[Januar 2008] - Patenschaft

Eldrige

Zombie-Survival Experte
Registriert
2. März 2004
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Es war eine ungewöhnlich warme Nacht in einem ungewöhnlich warmen Winter. Es war zutiefst irritierend, denn im Gedächtniss der Knochen war der frostige Biss des Winters fest verankert, so wie Pflanzen und Tiere seltsam reagierten und nicht recht mit dem viel zu mildem Klima zurecht kamen, so waren auch die Menschen unbewußt unruhig. Zwar tummelten sie sich in den Parks und auf den Wiesen und beteuerten wie großartig die Temperaturen waren, doch eigentlich wußte jeder das etwas nicht stimmen konnte.
Lurker kannte solche Vorzeichen und sie hatten schon immer Unheil bedeutet. Eine Naturkatastrophe, oder eine schlimme Seuche die die Straßen leerfegte. Vielleicht starben auch plötzlich zuviele Babys in ihren Krippen und zweiköpfige Schafe wurden geboren.
Dies war ein aufgeklärtes Jahrhundert, also würde eine zünftige Hexenverbrennung nichts nutzen.

Der Nosferatu hoffte inständig das nichts dramatisches passieren würde. Die Stadt war wunderbar ruhig gewesen in den letzten zwei Jahren und die Sterblichen waren angenehm träge und eingelullt. Es war herrlich leicht sich an ihnen zu sättigen. Aufregung und Misstrauen machten es für seinesgleichen unangenehmer und schwieriger sich an ihnen zu laben. Mit eher verhangenen Gedanken trat er deshalb heute durch den Hintereingang der Finstertaler Bibliothek und schritt durch die Reihen der schweren, dunklen Holzregale ohne ihnen Beachtung zu schenken, oder inne zu halten um das Oeuvre aus Staub, Papier, Tinte und Leder zu genießen das in der Luft lag.
Er angelte die Post aus seinem Brieffach und erstarrte als seine Finger ein besonderes Papier ertasteten. Mit einem Prickeln der Aufregung holte er es schnell heraus.
Es war altes Briefpapier und wesentlich stärker und feiner als normales Papier heutzutage. Handarbeit. Wer auf so einem Papier schrieb, der hatte keine Banalitäten zu verkünden wie man sie heute gerne schnell auf diese klebrigen, kleinen, gelben Papierfetzen schrieb. Es war ein Brief seines Meisters, das wußte er, lange bevor er das Siegel brach und den Umschlag auseinander gefaltet hatte.
Seine grauen, fahlen Augen huschten schnell über die schwungvolle Handschrift.

Es war eine Anweisung den Transport einer Schwester zu ihm in die Stadt zu organisieren. Ein alter Freund seines Meisters hatte scheinbar als letzten Willen verfügt das man sich seines Kindes annehmen sollte und sein Meister ließ diese Aufgabe Lurker zukommen. Zusätzlich sollte sie die Clanspräsenz in der Stadt erhöhen.
Merkwürdig war ein wenig das sich der Text anhörte als sollte Lurker sich um sie kümmern, dabei war sie laut der Informationen seines Meisters nur wenig jünger als Lurker.

Das war aufregend. Seine distanzierte Stimmung war wie weggeblasen. Eine neue Schwester in der Stadt, ein neues Kind in der Familie in Finstertal. Das waren gute Nachrichten. Ein wenig verwunderlich war es schon das der Rosenprinz es duldete das noch mehr seines Clans hier in seiner Stadt siedelten, aber wer wußte schon wie die Alten das wieder hingebogen haben mochten. Vielleicht würde das auch nichts Offizielles werden, in den wenigsten Städten war die tatsächliche Anzahl der Nosferatu nicht unbedingt dieselbe Zahl wie die gemeldete. Einerlei, er würde einiges vorzubereiten haben. Dem Brief konnte er entnehmen das Marie als Primogena natürlich schon informiert worden war, das bedeutete er konnte sich direkt an seine Aufgabe begeben.

Er faltete sorgsam den Brief zusammen und verstaute ihn in seinem altem Notizbuch, dann widmete er sich dem Rest der Post und ging hinüber zu seinem Tisch auf dem bereits die Zeitungen bereit lagen.
Eigentlich wurden sie natürlich nicht für ihn vorbereitet, aber in einer Welt in der einen niemand wahrnahm war alles was die Menschen irgendwo plazierten paradoxerweise irgendwie für ihn vorgesehen.
 
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