Der Versuch

Tarha

eiskaltes Händchen
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3. März 2004
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1.809
Der Versuch...

Es war nicht schwer gewesen, ihn zu sich zu holen. Ein langer Blick, ein
Augenaufschlag und bei ihrem Lächeln schien es um ihn geschehen. Er lud
sie auf einen Cocktail ein, und auf einen zweiten.

Wenn er selbst getrunken hätte... nein, dann wäre sie nicht mitgefahren.
Es ging nicht um die Sache an sich, nicht nur. Sie wollte auch... Sie wollte es
vor sich selbst vertreten können. Sie wollte morgen in den Spiegel sehen
können.


Dann... bei ihm zu Hause. Morgen früh würde sie einfach verschwunden sein.
Nein, es gab keinen Kaffee. Sie ließ sich küssen und wehrte sich nicht, als
seine Hände sie ertasteten. Sie ließ ihre Hände wandern, doch ihre Hände
waren kalt.

Eigentlich... hätten ihre Hände warm sein müssen. Sie hätten von alleine
wandern müssen. Sie sollte sich nicht bemühen – konzentrieren müssen.
Normalerweise wäre sie entspannt gewesen. Bei
ihm war sie immer
entspannt gewesen. Aber jetzt...


Ihr Kleid glitt zu Boden. Sie hatte eine Gänsehaut am ganzen Körper. Sein
Hemd war offen, fiel zu Boden. Sie berührte ihn, spürte ihn, aber sie fühlte ihn
nicht. Sie ließ sich weiter küssen, wurde immer passiver. Ein letztes Mal
versuchte sie noch, ihre Gedanken weit hinter sich zu lassen.

Sie fürchtete jetzt schon ihr Gewissen. Das war nicht der richtige Weg...
So würde sie sich nicht besser fühlen. Sie würde doch nur... werden wie
er.
Aber das wollte sie nicht im Entferntesten. Sie wollte nicht so werden wie
er,
sondern dass
er sich änderte. Aber so... nein.

Eine warme Hand ertastete sich den Weg von ihrem Rücken zu ihrem Gesicht.
Fragende Augen blickten in die ihren. Der Blick verletzte sie, obwohl er das
nicht wollte. Beide wussten, dass es zu spät war. Die Erkenntnis war zu früh
gekommen. Sie schloss die Augen, drei Tränen tropften zu Boden. Langsam,
eine nach der anderen. Worte waren nicht notwendig, er drückte ihren
zitternden Körper an sich. Sie hielt sich kurz in seinen Armen, dann hob sie
das Kleid auf und streifte sich die Träger wieder über die Schultern.

Es war gut so, auch wenn es ihr leid tat. Sie hatte Glück gehabt, er hatte
es verstanden. Vielleicht schon bevor sie es verstanden hatte. Sie würde es
nicht können, das wusste sie jetzt. Und sie wusste, es war gut so.
Wenigstens war sie stärker als
er. Auch wenn sie einen anderen Weg finden
musste.


Achtlos trocknete sie ihre Wangen. Sie konnte schon wieder lächelnd, wenn
auch nur entschuldigend, nicht auffordernd. Ihre Augen dankten ihm. Sie
würden sich nicht wieder sehen.

_____________________________________
Kritik und Interpretationen erwünscht...
(c) by me
 
Endschuldige...ich habs gar nicht gesehen.

Gelesen und für gut befunden.

Eine Frau, unfähig eine Beziehung ein zu gehen. Sie hat geliebt, sehr sogar, wurde verletzt nun stumpft sie ab.

Es schmerz noch immer.

Das würde ich hinein interpretieren.
 
man leidet richtig mit, beim lesen!

sehr gut geschrieben, soweit ich das als laie beurteilen kann.

sehr stimmungsvoll...
 
Danke für eure Antworten.

Ich hab den Text jetzt geringfügig modifiziert, vielleicht kann man jetzt wenigstens an der Schreibweise erkennen, dass "er" und "er" nicht immer denselben Menschen bedeuten...
 
schnüff... ich hoffe mir passiert sowas nicht.

ich glaube ich werde öfters mal szenen lesen nach dieser hier ;)
 
*klick* es wird jetzt wirklich deutlicher, um was es eigentlich geht.... ich hatte die geschichte am anfang auch so ähnlich verstanden, wie seelenblut...
aber jetzt wird klar, dass sie ihren mann betrügen will, weil er sie betrogen hat, sozusagen aus rache... .es aber nicht fertig bringt, weil sie sonst genauso "schlecht" werden würde wie er...

klasse! man sollte solche geschichten einfach mit mehr konzentration lesen!
 
danke danke danke danke euch allen, und mottte ganz besonders....

ich hab was geschrieben, was man verstehen kann

ich freu mich... :banane:
 
gg na also tarha ^^

aber so wie die anderen es grad verstanden haben hab ichs zuerst auch nich gecheckt. man lernt wohl nie aus :D
 
Hm, es kommt sowohl hin das sie verlassen wurde und jetzt zuflucht bei jemand anderem sucht, und merkt das sie dazu unfähig ist, sowie das sie ihren Mann aus Rache ebenfalls betrügen wird. Das lässt sich aus der Sicht des Leser nicht feststellen.

Der Text ist sehr emotionsbetont und geht stark auf die Innere Situation der Protagonistin ein. Dadurch wird die Geschichte sehr fixiert, aber zugleich auch sehr stark im Ausdruck. Die unterscheidung im kursiven und normalen Text ist dir gut gelungen...und auch notwendig, gut das dus gemacht hast, sonst wäre die Geschichte kaum zu verstehen. Die Wirrungen werden dadurch für den Leser etwas entzerrt (Gedanken - Nicht Gedanken) ohne das der Sinn entschärft wird.

Alles in allem gut gelungen, finde ich. Schlag mich nicht aber für mehr Kommentar müsste ich die Story erst 2 Stunden auseinander nehmen und dafür hab ich jetzt keine Zeit ^^" Gomen
 
Wow, und ich dachte eben noch, Elfchen's Gedicht "Schutzmaske der Einsamkeit" hätte mich berührt...

Meine erste Intention (noch bevor ich mit dem Text überhaupt fertig war und bevor ich die Stelle "bei ihm war sie immer entspannt gewesen" richtig realisiert habe) ging irgendwie in die Richtung dass die Hauptperson Opfer einer Vergewaltigung geworden war und dadurch gehemmt/traumatisiert wurde...

Mitlerweile geht mein Eindruck doch eher Richtung motte's zweiter Beschreibung...


Extrem aussagekräftig, ohne direkt zu konkretisieren, Wahnsinn!
 
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