AW: DLminus, Weird West ohne den Weird Anteil
Ich glaube, daß man Deadlands auch gut ohne Weirdness spielen kann,
Wenn man das kann - und beim Deadlands Classic Regelsystem geht das sogar, weil die grundlegenden Mechanismen durchaus einheitlich und schnell erschließbar sind (die Grundvoraussetzung für eine Anwendung eines settingspezifischen Regelsystems abseits vom angemessenen Setting). Im Pinnacle-Forum wurde vor ein paar Jahren mal breiter über eine typische Fantasy-Kampagne nach DL Classic Regelsystem gesprochen - das war aber bevor mit Savage Worlds tatsächlich ein Baukasten-und-Bastel-Regelwerk verfügbar war, welches für Fantasy und Western (Old, Wild, oder Weird West) gut geeignet ist.
wie so manch andere Rollenspiele auch ohne ihre Kernkonzepte.
Ja, aber warum sollte man?
Weil es Spaß macht?
Aber solch eine Anwendung eines Rollenspielregelwerks abseits des beabsichtigten Settings macht ja bei einem settingspezifischen Regelwerk nur ZUFÄLLIGERWEISE und auf alle Fälle nur TROTZDEM Spaß.
Zufälligerweise, weil das settingspezifische Regelsystem ja nicht so ROBUST (d.h. auch für Anwendungen jenseits der Absicht des Autors tauglich) sein muss, sondern nur in dem einen oder anderen Glücksfall vielleicht tatsächlich so robust ist (z.B. das Unisystem Light, welches ja eh nicht als separates Baustein-Regelwerk erschienen ist, was man aber recht leicht aus Angel RPG, BtVS, Army of Darkness, etc. extrahieren kann - man wendet dann den Regelkern anderweitig an, und das funktioniert auch, eben WEIL ZUFÄLLIGERWEISE das Extrakt aus Angel RPG immer noch robust genug ist, um damit Harry Dresden, John Sinclair, oder andere Settings zu bespielen).
Und TROTZDEM, weil natürlich ein settingspezifisches Regelsystem GENAU EIN Setting richtig gut unterstützen soll. Da ist dann nach dem chirurgischen Eingriff bei manchen Regelwerken nicht mehr viel von dem übrig, was in seiner settingverbundenen Gesamtheit mal ein richtig beeindruckendes, funktionierendes Regelsystem war, nun aber nur noch als ein bleiches und gesichtsloses Gerippe daherkommt, mit welchem man zwar irgendwie spielen könnte, was aber durch seine Gesichtslosigkeit selbst einem beliebigen generischen Rollenspiel, welches für eine settingspezifische Anpassung AUSGELEGT ist, unterlegen sein muß.
Klar kann man mit allen möglichen Rollenspielen TROTZDEM Spaß haben. Wenn ich genug Eisbock getrunken habe, dann habe ich aucch mit Sachen Spaß, die ich im nüchternen Zustand nie für möglich gehalten hätte.
Aber ob es eine gute Idee ist, ein funktionierendes, auf genau EIN Setting maßgeschneidertes Regelwerk anderweitig anzuwenden, wo es eine Fülle von GENAU auf diese Anderweitigkeit zugeschnittene Rollenspiele gibt, die ohne blutiges Herumschnippeln auskommen, das bezweifele ich.
Ein "Generikum" ist in solchen Fällen stets die bessere Wahl, führt direkter zum Ziel, hat weit weniger Konflikte, die durch die Nichtlebensfähigkeit nach Entfernung von Herz, Lunge und SEELE entstanden sind.
Mal direkt zu Deadlands Classic: Dieses Regelwerk häuft die Anwendung von "Fate" für alle möglichen Entscheidungen an. Das ist Absicht. Hier SOLL es SEHR viel stärker ZUFALLSABHÄNGIG zugehen, als in anderen Regelwerken, weil das Deadlands-Weirdwest-Reckoning-Setting es so verlangt.
Shane Hensley hatte in lange zurückliegenden Diskussionen im Pinnacle-Forum erzählt, daß der hohe Einfluß des Zufalls als eine Auswirkung der "Time of Reckoning" zu sehen ist. Zufall und explodierende Würfel bei fast jeder Gelegenheit (auch auf der Scart-Table, bei Wind-Damage, bei allen Trait-Rolls) sind AUS DEM SETTING BEGRÜNDETE ABSICHT. Das ist eine Design-Entscheidung.
Andere Old West Regelsysteme sind da weit weniger zufallsträchtig als Deadlands. Und das liegt daran, daß für die Charaktere in diesen anderen Systemen auch KEINE ÜBERNATÜRLICHEN Kräfte am Wirken sind, die den SCs noch einmal den Arsch retten könnten.
Das Deadlands-Regelsystem setzt auf hohe Zufälligkeit, die - zumindest für die wichtigeren Charaktere wie z.B. die SCs - abgefedert wird durch die Fate Chips und durch die Verfügbarkeit von Lösungen für das Überlebensproblem, die in Mad Science, in Hexes, in Miracles, in Favors, in ... liegen. - Ohne diese Übernatürlichkeiten (die passend zum Setting stets mit einem PREIS für den Anwender daherkommen) wird Deadlands schnell sehr tödlich. Tödlicher als es vom Autor beabsichtigt und vorgesehen war.
Wer die Weirdness herausschneidet, der ZERschneidet die Stränge, die das DL Classic Regelsystem in Funktion halten.
Die Fantasy-Adaption des DL Classic Regelwerks hatte ja die volle Breitseite an Übernatürlichkeiten beibehalten (mit anderen Namen). So waren die Huckster dann eben die Magier, die Blessed waren die Priester, die Schamanen waren die Druiden, etc. - Da hier mehr oder minder nur die Feuerwaffen abgeschafft wurden, und die Begriffe geändert wurden, war das ein eher kosmetischer Eingriff. - Deshalb funktionierte das auch.
Old West (historisch, realistisch) oder Wild West (pseudo-historisch, cinematisch) KÖNNTEN mit DL Classic durchaus für eine kurze Weile gehen (damit ist gemeint: schlecht gehen, aber immerhin - so wie einer mit zwei künstlichen Hüftgelenken auch eher schlecht geht, aber besser als nicht). Doch wird sehr bald das Fehlen der Auffangmechanismen für die Weird West bedingte hohe, genauer: SEHR hohe Zufälligkeit im Regelsystem zum Tragen kommen.
Wie gesagt: Keine gute Idee.