[08.05.2008] Abgesang

Navokha

Gott
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9. Oktober 2008
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Die Nacht wurde besser. Zumindest glaubte Nagaj dies, als er versteckt hinter einigen Kisten auf einem offenen Güterwagon der Bahn saß. Der Zug ratterte unaufhörlich voran und die Lichter Finstertals verblassten in der Ferne dieser düsteren, regnerischen Nacht. Der Wind fegte einen angenehmen, kühlen Luftzug in Nagaj's Gesicht. Das monotone Rauschen und Holpern in seinen Ohren wirkte beruhigend auf sein Gemüt. Kaum hatte er die Grenze Finstertals überschritten, besserte sich seine mentale und physische Verfassung.

Innerlich war er hin und hergerissen. Einerseits hatte er seinen Auftrag partiell erfüllt, andererseits musste er sein eigenes Blut verraten und dies gefiel ihm überhaupt nicht.
Diese Narren...
Glaubten Sie wirklich, dass ihre kuriosen Ansichten in Finstertal fruchten würden? Oder war er es selbst, der ein gefühltes Relikt in einer Stadt wie Finstertal darstellte? Nagaj wusste es nicht. Dafür wusste er sehr wohl, dass dieser Stadt sehr dunkle Zeiten bevor standen und er war froh, diesen Ort so schnell wie möglich verlassen zu haben. Er kehrte mit halbvollen Händen zu seinen Auftraggebern zurück. Das war besser als nichts. Niemand konnte von ihm erwarten, dass er ein Himmelfahrtskommando beging. Vorsichtige Nachforschungen, dezente Momentanalysen, ja, das konnte er bieten. Was er weder bieten konnte, noch wollte, war es, auch nur eine Nacht länger an diesem Ort zu verharren. Nagaj fühlte, dass es in Finstertal Mächte gab, mit denen man sich besser nicht anlegte. Er war nur kurz in dieser Stadt, und doch wurde er schneller als ihm lieb war übermannt von Momenten der Schwäche. Er war nicht stolz auf sein Verhalten. Andererseits war es für ihn auch kein feiger Rückzug. Es war eine vernünftige Entscheidung, diesen Ort zu verlassen und sich anderen Aufgaben zu widmen. Aufgaben, die weniger riskant waren. Auch weniger prestigeträchtig, aber wesentlich sicherer. Er hatte nicht vor, ein zweites Mal zu sterben. Nicht jetzt und erst recht nicht hier.

Es war schwierig, sich eine Zigarrette anzuzünden, obwohl Nagaj einigermaßen windgeschützt auf dem Wagon saß. Als er den Glimmstengel endlich entflammt hatte, zog er sein Mobiltelefon aus der Hosentasche. In den Einstellungen des Mobiltelefons deaktivierte er die Funktion, die eigene Rufnummer zu unterdrücken. Danach rief er Lillian Flynn an.

Es klingelte...
 
AW: [08.05.2008] Abgesang

Lillys Handy machte sich bemerkbar.
Sie wunderte sich nicht als sie sah, dass Marius anrief. Er hatte ja gesagt, dass er vielleicht heute noch anrufen würde.

"Hallo Marius", meldete sich sich schon recht schnell und freundlich.
 
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Nagaj war überrascht, dass Lillian so schnell an ihr Mobiltelefon ging. Hatte sie seinen Rückruf wirklich so schnell erwartet?

"Guten Abend, Frau Flynn. Um eines vorweg zu sagen: Mein Name ist nicht Marius und das, was ich Ihnen gezeigt habe, war nichts weiter, als eine Lüge. Eine Lüge, auf die ich nicht stolz bin, und die trotzdem zu meinem... naja, nennen wir es wohlwollend 'Leben' gehört..."

Ein melancholischer Unterton machte sich in der Stimme bemerkbar. Auch das markante Rauschen des Zuges war durch das Mobiltelefon wohl mehr als deutlich wahrnehmbar.

"Mein wahrer Name ist Nagaj. Nagaj Khasuk vom Clan der Verborgenen. Bevor Sie antworten möchte ich sagen, dass es mir Leid tut, Sie belogen zu haben. Allerdings blieb mir keine andere Wahl. Ich musste beinahe jeden in Finstertal belügen."
 
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„Manchmal ist Lügen leider notwendig, aber gern tu ich persönlich es nicht.
Ich hatte mir ja schon gedacht dass das mit dem Ventrue-Caitiff nicht stimmt. Aber ich konnte es Ihnen nicht übel nehmen, da ich Sie mag.“

Also doch ein Nosferatu.

„Freut mich, dass Sie mir jetzt doch noch Ihren wahren Namen und Clan sagen.
Und da lag ich ja sogar richtig. Als Sie sagten Sie handeln mit Kontakten, da hab ich erst gedacht Sie wären Nosferatu.“

Lilly fragte sich jedoch, warum er es ihr jetzt doch sagte.
 
AW: [08.05.2008] Abgesang

Nagaj war es - ohne, dass er etwas sagte - anzumerken, dass er nicht damit gerechnet hätte, eine so gefasste Reaktion von Lilly zu erhalten. Vielmehr hätte er erwartet, sich nun die enrzürnten Worte einer rasenden Frau anhören zu müssen. Doch weit gefehlt. Niemals hätte er eine so besonnene Reaktion erwartet.

"Frau Flynn, ich freue mich aufrichtig, dass die Sympthien für einander in beide Richtungen verlaufen. Einerseits freut es mich, dass Sie so ruhig und gelassen reagieren; andererseits überrascht es mich, dass Sie mich scheinbar von Anfang an durchschaut haben. War meine Deckidentität denn wirklich so schlecht?"

Ein leises Schmunzeln drang durch den Hörer and Lillian's Ohr.

"Wahrscheinlich sind Sie daran interessiert zu erfahren, warum ich dieses Spiel gespielt habe. Seien Sie jedoch versichert, dass ich dies nicht getan hätte, wenn es nicht notwendigerweise erforderlich gewesen wäre. Verschiedene Nosferatu verschwanden in Finstertal und die Obrigkeit machte sich auf ihre eigene Art und Weise Gedanken. Allgemein ließ die Camarillatreue der hiesigen Nosferatu scheinbar zu wünschen übrig, da die Obrigkeit nur wenig über wesentliche Vorgänge in der Stadt erfuhr. Während meines kurzen Aufenthalts wurden mir drei, sehr wichtige, Dinge bewusst. Erstens: Finstertal ist gefährlicher, als es die meisten der ortsansässigen Kainiten selbst erwarten würden. Zweitens: Noch bin ich in der Lage, etwas wie Empathie, Freundschaft oder auch reine Sympathie wahrzunehmen. Ich hätte nicht damit gerechnet, dies während meines kurzen Aufenthalts in der Stadt zu erfahren. Drittens: Finstertal ist in der Lage, erheblichen Einfluss auf jegliche Kainiten zu üben. Ich habe dies am eigenen Leib erfahren. Niemals zuvor habe ich mich so bedrängt gefühlt und so sehr nach Macht gestrebt, wie in den vergangenen zwei Nächten. Seien Sie also bitte auf der Hut."

Lillian konnte ein leises Knacken am anderen Ende der Leitung wahrnehmen. Wahrscheinlich versuchte Nagaj seine ausgegangene Zigarrette wieder anzuzünden.

"Ich bin niemand, der es vermag in die Zukunft zu blicken; doch ich möchte Ihnen sagen, dass Sie sich vielleicht nicht mehr all zu lange in Finstertal aufhalten sollten. Dieser Ort ist gefährlich. Oder gehören Sie zu denjenigen, die die Gefahr stets lieben?"
 
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„Na ja, eine etwas weniger abgefahrene Story wäre da wohl besser gewesen.
Also mehr so der Normalo von Nebenan.
Hört sich irgendwie danach an als würden Sie die Stadt verlassen? Das fände ich sehr schade."

Ausgerechnet einer von den wenigen Leuten, mit denen sich Lilly gut verstand ging wieder weg, wirklich? Verdammter Mist!

"Dass es in dieser Stadt sehr gefährlich ist, das ist mir wohlbekannt.“

Das mit Zacharii hatte er doch noch nicht einmal mitbekommen. Aber vielleicht wusste er es ja von Lurker.

„Ob ich die Gefahr liebe?
Hmm. Ich würde vielleicht eher sagen, ich brauche die Gefahr, eine riskante Herausforderung. Bin ich irgendwo in Ruhe und Sicherheit, da vegetiere ich nur vor mich hin und bin unausstehlich.
Tja, ich überlebe die Gefahr oder komme darin um, das ist mein Schicksal. Habe schon sehr viel überlebt, mal sehen ob Finstertal mich schafft.“
 
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"Na das wollen wir doch nicht hoffen, Frau Flynn", entgegnete Nagaj.

In der Tat, Nagaj hatte noch nie etwas von einem gewissen Zacharii gehört, nur spürte er permanent, wie etwas undefinierbares an seinen untoten Knochen nagte. Er konnte nie sagen, was es genau war, aber er war ständig müde, er fühlte sich ausgelaugt und er spürte nun erstmals die mentale und körperliche Beruhigung und Entspannung, nachdem er die Grenzen Finstertals ein für alle Mal hinter sich ließ.

"Nun, ich verlasse in der Tat die Stadt. Ich muss es tun. Ich kann mit den Dingen, die in Finstertal geschehen nicht umgehen, ohne meine Position zu missbrauchen. Ich kann nicht in Finstertal bleiben. Ich möchte es nicht. Ich werde es nicht. Ich bin mittlerweile außerhalb der Stadt angelangt und nach unserem Telefonat werde ich mein Mobiltelefon, beziehungsweise die SIM-Karte darin, vernichten. Jedoch kann ich Ihnen, Frau Flynn, ein kleines Geheimnis verraten. Sollten Sie jemals Kontakt mit mir aufnehmen wollen, ist Ihr erster Anlaufpunkt die Hansestadt Bremen. Dort, beziehungsweise in der Nähe, bin ich zu Hause. Fragen Sie meinen Erstgeborenen. Nennen Sie ihm meinen Namen. Dann, und nur dann, werden wir uns eines Nachts wiedersehen. Ich hoffe, dass wir uns eines Nachts wiedersehen können. Ich verabschiede mich schließlich nicht von Individuen, denen ich niemals wieder begegnen möchte..."

Ein kurzes Knistern war durch den Hörer zu vernehmen. Es dauerte einige Sekunden lang; danach brach die Verbindung ab.

Kurz nachdem Lillian angezeigt wurde, dass das Gespräch beendet wurde, erreichte Sie eine MMS mit dem wahren Äußeren der Person, die sie anfänglich für Marius hielt.

Es war ein klägliches Bild. Eine circa 1,85m große Person, deren Schatten und Silhouetten dumpf in einem Spiegel reflektierten. Der schwere, dunkelgrüne Armeemantel war schon viele Jahrzehnte alt, das Haar fettig, strähnig und hinter einem dünnen Stirnband gen Hinterkopf gerichtet. Am Oberschenkel blitzte etwas hervor. Es war ein Elastikband, welches schmales und filigranes Werkzeug enthielt. Die Hose war zerschlissen, das Gesicht selbst von einer dreckigen Kufiya bedeckt.

War dies Marius, oder doch nur ein Fremder namens Nagaj?
 
AW: [08.05.2008] Abgesang

Warum legt er denn jetzt schon auf??!

Da konnte sie sich doch jetzt gar nicht mehr verabschieden!

Lilly betrachtete die MMS auf der das wahre Angesicht von Nagaj zu sehen war.
Dann tippte sie noch schnell eine SMS, schickte sie los und hoffte, dass er sie noch empfangen und lesen würde.

Schade, dass Sie schon gehen! Hoffe auch, wir werden uns irgendwann wiedersehen. Wenn ich lange genug überlebe werde ich sicher mal nach Bremen kommen. Alles Gute! Lilly

"Scheiße!" rief sie und schleuderte ihr Handy zu Boden.

Ich brauche das Teil doch noch.

Ihr Verschleiß an Handys war sowieso schon hoch genug.
Aber sie hatte ja diesmal wenigstens nicht das Handy zerdrückt, also war es sicher noch funktionsfähig.
Sie hob es auf und steckte es wieder ein.

Nein, Lilly war nicht erfreut, dass Nagaj jetzt weg war aus Finstertal und fühlte sich hin und her gerissen zwischen Frust und Traurigkeit. Sie hätte diese Bekanntschaft gern noch vertieft, aber daraus wurde jetzt also nichts.
Würde sie ihn wohl je wiedersehen? Hoffentlich!
 
AW: [08.05.2008] Abgesang

Nagaj klappte das Mobiltelefon zusammen, nachdem er die SMS von Lillian Flynn las. Er schaltete das Gerät aus, entfernte die SIM-Karte und brach diese in zwei Teile. Er war sich sicher, dass Lillian eine starke Persönlichkeit war. Vielleicht würde es zehn Jahre dauern. Vielleicht auch zwanzig oder dreißig. Wer wusste das schon? Jedoch war er sich sicher, dass er eines Nachts erneut auf Lillian treffen würde. Insgeheim schämte er sich dafür, dass er sich nicht auch noch persönlich von Dr. Thürmer verabschiedet hatte, doch dieser wusste im Zweifelsfall auch, wo er nach Nagaj zu suchen hatte...

Nagaj fiel ein Stein vom kalten Herzen, als er sah, wie der Zug in den nächsten Bahnhof einfuhr. Nicht mehr lange, und er würde wieder dort sein, was er als sein Zuhause betrachtete.

Nein, niemals werde ich nach Finstertal zurückkehren. Niemals wieder werde ich einen solch verwegenen Ort aufsuchen.

Die Loader des Bahnhofs standen schon auf Abruf bereit und Nagaj wusste, dass es an der Zeit war, sich selbst vor den Abelskindern zu verbergen und den nächsten Sprungpunkt zu finden.

Noch überlegte er sich, was er seiner Obrigkeit sagen sollte...

Nach einigem Hin und Her sagte er sich selbst, dass es keinen direkten Sinn machen würde, sein eigenes Blut an das Messer zu liefern. Er war nicht begeistert von ihren Idealen und Bestrebungen, aber sein Blut zu verraten, gefiel ihm noch weniger. Er würde Lurker, Jenny und Dr. Thürmer decken und Delta als den Sündenbock abstempeln lassen.
Ja, das war eine gute Ausrede. Eine Nosferatu, die seiner Aussage nach mit dem Sabbat sympathisierte... Dafür musste er die anderen zwei, beziehungsweise drei, Individuen nicht verraten. Ja, das war vertretbar. Er hasste Delta. Er war sich dessen bewusst und ebenso war er sich im Klaren darüber, dass seine Aussage in diversen Jahren wieder Beachtung finden würden, sofern Delta die Stadt Finstertal überleben und sich selbst in Nagaj's Nähe befinden würde. Doch dies war ihm recht. Zur Hölle mit diesem Kind!

Nagaj lief verdunkelt über fünf Bahnsteige, bis er einen Transportzug sah, der in seine bestrebte Richtung fuhr. Mit einem schwungvollen Satz landete er auf dem hintersten Wagon. Kurze Zeit später sah er auch diese Zwischenstadt in der Ferne vorbeiziehen.

Nach Hause. Endlich wieder nach Hause...
 
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