AW: Monte Cook zum Magiesystem
Er beschreibt das Problem zwar, aber seine Schlußfolgerung ist m.E. nach nicht die Hilfreichste das Problem wirklich an der (Regelsystem-)Wurzel zu packen.
Das Problem, so wie er es schildert, ist, daß ein Zauberer nach D&D 3.x Regeln größere Menge an Zaubern schon bei niedrigen Leveln zur Verfügung hat, als es bei älteren D&D/AD&D-Regelversionen der Fall war, um - so das Designziel - es dem Spieler zu erlauben nicht erst ab Level 5+ Spaß zu haben, sondern gleich mit einer ausreichenden Beteiligung an der Spielaktion mitzuspielen. - Dieses Designziel kann ich durchaus nachvollziehen, vor allem in dem Licht, in welchem er es darstellt (daß eben alle Klassen gleich von Anfang an vergleichbare "Einsatztauglichkeit" haben sollten - in AD&D waren die Magic-User schon ziemlich gearscht auf den niedrigen Leveln (und die Fighter auf den höheren)).
Nur sind die Spieler, seiner Darstellung nach, ja so gemein, daß sie, statt genauso vorsichtig, umsichtig (wer sagt hier "paranoid") ihre Zauberer zu spielen, nunmehr anfangen ihre "Booster"-Sprüche gleich herauszuzaubern und dann ihre verbliebenen, nicht so prickelnden Zauber noch schnell auf irgendwas anzuwenden um direkt danach ihren Mitspielern auf den Sack zu gehen, indem sie bzw. die Spieler der Zauberercharaktere eine mehrstündige Rast und "Memorier"-Zeit für das Aufladen neuer Sprüche einforden.
Das sieht dann so aus: Raum 1 (10 Minuten Klopperei / erste Zauber werden angewandt), Raum 2 (5 Minuten Klopperei / manche der ersten Zauber laufen noch, es folgen weitere), Raum 3 (7 Minuten Klopperei / restliche Zauber werden rausgehauen - 20 Minuten Genörgel bis alle Mitspieler einverstanden sind, daß jetzt mal schnell 8+ Stunden geschlafen und dann Zauber memoriert wird), weiter im Text...
Diese Art zu Spielen ist nicht das, so seine Darstellung, was beabsichtigt ist.
Meine Vermutung, was beabsichtigt ist:
Der Zauberer hat magischen Kräfte. Diese stellen eine wertvolle, mächtige, aber auch karge Ressource dar. Daher muß/soll der Zauberer-Spieler sich Gedanken machen diese Ressource im Spielverlauf sinnvoll, an entscheidenden Momenten einzusetzen.
Das ginge prinzipiell mit der D&D 3.x Regel schon, wenn die Spieler sich zusammenreißen würden und nicht nach 30 Minuten Dungeoncrawl gleich wieder ins Bett müßten, um wieder zaubern zu können.
Aber er will noch etwas:
Er will, daß der Zauberer neben dem Ressourcen-Verwalten seiner MÄCHTIGEN magischen Kräfte auch noch regelmäßig und selbst bei Verausgabung seiner mächtigen Ressourcen für diesen Tag noch sinnvoll etwas zum gemeinsamen Gruppenhandeln beitragen kann. Es soll nicht so sein, daß der Zauberer sich ständig zurückhält und nichts macht, dann macht er was, und dann KANN er nichts mehr machen.
Und hier versucht er mit der falschen Lösung das zwar richtig geschilderte, aber falsch wahrgenommene Problem zu lösen.
Die Lösung, daß ein Zauberer magische Always-On-Powers/Feats haben soll, die parallel zu den üblichen Zaubern laufen und eventuell noch an-/ausschaltbar sein könnten, löst nicht das eigentliche Design-Problem, an dem D&D seit den 70ern krankt:
Das One-Use-Cast-It-And-Lose-It-Zauber-Memorieren-Müssen.
Das ist die eigentliche Design-Fehlstelle, die sich keiner anzutasten getraut hat.
Dadurch daß die Zauber ganz diskrete Einheiten magischer Macht, und zwar konstellierte Einheiten - eben in ganz konkret auf eine sich bei Anwendung manifestierende Ausprägung der magischen Machtquelle des Zauberers festgelegte - sind, hat der Zauberer im Gegensatz z.B. zum Kämpfer nicht diese Always-On-Fähigkeit, die ein Schwert in der Hand darstellt.
Das Konzept, daß Zauber genau festgelegte, formelhafte Zauber mit wohldefinierter Wirkung sind, ist ja noch nicht das Problem, da solche festen Zauberkonzepte in anderen Rollenspielen ohne die charakteristischen D&D-Schlafkrankheitsanfälle umgesetzt sind.
Das Problem liegt eigentlich im diskreten Modus, in welchem ein Zauberer gerade befindlich ist: Zeitverbrat-und-Warte-Modus (er schläft/meditiert), Zauber-Lade-Modus (er memoriert die neuen Zauber), Geladen-Warte-Modus (jetzt könnte er Zauber wirken), Zauber-Entlade-Modus (jetzt zaubert er gerade) und Nutzlos-und-Entladen-Modus (alle Zauber gezaubert, nix mehr drin, Schluß mit lustig).
Wenn man diese unabenteuerlichen reinen Warte- und Ich-kann-nichts-mehr-machen-Zeiten mal anschaut, so sind es ausschließlich diese langen Zauberer-"Auflade"-Zeiten, die im laufenden Spielgeschehen für die längsten Zwangspausen in der Aktion sorgen und das Problem der "katzenhaften" Zauberer: 6 Stunden Zaubern, 18 Stunden Schlafen am Tag hervorbringen, was im oben verlinkten Artikel ja als Symptom geschildert wurde.
Wenn man nun eine ganze Latte Always-On-Zaubermächte (Feats/Powers/...) einführt, dann könnte man eigentlich die gesamte Zauberei von den konstellierten Formelzaubern befreien, da diese keinen zusätzlichen Wert mehr darstellen, sondern nur noch eine systemtechnische Altlast.
Mal ein D&D-ferner Exkurs: Ich spiele in Necessary Evil, einem Superschurken-Setting, einen Super-Sorcerer, der keine festen Zauber kennt, sondern ALLES nur erdenkliche Zaubern kann, wann immer er mag. Das ist natürlich unbalanciert, wenn es keine Beschränkungen gäbe. Beschränkungen gibt es hier durch den "Machtgehalt" der gezauberten Effekte. Wenn ich also weniger Erfahren im Magiegebrauch bin, dann kann ich nur Effekte von geringerer Macht auf diese Art zaubern, als ein erfahrenerer Zauberer. Dieser Machtgehalt wird durch ein Punktesystem (mit sehr WENIG Rechnerei - immerhin ist dies Savage Worlds) quantifiziert. Dadurch kann ich abschätzen, was ich zaubern kann, und was ich mit Anstrengung geradeso (mit höherem Risiko - Rückschlag, für die die Savage Worlds kennen) noch versuchen kann, und was jenseits dessen ist, was ich mir zutrauen kann. - Dies ist nur einer von vielen alternativen Wegen, die OHNE das zeitlich problematische Downtime-Problem der D&D-70er-Jahre-Altlast auskommen.
Die einfachste Lösung dafür kenne ich seit 1980, wo ich das erste Mal (und nicht das letzte Mal!) einen Artikel zu Magiepunkte-Systemen in D&D bzw. AD&D gelesen hatte.
Magiepunkte, die eine begrenzte Resource darstellen, können längerwirkende Powers (die neu vorgestellten Always-On-Feats) ebenso antreiben wie kurzfristig anzuwendende Formel-Zauber (die dann nicht mehr One-Use, sondern je nach Punktekosten eben nur seltener anwendbar als die Always-On-Effekte sein würden). Eine Always-On Power könnte dann solange sie läuft pro 10 Minuten 1 Punkt oder pro Stunde 1 Punkt kosten und wäre somit billig (und vom Effekt her eben länger verfügbar), während ein heftiger Zauber pro Anwendung (nicht pro Zeiteinheit) eine ganze Handvoll Punkte kosten würde.
So hätte man auch das Ressourcen-Management, wie im Artikel als gewünscht dargestellt, als Notwendigkeit: Wenn ich ständig Always-On-Powers laufen habe, werde ich dann in einer heikelen Situation noch genug Magische Macht verfügbar haben, um die Dicken Zauber (tm) anzuwenden? - Diese Art des Ressourcen-Managements haben ja auch so einige Regelsysteme bereits eingebaut.
Es ginge bei der Problembehebung des D&D-Magie-Systems weniger darum das Rad neu zu erfinden, sondern eher darum überhaupt einmal ein Rad zu montieren, wo bislang nur Kufen oder Rollen aus Baumstämmen, die ständig neu zurechtgelegt werden müssen (Memorieren der Zauber), vorhanden sind.
Denn ein solches Magie-Punkte-System kann natürlich rollen: die Magie-Punkte regenerieren sich - je nach System - regelmäßig automatisch, mit konstanter Rate (wie die Powerpunkte bei Savage Worlds oder die Magiepunkte bei Cthulhu), mit unterschiedlichen Raten je nach Art der Magie und des Verhaltens (wie die Chi-Punkte bei Qin), oder nach konkreten, magieaufladenden Handlungen (wie die Charges bei UA).
Durch einen sich kontinuierlicher, statt wie gehabt diskret, aufladenden Magie-Macht-Pool könnte der Zauberer-Charakter beständig aktionsfähig bleiben, nur muß er weiterhin seine Ressourcen im Auge behalten, so daß er beim Aasen mit "teuren" Zaubern eben nur kleine magische "Brötchen" backen kann - aber immerhin: besser kleine als KEINE!
Die im Artikel vorgeschlagene Idee einer kleinen, Always-on Magie und einer großen, One-Use Magie ist mir ja von RuneQuest mit Battle Magic (benutzt Magiepunkte-Pool mit schneller, automatischer Regeneration der Magiepunkte) und Divine Magic (ist teuer im Erwerb und "tut weh", wenn man sie verschwendet eingesetzt hat) vertraut. Der Artikel schlägt zwar nicht direkt die kleine und große Magie vor, aber eben die Always-On und die (uralte) One-Use Magie parallel.
Nur sehe ich nicht, daß das das beschriebene Problembild beheben wird. Im Gegenteil: nun werden die Zauberer auf zwei Ebenen sich aufboosten können - mit Mage Armor always on - und mit One-Use Zaubern obendrein.
Ich glaube, daß man sich von der Uralt-Denke des One-Use-und-Geh-ins-Bett-Zauberns eher bälder als später verabschieden sollte. Manche D20-Adaptionen machen das ja schon - und andere Regelsysteme haben das schon viel länger und in durchaus ausgegorenen, ausgetesteten und spielerprobten Arten und Weisen durchgeführt. Es gilt eben nicht etwas Neues zu erfinden, sondern endlich den letzten Milchzahn, der schon ganz morsch und modrig ist, zu ziehen, damit das Magie-System in D&D endlich mal "state of the art" werden kann.
Das als mein Eindruck zum Artikel und dem darin beschriebenen Problem und seiner (Nicht-)Lösung.