Nur eine Nacht?!

Jezz B

Chaoskind
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6. Dezember 2004
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Dies ist tatsächlich die erste Nacht die ich mit dem Mann verbracht habe, den ich vor wenigen Monaten heiratete. Ich hab lediglich ein paar Details weggeschummelt die hier nicht hingehören:

Der schrille Pfiff des Zugbegleiters reißt mich aus meinen Träumen - endlich geht es weiter. Bereits seid einer guten halben Stunde stehen wir vor dem Duisburger Hauptbahnhof und ich will nichts weiter als endlich nach Hause, dahin, wo ich mich wohl und geborgen fühle. Zuhause. Komisch, was ein merkwürdiges Wort. Jemand sagte mal Zuhause ist, wo das Herz ist. Mein Zuhause ist nicht die Stadt in der ich jetzt studiere, lerne, lache, lebe – liebe?! Nein, Zuhause ist für mich die Stadt in der ich groß geworden bin, wo meine Freunde und meine Familie sind. Wegen der Vorbereitung zu meiner Zwischenprüfung war ich jetzt mehr als zwei Monate nicht Zuhause und ich hab sie alle sehr vermisst. Vor allem weil ich mir genau das richtige Wochenende ausgesucht hatte um nach Hause zu fahren, denn einer meiner besten Freunde wollte auf sein erstes Vierteljahrhundert anstoßen. Aber danach, nach dieser Party brauchte ich endlich mal Ferien. Ich hatte in den letzten Wochen genug gefeiert für den Rest meines Lebens.
Die letzte war am Donnerstag, aber ich erinnere mich kaum was ich seid Dienstag getan habe. Um einem Freund einen Gefallen zu tun war ich mit ihm gegen 21h losgezogen um irgendwo ein wenig Unterhaltung zu finden und die fanden wir dann auch. Zwei Häuser weiter trafen wir auf meinen jüngsten Mitspieler, der gerade auf dem Weg in die Studentenbar unseres Hauses war und er überredete uns mitzukommen. Eigentlich hatte ich keine Lust, aber sein Grinsen und die Art wie er über den Flur huschte um irgendwen von einem Barbesuch zu überzeugen, erweichte mich dann doch. Eigentlich kannten wir uns kaum. Okay, sein Name und das er überzeugter Malkavianer war (und das nicht nur im Spiel) war mir bekannt, aber sonst. Er war sehr schlank, mit halblangen Rastalocken sowie einer großen Tätowierung auf dem Rücken, aber was sagte das schon. Ich wusste nur das er ein Spinner war, weswegen ich ihn manchmal so nannte.

In der Bar hingen wir dann die ganze Zeit zusammen. Wir tranken verschiedenes Zeug, spielten Kicker und Darts und mit der Zeit kamen wir uns immer näher. Jedes Mal wenn wir vor dem Dartboard standen um ein Spiel zu erklären oder überhaupt was neues einzugeben, berührten wir uns. Anfangs zaghaft und dann immer öfter, immer wieder. Die Stimmung an dem Abend war einfach super. Wir tranken, lachten, tanzten, feierten und je später es wurde um so näher kamen wir uns. Dann, als wir uns das erste Mal richtig küssten, überlief mich ein Schauder, der mich unwillkürlich aufstöhnen ließ. Tausend Gedanken zogen durch meine Kopf. Ich war erst kurz wieder solo, hatte Narben auf der Seele und noch immer knabberte ich stark an den Dingen die geschehen waren. Konnte – nein, wollte ich das? Aber er und wohl auch der Alkohol, schoben diese Gedanken schnell weit weg und bald wollte ich keine Grenzen mehr setzen. Immerhin war ich wieder freu und konnte selbst entscheiden was ich tat und wie weit ich gehen wollte. Langsam wurde es draußen dunkler und dann, irgendwann auch wieder heller. Noch immer waren einige Studies mit uns in der Bar, aber langsam leerte sich der Raum und um fünf Uhr waren nur noch wir beide und der Barkeeper da. Mit einem Grinsen stand er irgendwann neben uns: „Entweder ich geb euch jetzt den Schlüssel und ihr schließt hinter euch ab, oder ich werf euch raus.“

Verwundert über die Zeit beschlossen wir zu gehen und dann kamen die Sekunden die ich die ganze Zeit gefürchtet hatte. Ich wollte gehen und wieder nicht und vor allem, ich wollte nicht ohne ihn gehen. Dann standen wir vor der Tür – vor mir mein Haus, hinter der Bar das Haus in dem er wohnte. Ich drehte mich zu ihm um und grinste: „Zu mir oder zu dir?“ Gedanken rasten wie wirr durch meinen Kopf als er eine Moment abwartete. Ich hoffte beinahe er würde mich noch einmal küssen und dann gehen, aber das tat er nicht. Er nahm meine Hand und wir gingen auf mein Zimmer. Da es nun keine Zweifel mehr gab, konnten wir uns fallen lassen und die folgenden Stunden waren genau das, was ich die ganze Zeit herbeigesehnt hatte. Als er später auf meinem Bauch lag und ich mit der Hand immer wieder durch seine Haare fuhr versuchte ich zu begreifen was geschehen war, aber das konnte ich nicht. Sein nackter Körper glänzte vom Schweiß, ich hörte ihn zufrieden brummen und sah das er lächelte, als er mit geschlossenen Augen einfach nur so dalag.


Das Grinsen meiner besten Freundin werde ich wohl so schnell nicht vergessen, als wir am nächsten Morgen aus meinem Zimmer kamen und er sich verabschiedete, einfach so. Noch während ich unter der Dusche stand, drehten sich meine Gedanken einzig um ihn und am gestrigen Tag habe ich mehr über in erfahren als in den drei Monaten, die wir uns nun schon kennen.
Wieder ruckt der Zug und steht. Während ich müde vor mich hin döse seh ich sein Gesicht vor mir. Morgen fährt auch er zu seinen Eltern und bleibt die gesamten Ferien dort. Zwei Monate werde ich ihn nicht sehen.

Habe ich mich verliebt?

In diesen Spinner?

Vielleicht – abwarten!
 
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