Die Ästhetik von Gewalt

Skar

Dr. Spiele
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Eine lieblich-ruhige und unschuldige Stimme singt über D&D und dann das da:

there will be blood spilled
there will be orcs killed



[video=youtube;iaOiZba5KGo]http://www.youtube.com/watch?v=iaOiZba5KGo[/video]

Ich nehme das zum Anlass über die Ästhetik von Gewalt ein Thema zu starten. Gewalt, Verletzung und Tod sind ein häufig im Kern thematisierter Bereich in Rollenspielen.

Darf Rollenspiel dies einfach so unreflektiert tun?

Gibt es eine Ästhetik von Gewalt? Wie kann man sie rechtfertigen? Und selbst wenn man diese nicht rechtfertigen muss, welche Funktion kann die Ästhetik von Gewalt übernehmen? Wozu kann die Ästhetik von Gewalt eingesetzt werden?
 
AW: Die Ästhetik von Gewalt

Ich nehme das zum Anlass über die Ästhetik von Gewalt ein Thema zu starten. Gewalt, Verletzung und Tod sind ein häufig im Kern thematisierter Bereich in Rollenspielen.

Diese Feststellung würde ich schon mal anzweifeln. Gewalt, Verletzung und Tod ist in Rollenspielen zwar präsent, aber es zum Thema zu erheben erscheint mir etwas hoch gegriffen. Man würde ja auch nicht davon sprechen, dass Schwerkraft in einem Jump'n'Run-Videospiel Thema ist. Der Spielinhalt speist sich natürlich aus diesem Komplex, aber eine Auseinandersetzung damit, also eine Thematisierung dieser Dinge findet dadurch nicht zwingend statt. Zumindest nicht in dem Maße, dass man darauf aufbauend derart darüber sprechen kann.

Nur sehr wenige Rollenspiele thematisieren Gewalt tatsächlich. Mir würde da eigentlich nur Dogs in the Vineyard einfallen, in dem die Auseinandersetzung mit Gewalt, ihre Auswirkungen auf zwischenmenschlicher und sozialer Ebene und auch ihre Instrumentatlisierung tatsächlich Thema ist.

Darf Rollenspiel dies einfach so unreflektiert tun?

Die Frage lautet meiner Meinung nach "Dürfen Rollenspieler dies so einfach unreflektiert tun?". Das scheint mir die eigentliche Befürchtung zu sein. Dass irgendwelche Gruppen im stillen Kämmerlein vor sich hinspielen und sich Schritt für Schritt desensibilisieren im Bezug auf Gewalt, und womöglich eine Art von verquerer Schönheit und Wertschätzung für die Anwendung von tötlicher Gewalt entwickeln. Aber damit wird sowohl die Auswirkung von solchen Spielen dramatisch überbewertet und gleichzeitig der Einfluss sozialer Faktoren wie Umfeld, Erziehung und Sozialisierung schlichtweg ausgeblendet oder für nichtig erklärt. Das halte ich für einen ziemlich fadenscheinigen Ansatz um den Zusammenhang zwischen Rollenspiele und Gewalt auf möglichst reisserische Art in Frage zu stellen.
 
AW: Die Ästhetik von Gewalt

Über deine Beiträge freue ich mich ja immer besonders. Bei folgendem Punkt sieht meine Erfahrung aber deutlich anders aus. Ich vermute hier den von dir präferierten Spielstil mit Schwerpunkt auf das Ausspielen sozialer und charakterlicher Thematiken als "Schuldigen".

Diese Feststellung würde ich schon mal anzweifeln. Gewalt, Verletzung und Tod ist in Rollenspielen zwar präsent, aber es zum Thema zu erheben erscheint mir etwas hoch gegriffen. Man würde ja auch nicht davon sprechen, dass Schwerkraft in einem Jump'n'Run-Videospiel Thema ist. Der Spielinhalt speist sich natürlich aus diesem Komplex, aber eine Auseinandersetzung damit, also eine Thematisierung dieser Dinge findet dadurch nicht zwingend statt. Zumindest nicht in dem Maße, dass man darauf aufbauend derart darüber sprechen kann.
Viele Spiele und Spielwelten sind sehr martialisch angehaucht. Nehmen wir zum Beispiel das uns beiden präsente Warhammer.
Während ich bei dem Tabletop aufgrund geringerer Identifikation mit seinen Truppen einen größeren Abstand zum Spielinhalt pflege, bin ich doch beim Rollenspiel mit dem Lenken des Charakters im Kampf sehr viel näher am martialischen aufgemachten Spielinhalt.

(Hier) der Linie folgend, dass man ein Rollenspiel am besten so spielt, wie es das Spiel/der Autor intendiert, mag ich das Ausspielen einer Kampfsituation in einem martialischen Rollenspiel nicht als reinen regeltechnsichen Wettkampf abtun.

Ich würde meinen Eingangspost übrigens sogar dahingehend bewerten, dass er auch analog für das Konsumieren von Literatur und Film Gültigkeit hat. Siehst du das in dem Bezug anders?
 
AW: Die Ästhetik von Gewalt

Darf Rollenspiel dies einfach so unreflektiert tun?
Aber ja. Warum auch nicht? Wenn ein paar Leute um einen Tisch rum sitzen und so tun als ob sie Elfen wären, und dann so tunt, ab ob diese Fantasiegebilden anderen Fantasiegebilden ganz doll wehtun... dann wird niemanden real wehgetan.

Gibt es eine Ästhetik von Gewalt?
Ist das eine Fangfrage?

‪equilibrium - best fighting scenes‬‏ - YouTube

Wie kann man sie rechtfertigen?
Fiktive Gewalt benötigt keine Rechtfertigung.

Und selbst wenn man diese nicht rechtfertigen muss, welche Funktion kann die Ästhetik von Gewalt übernehmen? Wozu kann die Ästhetik von Gewalt eingesetzt werden?

Jetzt wird es interessant.

Gewalt im Rollenspiel ist eine Methode zur Konfliktlösung, wie sie in den Geschichten von Helden benutzt wird, seitdem der Mensch fähig war, Geschichten zu erzählen. Deswegen wird sie auch im Rollenspiel eingesetzt.

Denn die Helden töten die Bösen.

Das ist der Kern. Der Rest ist nur Variation und Ausschmückung.

Und Gewalt wird mit Ästhetik "aufgehübscht" Sie wird durch das Element der Übertreibung weniger real, sie läßt die Helden triumphieren ohne blutrünstige Monster aus ihnen zu machen.
 
AW: Die Ästhetik von Gewalt

@Skar

Wenn man von der Thematisierung von Inhalten beim Rollenspiel sprechen will, muss man sich aber immer vor Augen halten, dass Inhalte eben durch die Spielgruppe entwickelt, plaziert und auch reflektiert werden. Ich denke nicht, dass man da wirklich von der Thematisierung von Gewalt im Rollenspiel sprechen kann ohne sich erstmal deutlich zu machen über was für eine Art von Spielgruppe man spricht. Daher mein Einwurf mit den Faktoren Sozialisierung, Bildung und ähnliches.

Dass Rollenspiele eine andere Auseinandersetzung erfordern als etwa ein Buch oder ein Film, das ist offensichtlich. Und dass in Sachen Medienkompetenz (speziell sich gegenüber der Manipulation eines Mediums behaupten zu können) der Bereich Rollenspiel womöglich weniger ausgeleuchtet ist als etwa ein typischer US-Kriegsfilm, auch das würde ich unterschreiben. Aber ich sehe das weniger als gefährlich an, als einfach nur Teil des natürlichen Entwicklungsprozesses eines Mediums. Ich vertrete halt nicht die Ansicht, dass man einem "neuen" Medium in seiner Fähigkeit zu manipulieren immer derart gnadenlos ausgeliefert ist. Daher mache ich mir auch keinen grossen Kopf darüber ob und wie Gewalt innerhalb eines Rollenspiels und speziell innerhalb irgendwelcher Gruppen behandelt wird. Es spielen halt viele weitere Faktoren in die Sache hinein, als dass ich einen Grund darin sehen würde, mir da Sorgen machen zu müssen.
 
AW: Die Ästhetik von Gewalt

nein es gibt keine Ästhetik der Gewalt und dein filmbeispiel ist ein recht gutes beispiel dafür. Man kann gewalt ästhetisiert darstellen, die ästhetische qualität macht dann aber die komposition, die darstellung etc.pp. aus, aber nicht die gewalt selber. gewalt kann ein thema der Ästhetik sein, dass es ein thema der ästhetik ist liegt aber meines erachtens in der funktion der gewaltvollen konfliktlösung für erzählungen begründet. Erst kommt die funtkion für die stroy, dann wirds zum topoi und am ende wird es ästhetisiert.

Wirklich konkrete gewalt ist dabei übrigens in der regel garnichtmal das dargestellte thema. Es wird technik dargestellt, martialität, macht, unbesiegbarkeit, körperkontrolle etc. die konsequenz bei den opfern wird aber gerade in den 'ästhetsichen' Filmen nicht ernsthaft reflektiert doer dargestellt. das sieht man imo allein daran wie abstrakt die gegnermassen in der regel gehalten werden.
Also: Gewalt ist ein Thema der ästhetisierung und hat keine originäre ästhetik. (Eher schon macht, aber auch da muss man das soziohistorisch aufdröseln)

Fiktive Gewalt benötigt keine Rechtfertigung.
wiederum falsch.
auf narrativer ebene braucht sie es meist eh, auf gesellschaftlicher aber auch. Zwar sind die konsequenzen in erster konsequenz irreal, die Frage warum gewalt zum storyelement wird, warum gewalt eines der merkmale der meisten movies darstellt und warum du abwehrst über deren berechtigung zu diskutieren, sind allesamt gesellschaftlich wichtige fragen.
das heisst aber natürlich nicht dass man die wirkung zur ursache verklären soll.

Gewalt im Rollenspiel ist eine Methode zur Konfliktlösung, wie sie in den Geschichten von Helden benutzt wird, seitdem der Mensch fähig war, Geschichten zu erzählen. Deswegen wird sie auch im Rollenspiel eingesetzt.
Ich mag mich wzar nicht in deine frühgeschichtsstudien einmischen, aber die rolle der gewalt würde ich hier anders einschätzen und mich gegen solche anthropologisierungen verwehren...
 
AW: Die Ästhetik von Gewalt

nein es gibt keine Ästhetik der Gewalt und dein filmbeispiel ist ein recht gutes beispiel dafür. Man kann gewalt ästhetisiert darstellen, die ästhetische qualität macht dann aber die komposition, die darstellung etc.pp. aus, aber nicht die gewalt selber.

Sorry, aber für mich klingt das wie unnötige Semantik.


Sehe ich grundsätzlich nicht so.

auf narrativer ebene braucht sie es meist eh,

Ok, das stimmt. Die Geschichte muß schon einen Sinn ergeben. Aber das hatte ich mal als gegeben vorausgesetzt. Ich bin nicht unbedingt davon ausgegangen das im Rollenspiel das Monsterhandbuch alphabetisch durchgeprügelt wird.

auf gesellschaftlicher aber auch. Zwar sind die konsequenzen in erster konsequenz irreal, die Frage warum gewalt zum storyelement wird, warum gewalt eines der merkmale der meisten movies darstellt und warum du abwehrst über deren berechtigung zu diskutieren, sind allesamt gesellschaftlich wichtige fragen.

Aber im Endeffekt ist und bleibt fiktive Gewalt nunmal fiktiv. Wie schon gesagt, wenn ein paar Leute am Tisch sich vorstellen Elfen zu sein und ein paar Orks verkloppen dann hat das null Auswirkung auf die Realität.

Und warum die Gewalt zum Element der Story wird habe ich gesagt. Dir hast nur die Antwort nicht gefallen...

Ich mag mich wzar nicht in deine frühgeschichtsstudien einmischen, aber die rolle der gewalt würde ich hier anders einschätzen und mich gegen solche anthropologisierungen verwehren...

Oh bitte, mach es nicht so kompliziert, das ist keine Raketenwissenschaft. Wirf einfach einen Blick auf die verschiedenen Geschichten. Robin Hood, König Artus, Odysseus, diverse Sagen und Märchen... es gibt immer wieder Gewalt als Konfliktlösung, und zwar durch den "Helden". Gut, nicht ausschließlich, aber diese Element zu ignorieren scheint mir dann doch sehr kurzsichtig zu sein.

Aber wenn du das anders einschätzt, bitte, wie denn?
 
AW: Die Ästhetik von Gewalt

Zwar sind die konsequenzen in erster konsequenz irreal, die Frage warum gewalt zum storyelement wird, warum gewalt eines der merkmale der meisten movies darstellt und warum du abwehrst über deren berechtigung zu diskutieren, sind allesamt gesellschaftlich wichtige fragen.

Warum?
Zumindest mal für mich (als Teil der Gesellschaft) ist es ziemlich egal, wie du deine fiktive Gewalt rechtfertigst. Von mir aus kannst du auch fiktive Kinder fressen, weil es dich sexuell erregt. Die einzige Frage, hinsichtlich "Gewalt", "Fantasie" und "Medien", die ich in irgendeiner Form gesellschaftlich relevant finde, ist die, ob sich deine Gewaltfantasien in irgendeiner Form auf die Gesellschaft auswirken und wenn ja wie.

Die Frage warum ich lautstark zu lachen anfange, während der Hinterwäldler mit der Kettensäge auf Cheerleader losgeht ist doch für die Gesellschaft absolut unbedeutend - im Gegensatz zu der Frage ob ich letzte Woche im Urlaub selbst Teenies gejagt habe... oder auch nur dem Nachbarskind eine Ohrfeige gegeben habe.

Das schlimme an Gewalt, Krieg, Kriminalität, etc. ist mMn, dass (vornehmlich unschuldige) Menschen darunter leiden - physisch, psychisch, materiell.
Von mir aus darf jeder so böse, pervers und wasweißich sein wie er will - solange niemand und auch wirklich niemand darunter leidet kann ich absolut nichts schlimmes daran erkennen.

Und fiktive Gewalt hat per Definition nur fiktive Opfer - und ist somit gesellschaftlich komplett irrelevant.
 
AW: Die Ästhetik von Gewalt

Und fiktive Gewalt hat per Definition nur fiktive Opfer - und ist somit gesellschaftlich komplett irrelevant.

Es geht hier um die Wirkung von Gewaltdarstellung auf reale Menschen. Was hier diffus im Raum mitschwingt, ist die Befürchtung, dass es eben Folgen hat, wenn man sich zu lange dieser Gewaltdarstellung aussetzt. Insbesondere, wenn diese Gewaltdarstellung eben nicht distanziert und kritisch reflektiert aufgenommen wird, sondern eben stärker "gefühlt" und weniger "durchdacht". Wenn man sie eben im Rahmen dieser "Ratio-Flucht" erlebt, welcher Leute anscheinend gerne in ihren Hobbies nachgehen. (Wobei es mir um einiges mehr missfällt, das diese "Ich-will-nicht-mehr-denken"-Einstellung überhaupt gut geheissen wird. Das Gewaltthema spielt da für mich eher eine untergeordete Rolle.)

Die Überlegung, die Skar vermutlich antreibt, ist die Frage, ob sich Rollenspieler aufgrund der Materie vieler Rollenspiele und dem intensiveren Erlebnis, nicht anfällig dafür machen in Bezug auf Gewalt abzustumpfen, oder sogar einer gewissen Ästhetisierung und Aufwertung von Gewalt zum Opfer fallen. Ich habe bereits bei der Grundannahme meine Zweifel. Aber das Argument, dass "fiktive" Gewalt keine realen Folgen hat, ist entweder eine absurde Banalisierung des Themas oder ein gefährliches Ausblenden der Fähigkeit, die Worte auf Menschen haben können.
 
AW: Die Ästhetik von Gewalt

Glaubt ihr nicht, dass der unreflektierte Umgang mit fiktiver Gewalt einen Umgang mit Gewalt bedeutet, den viele Menschen sonst an anderen Stellen suchen würden?
Was ich damit sagen will: Ich glaube, dass fiktive Gewalt unglaublich wichtig ist, um das Wissen, dass immer Krieg herrscht, Menschen gefoltert und getötet werden, in unser Leben einzubeziehen, ohne daran kaputt zu gehen. Im Grunde ist es wie bei Kindern, die mit Zinnsoldaten gegeneinander spielen. Die sind auch nicht böse und niederträchtig, weil sie fiktiv ganze Heere von Gegnern töten. Es ist eben eine Art damit umzugehen.

Man sollte darüber nicht verpassen an anderer Stelle über Gewalt nachzudenken und sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen, aber man braucht eben auch die Auszeit.
 
AW: Die Ästhetik von Gewalt

Sorry, aber für mich klingt das wie unnötige Semantik.
entschuldigung angenommen.
aber mal etwas hemdsärmeliger ausgedrückt: das ästhetsiche ist doch in dem filmschnipsel nicht die gewalt, sondern das martialische auftreten, die vorbereitung zur gewalt, die geschwindigkeit, die geil klingende technik etc. dass die leute da sterben ist doch nun wirklich nebensache.

Aber im Endeffekt ist und bleibt fiktive Gewalt nunmal fiktiv. Wie schon gesagt, wenn ein paar Leute am Tisch sich vorstellen Elfen zu sein und ein paar Orks verkloppen dann hat das null Auswirkung auf die Realität.
Der Null widerspreche ich aufs deutlichste. Natürlich sind fiktionen, gedanken und ideen bestandteil der Realität. Was zu diskutieren wäre ist das verhältnis und da stehen wir vermutlich nichtmal so weit auseinander wie du denkst.

Und warum die Gewalt zum Element der Story wird habe ich gesagt. Dir hast nur die Antwort nicht gefallen...
Das war für dich eine adäquate erklärung? Die bloße und falsche aussage: war halt schon immer so hältst du für ausreichend?

Robin Hood, König Artus, Odysseus, diverse Sagen und Märchen... es gibt immer wieder Gewalt als Konfliktlösung, und zwar durch den "Helden". Gut, nicht ausschließlich, aber diese Element zu ignorieren scheint mir dann doch sehr kurzsichtig zu sein.
die odysseus wär da das früheste und lange noch nicht 'seitdem die menschen geschichten erzählen können'. Nun muss ich zugeben dass ich mich wirklich wenig mit antiker mythologie beschäftigt habe, aber deren form von gewaltvoller konfliktlösung ist doch letztlich völlig verschieden von der art wie gewalt heute einegsetzt wird. Nicht nur sind die gegner oft ungetüme doer sogar abstrakte naturgefahren, auch kommt da schicksal, vorhersagen etc.pp. eine so tragende rolle zu, dass man das wohl kaum mit gegenwärtigen filmbearbeitungen vergleichen kann. Ganz zu schweigen vom aitiologischen moment das vorantike sagen vermutlich noch stärker durchdrungen hat als deren entfaltete Dramen.
worum es mir geht ist die vorstellung zu kritisieren als wären geschichten notwendig in diesem schema angelegt und sei die form von interpersonaler gewalt wie sie im RPG oder modernen Film oft vorkommt sowas wie eine substantiell unwandelbare sache. was sich zeigt ist dass es ein genre unter vielen ist, dass es sicherlich nicht die erste form der geschichtenerzählung war und dass die flage berechtigt und notwendig bleibt warum dieses genre solch eine starke überhand genommen hat.

Die Frage warum ich lautstark zu lachen anfange, während der Hinterwäldler mit der Kettensäge auf Cheerleader losgeht ist doch für die Gesellschaft absolut unbedeutend - im Gegensatz zu der Frage ob ich letzte Woche im Urlaub selbst Teenies gejagt habe... oder auch nur dem Nachbarskind eine Ohrfeige gegeben habe.
das ist letztlich genau der vulgärmaterialismus den ich tybalt vorwerfen würde. ums nochmal zu klären:
Ihr habt beide völlig recht wenn es darum geht das reale und fiktive gewalt nicht identisch sind und (vermutlich habt ihr hier die hetzmedien im hinterkopf?).
dennoch spielt die Frage wieso viele leute zu lachen anfangen wenn die städtische cheerleaderin den Hinterwäldler abschlachtet eine geselslchaftliche rolle. gesellschaft hat eben auch was mit vorstellungen, sublimierten bedürfnissen, ideologie etc.pp. zu tun. dass unsere gesellschaft gewalt zum thema macht sagt etwas über die geselslchaft aus. es geht also daraum welche bedürfnisse da wie befriedigt werden und was das für die gesellschaft bedeutet. so einfach ist es. (Davon ab gibt es ja durchaus studien die zeigen das vorgelebte gewalt durchaus zu nachahmung führt. was eigentlich unendlich banal ist)
wie eng jetzt der nexus ist, ist dabei ne andere frage. Aber um das rauszufidnen muss man die frage erstmal zulassen.

Und fiktive Gewalt hat per Definition nur fiktive Opfer - und ist somit gesellschaftlich komplett irrelevant.
das ist ja ein billiger taschenspielertrick. Du konstruierst dir damit letztlich ne tautologiemaschine: "jede gewalt die fiktiv ist und im fiktiven rahmen bleibt, bleibt im fiktiven rahmen." In dem moment wo ich dir nachweisen würde dass fiktive gewalt reale in irgend einer weise beeinträchtigt, kannst du dich einfach auf die klinische reinheit deines fiktionsbegriffes zurückziehen.
das problem ist nur: Es gibt keine reine fiktion, da sie in echten menschen stattfindet, daher ist das einzig wirklich fiktive hier -polemisch gesprochen- deine reine fiktive gewalt.
 
AW: Die Ästhetik von Gewalt

Was ich damit sagen will: Ich glaube, dass fiktive Gewalt unglaublich wichtig ist, um das Wissen, dass immer Krieg herrscht, Menschen gefoltert und getötet werden, in unser Leben einzubeziehen, ohne daran kaputt zu gehen.

Ich denke die meisten Leute schaffen es daran nicht kaputt zu gehen, in dem sie diese Dinge einfach nicht in ihr Leben einbeziehen. Fiktionalisierung von Gewalt erreicht da eher das Gegenteil.

Wobei ich aber deinen Einwurf mit den Kindern interessant finde. Ich denke, was Kindern in diesem Kontext an Wissen, Erfahrung und auch Vorstellungsvermögen für das in diesem Zusammenhang entstehende Leid fehlt... ähnelt in vielen Fällen der gleichen Ignoranz mit der auch Videospieler, Horrorfans und auch Rollenspieler mit den Inhalten in ihren favorisierten Medien umgehen. Daher mache ich mir da auch weit weniger Gedanken über die negativen Folgen, die derartige Gewaltdarstellung haben könnte.
 
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Warum gibt es denn ein Jugendschutzgesetz?

Die schnelle und zugegebenermaßen sehr vereinfachte Antwort: Weil fiktive Gewalt, die andere beliebig konsumieren können, und fiktive Gewalt am Spieltisch, die nur von einer kleinen Gruppe "erlebt" wird nicht dasselbe sind.

Denn die Diskussion über Sinn und Unsinn von Jugendschutz ist denke ich ein anderes Thema.

Und zurück zum Thema: Was Ioelet sagt.
 
AW: Die Ästhetik von Gewalt

Das war für dich eine adäquate erklärung? Die bloße und falsche aussage: war halt schon immer so hältst du für ausreichend?

Ja, das ist erstmal ausreichend. Und die Antwort wird nicht dadurch falsch, daß du es ständig behauptest.


die odysseus wär da das früheste und lange noch nicht 'seitdem die menschen geschichten erzählen können'.

Oh, bitte, weißt du was das Wort "Beispiel" bedeutet? Das wird doch albern.


Nochmal: Rollenspiel ist nur eine Variante des Gesichtenerzählens, und Geschichten haben sich die Menschen schon immer erzählt. (Wenn du dafür allen Ernstes einen wissenschaftlichen Beweis willst dann kann ich dir nicht helfen.) Und in verdammt vielen Geschichten gibt es Gewalt als probates Mittel zur Konfliktlösung. Deswegen ist es völlig natürlich, daß das auch bei den Geschichten, die beim Rollenspiel erzählt/erlebt werden so ist.
 
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Ja, das ist erstmal ausreichend. Und die Antwort wird nicht dadurch falsch, daß du es ständig behauptest.
vice verso. sie wird auch nicht richtig dadurch dass du es einfach so behauptest, zumal ich dir inhaltliche kritik entgegengehalten hab. Aber vllt. freut sich die örtliche komparatistikprofessur wenn du ihr mitteilst dass du das problem endlich gelöst hast

Oh, bitte, weißt du was das Wort "Beispiel" bedeutet? Das wird doch albern.
das ist doch gerade das problem. du kannst deine aussage einfach nicht anthropologisieren, da die frühgeschichte keine schrifttradition hat und die wenigen indizien deine these nicht stützen sodnern auf eine aitiologsiche funktion des erzählens hinweisen.

Nochmal: Rollenspiel ist nur eine Variante des Gesichtenerzählens, und Geschichten haben sich die Menschen schon immer erzählt. (Wenn du dafür allen Ernstes einen wissenschaftlichen Beweis willst dann kann ich dir nicht helfen.)
wieder ein definitionsproblem. wenn du den menschen ab dem zeitpunkt beginnen lässt wo sein quantum an mehrarbeit ihm erlaubte geschichten zu erzählen... aber gut, lassen wir das und gehen zum wichtigen punkt:
Und in verdammt vielen Geschichten gibt es Gewalt als probates Mittel zur Konfliktlösung. Deswegen ist es völlig natürlich, daß das auch bei den Geschichten, die beim Rollenspiel erzählt/erlebt werden so ist.
ja in vielen, daher kannst du kein 'deswegen' draus machen und solltest bei formulierungen wie "völlig natürlich" sehr vorsichtig sein.

aber pragmatisch:
würdest du sagen das es verschiedene gewichtungen und formen des gewaltthemas in verschiedenen gesellschaftsformationen gab und gibt und die art und weise sowie die häufigkeit der behandlung des themas daher etwas mit gesellschaft zu tun hat?
 
AW: Die Ästhetik von Gewalt

Wobei ich aber deinen Einwurf mit den Kindern interessant finde. Ich denke, was Kindern in diesem Kontext an Wissen, Erfahrung und auch Vorstellungsvermögen für das in diesem Zusammenhang entstehende Leid fehlt... ähnelt in vielen Fällen der gleichen Ignoranz mit der auch Videospieler, Horrorfans und auch Rollenspieler mit den Inhalten in ihren favorisierten Medien umgehen. Daher mache ich mir da auch weit weniger Gedanken über die negativen Folgen, die derartige Gewaltdarstellung haben könnte.

Ich denke, dass Videospieler, Horrorfans und Rollenspieler nur glauben, dass sie es, im Gegensatz zu Kindern, nicht mehr nötig haben auf diesem Weg zu verarbeiten und auch, dass fiktive Gewalt so alt ist, wie die Gewalt selber. Belegen kann ich das allerdings nicht.

Nicht nur sind die gegner oft ungetüme doer sogar abstrakte naturgefahren, auch kommt da schicksal, vorhersagen etc.pp[...]
Es gibt ausreichend Filme, Bücher und gerade Geschichten und Rollenspielszenarien, in denen Schicksal und Vorhersagungen eine große Rolle spielen. Dass die Gegner Ungetüme sind, begünstigt nur die unreflektierte Anwendung von Gewalt. Es gibt ja eh keinen anderen Weg und warum sollte man dieses per Definition böse, niemals gute und für die ganze Welt eine Bedrohung darstellende Monster nicht erschlagen?
Überhaupt bietet erst die Verwendung von anderweitig überwindbaren Hindernissen die Möglichkeit, zu betrachten, ob Gewalt an dieser Stelle vertretbar ist.

eine aitiologsiche funktion des erzählens hinweisen.
Auf die Gefahr, dass ich fürchterlich ungebildet wirke: Kannst du mir bitte erklären, was eine aitiologische Funktion ist?
Soweit ich das verstehe, geht es darum, Geschehenes zu anaylsieren und herauszustellen, was falsch gemacht wurde. Ich bin mir aber ziemlich unsicher damit ?(
 
AW: Die Ästhetik von Gewalt

Ich denke, dass Videospieler, Horrorfans und Rollenspieler nur glauben, dass sie es, im Gegensatz zu Kindern, nicht mehr nötig haben auf diesem Weg zu verarbeiten und auch, dass fiktive Gewalt so alt ist, wie die Gewalt selber.

Das wurde ja in anderen Posts auch schon erwähnt, und ich verstehe nicht so ganz was das für eine Rolle spielen soll. Die Vorstellung, dass man bestimmte Dinge nicht mehr lernen, verstehen und begreifen muss, weil man ja auf so eine lange Geschichte zurückgreifen kann, finde ich mehr als nur befremdlich.
 
AW: Die Ästhetik von Gewalt

Es gibt ausreichend Filme, Bücher und gerade Geschichten und Rollenspielszenarien, in denen Schicksal und Vorhersagungen eine große Rolle spielen. Dass die Gegner Ungetüme sind, begünstigt nur die unreflektierte Anwendung von Gewalt. Es gibt ja eh keinen anderen Weg und warum sollte man dieses per Definition böse, niemals gute und für die ganze Welt eine Bedrohung darstellende Monster nicht erschlagen?
Überhaupt bietet erst die Verwendung von anderweitig überwindbaren Hindernissen die Möglichkeit, zu betrachten, ob Gewalt an dieser Stelle vertretbar ist.

Auf die Gefahr, dass ich fürchterlich ungebildet wirke: Kannst du mir bitte erklären, was eine aitiologische Funktion ist?
Soweit ich das verstehe, geht es darum, Geschehenes zu anaylsieren und herauszustellen, was falsch gemacht wurde. Ich bin mir aber ziemlich unsicher damit ?(
das hängt beides zusammen.
Mir ging es ja darum die rolle und form der Gewalt die Tybalt hier einfach mal zu soße verarbeitet zu differenzieren. Also darum, das gewalt hier nicht so im zentrum steht wie z.B. dem großartigen superheldencomic oder beim oldschool D&D. Ehrlich gesagt tu ich mich schwer bei griechischer mythologie auch nur im ansatz eien solche form der gewalt zu sehen. das ist dramaturgisch halt so eingewoben dass es kaum einen vergleich zu heutiger 'film'gewalt zur überwindung einer hürde möglich macht.

das aitiiologisch moment habe ich vor allen dingen reingebracht um die spekulationen über die rolle von geschichten in der vorschriftlichen geschichte etwas zu erhärten. und zwar ist es so dass man der antiken literatur ein aitiologisches - erklärendes moment zuspricht. Das findet sich da tw in sehr abstrakter form noch deutlicher aber bei primitiveren formen, so z.B. wenn das entstehen von donner über das schmieden von thor, zeusens wut oder einen ominösen donnervogel erklärt wird. Das heisst also, dass sich hier ein moment der Welterklärung findet das häufig eng mit magisch/mystischer schicksalsbeeinflussung zu tun hat.
mythen vermitteln also erkenntnisse, vorstellungen erfahrungen etc. und sind eben keine wesentlich weniger 'geschichtchen' als ein roman oder rollenspielabenteuer. Wobei auch letzte mehr sind als bloße geschichten, sondern eben psychologische funktionen haben (Katharsis), versuche irgendwas zu verstehen darstellen (diverse zeitzeugenromane) etc.
 
AW: Die Ästhetik von Gewalt

Darf Rollenspiel dies einfach so unreflektiert tun?

Nein. Ich verlange strikte Gesetze, die Rollenspieler vor der Bedrohung zunehmender, fiktiver Gewalt schützen. Es kann nicht angehen, dass Menschen in ihren vier Wänden mit ihren privaten Kontakten unbeobachtet Spaß bei harmlosen Erzählspielen haben dürfen, in denen fiktive Gewalt einen Anteil hat. Wer Vergnügen dabei empfindet, bei einer fiktiven Konfliktlösung irgendeiner Art fiktive Gewalt einzusetzen, ist eine potentielle Zeitbombe, die nur darauf wartet in die Luft zu gehen und die Menschen in ihrer Umgebung mit in den Tod zu reißen. Das war schon immer so: Die Gebrüder Grimm. Hans Christian Andersen. Wilhelm Busch. Alle haben sie sich fiktiver Gewalt bedient, um Geschichten zu erzählen. Und sind über kurz oder lang gestorben. Dasselbe Schicksal hat hunderte, tausende ihrer Leser ereilt. Und sind es nicht die selben Griechen, die nun in Geldnot sind, die einst Schänder wie den Zeus den "Göttervater" nannten? Und ist nicht der große Homer selbst, der legendäre Geschichtenerzähler, dieser Tage nicht mehr als ein mit Dummheit geschlagener Alkoholiker und Götzendiener, von Vollkörpergelbsucht zerfressen und die Früchte seiner Lenden würgend, wann immer es ihm passt? Soll das alles ein Zufall sein? Wohl kaum.

Ich fordere die Kontrolle von Rollenspielrunden allüberall. Ich fordere die Verbannung von fiktiver Gewalt und fiktivem Sex - ja, Brüder, vor allem fiktivem Sex -, aus den heimischen Wohnzimmern und Küchen dieser Welt. Ich fordere zudem die Abschaffung von realen Verhütungsmitteln, denn nur so kann gewährleistet werden, dass die Menschen Kinder in die Welt setzen und durch die Aufzucht zu erschöpft sind, um in ihrer Freizeit noch irgend etwas anderes zu tun, als zu schlafen. Denn so hat Gott der Herr es gewollt. Und steht nicht schon in der Bibel: "Es sollen auch ihre Kinder vor ihren Augen zerschmettert, ihre Häuser geplündert und ihre Frauen geschändet werden." (Jesaja 13,16)? Ganz recht, auch die Bibel schaffet ab, denn ist gleichwohl auch dieses ketzerische Werk durchzogen von fiktiver Gewalt.

Lasst nur Timmy, das Schäfchen und den kleinen, blauen Elefanten unangetastet, und lasst ihr fiktives, freundliches Mähen und Tröten uns ein Licht in der Dunkelheit sein! Nach ihnen sollen wir unsere Freizeit gestalten!
 
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