[11.5.08] diplomatische Gespräche

Discordia

B! scheuert
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Enio schüttelte leicht die Taschenlampe worauf hin das Gerät tatsächlich wieder anging. Ein kleiner Wackelkontakt, den er bereits vor ein paar Nächten festgetellt hatte, schien offenbar den schleichenden aber nicht mehr abzuwendenden Tod des hilfreichen elektrischen Gerätes einzuläuten. Naja… nichts war von Dauer. Weder eine bescheuerte Taschenlampe noch ein verdammter Vampir. Und auch heute Nacht war sich der Sheriff wieder einmal deutlich bewußt wie vergänglich doch die Unendlichkeit sein konnte, wenn man bedachte, daß man eigentlich ein unheiliges Leben führte und prinzipiell ewig leben könnte aber dennoch die Welt jede Nacht neue Gefahren für einen bereit hielt, die einen in einem Lidschlag den endgültigen Tod bringen konnten, ohne das es eine Rolle spielen würde wie alt man war, was man alles schon erlebt hatte und ob man sich für einen dicken Fisch im Teich hielt oder doch nur eine Nullnummer war. Den Tod hatte das noch nie gekümmert.

Enio Pareto wagte erneut einen gefährlichen Gang. Er hatte noch eine ausführliche Unterhaltung ausstehen, dessen Ausgang ungewiß war und deren Gesprächspartner unter Umständen gar nicht so einfach zu finden sein würden. Wenn es aber so laufen würde wie Enio es sich vorstellte, mußte er überhaupt niemand finden… er mußte sich nur selbst finden lassen. Um das zu bewerkstelligen verhielt sich Enio bei dem Aufstieg zur Ruine recht auffällig, achtete nicht auf leise Schritte und hatte sogar genau aus diesem Grund eine Taschenlampe dabei. Er wollte gesehen und bemerkt werden und wenn es ging recht schnell und auf eine Weise, die ihn den Gestaltenwandlern gleich als der offenbarte, der er war. Enio Pareto vom Clan der Brujah, ehemaliger Kriegsherr von Finstertal und General in einem Krieg, den sie trotz aller gegenteiliger Voraussagen überstanden hatten. Die Garou ebenso… aber höchstwarscheinlich mit weit größeren Verlusten. Aber das würde der Italiener vielleicht ja noch erfahren.

Mit einem Fluch auf den Lippen, weil ihm schon wieder ein Ast ins Gesicht gepeitsch war, erreichte Enio langsam aber sicher die Anhöhe. Noch hatte niemand mit ihm Kontakt aufgenommen aber Enio war sich sicher, daß die Werwölfe schön längst bemerkt hatten, daß sie Besuch bekamen. Wenn nicht… dann waren sie wohl nicht hier. Der Turiner bewegte sich vorsichtig und blieb trotz allem Lärm, den er machte wachsam und behielt die Umgebung im Auge. Er hatte sicherlich nicht genug Vertrauen um sich den ganze verdammten Wandlern auszuliefern ohne wenigstens darauf zu achten ob ihm jemand folgte oder ob sich plötzlich vor ihm ein Riß im Hier und Jetzt öffnete und eine verfluchte, fellüberzogene Hechselmaschien aus dem Nichts auftauchte und ihm ans Leder wollte. Vielleicht war das fehlende Vertrauen auch der Grund dafür das Enio in der Hand, die keine Lampe hielt, ein Kurzschwert trug. Er sah jedenfalls nicht aus wie jemand, der sich versehentlich im Wald verirrt hatte und eigentlich zu eine mittelalterlichen Heerschau wollte.
 
YVONNE X.

"Der ganze Wald stinkt nach Tod!"

Die Worte kamen aus dem Dunkel der Nacht ohne das Enio einen Ursprung dafür hätte ausmachen können. Der Wald lag still und friedlich da, lichte Nebelschwaden hingen zwischen ungezählten Stämmen, dünne Äste bewegten sich sanft raschelnd im Wind. Von irgendwoher schrie ein einsamer Kauz sein trauriges Lied.

"Und doch hat es hier schon schlimmer gerochen!"

Die Stimme einer Frau. Fest, selbstbewusst und klar. Kaum hörbar mit einem wild und ungestühm klingenden Knurren unterlegt. Ganz leicht nur, schwach, nicht etwa bedrohlich oder dominant. Ein Hauch, gerade genug um die Macht anzudeuten die in ihrem Inneren der Formwandlerin wohnte. Leider zeigte sie sich noch immer nicht. Es schien als wolle sie Enio in Erinnerung rufen das der Wald das Jagdgebiet der Wölfe war. Sie lebten hier, sie herrschten hier und Kainiten, die verhassten Draugar würden niemals mehr sein als Eindringlinge.

"Du hattest deinen Anteil daran, daher will ich dich willkommen heißen Bluttrinker. Ich hoffe für dich das deine Absichten friedlicher Natur sind."

Ein Ast knackte. Das ganz offensichtlich absichtlich herbeigeführte Geräusch erklang aus einer Richtung der Enio soeben den Rücken zukehrte.
Was auch sonst...

"Enio Pareto, Kriegsherr der Draugar, welch Ehre!"

Keine Begrüßung, dafür ein leichter Spott in der Stimme.
Nicht absichtlich herbeigeführt, eher ein nicht abzuänderndes Relikt einer über Jahre antrainierten Art der Reaktion auf Geschöpfe des Wyrm.

"Ich schätze wir treffen uns zu einer Art ... Abschlussbesprechung? Die Torte konnte gerettet werden und wird nun in einige Teile zerschnitten. Teilen wir gerecht? Streiten wir um das beste Stück? Oder werfen wir sie in den Dreck und zertreten sie unter unseren Füßen?"

Endlich trat Yvonne aus den Schatten hervor ins Licht des Monats. Eine schöne Frau war sie. Nicht in einer Schönheit wie sie die Kainiten oder Menschen kannten. Eher wilder Natur, untermalt mit Stärke, Mut, Stolz und dem Herz einer Kriegerin. Aber man sah ihr auch ihre Verletzlichkeit an, die letzten Tage und Nächte hatten ihrer Art schwer zugesetzt und einige unausprechliche Opfer verlangt.
 

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Enio wußte warum er hergekommen war und wen er hier treffen würde. Auserdem war er ja mehr als sichtbar hierher gekommen um keinen falschen Eindruck zu hinterlassen. Da hätte man meinen können, daß er darauf gefasst war plötzlich angesprochen zu werden ohne gleich einem Gesprächspartner gewahr zu werden. Das schützte ihn jedoch nicht davor zusammenzuzucken und sich mehr anzuspannen als er eigentlich wollte. Die Wahl der Worte waren unter Umständen auch nicht die besten aber was wollte man schon von einer Garou erwarten, die es womöglich nie schaffen würde noch mehr über ihren Schatten zu springen als sie es schon getan hatte. Dabei war ihr eventuell überhaupt nicht klar über welchen gigantischen Schatten Enio Pareto springen hatte müssen um sich überhaupt einigermaßen zivilisiert mit einem Gestaltenwandler zu unterhalten. Ja das Leben steckte voller Unwegbarkeiten, Hindernissen und Arbeiten. Manche waren offensichtlicher als andere.

Enio lies zunächst seine Lampe an, unterlies es aber damit ins Gebüsch zu leuchten wie man es normalerweise in seiner Situation gemacht hätte. Es wäre nicht nur zwecklos gewesen, sondern hätte sicherlich auch leicht albern gewirkt. Stattdessen wartete er geduldig bis seine Empfangsdame ihre Eröffnung beendet hatte und sich ihm zeigte. Der grimmige Italiener erwiederte nichts auf die ersten Worte der Garou und lies ihre Rede über die Gerüche des Waldes wortlos an sich abprallen. Enio mußte nicht immer etwas sagen um sich mitzuteilen. Sein Schweigen wirkte seiner Meinung nach souverän genug. Auserdem hatte der Sheriff nicht ernsthaft das Gefühl, daß Yvonne ihn beleidigen wollte. Um das alles ein wenig zu unterstreichen steckte er demonstrativ seine Klinge weg als er das Knacken vernahm und die Konturen seiner unsichtbaren Gesprächspartnerin erkennen konnte und davon ausgehen konnte, daß das Versteckspiel beendet war. Den kleinen Stich, den sein Ego ertragen mußte weil die Werwölfin es geschafft hatte in seinem Rücken aufzutauchen, mußte er wohl hinnehmen. Er hatte schon Schlimmeres weggesteckt.

„Ich hätte mich wohl ziemlich dämlich angestellt, wenn meine Absichten nicht friedlicher Natur wären. Es ist mir eine Verpflichtung euch erneut aufzusuchen und die Brücke zwischen unseren Rassen zu betreten. Nicht nur um diese Sache zu ende zu bringen und ein merkwürdiges Bündnis zu würdigen, sondern auch weil ich Silva für etwas mein Wort gegeben habe und ich mich auch mit ihr unterhalten muß.“ Enio hatte den Satz mit der „Ehre“ nicht überhört aber er war zunächst diesbezüglich zu perplex um etwas eloquentes zu erwiedern. Er hatte nicht gedacht, daß es jemals irgendein Werwesen als Ehre empfinden würde ihm zu begegnen. Oder hatte sie das anders gemeint? Egal! Selbst wenn es negativ gewesen sein könnte wollte Enio sich einfach einbilden, daß es im Guten war. Alles andere wollte nicht in seine Motivation passen.

Wieder schwieg Enio uns lauschte ins Dunkle den Worten der Garou. Die Kriegerseele beherbergte offenbar auch einen Scholar, der sich über sehr tiefsinnige Dinge Gedanken machte. Enio mußte sich eingestehen, daß er zwar oft nicht viel von dem was die Werwölfe sabbelten verstand aber hier und jetzt wußte er ganz genau was Yvonne X meinte und war unfreiwillig beeindruckt von ihrer Wortwahl. So waren es zwar lediglich Metaphern aber sie waren passend und anschaulich gewählt. Aber was wollten die Kainskinder eigentlich tatsächlich mit der Torte? Enio konnte vor der Primogensitzung nur seinen eigene Eindruck wiedergeben und vor allem seine Meinung, die sich über die letzten Wochen gebildet hatte. Die hatte jedenfalls kaum noch Ähnlichkeit mit der Einstellung des Enio Pareto, der einst diese Stadt zum ersten Mal betreten hatte. Ob das wohl jemand zu würdigen wußte? Die Chancen standen schlecht aber es war auch bedeutungslos.

„Gut ausgedrückt Yvonne X von den Schattenlord! Ich schätze unsere beiden Rassen hätten das Potential jede Alternative für die Torte zu wählen, die du aufgezählt hast. Warscheinlich liegt es an uns was wir draus machen werden. Möglich ist alles. Dennoch habe ich entgegen meiner bisherigen Einstellung tatsächlich die Hoffnung, daß wir es schaffen die Torte nicht unter unseren Füßen zu zertreten. Sie herzustellen… war sehr schwierig und hat uns viele Opfer gekostet. Schon alleine ihnen zu ehren sollten wir uns Mühe geben.“ Irgendwie klang das sogar in Enios Ohren ein wenig nach Gesülze aber dennoch meinte er es ehrlich. Aber nur so weit wie er es eben selbst beeinflussen konnte. Wenn Galante plötzlich entscheiden sollte Morgen Nacht in den Krieg gegen die Werwölfe zu ziehen, würde Enio natürlich auf der seite der Kainskinder kämpfen und seine Klingen schärfen. Seine Hoffnung ging aber in eine völlig andere Richtung. Er hatte ernorm dazugelernt was die Garou anging seit er sich in Finstertal aufhielt und hielt es für einen fatalen Fehler erneut die Garou anzugreifen… auch wenn sie jetzt sicherlich stark dezimiert waren. Genau das war es was er dazugelernt hatte… die Garou würden unter keinen Umständen so dezimiert bleiben. Wieder würden neue Gestaltenwandler nach Finstertal drängen um die Reihen der Gefallenen auffüllen. Der Tanz würde von vorne beginnen und weitere Opfer fordern. Im Gegenzug würden die Kainiten dieses Landes niemals die Stadt aufgeben und sie zu Garouland deklarieren. Der Kampf konnte ewig gehen… oder aber beendet werden.

„Ich bin nun nicht mehr Kriegsherr der Kainskinder dieser Stadt sondern wieder lediglich Sheriff und Ältester meines Clans. Wie es vorauszusehen war sind alte Blutsauger in diese Stadt gekommen um im Namen unserer Sekte die Führung hier zu übernehmen. Da ich kein Interesse an Politik und den Windungen der gesellschaftlichen Ränkespielchen habe, habe ich darauf verzichtet mich für die Position des Prinzen von Finstertal zu bewerben. Aber das sind sicherlich Dinge, die dich weniger interessieren. Wichtig ist das Galante – so heißt der neue Prinz – den erkämpften Frieden wahren will und auf keinen Fall wieder in den Krieg gegen deine Art ziehen möchte. Ich bin hier um für die nächste Zeit als Kontaktmann und Sprachrohr zwischen unser beider Rassen zu dienen. Es gibt vieles zu klären und wir müssen - wie es schon immer die Aufgabe der Offiziere war – nach der Schlacht aufräumen und die Ordnung wieder herstellen.“

Enio sprach ruhig und war offenbar überzeugt von seinen Worten und selbstsicher wie eh und je. Die Beleuchtung seiner Taschenlampe war dürftig und sowieso auf den Boden gerichtet. Es reichte um die Schattenlord genauer zu betrachten. Die Gestaltenwandlerin war vielleicht nicht im klassischen Sinne schön aber sie war eigentlich genau das auf was der Turiner stehen würde… wenn sein Sinn für Frauen nicht so schrecklich unterentwickelt wäre. Yvonnes wilde Art, die aber trotzdem etwas Sinnliches hatte sprach den Italiener priniziell an. Sie war eine Kriegerin und wäre eine würdige Gegnerin für den Brujah. Aber sie hatte auch Stil und strahlte die Würde einer Führerin aus. Ein Vergleich mit Jenny würde die Garou immer locker für sich entscheiden aber nicht weil sie hübscher war, sondern weil sie wußte wo ihr Platz auf der Welt war und man das ihr auch ansah.

Ein merkwürdiges Paar stand da im Mondlicht. Sollte die nahe Zukunft zeigen ob sie mehr konnten als sich anzufeinden und die Zähne zu fletschen.
 
YVONNE X.

"Silva ist auf dem Weg hierher und wird sicherlich gleich hier eintreffen. Aber sie ist noch jung und dürfte uns bei diesem Gespräch nur im Wege stehen. Wir beide, du und ich, sind alte Kämpfer für die es nichts vollkommen neues ist, nach der Schlacht dem Feind zu abschließenden Verhandlungen entgegenzutreten. Wir allerdings sind keine Feinde! Wir haben ein Bündnis geschlossen und uns gegenseitig bewiesen, dass Verlass ist auf unser Wort und unsere Integrität. Aber wir sind nur Offiziere wie du schon sagtest und wir haben Mächte über uns, denen solch Wesenzüge nicht gegeben sind."

Es folgte eine kurze Pause in der Yvonne einen Moment lang die Nase in die Luft hielt und nach irgendetwas Unsichtbarem witterte.

"Ich habe mir viele Gedanken gemacht und mich entschlossen keine unhaltbaren Forderungen zu stellen. Wir Garou fordern nur zwei Dinge. Unser Caern muss für deinesgleichen absolut Unantastbar bleiben. Ein unumstößliches Tabu! Das Gleiche gilt für den Südwald und alle anliegenden Gebiete. Wir Garou wünschen keinerlei Kontakt zu euch Draugar. Sollte dies jedoch nötig sein, kannst du -und nur du- über meine Firma World Science Kontakt mit mir aufnehmen. Im Gegenzug werden sich alle Wölfe vollständig aus dem Stadtgebiet fern halten. Sowohl Finstertal, als auch Burgh und der Gebirgszug dazwischen wird von uns nicht mehr betreten. Sollte einer meiner Leute dagegen verstoßen, räume ich euch Draugar das Recht ein ihn ohne Warnung zu töten. Dies ist mein Angebot, über das ich nicht zu verhandeln gedenke."

Sie hob die Hand.

"Warte mit deiner Antwort, denn eine letzte gemeinsame Unternehmung steht uns noch bevor. Einige Tänzer haben die vergangenen Kämpfe überlebt und sich verkrochen. Wir müssen sie aufstöbern und endgültig vernichten. Erst dann wird es möglich sein, einen Schritt Richtung Frieden zu unternehmen."
 
Yvonne irrte sich in Enios Augen. Silva würde nicht im Weg stehen… ohne sie und ihre beherzte Vorgehensweise würden sich der Brujah und die Schattenlord hier überhaupt nicht unterhalten. Auserdem war zwar Enio ein alter und erfahrener Kämpfer aber ihm fehlte die Praxis in einer entscheidenden Sache… der Italiener verhandelte normalerweise nicht. Und schon gar nicht mit dem Feind oder einem ehemaligen. Selbstverständlich könnte man das als Korinthenkackerei betrachten und als unwichtig abtun und genau das bewahrte Enio davor etwas zu erwiedern, daß in der momentanen Situation absolut nichts zur Erklärung oder konstruktivem Fortschritt beitragen konnte. Stattdessen nickte er stumm und nichtssagend und behielt seine Kommentare für sich. Er wußte wann er mit einem Schweigen mehr erreichen konnte als mit dem herausposaunen seiner Meinung.

Immerhin hatte die Garou in allem anderen ja auch recht. Es war für Enio ein weiter Weg und ein hartes Stück Arbeit gewesen um überhaupt hier stehen zu können und sich mit einer Werwölfin zu unterhalten. Andere Garou würden das nicht tun und so Kainskinder wie Enio noch vor kurzer Zeit selber eines war, würden sich unter Garantie niemals mit einem Gestaltenwandler unterhalten und mit ihr die weitere Zukunft bequatschen. Jene die über ihnen standen mußten warscheinlich von jeder Absprache und von jedem verdammten Punkt einer friedlichen Vereinbarung erst einmal mühselig überzeugt werden. Wer konnte das schon wissen aber vielleicht waren ja Enio und Yvonne X nahezu ideal als Kandidaten für Verhandlungspartner oder Führer von diplomatischen Verhandlungen. Sie wußten es zu schätzen, daß sie sich so ohne weiteres mit dem anderen unterhalten konnten, weil sie auch wußten was für eine Anstrengung der andere hinter sich bringen mußte und welch nervenzehrende Arbeit das sein konnte. Allem voran aber wußte jeder von ihnen wie es vorher war und was für einen Weg man beschreiten hatte müssen um überhaupt so weit zu kommen, daß man sich überhaupt einmal unterhalten konnte. Nun… man würde das wohl noch sehen.

Enio wußte, daß er nicht viel zu Yvonnes Vorderungen sagen konnte, da es nicht an ihm lag ihnen zuzustimmen oder sie abzulehnen. Aber er konnte trotzdem seine Meinung dazu sagen. Das würde ihm niemand verbieten können. „Ich werde dein Angebot weiterleiten. Für mich hört es sich jedenfalls annehmbar und fair an. Sollten keine Probleme dabei entstehen. Im Prinzip entspricht es grob sogar dem was wir vor eurer Ankunft mit den anderen Werwölfen vereinbart hatten.“ Enio konnte sich diesen Wink nicht verkneifen. Vielleicht wurde der Schattenlord dabei sogar die Sinnlosigkeit ihrer Grundmotivation nach Finstertal zu kommen vor Augen geführt. Sie hatte im Grunde nichts erreicht und lediglich ein paar andere Garou erschlagen. Waren die Prinzipien mancher Garou diesen Preis wert? Tja… diese Frage mußte man wohl den Geistern der erschlagenen Werwölfe stellen. Vielleicht würde Yvonne, Silva und die anderen übrig gebliebenen ja eine Antwort von denen erhalten. Enio würde aber sicherlich nicht länger auf diesem Thema herumreiten. Solange Garou nur andere Garou erschlugen, vernichteten sie schon keine Kainskinder und die Probleme hielten sich deutlich in Grenzen.

„Richtig! Ich habe von diesen Tänzern auch schon erfahren und wir sollten uns den Luxus von gesitteten Friedensverhandlungen erst leisten, wenn sie vernichtet sind. Und zwar so schnell wie möglich. Wir haben morgen eine Versammlung der Ältesten bei der wir einige aktuelle und brisante Dinge bereden. Meiner Meinung nach sollten wir danach gleich losschlagen… selbstverständlich nachdem wir uns koordiniert haben. Schafft ihr das?“ Bei der Frage ging es weniger um das organisatorische, sondern mehr um dem Zustand der Gestaltenwandler. Enio wußte nicht genau wie schwer es sie erwischt hatte und wieviele von ihnen für einen ausgewachsenen Kampf mit den Tänzern bereit waren. Enio nahm sich jedenfalls fest vor nur die kampferprobten Untoten da mit zunehmen und nicht wie beim letzten Mal alles was laufen konnte und eine Waffen halten konnte ohne vorne über zu kippen.
 
YVONNE X.

"Wir werden bereit sein! Schon jetzt bewachen meine Leute das letzte verblieben Versteck der Tänzer. Besprich dich mit deinen Ältesten und schare deine Kämpfer um dich. Und dann brich auf und stoße zu uns, wir werden deine Ankunft bemerken und ebenfalls zuschlagen."

Langsam trat Yvonne zurück in die Schatten aus denen sie gekommen war.
Auf Enios Anspielungen und kleinen Seitenhiebe reagierte sie nicht. Offensichtlich war ihr nicht nach einem längeren Geplänkel.
Aber sie ließ auch keine Schwäche erkennen. Weder von sich aus noch in Hinblick auf ihr Rudel.

"Es freut mich, das es uns gelungen ist, einen weiteren Schritt auf einander zuzugehen, Enio von den Draugar! Vielleicht trägt ja am Ende doch die Vernunft einen Sieg davon?"

Sie verschwand nun endgültig im Dunkeln.

"Wir werden es sehen, wenn der letzte Tropfen Blut in der Erde versickert ist!"

Der letzte Satz war nicht mehr als ein Flüstern im Wind.

"Warte nicht zu lange.... Freund!"

Dann herrschte Stille.
 
Enio nickte wortlos und läutete damit ebenfalls das Ende des Gesprächs ein. Die Vorgehensweise hatte seine Schwächen und Enio befürchtete, daß es unter Umständen schwer sein könnte für die Kainskinder zu unterscheiden wer Verbündeter oder Feind ist, wenn die Garou um Yvonne erst dazu stoßen wollten nachdem die Untoten ihren Angriff beginnen würden. Aber der Brujah hatte dazu keinen Korrekturvorschlag und das vor allem deswegen, weil er sowieso vor hatte sich so vorzubereiten, daß sie die Tänzer auch ohne die Hilfe der anderen Werwölfe ausräuchern würden. Soviel zur Theorie!

Enio sah Yvonne hinterher als sie sich langsam wieder in die Dunkelheit zurückzog. Sein Gesichtsausdruck blieb neutral aber es kostete ihn dennoch einiges an Willenskraft nicht verstört zu wirken nachdem die Schattenlord ihre letzten Worte oder vielmehr… das letzte Wort gesprochen hatte. Hatte sie ihn gerade tatsächlich „Freund“ genannt? Fand der Irrwitz denn niemals ein Ende? Der Italiener mußte darüber noch bei Gelegenheit gründlich nachdenken. Er war nach Finstertal gekommen und hätte am liebsten jeden Gestaltenwandler dieser Stadt ausgeräuchert und ohne zu zögern vernichtet und jetzt nannte eine von ihnen ihn Freund!? Verrückt! Aber die ganze Situation war das eigentlich und die ganze Gründe warum sich in dieser Stadt überhaupt Untote und Wandler zusammengetan hatten. Vielleicht hatte das allen die Fähigkeit geraubt noch normal zu denken. Kein Wunder, daß alle Auswärtigen – sowohl Werwölfe als auch Vampire – die Finstertaler für bekloppt hielten. Diese Stadt veränderte einen und formte einen so, daß man überleben konnte. Denen die sich nicht formem liesen war die Vernichtung gewiß.

Verduzt und mit seinen Gedanken alleine blieb der Italiener einfach genau dort stehen und wartete unbewegt darauf, daß sich Silva Parxx noch zu ihm gesellen würde. Noch verrückter konnte es sowieso nicht werden.
 
Silva Parxx:

Enio stand noch etwa fünf Minuten dort, als sich endlich etwas tat. Silva war weniger suptil als ihre Mutter. Sie legte keinen Wert darauf sich leide anzuschleichen oder plötzlich aus dem Dunkel aufzutauchen. Die junge Frau näherte sich dem Brujah genauso wie es jeder andere Mensch auch machen würde.
Zugegeben, sie arbeitete sich mit sehr viel Geschick und Routine durch das Unterholz des Waldes, aber ansonsten war sie nicht mehr und nicht weniger als eine junge Frau. Ein aufrichtiges Lächeln umspielte ihre Lippen, als sie Enio erreichte.

"Guten Abend, Anführer der Draugar! Wie ich sehe, hast du die Schwierigkeiten der letzten Nächte einigermaßen heil überstanden. Etwas müde siehst du aus, wenn ich das so sagen darf. Allerdings weiß ich gar nicht ob Tote überhaupt müde wirken können. Irgendwie ist das ja ein Widerspruch in sich...!"

Sie grinste frech.

"Mutter ist schon wieder weiter, nehme ich an?"
 
Enio hasste es eigentlich zu warten aber in der allgemeinen fintertaler Umtriebigkeit war es mal ganz angenehme nur warten zu müssen ohne besonderen Aktivitäten nachzugehen. Zugegeben… der Brujah hätte sich eine wesentlich bessere Umgebung dafür ausgesucht in der er sich viel wohler fühlen würde als hier alleine im Wald. Wo man nie wußte, ob man beobachtet wurde. Obwohl er sich eigentlich sicher sein konnte das er beobachtet wurde. Aber das machte es nicht besser.

Demnach war er unglaublicherweise froh ein bekanntes Gesicht zu sehen und im Vorfeld schon zu bemerken, daß sich ihm jemand näherte ohne besonders unauffälig wirken zu wollen. Es hatte etwas entspannendes. Auch wenn das Gesicht einer Werwölfin gehörte. Was für verrückte Zeiten!!

Das freche Grinsen der Schattenlord lies sie so wirken wie sie eigentlich war. Jung und gerade mal so dem kindlichen Alter entschlüpft und auf dem Weg eine Frau zu werden. Vielleicht hatte man bei ihr ja noch eine Chance etwas anderes aus ihr zu machen als ein völlig vernageltes, eingleisig denkendes, rachsüchtiges und verbittertes Stück Flohweidegrund. Vielleicht gab das Zusammentreffen mit den Untoten der Garou eine erweiterte Sicht der Dinge. Ob Enio sie selbst schon bekommen hatte war jedenfalls sogar für ihn zweifelhaft. Aber das war egal. Enio war ein alter und vertrockneter Mistkerl, der einfach schon zuviele negative Erfahrungen sammeln mußte. Sein Denken umzustrukturieren bedurfte mehr als eine gute Erfahrung. Obwohl er vielleicht schon auf einem neuen Weg war und es nur noch nicht wußte.

„Guten Abend Sparrow von den Schattenlord. Ja… deine Mutter ist vor ein paar Minuten wieder gegangen. Es gab nicht viel zu reden aber was zu besprechen war, war wichtig.“ Das hätte wohl keiner gedacht. Garou und Blutsauger trafen sich doch meistens nur einfach so um mal ein bißchen zu plaudern. Aber tatsächlich wäre dieses Gespräch mit Silva überhaupt nicht nötig. Enio könnte sie am langen Arm der diplomatischen Beziehungen zu ihrer Mutter verhungern lassen. Er war ihr nichts schuldig und auch sein Wort, daß er ihr gegeben hatte war keinen Pfifferling wert, wenn es hart auf hart kommen würde… und das tat es in der Regel. Dennoch war da etwas, daß dem Italiener als unerledigt vorkam. In der Regel stand er zu seinem Wort wenn er dazu in der Lage war. Auserdem würde es diesen äuserst brüchigen Frieden zwischen Kainskinder und Gestaltenwandler sicher nicht unterstützen, wenn Silva und Enio anfangen würden einen kleinen Privatkrieg auszutragen.

„Wenn du ihn lange genug schleifst wird auch ein Stein irgendwann einmal müde wirken. Von dem her kann ich mir tatsächlich sogar vorstellen, daß ich auf jemand müde wirken mag. Aber laß uns über interessantere Dinge sprechen. Wir haben einen Deal und wie ich schon erwähnt habe, gedenke ich meine Absprechen einzuhalten. Sofern ich kann! Manchmal werden Dinge aber beschissen kompliziert und sind nicht mehr so einfach zu handhaben als man gedacht hat. Wie du dir vielleicht denken kannst geht es gerade um unseren speziellen Freund Ziege.“ Eine Pause entstand. Enio sprach nicht weiter, sondern wartete völlig kalkuliert erst einmal die Reaktion der Werwölfin ab. Würde sie ihm weiter ruhig zuhören und war an seiner Erklärung überhaupt interessiert oder war das Gespräch bereits auf dem besten Weg früzeitig beendet zu werden?
 
Silva Parxx:

"Ziege! Dieser feiste Mistkerl! Ich erinnere mich an unsere Abmachung! Auch daran das es die einzige Sache war, die ich von dir verlangt habe. Ich will jetzt nicht aufzählen wer mehr opfern musste, damit wir hier beisammen stehen und in Frieden reden können. Aber ich möchte doch zumindest daran erinnern, dass ich mich an all meine Zusicherungen gehalten habe!"

Ein Lächeln.
Mehr eine kleine Geste der weiter anhaltenden Friedfertigkeit.

"Aber er interessiert mich derzeit wenig! Weißt du, das Umbra ist wieder offen und problemlos zugänglich. Es gibt Freunde und Verbündete. Augen, Ohren, Gerüchte... von hier bis Frankreich! Wir Garou sehen und erfahren vieles. Mehr als du uns vielleicht zutrauen würdest. Ich weiß zum Beispiel, dass es deinen neuen Herren nicht um Ziege geht. Auch den Hexern nicht und schon gar nicht den häßlichen Kriechern in der Kanalisation. Ihr alle balgt euch nicht um eine Person, sondern um etwas das er hat oder weiß. Noch weiß ich nicht was genau es ist, aber ich müsste blind und blöd sein, wenn ich nicht ewüsste das es etwas mit seiner seltsamen Form der Unsterblichkeit zu tun hat. Mich interessiert das alles nicht! Dieser Widerling hat mich berührt und genau das schulde ich ihm! In Crinos, mit meinen Krallen....!"

Silva unterbrach sich und lächelte nun wesentlich aufrichtiger.

"Aber meine Rache ist es nicht wert das ich den Frieden riskiere! Also Enio Pareto von den Draugar! Versprichst du mir wenigsten diesem Ziege einen besonders schmerzhaften Tod zu schenken, wenn er weiß das dies der letzte ist, den er sterben wird?"
 
Wie immer hörte Enio seinem Gesprächspartner ruhig zu uns wartete bis sie fertig war. Der Brujah war tatsächlich ein klein wenig verblüfft. Er hätte der Garou etwas mehr Starrsinn und Borniertheit zugetraut und mußte sich selbst wieder einmal ein gewisses Maß an Voreingenommenheit zuschreiben. Das ging aber selbstverständlich nicht so weit, daß er von jetzt ab Werwölfe in die Kategorie „Coole Wesen“ stecken wollte. Man machte Fortschritte. Langsam und gemächlich.

Dennoch erschütterte es ihn auch ein bißchen wie viel die Werwesen über die Belange der Kainskinder wußten. Silva hatte da etwas empfindliches offenbart. War ihr das überhaupt klar gewesen oder hatte sie es sogar absichtlich gemacht? „Deine Spekulationen sind richtig. Ich muß zugeben, daß ich viel weniger über diesen Wichser weiß als ich wissen sollte aber um ganz ehrlich zu sein… ist mir die Möglichkeit, daß er irgendwann einmal für immer vernichtet wird und mich nicht mehr nerven kann tausend Mal mehr wert als sein verdammtes Geheimnis. Aber… leider sehen das andere nicht so.“ Enio bewegte sich hier auf dünnem Eis. Er war etwas angepißt wie das Thema Ziege von den Blutsaugern in Europa behandelt wurde und was für ein Interesse die ganze Bande hatte. Er war sich sicher, daß Lucinde, Guil oder vielleicht sogar Paszek selber einen Scheiß auf Enio oder jeden verdammten Vampir von Finstertal geben würden um an Zieges Geheimnis zu kommen. Silva hatte das wohl leider auch erkannt. Dennoch wollte Enio nicht mehr preis geben als notwendig war.

„Ich stehe weiterhin zu meinem Wort und werde es einlösen wenn ich dazu in der Lage bin. Vielleicht ist es ein kleiner Trost für dich zu wissen, daß momentan Ziege so untergebracht ist, daß er jeden Tag wenn er erwacht – und damit meine ich zum Leben erwacht – wieder aufs neue einen jämmerlichen und total unspektakulären Tod stirbt, während er kaum länger als 1 bis 1,5 Minuten überleben sollte. Wenn es nach mir geht macht er das noch immer, wenn du schon Großmutter bist und deinen Enkel von dem Mistsack erzählst.“ Enio verzog keine Mine und seine Stimme klang als würde er die Wettervorhersage vorlesen. Wieder einmal mußte Silva erkennen, daß die Blutsauger auf ihre Art doch alle gewalttätige und blutrünstige Wesen waren und sie in ihren jungen Jahren womöglich nur ein Bruchteil von dem Grauen gesehen hatte was so ein Untoter wie der Turiner zu Augen bekommen hatte… oder verursacht hatte.

„Wir werden einfach sehen was dabei herauskommt. Vorerst werden wir uns aber um die Tänzer in der Ruine kümmern müssen. Soviel ich weiß ist euer ehemaliger Anführer Stark immer noch unter ihnen. Gibt es noch etwas hilfreiches, daß wir über ihn wissen sollten… oder jeden anderen, der aus euren Reihen kam.“ Das war wohl ein recht trauriges Kapitel für die junge Schattenlord. Für den Brujah war es ein Stück Normalität gegen die eigene Rasse zu kämpfen. Die Garou, die in diese Stadt gekommen waren hatten sich gespalten und fast wäre dabei die kontrollierbarere Seite drauf gegangen. Enio wußte mitlerweile zu schätzen, daß es Gestaltenwandler gab, die mehr drauf hatten als zu Fauchen, ihre Zähne zu zeigen und auf einen loszugehen. Der Sheriff lernte… jede Nacht ein Stückchen mehr.
 
Silva Parxx:

"Was ich dir über Stark sagen kann? Das er gefährlich ist! Richtig gefährlich! Wenn du je dachtest einem wirklich großen Exemplar unserer Art begegnet zu sein, wirst du deine Messlatte auf eine neue Eben heben müssen. Selbst für einen Fenris ist er riesig. Nicht umsonst war er über Jahre unser unangefochtener Alpha. Mittlerweile weiß ich das Mut nicht zu seinen hervorstechendsten Eigenschaften zählt. Was sicher daran liegt das es nur wenig gibt das er fürchten muss. Solltet ihr ihn aber in die Ecke drängen, macht euch auf einen heftigen Kampf gefasst."

Silva schien kurz zu überlegen.

"Er kann wie ich Technik manipulieren. Versucht also nicht ihn zu erschießen. Und, was wohl am wichtigsten ist, er hat eine angeborene Resistenz gegen Silber. Er ist nicht immun, das will ich nicht sagen. Aber es verletzt ihn weniger als den Rest von uns."

Sie sah dem Kainiten direkt in die Augen. War Enio sich darüber im Klaren das sie hiermit ihren ehemaligen Anführer und Freund endgültig ans Messer liefterte?

Zu Ziege sagte Silva nichts mehr. Das Thema war damit abgehakt. Es gefiel ihr nicht, wie sich die Sache entwickelt hatte, verstand aber, dass es derzeit keine andere Lösung gab.
 
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