als Chefredakteur die gesamte Cthulhu-Spielelinie sowie die von ihm mit ins Leben gerufene Zeitschrift „Cthuloide Welten“, die inzwischen auch in englischer Sprache unter dem Titel „Worlds of Cthulhu“ weltweit vertrieben wird.
Als ich von André Wiesler angesprochen wurde, ob ich für die letzte „reguläre“ Ausgabe des Envoyer einen Beitrag verfassen könnte, kam mir der Gedanke, zum „Ende“ des Envoyer in der bisherigen Gestalt einen Artikel über das immer wieder vorhergesagte vermeintliche „Ende“ unseres Hobbys beizusteuern. Über ein solches wird schon seit vielen Jahren spekuliert, doch von „kompetenter“ Seite hat man dazu wohl noch nie eine Einschätzung gehört.
Seit ich vor über neun Jahren auf die Macher-Seite gewechselt bin, habe ich nicht nur Einblicke in den Vertriebsbereich bezüglich Cthulhu gewonnen, sondern auch zahlreiche Unterhaltungen mit anderen Machern der deutschsprachigen Rollenspielszene geführt. Zur Vorbereitung auf diesen Artikel habe ich außerdem mit dem Verlagsleiter von Pegasus Press, Jan Christoph Steines, dem Geschäftsführer von Ulisses Spiele, Markus Plötz, und dem Geschäftsführer von Feder&Schwert, Oliver Hoffmann, gesprochen.
Sie alle haben mir erlaubt, die von ihnen gegebenen Informationen in diesem Artikel zu verarbeiten. Der Titel des Artikels ist natürlich provokant gewählt - aber er ist auch nicht so abwegig, wie einige vielleicht hoffen.
Der Stand der Dinge
Pen&Paper-Rollenspiel in Deutschland war nie wirklich riesig, aber doch ein Markt, auf dem sich früher selbst große Verlage wie Schmidt Spiele versuchten. Diese Zeiten sind schon seit langem vorbei. Pen&Paper wurde auch früher schon oft totgesagt, doch gibt es unser Hobby auch weiterhin. Regelmäßig erscheinen neue Rollenspielsysteme, und gerade in der jüngeren Vergangenheit haben sich auch ständig neue Verlage gebildet, die Rollenspiele herausbringen. Wie ist es um den Markt wirklich bestellt?
Erst einmal ist festzustellen, dass wir nicht besonders viele sind. Das kann man an den Absätzen erkennen. Bei dem größten deutschen Rollenspiel, DSA, gilt ein Abenteuerband als ungewöhnlich erfolgreich, wenn er sich 3.000 Mal verkauft hat. Wenn man dagegen sieht, dass man selbst bei einem Erstlingsroman im Fantasybereich bei einem größeren Verlag als Newcomerautor schon eine Startauflage von bis zu 25.000 Exemplaren hat, wird diese Zahl in Perspektive gerückt. Und DSA ragt bei den Verkaufszahlen als absolute Spitze heraus; bei mittelgroßen Systemen kann man von 1.000 bis 2.000 Exemplaren ausgehen, kleine Rollenspiele verkaufen sich üblicherweise sogar nur ein paar hundert Mal. Das ist im Vergleich zu dem Aufwand, den es bedeutet, eine Publikation fertigzustellen, schlichtweg ein Witz. Als Kunde bekommt man das gar nicht mit, denn im Laden oder Internet findet man zahlreiche professionell aussehende Produkte, man hat einen Freundes- und Bekanntenkreis, in dem Rollenspiele gespielt werden, und daher ist für einen selbst die Rollenspielwelt groß und bedeutend. In Wahrheit sind wir bloß eine kleinere Randgruppe.
Ich bin einmal gefragt worden, wie viele aktive Rollenspieler es in Deutschland wohl geben mag. Das kann man natürlich nur vorsichtig anhand der verkauften Grundregelwerke der verschiedenen Systeme schätzen, aber es würde mich wundern, wenn es mehr als ein paar zehntausend wären.
Dies spiegelt sich auch auf Conventions wieder, wo man eigentlich immer nur die gleichen Gesichter sieht. Auch die Altersstruktur - auf Conventions jedenfalls - liegt nach meiner Einschätzung höher als früher.
Rollenspielläden schließen heutzutage in größerer Zahl, als sie neu eröffnet werden. Da spielt aber auch das Internet mit eine Rolle, das den Läden erhebliche Konkurrenz macht.
Ein abnehmender Markt
Ulisses wie auch Feder&Schwert vermelden beständig leicht sinkende Absätze, und das hört man gerüchteweise auch von kleineren Verlagen. Über Pegasus Spiele, die ja auch im Vertriebsbereich aktiv sind und Läden mit Rollenspielprodukten beliefern, weiß ich, dass sich Pen&Paper insgesamt ständig schlechter verkauft. Unser Rollenspiel „Cthulhu“ liegt gegenläufig zum Trend mit leicht steigenden Umsätzen, was aber an zahlreichen Supportmaßnahmen liegen dürfte und am Umstand, dass es ein Spiel für reifere Rollenspieler ist, und es zunehmend reifere Rollenspieler gibt.
Der Markt für Pen&Paper schrumpft also ständig. Das verwundert nicht.
Gründe für den Niedergang
Es gibt gleich ein ganzes Bündel an Gründen, warum Pen&Paper-Rollenspiel immer weniger angesagt ist. Erstens war noch bis 1997 Pen&Paper in normalen Spieleläden vertreten – über Schmidt Spiele nämlich. Auf diese Weise erlangten viele Leute Zugang zu Rollenspiel, die heutzutage nicht einmal die Gelegenheit bekommen, jemals davon zu hören.
Zweitens wurde damals - auch durch Schmidt Spiele - Werbung für Rollenspiele gemacht. Das gibt es heute nur noch in einschlägigen Magazinen, die ohnehin nur von Leuten gelesen werden, die schon Rollenspieler sind.
Heutzutage hat man eigentlich nur noch durch Zufall die Chance, von Rollenspielen zu erfahren, nämlich falls man sich zufällig in einen Rollenspielladen verirrt, im Internet darauf stößt oder wen kennt, der Rollenspiele macht.
Aber selbst dann, wenn jemand heutzutage davon erfährt, dass es Rollenspiele gibt, gibt es genug Gründe, seine Freizeit anders zu verbringen. Die Einstiegshürde für Rollenspiele liegt heute viel höher als früher. In den 80ern etwa waren die Regelsysteme noch derart einfach, dass man auch als junger Mensch kein Problem hatte, loszuspielen. Ich selbst habe im Alter von 11 Jahren mit DSA1 begonnen - ich bin sehr sicher, dass das heutige Regelwerk mich damals abgeschreckt hätte und ich mich nicht rangetraut hätte.
Und DSA ist noch immer das wichtigste Einsteigersystem. Die deutsche Rollenspielszene hängt am Tropf von DSA, so möchte ich behaupten.
Selbst dann, wenn man sich dazu durchringt, sich Bücher zu kaufen, muss man erst einmal viel Geld investieren und viel Zeit mit Lesen verbringen. Besonders betroffen ist dabei gerade der Marktführer DSA - die Zahl der Regel- und Quellenbände, die man kennen sollte, um in Aventurien wirklich eintauchen zu können, erfordert nicht nur einen erheblichen finanziellen Aufwand, sondern auch ein regelrechtes Studium. Das können sich Schüler und Studenten zeitlich vielleicht gerade noch erlauben, aber wer berufstätig ist, wird Probleme haben, die nötige Zeit zu finden.
Will sagen: Man findet den Einstieg in Rollenspiele heute nicht mehr so leicht wie früher. Rollenspielsysteme sind eben mit ihren Spielern älter geworden, sie sind gewachsen und ausgefeilter geworden; zum Preis, dass Neueinsteiger es viel schwieriger haben als früher. Es müsste aus meiner Sicht dringend ein Einsteigerrollenspiel her. An einem solchenarbeitet man bei Pegasus Spiele tatsächlich schon; es soll sich „Quest“ nennen und 2009 erscheinen.
Es gibt aber noch einen ganz wesentlichen Punkt für die problematische Lage von Pen&Paper: Online-Rollenspiele.
Online-Rollenspiele - Chance oder Problem?
In der Zeit, als Pen&Paper noch „groß“ war, nämlich in den 80ern und frühen 90ern, gab es einfach weniger Konkurrenz durch Videospiele als heute. Damals waren Computerspiele vergleichsweise primitiv – heute hingegen kann man Rollenspiele vernetzt spielen, sich mit anderen live unterhalten, bekommt schöne Grafik und netten Sound geliefert, und dazu noch relativ ausgefeilte Szenarien.
Es wird von einigen heute propagiert, Online-Rollenspiele würden Pen&Paper helfen, weil sie Rollenspiel bekannter machen und Pen&Paper dann auch mehr gekauft werde. Sicherlich wird es einige Leute geben, die durch Online-Rollenspiel auch zu Pen&Paper finden. Doch muss man Online- Rollenspiele trotzdem als die größte Gefahr für Pen&Paper ansehen, die es gibt. Ich will das auch begründen.
Online-Rollenspiele bieten gegenüber Pen&Paper zahlreiche Vorteile. Man muss nur ein Produkt kaufen und hat für Monate oder Jahre Spielspaß. Man muss sich nicht durch vielhundertseitige Wälzer wühlen, bis man spielen kann. Man kann jederzeit spielen, muss sich mit niemandem terminlich abstimmen, und kann so lange spielen, wie man will. Man braucht keinen Spielleiter, oder muss diesen nicht selbst geben, sondern hat sofort Spielspaß.
Bei dieser Palette an Vorteilen wird es einem Neueinsteiger schwierig sein, zu vermitteln, dass sich Pen&Paper trotzdem lohnt. Das Spielerlebnis ist, da sind wir uns sicher alle einig, unvergleichlich und rechtfertigt die Mühen allemal. Doch ein Außenstehender wird das nicht nachvollziehen können, wo er doch auch online mit anderen spielen kann und es ihm da alles einfacher gemacht wird.
Es kommt aber auch noch ein großes Problem hinzu: Online-Rollenspiele fressen viel Zeit. Zeit, die man dann nicht mehr für Pen&Paper hat. Das Aufkommen von World of Warcraft war das schlimmste Ereignis, das die Pen&Paper-Szene in den letzten Jahren erlebt hat. Auf einmal sind nämlich massenhaft aktive Pen&Paper-Rollenspieler vor dem Computer abgetaucht und waren für Monate verschwunden. Monate, in denen sie keine Rollenspielprodukte mehr brauchten, und nach denen sie bestimmt nicht in allen Fällen zu Pen&Paper zurückgefunden haben. Bestimmt kennt jeder Leser Fälle aus seinem Bekanntenkreis oder hat es sogar am eigenen Leib erlebt: Online-Rollenspiele sind ein Zeitfresser, der verhindert, dass Pen&Paper gespielt wird.
Es gab damals, als 2005 World of Warcraft aufkam, den von mir so genannten „WoW-Knick“. Von einem Monat auf den anderen sind die Absätze bei Pen&Paper massiv eingebrochen, um bis zu 50%! Ich habe das bei Cthulhu live miterlebt, und ich weiß von Gesprächen mit anderen Verlagen, dass es da nicht anders aussah. Die Zahlen haben sich zwar irgendwann wieder halbwegs erholt, aber trotzdem muss man von einem massiven Einbruch bei den Verkäufen sprechen.
Unterm Strich nochmal zusammengefasst: - Online-Rollenspiele führen dazu, dass es weniger Neueinsteiger bei Pen&Paper gibt, da sie einen viel einfacheren Zugang zu Rollenspielen bieten und damit Gründe nehmen, mit Pen&Paper anzufangen. - Online-Rollenspieler vereinnahmen traditionelle Pen&Paper-Rollenspieler für sich, die nicht mehr die Zeit finden, Pen&Paper zu spielen. Die wenigen Neueinsteiger, die durch Online-Rollenspiele vielleicht generiert werden, wiegen die erheblichen Nachteile keineswegs auf.
Zersplitterung des Marktes
Wir sehen uns also mit einem ohnehin schon eher kleinen Markt für Pen&Paper konfrontiert, der ständig schrumpft. Vollkommen gegen den Trend tauchen aber gerade in den letzten Jahren in Deutschland ständig neue Rollenspiele am Markt auf, die alle ihren Teil von dem kleinen Kuchen abhaben wollen. Die Verantwortlichen sind alles begeisterte Rollenspieler, die mittlerweile alt genug sind und auch einen finanziellen Background haben, der es ihnen erlaubt, ihr Hobby endlich aktiv umzusetzen und „ihr“ Spiel oder ihre Spiele an den Markt zu tragen.
Das ist nachvollziehbar und sympathisch. Aber: Wie der Erfahrung zeigt, haben Rollenspieler pro Monat ein relativ festes Budget, das sie auszugeben bereit sind. Geld, das in ein Spiel investiert wird, steht in diesem Monat für das andere Spiel nicht mehr zur Verfügung. Aus Sicht von Oliver Hoffmann von Feder & Schwert, die ich teile, bedeuten mehr Rollenspiele am Markt daher insbesondere für die „großen“ Spiele, bei denen die Verlage von den Verkäufen leben müssen, eine Gefahr, nicht etwa, weil sie verdrängt würden, sondern schon deshalb, weil alles Geld, das für neue, andere Spiele ausgegeben wird, nicht für die „großen“ zur Verfügung steht. Aber auch die „großen“ Spiele sind ja wie dargestellt nicht wirklich groß, sondern nur groß genug, dass es sich wirtschaftlich gerade lohnt. Jede spürbare Beeinträchtigung der Verkaufszahlen ist für die Verlage ein Problem.
Auch untereinander graben sich die vielen neuen Systeme natürlich das Wasser ab. Besonders deutlich wurde die Konkurrenz jüngst im Rechtsstreit zwischen Nackter Stahl und Prometheus, in dem es darum ging, dass Prometheus von Nackter Stahl abgekupfert haben soll. Die Nerven scheinen da blank gelegen zu haben. Die Grundregelwerke von neuen, kleinen Systemen verkaufen sich oft noch recht gut, da viele Leute neugierig sind und sich die Sachen einfach mal kaufen.
Erst an den Folgebänden sieht man dann, ob die Spiele auch wirklich gespielt werden - die bleiben nämlich ansonsten wie Blei in den Regalen liegen.
Nicht, dass man mich falsch versteht: Als Rollenspieler finde ich es toll, wenn es viele verschiedene Systeme gibt und ich viel Auswahl habe. Aus Sicht eines Verlages, der von Rollenspielen leben muss, ist die Zersplitterung des Marktes dagegen eher problematisch als hilfreich.
Aus meiner Sicht führt die Zersplitterung dazu, dass sich die Abwärtsbewegung noch schneller vollzieht, weil die Verkaufszahlen durch sie insgesamt noch weiter absinken. Denn die Kaufkraft verteilt sich auf mehr Produkte.
Neu auftauchende Verlage treten gerne nach außen unglaublich professionell und zuversichtlich auf. Der 13Mann-Verlag etwa leistet sich einen Pressesprecher und verkündet, an einen wirtschaftlich interessanten Markt zu glauben. Man hört von Auflagenstärken bei Rolemaster im Bereich von 10.000 und bei Traveller im Bereich von 3.000-5.000. Diese Zahlen sind schlicht absurd; wahrscheinlich wird man von diesen Auflagen nur etwa ein Fünftel verkaufen können.
Ich vertrete die These, dass jeder, der mit seinem Verlag heutzutage ausschließlich oder überwiegend von Pen&Paper zu leben versucht, entweder wahnsinnig ist (was mir als Cthulhu-Chefredakteur natürlich wieder gefällt) oder schlichtweg keine Ahnung hat.
Keiner der großen Verlage setzt überwiegend auf Pen&Paper, sondern alle haben noch andere Standbeine: Ulisses und Pegasus machen noch Vertrieb, bringen auch Brett- und Kartenspiele heraus, Feder&Schwert setzt verstärkt auf den Romansektor. Ich finde es gut und richtig, Pen&Paper nur als ein Standbein zu haben, denn die Szene ist auf Verlage angewiesen, die professionell publizieren und dadurch für einen regelmäßigen Produktausstoß sorgen.
Das geht nur, wenn man wirtschaftlich durchdacht vorgeht und sich nicht nur auf einen schrumpfenden Pen&Paper-Markt verlässt.
Rettungsmaßnahmen
Die Verlage tun, so würde ich behaupten, bereits so gut wie alles, was möglich ist, um sich gegen den Trend zu stemmen und neue Spieler zu gewinnen. Pegasus Spiele beispielsweise leistet sich ein vielköpfiges Supportteam, das auf Conventions auftaucht und Ladenspielrunden anbietet. Auch gibt es ein „Cthulhu für Einsteiger“-Heft, das großzügig verteilt wird. Zudem gibt es immer wieder Promo-Aktionen. Ulisses Spiele hat sogar darauf hingewiesen, dass man nicht nur ebenfalls Supporter unterhält, sondern auch Conventions finanziell unterstützt, Werbung schaltet und insgesamt pro Jahr 25.000,00 Euro für Promotion ausgibt – eine Summe, die für den Rollenspielbereich ziemlich riesig ist. Ich habe versäumt, mich bei Feder&Schwert nach Promomaßnahmen zu erkundigen, doch werden sie bestimmt auch welche fahren.
Es gäbe sicherlich durch große Anstrengungen hier und da noch etwas herauszukitzeln. Eine Idee ist, mit Rollenspielen in Jugendclubs zu gehen, um dort das Hobby bekannt zu machen. Da ist dann aber die Szene gefragt, denn die Verlage könnten es sich finanziell gar nicht leisten, Mitarbeiter für diese Zwecke durchs Land reisen zu lassen, dafür sind sie dann doch wieder nicht groß genug.
So oder so, unterm Strich werden alle diese Maßnahmen aus meiner Sicht das Schrumpfen der Szene nur verlangsamen; aufhalten oder gar umdrehen wird sich der Trend kaum noch lassen. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren und wäre gespannt, was ein Leser in 10 Jahren sagt, wenn er diesen Artikel hier zur Hand nimmt.
Ausblick
Die Zukunft erleben wir schon jetzt: Pen&Paper verlagert sich immer mehr hin zu Fan-Verlagen, die wirtschaftlich nicht von Rollenspielen leben können. Diese Verlage publizieren genau so lange, bis der Verant- wortliche die Lust verliert oder ihm das Geld ausgeht. Das heißt auch, dass die „kleineren“ Rollenspiele niemals so beständig und dauerhaft am Markt sein werden wie die „großen“, die von Verlagen herausgebracht werden, die davon leben.
Ein anderer Trend ist die Veröffentlichung im Internet. Da diese ausgesprochen kostengünstig ist, wird dies ein Modell sein, das in Zukunft eher mehr als weniger genutzt werden wird. Nicht von den großen Verlagen, aber für Publikationen aus dem Fan-Bereich bietet es sich schlichtweg an.
Aber auch in Zukunft wird es die „großen“ Systeme weiterhin geben, und es wird weiterhin Verlage geben, die sie veröffentlichen. Die Verlage haben sich ja bereits wirtschaftlich abgesichert und nach weiteren Standbeinen gesucht, wie dem Brett-, Kartenspiel- und Buchsektor. Da werden Rollenspiele auch weiterhin mit im Programm gehalten werden. Oliver Hoffmann von Feder&Schwert sagte mir dann auch, dass er noch so lange Rollenspiele veröffentlichen wird, bis sie anfangen, rote Zahlen zu schreiben.
In den Verlagen sitzen eben auch Fans, altgediente Rollenspieler, und die werden - so wie Oliver Hoffmann - mit Sicherheit noch so lange Rollenspiele veröffentlichen, wie es wirtschaftlich vertretbar ist.
Der Punkt, an dem die großen Rollenspiele anfangen, rote Zahlen zu schreiben, liegt (wenn er überhaupt jemals eintritt) nach meiner Einschätzung jedenfalls noch in so weiter Ferne, dass wir uns heute darüber noch nicht sorgen müssen.
Fazit
Die Szene schrumpft, Nachwuchs ist schwierig zu gewinnen. Doch blüht die Vielfalt der Systeme am Markt, die Rollenspielszene ist unglaublich lebendig. So lange es überhaupt noch Rollenspieler gibt, wird es auch immer Rollenspielsysteme geben, denn wir sind ein ausgesprochen kreatives Völkchen und werden uns mit Sicherheit immer mit Material versorgen - und sei es auch nur durch Fan-Verlage oder übers Internet. Wir müssen uns keine Sorgen machen, dass unser Hobby stirbt, aber wir sollten uns auch bewusst sein, dass die Szene eher überschaubar ist und die vermeintlich „großen“ Verlage unbedingt darauf angewiesen sind, dass wir ihre Produkte erwerben, da sie davon leben müssen.
Aus meiner Sicht gibt es nicht „Macher“ und „Käufer“, sondern wir sitzen als Rollenspieler alle in einem Boot; wir alle sind die Szene und für das Leben, mit dem sie erfüllt ist, mit verantwortlich.
Meine Herren, Frank Heller wird von mir sehr geschätzt und ich möchte euch diesen Artikel nicht vorenthalten. Zudem in diesem Forum schon die Frage danach aufkam.
Auf Nachfrage bei André Wielser erwiederte mir dieser, dass ich diesen Artikel hier einstellen darf.
Ihr findet ihn daher nachstehend. Da es sich um eine PDF-Extraktion handelt, bitte ich um Nachsicht, was Trennungen oder Absätze angeht.
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Pen&Paper-Rollenspiel am Ende?
Eine Analyse der Zukunft unseres Hobbys von Frank Heller
Eine Analyse der Zukunft unseres Hobbys von Frank Heller
Frank Heller, Jahrgang 1974, ist seit über neun Jahren als freier Mitarbeiter für Pegasus Spiele tätig und betreut seit vielen Jahren als Chefredakteur die gesamte Cthulhu-Spielelinie sowie die von ihm mit ins Leben gerufene Zeitschrift „Cthuloide Welten“, die inzwischen auch in englischer Sprache unter dem Titel „Worlds of Cthulhu“ weltweit vertrieben wird.
Als ich von André Wiesler angesprochen wurde, ob ich für die letzte „reguläre“ Ausgabe des Envoyer einen Beitrag verfassen könnte, kam mir der Gedanke, zum „Ende“ des Envoyer in der bisherigen Gestalt einen Artikel über das immer wieder vorhergesagte vermeintliche „Ende“ unseres Hobbys beizusteuern. Über ein solches wird schon seit vielen Jahren spekuliert, doch von „kompetenter“ Seite hat man dazu wohl noch nie eine Einschätzung gehört.
Seit ich vor über neun Jahren auf die Macher-Seite gewechselt bin, habe ich nicht nur Einblicke in den Vertriebsbereich bezüglich Cthulhu gewonnen, sondern auch zahlreiche Unterhaltungen mit anderen Machern der deutschsprachigen Rollenspielszene geführt. Zur Vorbereitung auf diesen Artikel habe ich außerdem mit dem Verlagsleiter von Pegasus Press, Jan Christoph Steines, dem Geschäftsführer von Ulisses Spiele, Markus Plötz, und dem Geschäftsführer von Feder&Schwert, Oliver Hoffmann, gesprochen.
Sie alle haben mir erlaubt, die von ihnen gegebenen Informationen in diesem Artikel zu verarbeiten. Der Titel des Artikels ist natürlich provokant gewählt - aber er ist auch nicht so abwegig, wie einige vielleicht hoffen.
Der Stand der Dinge
Pen&Paper-Rollenspiel in Deutschland war nie wirklich riesig, aber doch ein Markt, auf dem sich früher selbst große Verlage wie Schmidt Spiele versuchten. Diese Zeiten sind schon seit langem vorbei. Pen&Paper wurde auch früher schon oft totgesagt, doch gibt es unser Hobby auch weiterhin. Regelmäßig erscheinen neue Rollenspielsysteme, und gerade in der jüngeren Vergangenheit haben sich auch ständig neue Verlage gebildet, die Rollenspiele herausbringen. Wie ist es um den Markt wirklich bestellt?
Erst einmal ist festzustellen, dass wir nicht besonders viele sind. Das kann man an den Absätzen erkennen. Bei dem größten deutschen Rollenspiel, DSA, gilt ein Abenteuerband als ungewöhnlich erfolgreich, wenn er sich 3.000 Mal verkauft hat. Wenn man dagegen sieht, dass man selbst bei einem Erstlingsroman im Fantasybereich bei einem größeren Verlag als Newcomerautor schon eine Startauflage von bis zu 25.000 Exemplaren hat, wird diese Zahl in Perspektive gerückt. Und DSA ragt bei den Verkaufszahlen als absolute Spitze heraus; bei mittelgroßen Systemen kann man von 1.000 bis 2.000 Exemplaren ausgehen, kleine Rollenspiele verkaufen sich üblicherweise sogar nur ein paar hundert Mal. Das ist im Vergleich zu dem Aufwand, den es bedeutet, eine Publikation fertigzustellen, schlichtweg ein Witz. Als Kunde bekommt man das gar nicht mit, denn im Laden oder Internet findet man zahlreiche professionell aussehende Produkte, man hat einen Freundes- und Bekanntenkreis, in dem Rollenspiele gespielt werden, und daher ist für einen selbst die Rollenspielwelt groß und bedeutend. In Wahrheit sind wir bloß eine kleinere Randgruppe.
Ich bin einmal gefragt worden, wie viele aktive Rollenspieler es in Deutschland wohl geben mag. Das kann man natürlich nur vorsichtig anhand der verkauften Grundregelwerke der verschiedenen Systeme schätzen, aber es würde mich wundern, wenn es mehr als ein paar zehntausend wären.
Dies spiegelt sich auch auf Conventions wieder, wo man eigentlich immer nur die gleichen Gesichter sieht. Auch die Altersstruktur - auf Conventions jedenfalls - liegt nach meiner Einschätzung höher als früher.
Rollenspielläden schließen heutzutage in größerer Zahl, als sie neu eröffnet werden. Da spielt aber auch das Internet mit eine Rolle, das den Läden erhebliche Konkurrenz macht.
Ein abnehmender Markt
Ulisses wie auch Feder&Schwert vermelden beständig leicht sinkende Absätze, und das hört man gerüchteweise auch von kleineren Verlagen. Über Pegasus Spiele, die ja auch im Vertriebsbereich aktiv sind und Läden mit Rollenspielprodukten beliefern, weiß ich, dass sich Pen&Paper insgesamt ständig schlechter verkauft. Unser Rollenspiel „Cthulhu“ liegt gegenläufig zum Trend mit leicht steigenden Umsätzen, was aber an zahlreichen Supportmaßnahmen liegen dürfte und am Umstand, dass es ein Spiel für reifere Rollenspieler ist, und es zunehmend reifere Rollenspieler gibt.
Der Markt für Pen&Paper schrumpft also ständig. Das verwundert nicht.
Gründe für den Niedergang
Es gibt gleich ein ganzes Bündel an Gründen, warum Pen&Paper-Rollenspiel immer weniger angesagt ist. Erstens war noch bis 1997 Pen&Paper in normalen Spieleläden vertreten – über Schmidt Spiele nämlich. Auf diese Weise erlangten viele Leute Zugang zu Rollenspiel, die heutzutage nicht einmal die Gelegenheit bekommen, jemals davon zu hören.
Zweitens wurde damals - auch durch Schmidt Spiele - Werbung für Rollenspiele gemacht. Das gibt es heute nur noch in einschlägigen Magazinen, die ohnehin nur von Leuten gelesen werden, die schon Rollenspieler sind.
Heutzutage hat man eigentlich nur noch durch Zufall die Chance, von Rollenspielen zu erfahren, nämlich falls man sich zufällig in einen Rollenspielladen verirrt, im Internet darauf stößt oder wen kennt, der Rollenspiele macht.
Aber selbst dann, wenn jemand heutzutage davon erfährt, dass es Rollenspiele gibt, gibt es genug Gründe, seine Freizeit anders zu verbringen. Die Einstiegshürde für Rollenspiele liegt heute viel höher als früher. In den 80ern etwa waren die Regelsysteme noch derart einfach, dass man auch als junger Mensch kein Problem hatte, loszuspielen. Ich selbst habe im Alter von 11 Jahren mit DSA1 begonnen - ich bin sehr sicher, dass das heutige Regelwerk mich damals abgeschreckt hätte und ich mich nicht rangetraut hätte.
Und DSA ist noch immer das wichtigste Einsteigersystem. Die deutsche Rollenspielszene hängt am Tropf von DSA, so möchte ich behaupten.
Selbst dann, wenn man sich dazu durchringt, sich Bücher zu kaufen, muss man erst einmal viel Geld investieren und viel Zeit mit Lesen verbringen. Besonders betroffen ist dabei gerade der Marktführer DSA - die Zahl der Regel- und Quellenbände, die man kennen sollte, um in Aventurien wirklich eintauchen zu können, erfordert nicht nur einen erheblichen finanziellen Aufwand, sondern auch ein regelrechtes Studium. Das können sich Schüler und Studenten zeitlich vielleicht gerade noch erlauben, aber wer berufstätig ist, wird Probleme haben, die nötige Zeit zu finden.
Will sagen: Man findet den Einstieg in Rollenspiele heute nicht mehr so leicht wie früher. Rollenspielsysteme sind eben mit ihren Spielern älter geworden, sie sind gewachsen und ausgefeilter geworden; zum Preis, dass Neueinsteiger es viel schwieriger haben als früher. Es müsste aus meiner Sicht dringend ein Einsteigerrollenspiel her. An einem solchenarbeitet man bei Pegasus Spiele tatsächlich schon; es soll sich „Quest“ nennen und 2009 erscheinen.
Es gibt aber noch einen ganz wesentlichen Punkt für die problematische Lage von Pen&Paper: Online-Rollenspiele.
Online-Rollenspiele - Chance oder Problem?
In der Zeit, als Pen&Paper noch „groß“ war, nämlich in den 80ern und frühen 90ern, gab es einfach weniger Konkurrenz durch Videospiele als heute. Damals waren Computerspiele vergleichsweise primitiv – heute hingegen kann man Rollenspiele vernetzt spielen, sich mit anderen live unterhalten, bekommt schöne Grafik und netten Sound geliefert, und dazu noch relativ ausgefeilte Szenarien.
Es wird von einigen heute propagiert, Online-Rollenspiele würden Pen&Paper helfen, weil sie Rollenspiel bekannter machen und Pen&Paper dann auch mehr gekauft werde. Sicherlich wird es einige Leute geben, die durch Online-Rollenspiel auch zu Pen&Paper finden. Doch muss man Online- Rollenspiele trotzdem als die größte Gefahr für Pen&Paper ansehen, die es gibt. Ich will das auch begründen.
Online-Rollenspiele bieten gegenüber Pen&Paper zahlreiche Vorteile. Man muss nur ein Produkt kaufen und hat für Monate oder Jahre Spielspaß. Man muss sich nicht durch vielhundertseitige Wälzer wühlen, bis man spielen kann. Man kann jederzeit spielen, muss sich mit niemandem terminlich abstimmen, und kann so lange spielen, wie man will. Man braucht keinen Spielleiter, oder muss diesen nicht selbst geben, sondern hat sofort Spielspaß.
Bei dieser Palette an Vorteilen wird es einem Neueinsteiger schwierig sein, zu vermitteln, dass sich Pen&Paper trotzdem lohnt. Das Spielerlebnis ist, da sind wir uns sicher alle einig, unvergleichlich und rechtfertigt die Mühen allemal. Doch ein Außenstehender wird das nicht nachvollziehen können, wo er doch auch online mit anderen spielen kann und es ihm da alles einfacher gemacht wird.
Es kommt aber auch noch ein großes Problem hinzu: Online-Rollenspiele fressen viel Zeit. Zeit, die man dann nicht mehr für Pen&Paper hat. Das Aufkommen von World of Warcraft war das schlimmste Ereignis, das die Pen&Paper-Szene in den letzten Jahren erlebt hat. Auf einmal sind nämlich massenhaft aktive Pen&Paper-Rollenspieler vor dem Computer abgetaucht und waren für Monate verschwunden. Monate, in denen sie keine Rollenspielprodukte mehr brauchten, und nach denen sie bestimmt nicht in allen Fällen zu Pen&Paper zurückgefunden haben. Bestimmt kennt jeder Leser Fälle aus seinem Bekanntenkreis oder hat es sogar am eigenen Leib erlebt: Online-Rollenspiele sind ein Zeitfresser, der verhindert, dass Pen&Paper gespielt wird.
Es gab damals, als 2005 World of Warcraft aufkam, den von mir so genannten „WoW-Knick“. Von einem Monat auf den anderen sind die Absätze bei Pen&Paper massiv eingebrochen, um bis zu 50%! Ich habe das bei Cthulhu live miterlebt, und ich weiß von Gesprächen mit anderen Verlagen, dass es da nicht anders aussah. Die Zahlen haben sich zwar irgendwann wieder halbwegs erholt, aber trotzdem muss man von einem massiven Einbruch bei den Verkäufen sprechen.
Unterm Strich nochmal zusammengefasst: - Online-Rollenspiele führen dazu, dass es weniger Neueinsteiger bei Pen&Paper gibt, da sie einen viel einfacheren Zugang zu Rollenspielen bieten und damit Gründe nehmen, mit Pen&Paper anzufangen. - Online-Rollenspieler vereinnahmen traditionelle Pen&Paper-Rollenspieler für sich, die nicht mehr die Zeit finden, Pen&Paper zu spielen. Die wenigen Neueinsteiger, die durch Online-Rollenspiele vielleicht generiert werden, wiegen die erheblichen Nachteile keineswegs auf.
Zersplitterung des Marktes
Wir sehen uns also mit einem ohnehin schon eher kleinen Markt für Pen&Paper konfrontiert, der ständig schrumpft. Vollkommen gegen den Trend tauchen aber gerade in den letzten Jahren in Deutschland ständig neue Rollenspiele am Markt auf, die alle ihren Teil von dem kleinen Kuchen abhaben wollen. Die Verantwortlichen sind alles begeisterte Rollenspieler, die mittlerweile alt genug sind und auch einen finanziellen Background haben, der es ihnen erlaubt, ihr Hobby endlich aktiv umzusetzen und „ihr“ Spiel oder ihre Spiele an den Markt zu tragen.
Das ist nachvollziehbar und sympathisch. Aber: Wie der Erfahrung zeigt, haben Rollenspieler pro Monat ein relativ festes Budget, das sie auszugeben bereit sind. Geld, das in ein Spiel investiert wird, steht in diesem Monat für das andere Spiel nicht mehr zur Verfügung. Aus Sicht von Oliver Hoffmann von Feder & Schwert, die ich teile, bedeuten mehr Rollenspiele am Markt daher insbesondere für die „großen“ Spiele, bei denen die Verlage von den Verkäufen leben müssen, eine Gefahr, nicht etwa, weil sie verdrängt würden, sondern schon deshalb, weil alles Geld, das für neue, andere Spiele ausgegeben wird, nicht für die „großen“ zur Verfügung steht. Aber auch die „großen“ Spiele sind ja wie dargestellt nicht wirklich groß, sondern nur groß genug, dass es sich wirtschaftlich gerade lohnt. Jede spürbare Beeinträchtigung der Verkaufszahlen ist für die Verlage ein Problem.
Auch untereinander graben sich die vielen neuen Systeme natürlich das Wasser ab. Besonders deutlich wurde die Konkurrenz jüngst im Rechtsstreit zwischen Nackter Stahl und Prometheus, in dem es darum ging, dass Prometheus von Nackter Stahl abgekupfert haben soll. Die Nerven scheinen da blank gelegen zu haben. Die Grundregelwerke von neuen, kleinen Systemen verkaufen sich oft noch recht gut, da viele Leute neugierig sind und sich die Sachen einfach mal kaufen.
Erst an den Folgebänden sieht man dann, ob die Spiele auch wirklich gespielt werden - die bleiben nämlich ansonsten wie Blei in den Regalen liegen.
Nicht, dass man mich falsch versteht: Als Rollenspieler finde ich es toll, wenn es viele verschiedene Systeme gibt und ich viel Auswahl habe. Aus Sicht eines Verlages, der von Rollenspielen leben muss, ist die Zersplitterung des Marktes dagegen eher problematisch als hilfreich.
Aus meiner Sicht führt die Zersplitterung dazu, dass sich die Abwärtsbewegung noch schneller vollzieht, weil die Verkaufszahlen durch sie insgesamt noch weiter absinken. Denn die Kaufkraft verteilt sich auf mehr Produkte.
Neu auftauchende Verlage treten gerne nach außen unglaublich professionell und zuversichtlich auf. Der 13Mann-Verlag etwa leistet sich einen Pressesprecher und verkündet, an einen wirtschaftlich interessanten Markt zu glauben. Man hört von Auflagenstärken bei Rolemaster im Bereich von 10.000 und bei Traveller im Bereich von 3.000-5.000. Diese Zahlen sind schlicht absurd; wahrscheinlich wird man von diesen Auflagen nur etwa ein Fünftel verkaufen können.
Ich vertrete die These, dass jeder, der mit seinem Verlag heutzutage ausschließlich oder überwiegend von Pen&Paper zu leben versucht, entweder wahnsinnig ist (was mir als Cthulhu-Chefredakteur natürlich wieder gefällt) oder schlichtweg keine Ahnung hat.
Keiner der großen Verlage setzt überwiegend auf Pen&Paper, sondern alle haben noch andere Standbeine: Ulisses und Pegasus machen noch Vertrieb, bringen auch Brett- und Kartenspiele heraus, Feder&Schwert setzt verstärkt auf den Romansektor. Ich finde es gut und richtig, Pen&Paper nur als ein Standbein zu haben, denn die Szene ist auf Verlage angewiesen, die professionell publizieren und dadurch für einen regelmäßigen Produktausstoß sorgen.
Das geht nur, wenn man wirtschaftlich durchdacht vorgeht und sich nicht nur auf einen schrumpfenden Pen&Paper-Markt verlässt.
Rettungsmaßnahmen
Die Verlage tun, so würde ich behaupten, bereits so gut wie alles, was möglich ist, um sich gegen den Trend zu stemmen und neue Spieler zu gewinnen. Pegasus Spiele beispielsweise leistet sich ein vielköpfiges Supportteam, das auf Conventions auftaucht und Ladenspielrunden anbietet. Auch gibt es ein „Cthulhu für Einsteiger“-Heft, das großzügig verteilt wird. Zudem gibt es immer wieder Promo-Aktionen. Ulisses Spiele hat sogar darauf hingewiesen, dass man nicht nur ebenfalls Supporter unterhält, sondern auch Conventions finanziell unterstützt, Werbung schaltet und insgesamt pro Jahr 25.000,00 Euro für Promotion ausgibt – eine Summe, die für den Rollenspielbereich ziemlich riesig ist. Ich habe versäumt, mich bei Feder&Schwert nach Promomaßnahmen zu erkundigen, doch werden sie bestimmt auch welche fahren.
Es gäbe sicherlich durch große Anstrengungen hier und da noch etwas herauszukitzeln. Eine Idee ist, mit Rollenspielen in Jugendclubs zu gehen, um dort das Hobby bekannt zu machen. Da ist dann aber die Szene gefragt, denn die Verlage könnten es sich finanziell gar nicht leisten, Mitarbeiter für diese Zwecke durchs Land reisen zu lassen, dafür sind sie dann doch wieder nicht groß genug.
So oder so, unterm Strich werden alle diese Maßnahmen aus meiner Sicht das Schrumpfen der Szene nur verlangsamen; aufhalten oder gar umdrehen wird sich der Trend kaum noch lassen. Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren und wäre gespannt, was ein Leser in 10 Jahren sagt, wenn er diesen Artikel hier zur Hand nimmt.
Ausblick
Die Zukunft erleben wir schon jetzt: Pen&Paper verlagert sich immer mehr hin zu Fan-Verlagen, die wirtschaftlich nicht von Rollenspielen leben können. Diese Verlage publizieren genau so lange, bis der Verant- wortliche die Lust verliert oder ihm das Geld ausgeht. Das heißt auch, dass die „kleineren“ Rollenspiele niemals so beständig und dauerhaft am Markt sein werden wie die „großen“, die von Verlagen herausgebracht werden, die davon leben.
Ein anderer Trend ist die Veröffentlichung im Internet. Da diese ausgesprochen kostengünstig ist, wird dies ein Modell sein, das in Zukunft eher mehr als weniger genutzt werden wird. Nicht von den großen Verlagen, aber für Publikationen aus dem Fan-Bereich bietet es sich schlichtweg an.
Aber auch in Zukunft wird es die „großen“ Systeme weiterhin geben, und es wird weiterhin Verlage geben, die sie veröffentlichen. Die Verlage haben sich ja bereits wirtschaftlich abgesichert und nach weiteren Standbeinen gesucht, wie dem Brett-, Kartenspiel- und Buchsektor. Da werden Rollenspiele auch weiterhin mit im Programm gehalten werden. Oliver Hoffmann von Feder&Schwert sagte mir dann auch, dass er noch so lange Rollenspiele veröffentlichen wird, bis sie anfangen, rote Zahlen zu schreiben.
In den Verlagen sitzen eben auch Fans, altgediente Rollenspieler, und die werden - so wie Oliver Hoffmann - mit Sicherheit noch so lange Rollenspiele veröffentlichen, wie es wirtschaftlich vertretbar ist.
Der Punkt, an dem die großen Rollenspiele anfangen, rote Zahlen zu schreiben, liegt (wenn er überhaupt jemals eintritt) nach meiner Einschätzung jedenfalls noch in so weiter Ferne, dass wir uns heute darüber noch nicht sorgen müssen.
Fazit
Die Szene schrumpft, Nachwuchs ist schwierig zu gewinnen. Doch blüht die Vielfalt der Systeme am Markt, die Rollenspielszene ist unglaublich lebendig. So lange es überhaupt noch Rollenspieler gibt, wird es auch immer Rollenspielsysteme geben, denn wir sind ein ausgesprochen kreatives Völkchen und werden uns mit Sicherheit immer mit Material versorgen - und sei es auch nur durch Fan-Verlage oder übers Internet. Wir müssen uns keine Sorgen machen, dass unser Hobby stirbt, aber wir sollten uns auch bewusst sein, dass die Szene eher überschaubar ist und die vermeintlich „großen“ Verlage unbedingt darauf angewiesen sind, dass wir ihre Produkte erwerben, da sie davon leben müssen.
Aus meiner Sicht gibt es nicht „Macher“ und „Käufer“, sondern wir sitzen als Rollenspieler alle in einem Boot; wir alle sind die Szene und für das Leben, mit dem sie erfüllt ist, mit verantwortlich.