Rezension Dread - The First Book of Pandemonium

Silvermane

Wahnsinniger
Registriert
22. Februar 2004
Beiträge
5.750
Dread - The first Book of Pandemonium


Splatterpunk Rollenspiel


Ein narrativistisches Splatterpunk-Rollenspiel um Dämonen und die harten Jungs und Mädels, die dazu verdammt sind sie zu jagen. Packt die Schrotflinten aus und zieht eure Gummistiefel an, wir waten heute knietief im Gekröse!

Tja, wie ihr der Kurzbeschreibung entnehmen könnte dreht sich in diesem Review alles um Dämonen, die harten Jungs und Mädels, die dazu verdammt sind sie zu jagen, und eine Extraportion Gore für alle Beteiligten.

Die mir vorliegende Version von Dread - The First Book of Pandemonium (Unrated Edition) ist eigentlich eine erweiterte Neuauflage eines älteren Titels von 2002, der damals auch einfach nur "Dread" hieß; zwischenzeitlich gibt es aber noch einen zweiten Titel mit diesem Namen (das ist dann das "andere" Dread, das Spiel das einen Jengaturm als Konfliktlösungsmechanismus verwendet). Die "Unrated Edition" hat bessere Produktionswerte, enthält mehr Dämonen zum jagen, und hat eine üppigere Zauberspruchliste für die Spielercharaktere. Desweiteren ist sie im Druck, während die alte Version eher ein Kuriosum mit einer verschwindend geringen Auflage war. Aber genug langweilige Druckerei- und Verlagsgeschichten, gehen wir ans Eingemachte...

Das Buch
Das Dread-Regelwerk ist ein 280 Seiten umfassendes Hardcover, welches über Lulu.com vertrieben wird. Druckqualität und Bindung sind ordentlich, das Cover selbst ist farbig, während das Innenleben in schwarz-weiß gehalten ist. Das Layout ist überraschend gut, das Artwork zum Thema passend und handwerklich sauber ausgeführt, auch wenn der Stil nicht einheitlich ist. Schreibfehler sind nur wenige vorhanden; man merkt diesem Buch deutlich an, daß es schon eine Vorversion gab, deren Kinderkrankheiten nun ausgemerzt worden sind.

Außer der Hardcoverversion exisitert auch eine Softcoverversion mit gleichem inhalt, die mit knapp 19,00€ auch gleich um 33% günstiger ist als die Hardcoverversion. Die Bindung hier steht einem kommerziellen Softcover in nichts nach.

Das Setting

Dread hat einen recht engen Fokus: Alle Spielercharaktere sind sogenannte "Disciples", auserwählte Streiter im Kampf gegen die aus der Hölle entflohenen Dämonen. Zumindest ist das die Story, die ihnen ihr Mentor erzählt. Ein Disciple war einmal eine Person, die alles verloren hat, und im Buch ihres Lebens im vorletzten Kapitel angekommen ist (Das letzte Kapitel beinhaltet, tot in der Gosse aufgefunden zu werden, sich eine Kugel in den Kopf zu jagen oder einen beherzten Sprung von einem geeigneten Gebäude zu machen). Just als sich also deren Schicksal zwischen Verzweiflung, Last Stand und Suizid befand, wurden sie von ETWAS angegriffen. Betreffendes etwas hatte weniger Interesse an deren traurigen Schicksalen, sondern mehr am Geschmack ihrer Eingeweide.
Dann kam der Mentor (es gibt mehrere davon, aber die Disciples kennen nur "ihren"), nahm dieses "Etwas" gewaltsam auseinander, flickte die betreffenden Disciples-in-spe wieder zusammen und lehrte sie nützliche Dinge, wie etwa schwarze Magie und die Kunst der gewaltsamen Konfliktlösung. Er erklärte ihnen die wahren Gründe hinter den Massakern von Haywood und Msawi Latu. Das die Tore zur Hölle einen kurzen Moment offenstanden, und das Dämonen entkommen sind. Er brachte sie auch über die schwarze Linie; Disciples sind keine Menschen mehr, zumindest nicht mehr was ihre Grenzen angeht. Die Disciples bilden eine Kabale, eine Art Anti-Dämonen-Zelle, wenn man so will.
Disciples haben auch alle Brücken zu ihrer Vergangenheit abgebrochen und ihren Namen aufgegeben. Ein Disciple hat ein Handle, einen Codenamen, aber das ist nicht der, mit dem er geboren wurde.
Der Auftrag des Mentors war simpel: Die aus der Hölle entflohenen Dämonen um jeden Preis zu stoppen. Er stellte der neuen Kabale einen Unterschlupf zur Verfügung, und dann zog er weiter. Um weitere Disciples für den Kampf gegen die Dämonen zu finden.
Manchmal meldet er sich wieder; die Nachrichten die er bringt sind selten erfreulich.

Die Disciples halten ihre Mentoren für Engel, die herabgestiegen sind um die Menschen zu retten. In Wahrheit sind die meisten Mentoren Dämonen, die einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Macht in die Erschaffung von Disciples stecken.
Die Tore zur Hölle standen durch einen Fehler tatsächlich kurz offen, und eine große Menge der eingekerkerten niederen Dämonen entkam, und beginnt nun ziemlich wahllos ihren Begierden zu frönen. Leider wird die Apokalypse eingeleitet, sobald die Zahl der von ihnen getöteten 244.000 überschreitet; über diesen Umstand sind weder die Engel noch die Dämonen im mittleren Management glücklich, daher sind einige von ihnen herabgestiegen, um die Apokalypse auf eigene Faust zu verhindern. Disciples sind in erster Linie eines: Entbehrlich. Es gibt einen Grund, warum sie für diesen Zweck diejenigen auswählen, die keiner vermissen wird. Und weil die Mentoren nahezu ausschließlich Dämonen sind, ist auch die Magie der Disciples so rabenschwarz und nach Schwefel duftend...

Das System

Dread verwendet ein W12-Poolsystem. Ja, richtig gelesen: Ihr habt endlich eine sinnvolle Verwendungsmöglichkeit für all die ungeliebten Dodekahedra in eurer Sammlung gefunden. Der grundlegende Mechanismus ist recht simpel: Es wird eine dem Attribut entsprechende Anzahl von W12 geworfen, und der mit dem höchsten Einzelergebnis wird mit der vom SL vorgegebenen Schwierigkeit verglichen (diese rangiert von 2-12). Ist diese erreicht oder übertroffen, ist der Wurf gelungen. Sollten mehrere Würfel das gleiche Ergebnis anzeigen, wird die Anzahl dieser Würfel zu ihrem Ergebnis dazugerechnet.

Beispiel:
Ich will ein Auto kurzschließen. Meine Fähigkeit im Autoknacken beträgt 4. Der SL gibt eine Schwierigkeit von 8 vor. Ich würfle 6,6,6,7. Der höchste Wurf beträgt 9 (3 Sechsen, also 6+3), und das Auto springt an.

Kämpfe werden ähnlich abgewickelt; Angreifer wie Ziel würfeln auf ihren Body-Wert. Sollte der Angreifer gewinnen, richtet er die Differenz zwischen den beiden Würfen als Schaden an. Wenn er eine Waffe benutzt, wird deren Schaden hierzu addiert.

Das System ist narrativistisch ausgerichtet; stimmungsvolle Beschreibungen geben einen Bonuswürfel, und viele der "Special Moves" im Kampf verlangen eine ausgefeilte Beschreibung der Vorgehensweise. Es sei hier erwähnt das diese Special Moves in ihrer Grundsubstanz nur Würfeltricks sind; mal wird der Opposition der höchste Würfel entzogen, mal wird einfach noch einmal gewürfelt, ein anderer erlaubt es, 2 Würfelergebnisse zu addieren, wofür aber der Pool auch auf ebendiese 2 begrenzt wird. Die eigentliche Beschreibung des Angriffs ist völlig der Fantasie des Erzählenden überlassen, ähnlich wie Feng Shui solche Konflikte abwickelt.

Disciples sind in jeder Hinsicht übermenschlich. Wo normale Menschen Attribute zwischen 1 und 3 haben, hat ein Disciple in einem seiner Attribute mindestens 5; dieses definiert dann auch gleich seine Spezialität. Wo normale Menschen nach 5 verlorenen Lebenspunkten tot umfallen, hat ein Disciple gleich 12 davon. Und als ob das nicht ausreichen würde, besitzen sie einen Pool von 12 "Fury"-Punkten, der es ihnen erlaubt das unmögliche zu vollbringen (in erster Linie die weiter oben erwähnten Würfeltricks, aber auch die spontane Heilung von Schaden ist möglich). Sollte ein Disciple "sterben", dann erhält er auf der Stelle 12 Lebenspunkte, 24 Fury-Punkte, und den Hinweis vom SL, das dies sein letztes Abenteuer sein wird. Er lebt quasi "auf Pump", mit reichlich Ressourcen die es ihm erlauben, triumphierend und mit einem lauten Knall seine Existenz zu beenden. Es obliegt dem Spieler zu erzählen, wie genau sein Charakter stirbt.

Die 3 Hauptattribute sind Body, Sense und Soul.
Combat Disciples sind Kampfmaschinen. Ihr Hauptattribut ist Body. Sie können ihren Kampfwert auf mehrere Ziele aufteilen und so ganze Horden von "normalen" Gegnern in windeseile ausschalten.
Lore Disciples sind auf Nachforschungen spezialisiert. Ihr Hauptattribut ist Sense. Sie verfügen über eine grßoe Anzahl "normaler" Fähigkeiten und können anhand von gesammelten Spuren herausfinden, was für eine Art von Dämon gejagt wird, und wo seine Schwächen liegen.
Sorcery Disciples sind auf Magie spezialisiert. Ihr Hauptattribut ist Soul; abgesehen von einer Unmenge an nützlichen Zaubern sind sie die Einzigen, die Exorzismen lernen können - eine Notwendigkeit beim sicheren Umgang mit Dämonen, die Wirtskörper besetzen.

Fähigkeiten gibt es auch, allerdings ist die Liste relativ kurz; jeder Charakter kann Sense x2 Punkte auf diese Fähigkeiten verteilen, wobei davon ausgegangen wird das die Charaktere grundlegende Dinge wie Autofahren, Schießen, bewaffneten und unbewaffneten Nahkampf beherrschen; die Skills sind mehr als umfassende Berufskonzepte ausgelegt. (So deckt z.B. Crime alles mögliche vom Autos kurzschliessen bis zum Taschendiebstahl ab, und die anderen Skills sind ähnlich umfassend angelegt).

Ah, okay...ich höre schon die Frage aufkommen..."Und wo ist da der Splatter?" Der Splatter, wertes Publikum, taucht spätestens beim Aussuchen der Zauber auf. Jeder Disciple hat wenigstens 2 Sprüche, die er verwenden kann. Die meisten haben mehr. (Soul-Attribut x2, um genau zu sein.)
Die verfügbaren Zaubersprüche sind äußerst KULTig; der "Schlafzauber" des Settings z.B., liebevoll "Hemophage" genannt, beschwört dutzende von Albinoblutegeln, die über das Opfer herfallen und es aussaugen, bis es Bewußtlos wird. Der praktische Flugzauber "Nephilim" versorgt den Zauberer kurzfristig mit ledrigen Schwingen, und packt gleich noch Hörner und Fangzähne obendrauf zur Abrundung der optischen Stimmigkeit. Der Zauber "Schatten" erlaubt es dem Magier, sein Opfer mit dessen eigenem Schatten anzugreifen. "Chelicerae" verpasst dem Zauberer über einen Meter langen Kieferzangen, die aus dessen eigenen Unterleib herausbrechen. Und es gibt insgesamt über 80 von diesen Zaubern im Grundregelwerk.

Weitere Splatterelemente finden sich im Kapitel über die Dämonen (es sind über 40 davon im Buch, jeder davon mit detailierter Beschreibung von Aussehen und Jagdschema), von denen einer unappetitlicher ist als der andere, hauptsächlich vom Modus Operandi, aber auch deren Aussehen kommt nicht zu kurz.

Waffen, Rüstungen und anderes Spielzeug
Entgegen dem, was viele vielleicht erwarten haben Waffen, Rüstungen und Ausrüstungsgegenstände tatsächlich Werte und Preise. Schusswaffen haben sogar eine Munitionskapazität. Aber auch hier gibt es Besonderheiten:

Waffen haben 3 Werte: Schaden (wird zum ausgewürfelten Schaden addiert), Reichweite (rangiert von 1 bis 3; 1 ist Nahkampfreichweite, 2 definiert sich als "auf der anderen Seite vom Raum" und 3 als "die Strasse runter") und Munition (gibt an, in wievielen Kämpfen man die Waffe verwenden kann, bevor der mitgebrachte Munitionsvorrat endgültig erschöpft ist).
Rüstung hat einen Rüstungswert, der von 1-12 rangiert. Will man nun die Rüstung zum abfangen von Schaden benutzen (was eine willkürliche Entscheidung ist...), wird eine Anzahl Würfel in Höhe des Rüstungswerts geworfen. Jeder Würfel, der weniger als der aktuelle Rüstungwert anzeigt, fängt einen Punkt Schaden ab. Anschliessend wird der Rüstungswert um die Anzahl der absorbierten Schadenspunkte gesenkt. Rüstung ist also, wie Waffen auch, eine Ressource die mit bedacht eingesetzt werden will.

Alle Ausrüstungsgegenstände haben einen Kostenwert (auch der rangiert zwischen 1 und 12, die Meisten dürften inzwischen ein Muster erkennen...). Disciples haben einen Cash-Wert (beginnt bei 1 und kann nur durch Aktionen innerhalb des Spiels erhöht werden, und selbst das nur zeitweilig) zwischen 1 und 3. Vor jedem Abenteuer kann der Charakter versuchen, einen Ausrüstungsgegenstand zu erwerben. Dazu muß er dessen Kostenwert überwürfeln. Unabhängig vom Ausgang des Wurfes ist der Cashwürfel dann erst einmal verbraucht.

Beispiel:
Spark hat aufgrund einiger glücklicher Umstände einen Cashwert von 2 (tote Kultisten brauchen keine teuren Armbanduhren mehr...). Sie beschließt sich erstmal einen neuen Laptop (Kostenwert 6) und eine Digitalkamera (Kostenwert 3) anzuschaffen. Sie würfelt eine 7 für den Laptop und eine 5 für die Kamera, und hat somit zwar kein Geld mehr, aber eine Menge neues Spielzeug.

Ihr Kabalenpartner Tempest spekuliert auf ein Motorrad (Kostenwert 9), hat ebenfalls einen Cashwert von 2 (tote Kultisten haben auch wenig Verwendung für Bargeld) und versucht es mit beiden Würfeln. Er würfelt eine 2 und eine 7, und muß weiterhin Spark fragen ob er ihr Auto benutzen darf. Hätte er nur einen Würfel eingesetzt, könnte er noch versuchen, mit dem Verbliebenen einen weiteren Gegenstand zu erwerben.

Die Chars sind also notorisch knapp bei Kasse, besitzen kein festes Einkommen, und zu allem Überfluß kostet Munition genausoviel wie die Waffe selbst (ja, richtig gehört. Kein Rabatt...der Kostenaufwand ist der gleiche, weil eben auch der Effekt der gleiche ist...). Von daher tendieren Disciples dazu, sich zu nehmen was sie brauchen, und auch nicht davor zurückzuschrecken gefallene Gegner zu fleddern...

Das Spielleiterkapitel

Hier findet sich das Herz von Dread: Eine großzügige Sammlung von Dämonen, und eine brauchbare Strukturierung für die Abenteuer, die zu ihrer Ausschaltung führen. Ein Szenario für Dread wird in 3 Elemente gegliedert: Locations, Battlefield und natürlich der Dämon selbst.

Eine Location ist ein Ort, an dem Spuren zu finden sind, die zur Auffindung des Dämons führen. Das kann ein Tatort sein, das örtliche Leichenschauhaus oder auch ein Treffen mit einem Bekanntes des letzten Opfers.
Ein Battlefield ist ein Ort, an dem die Charaktere auf Widerstand stossen werden; sei es durch die Bodyguards eines besessenen Opfers, eine Strassengang die mit dem Fall in Verbindung steht oder auch einfach nur die Polizei, die zur falschen Zeit am falschen Ort auftaucht. Battlefields dienen in erster Linie zur Auflockerung, können aber auch Hinweise enthalten.
Zuguterletzt dreht sich das Szenario natürlich um den Dämon; er ist das eigentliche Ziel, das Szenario endet mit seinem Ableben (und wird generell um sein Verhaltensmuster herum aufgebaut).

In einem typischen Abenteuerszenario werden die SC von ihrem Mentor, ihren Kontakten oder auch einfach den Nachrichten auf die Spur des Dämons gebracht. Die Nachforschungen führen über mehrere Locations und Battlefield dann zum Unterschlupf des Dämons, wo der Showdown beginnt.

Darüberhinaus finden sich hier eine Menge Tips für angehende Spielleiter sowie der eigentliche "Metaplot" hinter dem Setting.

Fazit
Ein gelungenes Gesamtpaket für das bißchen Splatterpunk zwischendurch, mit rasanter Charaktererschaffung und nicht minder rasanten Kämpfen und Szenarien. Wer seiner Erzählleidenschaft frönen und einfach mal den finsteren Actionhelden raushängen lassen möchte, ist mit Dread - The First Book of Pandemonium gut bedient.

Auf der Downloadseite des Autors findet sich einiges an kostenlosem Material. Insbesondere sei hier auf das dort zu findende komplette Spielerkapitel des Grundregelwerks hingewiesen, welches die vollständigen Regeln und alle Zaubersprüche enthält (die wirklich genialen Dämonenbeschreibungen befinden sich allerdings in der Spielleitersektion).

Selbst wenn einem das zugrundeliegende System nicht zusagen sollte, sind die beschriebenen Dämonen und Zaubersprüche die Anschaffung allemal Wert, da sich diese relativ problemlos in andere Horrorsysteme portieren lassen.

-SilverDen Artikel im Blog lesen
 
Zurück
Oben Unten