Skyrock
t. Sgeyerog :DDDDD
- Registriert
- 10. September 2003
- Beiträge
- 13.448
Vorweg: Hier ist weder die Person Ron Edwards noch The Forge noch Rollenspieltheorie noch Forgespiele das Thema, sondern nur die Brain-Damage-These. Wer die These argumentativ zerlegen will hat alles Recht der Welt dazu, aber Offtopic-Beiträge des Strickmusters "Mr. Edwards ist dohv und seine Spiele und Theorien auch" oder "Forge ist toll und Theorie wichtig" gehören nicht hierher. Geht dazu in einen der bestehenden Theoriethreads oder macht einen neuen auf.
Zum Topic:
Wie sich die älteren unter uns sicher noch entsinnen können, stellte [wiki]Ron Edwards[/wiki] im Februar die These auf, dass "Storytelling" dem Hirn schade.
Jetzt wo sich der Hype um die Sache gelegt und die Gemüter sich beruhigt haben ist es hoffentlich möglich sachlich über diese These zu diskutieren.
Ich selbst war kritisch gegenüber dem ganzen (wie mein JonasB-Zitat im alten Thread dazu belegt), aber das hing v.a. mit dem schwammigen Begriff Storytelling zusammen, der alles mögliche bedeuten kann:
1.) Ein Rollenspiel von White Wolf (wo immer "storytelling game" im Untertitel zu finden ist).
2.) Eine Form von Rollenspiel, bei der viel Freiform betrieben wird.
3.) Das was Ron Edwards mit seiner Brain-Damage-These darunter versteht und was nur teilweise mit 1+2 zu tun hat.
Hier dürfte die Quelle aller Mißverständnisse zu finden sein, da ebenso wie bei Buzzwords wie "Munchkin" jeder davon ausging zu wissen was Storytelling ist, ohne sich genau anzuschauen was Ron Edwards damit eigentlich meint. (Gut, die Formulierung "brain damage" und die Vergewaltigungsmetapher dürften weiter dazu beigetragen haben dass bei einigen der hohe Blutdruck die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn abgeschnitten hat, aber ich schweife ab.)
Was ist also dieses Brain-Damaging-Storytelling (im folgenden kurz BDST)?
BDST rührt von einem System her, das keinen Deut bei dem Spielerlebnis hilft das der Klappentext verspricht, kein konkretes Spielziel bietet und dessen Mechanismen keinen einzelnen Spielstil gezielt unterstützen, sondern in alle Richtungen strahlen. Als Allheilmittel für die Probleme die beim buchstabengetreuen Befolgen des Spiels auftreten _müssen_ wird die Goldene Regel angepriesen, welche dem SL alle Rechte einräumt die Regeln spontan so zu ändern wie es ihm gefällt.
Ferner bietet das System haufenweise Fiktion in Form von Flufftexten, Metaplot und ausschweifenden Settingbeschreibungen, welche aber für das eigentliche Spiel wenig Nutzen bringen und nur den Sammlertrieb befriedigen.
(Ron Edwards nennt hier _keine_ Namen von Systemen. Ich habe zwar meine Vermutungen welche er meint, da ich aber nichts in den Text hineininterpretieren will was nicht direkt drinsteht und ferner keinen unproduktiven Systemkrieg anzetteln will verkneife ich mir, welche zu nennen.)
Einige Leute finden hier eine funktionale Lösung (etwa indem sie alle erzählerischen Elemente aus dem Spiel rausreißen, den Metaplot ignorieren und nur noch herausforderungsorientiert spielen), aber um diese Leute geht es nicht bei BDST. Es geht um Leute die nur auf eine suboptimale Lösung kommen.
Gemeint ist hier ein Spielstil, bei dem keiner genau weiß wo der Spaß herkommen soll und drauflosgespielt wird, mit dem diffusen Ziel "Story". Die Tatsache dass kein dezidiertes Belohnungssystem enthalten ist das bestimmtes Verhalten fördert, unterstützt diese Tatsache nur.
In der Praxis meint das einen hartwurstigen Spielablauf wo der Alltag der Charaktere bis ins Detail ausgespielt wird und keine Schnitte durchgeführt werden, sondern die Ingame-Zeit linear und weitestgehend gleichmäßig abläufig.
SL: "Es sind noch zwei Stunden bis Sonnenaufgang. Was will dein Vampir noch machen?"
Spieler: "Ich will im Armenviertel etwas jagen gehen, reicht mir das noch?"
SL: "Also, alleine hin und zurück wären es schon anderthalb Stunden."
Spieler: "Na gut, dann gehe ich nicht jagen."
SL: "Was machst du dann?"
Spieler: "Ich, hm, lese in meinen okkulten Büchern."
Da die Charaktere ferner keinen starken inneren Antrieb haben (sei es nun Dungeons ausräumen um reich und mächtig zu werden, oder ein starker innerer thematischer Konflikt, oder ein Kicker) kommt von selbst keine Handlung und damit auch keine "Story" zustande. Hier ist der Spielleiter in der Pflicht "Story" zu erzeugen, wobei das Integrieren der teflonbeschichteten und antriebslosen SCs Railroading erfordert.
Mit der Zeit festigt sich die Vorstellung dass "Story" nur durch den Spielleiter entstehen kann als unumstößliches Axiom, und die Handlung wird zu seiner alleinigen Domäne. Die Aufgabe der Spieler beschränkt sich darauf Color zu produzieren und kleinere, für die "Story" irrelevante Dinge zu beeinflussen, wobei diese Tatsache nicht offen auf den Tisch gelegt wird, sondern so getan wird als ob die Spieler tatsächlich noch echten Einfluß hätten (z.B. Würfe hinter dem Sichtschirm die dann so oder so in die Richtung gedreht werden die der SL haben will, oder die Annullierung von durch die SCs vorgenommenen Beeinflussungen der Handlung durch "Zufälle" und retroaktive Änderungen der Hintergrundgeschichte).
Spieler: "Ich schieße mit meiner Schrotflinte auf den Baron... *würfel* Treffer, 19 Schaden."
SL: *würfel* .oO(Mist, er hat seinen Ausweichenwurf verhauen und nur 12 Trefferpunkte. Dabei brauche ich ihn noch für die Story. Hätte verdeckt würfeln müssen, dann hätte ich noch was drehen können.)
Spieler: "Also, ist nicht ausgewichen. Ist er jetzt tot?"
SL: "Äh, nein. Gerade als deine Kugeln ihn berühren leuchtet ein blaues Kraftfeld um ihn herum auf, und der Schrot prallt harmlos ab. Offenbar hatte er ein Schutzamulett." .oO(Puh, gerade noch mal was eingebaut was die Story rettet.)
Das Ergebnis ist hier also ein Spiel, bei dem man sich nicht auf die Regeln verlassen kann da sie mal gelten und mal nicht, je nachdem wie es dem SL in seine "Story" passt.
Ferner haben die Spieler keinen echten Einfluß auf die Handlung, sondern sind dazu verdammt Zuschauer und Wasserträger bei den Schachzügen der wichtigen NSCs zu sein. Erfolge sind kein Ergebnis von Spielerleistung oder harter thematischer Entscheidungen, sondern entspringen der Willkür eines einzelnen Spielteilnehmers.
Deprotagonisierung ist hier an der Tagesordnung (wie etwa bei obigem Schrotflintenschützen der vielleicht als guter Kämpfer ausgelegt war, das aber nicht zur Geltung bringen darf, da sein Schuß durch das retroaktiv eingefügte Schutzamulett entwertet wird).
Das fehlende Spielziel mit Etappen auf dem Weg dahin führt ferner zu einer Endloskampagne, in der keine Schlüsselszenen auftreten können und damit zu einer ewigen, ziellosen Tretmühle kommt, bei der nichts erinnerungswürdiges passieren kann.
Ist diese Form von Spiel nun hirnschädigend, im Sinne davon dass ein solches Spiel nur nach dem Blindes-Huhn-Prinzip Spaß erzeugen kann? Dass man sich jedes mal hinterher einreden muß dass das Spiel Spaß gemacht hat und man sich selektiv nur an die vom blinden Huhn BDST gefundenen Körner erinnert? Dass dieser Spielstil, wenn er sich als einzig richtiger im Kopf festfährt, dem Spielteilnehmer die Gelegenheit nimmt echten Spaß durch einen funktionalen Spielstil zu erfahren?
Ich würde alle diese Punkte aus persönlicher Konfrontation mit BDST heraus bejahen.
Um es noch einmal zu betonen: Mit BDST ist nur oben beschriebener Spielstil gemeint. Wer Vampire oder sonst ein WW-Spiel spielt ohne in o.g. Schema zu passen, ist nicht hirngeschädigt. Wer "storyorientiert" spielt, wobei die Spieler immer noch ernstzunehmenden Einfluß auf die Handlung haben, ist nicht hirngeschädigt. Wer Freiform spielt bei der offen auf dem Tisch liegt dass die Handlung nur vom SL gemacht wird und Konsumspieler gefragt sind, ist nicht hirngeschädigt.
Einzig wer in o.g. Schema paßt ist hirngeschädigt und wird eine harte Zeit vor sich haben, bis er aus diesem Schema ausbrechen und echten Spielspaß haben kann.
Damit ist die Diskussion eröffnet, und nicht vergessen - das Thema ist nur die Brain-Damage-These, nicht Rollenspieltheorie im allgemeinen.
Zum Topic:
Wie sich die älteren unter uns sicher noch entsinnen können, stellte [wiki]Ron Edwards[/wiki] im Februar die These auf, dass "Storytelling" dem Hirn schade.
Jetzt wo sich der Hype um die Sache gelegt und die Gemüter sich beruhigt haben ist es hoffentlich möglich sachlich über diese These zu diskutieren.
Ich selbst war kritisch gegenüber dem ganzen (wie mein JonasB-Zitat im alten Thread dazu belegt), aber das hing v.a. mit dem schwammigen Begriff Storytelling zusammen, der alles mögliche bedeuten kann:
1.) Ein Rollenspiel von White Wolf (wo immer "storytelling game" im Untertitel zu finden ist).
2.) Eine Form von Rollenspiel, bei der viel Freiform betrieben wird.
3.) Das was Ron Edwards mit seiner Brain-Damage-These darunter versteht und was nur teilweise mit 1+2 zu tun hat.
Hier dürfte die Quelle aller Mißverständnisse zu finden sein, da ebenso wie bei Buzzwords wie "Munchkin" jeder davon ausging zu wissen was Storytelling ist, ohne sich genau anzuschauen was Ron Edwards damit eigentlich meint. (Gut, die Formulierung "brain damage" und die Vergewaltigungsmetapher dürften weiter dazu beigetragen haben dass bei einigen der hohe Blutdruck die Sauerstoffzufuhr zum Gehirn abgeschnitten hat, aber ich schweife ab.)
Was ist also dieses Brain-Damaging-Storytelling (im folgenden kurz BDST)?
BDST rührt von einem System her, das keinen Deut bei dem Spielerlebnis hilft das der Klappentext verspricht, kein konkretes Spielziel bietet und dessen Mechanismen keinen einzelnen Spielstil gezielt unterstützen, sondern in alle Richtungen strahlen. Als Allheilmittel für die Probleme die beim buchstabengetreuen Befolgen des Spiels auftreten _müssen_ wird die Goldene Regel angepriesen, welche dem SL alle Rechte einräumt die Regeln spontan so zu ändern wie es ihm gefällt.
Ferner bietet das System haufenweise Fiktion in Form von Flufftexten, Metaplot und ausschweifenden Settingbeschreibungen, welche aber für das eigentliche Spiel wenig Nutzen bringen und nur den Sammlertrieb befriedigen.
(Ron Edwards nennt hier _keine_ Namen von Systemen. Ich habe zwar meine Vermutungen welche er meint, da ich aber nichts in den Text hineininterpretieren will was nicht direkt drinsteht und ferner keinen unproduktiven Systemkrieg anzetteln will verkneife ich mir, welche zu nennen.)
Einige Leute finden hier eine funktionale Lösung (etwa indem sie alle erzählerischen Elemente aus dem Spiel rausreißen, den Metaplot ignorieren und nur noch herausforderungsorientiert spielen), aber um diese Leute geht es nicht bei BDST. Es geht um Leute die nur auf eine suboptimale Lösung kommen.
Gemeint ist hier ein Spielstil, bei dem keiner genau weiß wo der Spaß herkommen soll und drauflosgespielt wird, mit dem diffusen Ziel "Story". Die Tatsache dass kein dezidiertes Belohnungssystem enthalten ist das bestimmtes Verhalten fördert, unterstützt diese Tatsache nur.
In der Praxis meint das einen hartwurstigen Spielablauf wo der Alltag der Charaktere bis ins Detail ausgespielt wird und keine Schnitte durchgeführt werden, sondern die Ingame-Zeit linear und weitestgehend gleichmäßig abläufig.
SL: "Es sind noch zwei Stunden bis Sonnenaufgang. Was will dein Vampir noch machen?"
Spieler: "Ich will im Armenviertel etwas jagen gehen, reicht mir das noch?"
SL: "Also, alleine hin und zurück wären es schon anderthalb Stunden."
Spieler: "Na gut, dann gehe ich nicht jagen."
SL: "Was machst du dann?"
Spieler: "Ich, hm, lese in meinen okkulten Büchern."
Da die Charaktere ferner keinen starken inneren Antrieb haben (sei es nun Dungeons ausräumen um reich und mächtig zu werden, oder ein starker innerer thematischer Konflikt, oder ein Kicker) kommt von selbst keine Handlung und damit auch keine "Story" zustande. Hier ist der Spielleiter in der Pflicht "Story" zu erzeugen, wobei das Integrieren der teflonbeschichteten und antriebslosen SCs Railroading erfordert.
Mit der Zeit festigt sich die Vorstellung dass "Story" nur durch den Spielleiter entstehen kann als unumstößliches Axiom, und die Handlung wird zu seiner alleinigen Domäne. Die Aufgabe der Spieler beschränkt sich darauf Color zu produzieren und kleinere, für die "Story" irrelevante Dinge zu beeinflussen, wobei diese Tatsache nicht offen auf den Tisch gelegt wird, sondern so getan wird als ob die Spieler tatsächlich noch echten Einfluß hätten (z.B. Würfe hinter dem Sichtschirm die dann so oder so in die Richtung gedreht werden die der SL haben will, oder die Annullierung von durch die SCs vorgenommenen Beeinflussungen der Handlung durch "Zufälle" und retroaktive Änderungen der Hintergrundgeschichte).
Spieler: "Ich schieße mit meiner Schrotflinte auf den Baron... *würfel* Treffer, 19 Schaden."
SL: *würfel* .oO(Mist, er hat seinen Ausweichenwurf verhauen und nur 12 Trefferpunkte. Dabei brauche ich ihn noch für die Story. Hätte verdeckt würfeln müssen, dann hätte ich noch was drehen können.)
Spieler: "Also, ist nicht ausgewichen. Ist er jetzt tot?"
SL: "Äh, nein. Gerade als deine Kugeln ihn berühren leuchtet ein blaues Kraftfeld um ihn herum auf, und der Schrot prallt harmlos ab. Offenbar hatte er ein Schutzamulett." .oO(Puh, gerade noch mal was eingebaut was die Story rettet.)
Das Ergebnis ist hier also ein Spiel, bei dem man sich nicht auf die Regeln verlassen kann da sie mal gelten und mal nicht, je nachdem wie es dem SL in seine "Story" passt.
Ferner haben die Spieler keinen echten Einfluß auf die Handlung, sondern sind dazu verdammt Zuschauer und Wasserträger bei den Schachzügen der wichtigen NSCs zu sein. Erfolge sind kein Ergebnis von Spielerleistung oder harter thematischer Entscheidungen, sondern entspringen der Willkür eines einzelnen Spielteilnehmers.
Deprotagonisierung ist hier an der Tagesordnung (wie etwa bei obigem Schrotflintenschützen der vielleicht als guter Kämpfer ausgelegt war, das aber nicht zur Geltung bringen darf, da sein Schuß durch das retroaktiv eingefügte Schutzamulett entwertet wird).
Das fehlende Spielziel mit Etappen auf dem Weg dahin führt ferner zu einer Endloskampagne, in der keine Schlüsselszenen auftreten können und damit zu einer ewigen, ziellosen Tretmühle kommt, bei der nichts erinnerungswürdiges passieren kann.
Ist diese Form von Spiel nun hirnschädigend, im Sinne davon dass ein solches Spiel nur nach dem Blindes-Huhn-Prinzip Spaß erzeugen kann? Dass man sich jedes mal hinterher einreden muß dass das Spiel Spaß gemacht hat und man sich selektiv nur an die vom blinden Huhn BDST gefundenen Körner erinnert? Dass dieser Spielstil, wenn er sich als einzig richtiger im Kopf festfährt, dem Spielteilnehmer die Gelegenheit nimmt echten Spaß durch einen funktionalen Spielstil zu erfahren?
Ich würde alle diese Punkte aus persönlicher Konfrontation mit BDST heraus bejahen.
Um es noch einmal zu betonen: Mit BDST ist nur oben beschriebener Spielstil gemeint. Wer Vampire oder sonst ein WW-Spiel spielt ohne in o.g. Schema zu passen, ist nicht hirngeschädigt. Wer "storyorientiert" spielt, wobei die Spieler immer noch ernstzunehmenden Einfluß auf die Handlung haben, ist nicht hirngeschädigt. Wer Freiform spielt bei der offen auf dem Tisch liegt dass die Handlung nur vom SL gemacht wird und Konsumspieler gefragt sind, ist nicht hirngeschädigt.
Einzig wer in o.g. Schema paßt ist hirngeschädigt und wird eine harte Zeit vor sich haben, bis er aus diesem Schema ausbrechen und echten Spielspaß haben kann.
Damit ist die Diskussion eröffnet, und nicht vergessen - das Thema ist nur die Brain-Damage-These, nicht Rollenspieltheorie im allgemeinen.