Rezension EPHORÂN Universalrollenspiel

Belchion

Ghul
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Ephorân


Universalrollenspiel


Ephorân ist ein deutschsprachiges Universalrollenspiel, das laut Klappentext für sich in Anspruch nimmt, schnell, flexibel, taktisch und realistisch zu sein. Dabei will es sich mit den großen amerikanischen Universalsystemen neuester Generation messen können.

Aussehen und Eindruck

Mit dem Äußeren klappt das eigentlisch schon recht gut: Ein ansehnliches Titelbild, ein stabiler Einband, saubere Verarbeitung, sogar ein Lesebändchen ist dabei. Da ist nicht viel zu mäkeln. Auf den ersten Blick hält dieser gute Eindruck auch im Inneren an: Gutes Papier, leserliche Schrift. Leider wird dieser Eindruck bei näherem Hinsehen getrübt, weil viele Seiten sehr weiß sind und dieser Leerraum zudem noch unglücklich verteilt ist. Einige Tabellen und Aufzählungen sind zudem sehr ungünstig umgebrochen. Fast jeder Absatz hat eine eigene Überschrift, die zudem oftmals sehr lang ist.

Sprachlich ist das Werk oft sehr knapp gehalten, teilweise in einem Maß, der das Verstehen erschwert. Dies ist unverständlich, weil es genügend leeren Raum gäbe, um viele Sätze verständlicher zu machen. Als Beispiel sei hier die Patzerregel von S. 12 angeführt: „Es gibt keine allgemeine Patzerregel (aber siehe S. 35)“. Dies ist verwirrend, denn auf S. 35 wird keineswegs eine optionale Patzerregel für Erfolgswürfe vorgestellt. Ebenso gibt es aber auch viele ungünstig zusammengestellte Sätze, die man zweimal lesen muß, um nun zwischen den ganzen Beispielen nun die Regel herauszufinden. (Ein schönes Beispiel ist hier die Beschreibung von Technik auf S. 14) Auch Bezeichnungen sind nicht immer ganz geglückt – was ist der Unterschied zwischen einer „einfachen Routineaufgabe“ und einer „normalen Routineaufgabe“?

Charaktere

Ephorân bricht hier mit Gewohntem, denn es gibt keine mechanisch unscharfen Eigenschaften wie Intelligenz oder Stärke, aus denen sich dann die verwendeten Werte ableiten. Stattdessen werden direkt relevante Werte wie Grundschaden, Stabilität und Resistenz angeführt. Alles weitere wird entweder über Vorteile oder Fertigkeiten geregelt, die per Punktkaufsystem festgelegt werden.

Die Vorteile funktionieren ähnlich wie bei HERO System oder GURPS 4 – man wählt einen Effekt, den man mit Vor- und Nachteilsmultiplikatoren verbilligen oder verteuern kann. Die Effekte sind sehr allgemein beschrieben, der Spieler muß ihre konkrete Auswirkung in der Spielwelt beim Erschaffen festlegen. Dafür kommt Ephorân mit einer recht kleinen Anzahl von Vor- und Nachteilen aus. Viele der Nachteile liegen leider im Metabereich, haben also keine festen regeltechnischen Auswirkungen.

Der Kernmechanismus Ephorâns sind aber die Fertigkeiten. Um Fachidioten und überspezialisierte Monstercharaktere zu vermeiden, verfügt Ephorân nur über 10 Fertigkeiten. Diese 10 Fertigkeiten decken sehr breite Bereiche ab und es ist ziemlich teuer, sie zu steigern. Jede dieser Fertigkeiten startet auf einem Wert von 10, um Allgemeinwissen und grundlegende soziale Fähigkeiten abzubilden. Hier kommt nun der Clou: Ephorân erlaubt es zu vergleichsweise geringen Kosten, sich in Fähigkeiten zu spezialisieren und sich in diesen Spezialisierungen dann weiter zu spezialisieren. So verfügen zwar alle Charaktere über gewisse Grundkenntnisse, können sich aber dennoch ihre Nische suchen. Das funktioniert im Großen und Ganzen recht gut, führt allerdings bei der Charaktererschaffung regelmäßig zu Wettläufen: „Wer schafft den tiefsten Spezialisierungsbaum?“ (Der Rekord liegt derzeit wohl bei 11 Subspezialisierungen) Es hat zudem den Nachteil, daß Leute mit Kenntnissen in einem Bereich grundsätzlich auch fähigere Charaktere erschaffen können, weil sie mehr Spezialisierungsmöglichkeiten kennen. Die 2. Schwäche besteht bei Settings, in denen nur ein kleiner Bereich der Fertigkeit wichtig ist, obwohl theoretisch weite Teile gebraucht werden könnten. Dieses Problem lässt sich vermutlich nur lösen, indem man Settingabhängig niedrigste Spezialisierungsstufen festlegt.

Kampf

Kommen wir zum Kampf, der auch in diesem Rollenspiel einen großen Teil des Buches einnimmt. Hier wird zwischen 4 verschiedenen Schadensarten unterschieden, wobei aber nicht klargestellt wird, wann nun welcher Schaden eingesetzt werden soll. Für Rüstungen, Waffen, Explosionen und Kollisionen gibt es Formeln, mit denen man die Auswirkungen berechnen kann. Dies hat den Vorteil, daß man hier praktisch alles selbst definieren kann. Allerdings führt dies dazu, daß der Kampf auch extrem detailliert abgehandelt wird. Ich hätte den Kampf lieber etwas abstrakter. Die Regeln für den Kampf regeln übrigens wirklich nur die Auswirkungen des physischen Kampfes, es gibt keine Regeln für z.B. soziale Schaden durch Scham o.ä.

Leider gibt es kein optionales abstraktes System, daß zu Gunsten der Einfachheit etwas grobmaschiger vorgeht.

Sonstiges

Nach dem Kampf folgen ein kleines Bestiarum, ein Zaubersystem und Beispielcharaktere. Eine nette Übersicht, auch wenn ein paar Klassiker fehlen.

Spielwelten und Kampagnen

Ephorân liefert 3 Settings mit: Theoxyra (Fantasy), Galactis (Space Opera) und Katoptron (Mystery). Diese sind leider allesamt ziemlich oberflächlich und mir ist nicht ganz klar, warum die wichtigen Teile (Schablonen für Monster, Raumkampf) nicht mit in die entsprechenden Regelteile aufgenommen wurden. So sind sie im Spiel nur schlecht zu finden. Den Abschluß bilden Hinweise für die Gestaltung eigener Kampagnen und für die Spielleitung sowie eine Tabelle, mit der man Grundlagen eines Abenteuers zufällig bestimmten kann.

Fazit

Ephorân ist ein solides Universalrollenspiel, das tatsächlich sehr flexibel ist. Andererseits artet es in bestimmten Bereichen in ein Klein-Klein aus, welches zumindest mich eher abschreckt. Dies geht zu Kosten der Geschwindigkeit, besonders im Kampf und beim Einkauf. Insgesamt kann ich es für Leute empfehlen, die Wert auf ein realistisches Universalregelwerk legen.Den Artikel im Blog lesen
 
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