AW: Weil's sonst keiner erwähnt: Savage Worlds
Selganor schrieb:
Was mir allerdings in SW aufgefallen ist waere die recht extreme Verwundungsregel.
Ich kriege in NE mit meiner Toughness von 12 kaum/selten Schaden, aber wenn mal Schaden gemacht wird dann gibt's gleich "heftige" Abzuege.
Zum "selten Schaden":
Hohe Toughness bei einem Wildcard ist genau das: tough. Der Charakter ist hart im Nehmen. Das heißt nicht, daß der Charakter bei Treffern unter den von Dir als Beispiel genannten 12 Punkten keinen Schaden bekommen hätte. Er hat nur keinen für ihn hinderlichen, keinen merkbaren Schaden genommen.
Was bei Savage Worlds anders als bei Hitpoint-Systemen ist, ist das Wegfallen der chinesischen Tröpfchen-Folter zum Töten auch extrem zäher Gegner. Wenn ein Gegner in einem klassischen Hitpoint-System 150 Hitpoints hat und ich ihm beständig nur 1-4 Hitpoints Schaden verursache, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis er unweigerlich umkippt.
Bei Savage Worlds ist das anders. Der muskelatrophierte (Str d4) kränkliche (Vig d4) Gegner mit seiner Waffe Wattebäuschchen (Schaden Str) und ohne Kampftraining (Fighting d4-2) (Parry 2 Toughness 4) kann zwar ab und an auf einen Schrank einkloppen, der mit Vigor d12, Brawny, Nerves of Steel, Combat Reflexes und nicht zu vergessen Block, Improved Block und Fighting d12 ausgestattet ist (Parry 10 Toughness 9), doch wird er selbst bei den üblicherweise explodierenden Würfeln nur selten wirklich dem anderen etwas antun können. Seine Hiebe, auch wenn sie treffen, verursachen blaue Flecken oder Hautabschürfungen, aber keine ernsthaften Schäden.
Für die ernsthaft behindernden Schäden wie eine angeknackste Rippe, eine ausgekugelte Schulter, ein zerschnittener Muskel gibt es das Wunden-System mit den Abzügen von -1, -2, -3 auf alle Handlungen des Charakters. Das ist natürlich eine sehr weite Abstraktion, aber Savage Worlds abstrahiert ja ALLES ähnlich weit (siehe eine Fertigkeit Fighting, statt 200 verschiedener je nach Waffentyp, -länge, -form, -farbe, oder Wochentag).
Und wenn es über die dritte Wunde hinausgeht, dann ist die Incapacitation alles andere als erfreulich (vor allem die vielen permanenten Verluste von Charakteristik-Werten und Körperteilen - meine Spieler wissen um diese Gefahren nur zu genau).
Alles oben gesagte gilt vornehmlich für Wildcards, die nicht gleich bei der ersten Wunde umkippen, wie dies die namenlosen Extras tun. Der Mechanismus für Extras ist genial einfach und erlaubt diese Art von Szenen, in denen die Helden (= WC) durch eine Horde von Gegner waten und einen Pfad durch den Wall (nicht?)menschlichen Fleisches hacken. Andererseits sehen sie als Anführer rechts und links ihre eigenen Extras darniedersinken, wenn die gegnerischen Wildcards mal so richtig loslegen.
Das ist so gewollt und trifft die Art an Szenarien und die Spielweise, für die Savage Worlds gedacht ist, sehr gut. Mehr Simulationstreue, mehr *ächz* Realismus *öchöchö* ist hier weder gefordert noch geboten. Dafür ist Savage Worlds das falsche System.
Du schriebst, daß Dein Charakter in Necessary Evil, einem Superhelden-Setting, mit Toughness 12 kaum mal Schaden bekommt. Nun, Du spielst einen Brick - oder was ähnlich hart zu Verletzendes. Meinst Du Hellboy jammert wegen jedes kleine Kratzers? Dein Charakter auch nicht. Nicht bis jemand mal substantiellen Schaden anrichtet, den er nicht mehr so gut wegsteckt.
Dann - so sagt Du - gibt es gleich "heftige" Abzüge. Nun -1, -2 oder -3, mehr gibt es nicht bei ein bis drei Wunden. Und bei drei Wunden bist Du schon übel zugerichtet. Wenn Dir die Abzüge nicht gefallen, dann empfehle ich die Edges Nerves of Steel und Improved Nerves of Steel (reduzieren diese Abzüge durch Wunden um 1 bzw. um 2 => bei einer beinahe verkrüppelnden Wunde hätte Dein Charakter dann nur -1 Abzug. Das ist ja wohl erträglich für einen Harten Burschen (tm), oder?).
Ich finde es auch nicht so schwer einen High-Toughness-Gegner zu "knacken". Mit Tricks die Parry reduzieren, mit Taunt/Intimidate die nächsten Aktionen erleichtern, mit beiden den Charakter so ablenken, daß er seine Handlungen nicht mehr effizient steuern kann (Shaken), und dann mit Called Shot, Wild Attack, Ganging Up und ggf. Armor Piercing Angriffen zur Sache kommen. - Wenn Dein Charakter mit Toughness 12 nach Deinem Empfinden zu selten mal was abbekommt, was wäre denn dann mit einem "normaleren" Charakter mit Toughness 5 oder 6. Nicht jeder NE-Supervillain muß ein Kampfmonster mit Mega-Toughness sein. Und in diesen mittleren bis niederen Toughness-Bereichen sollte man sich schon SEHR vorsehen.
Meine Erfahrung mit Firefly nach Savage Worlds (also ohne Superpowers, ohne Magie etc, aber mit modernen Schnellfeuerwaffen etc.) ist die, daß die Charaktere trotz Bennies, Wildcard-Status, mehreren Wound Levels immer noch sehr verletzlich sind. In solchen low-power Settings muß man sich schon ziemlich vorsehen, wenn das Blei fliegt. Und das ist auch Absicht so.
Ein weiterer Punkt der mir am System nicht so gut gefaellt ist die Tatsache dass egal wie hart man auch immer ist, wenn man nur "shaken" ist zaehlt nur noch die Willenskraft (Spirit) bis man mal wieder was tun kann (OK, die Wildcards haben durch den Zusatz-d6 da recht gute Chancen)
Vergiß nicht: Combat Reflexes - mit diesem Edge gibt es +2 auf Erholung aus dem Angeschlagen-Zustand (Shaken). Ein +2 Bonus bei einem Zielwert von 4 bedeutet, daß außer bei Snake-Eyes (einem echten kritischen Fehler) der Charakter den Schock des Treffers bei seiner nächsten Aktion abschütteln kann (vorausgesetzt, er hat nicht durch Fatigue und Wound Level weitere Abzüge). Das gilt auch schon bei einem Charakter mit dem miesest möglichen Kampfgeist (Ja, auch das gehört in die Abstraktion "Spirit") von d4.
Willst Du einen Kämpfer, der sich nicht von leichten Kratzern wie ein kleines Mädchen weinend auf den Boden schmeißt, sondern mit einem Fluch auf den Lippen weiterfightet, dann gib ihm ausreichend Kampfgeist (= Spirit). Willensschwache Charaktere hatte ich in meinen Kampagnen schon ab und an mal. Die Spieler haben schnell mitbekommen, daß man bei Spirit am falschen Ende spart (das galt schon früher bei Deadlands genauso). Man kann mäßige Stärke leichter im Kampf verkraften, als miesen Willen zum Kampf. Nicht nur wegen der Erholung aus dem Shaken-Zustand, sondern wegen der leichten Einschüchterung durch Intimidation (auch gegen Spirit), wegen der Zwangsdeckung durch Suppressive Fire, wegen der mit Spirit verbundenen Guts-Fertigkeit (und somit den nachfolgend versiebten Guts-Checks, die hier ähnlich schlimm sind, wie in Deadlands - ein Charakter meiner Fantasy-Kampagne hat aufgrund eines versiebten Guts-Checks jetzt ein Auge weniger, ein lahmes Bein, eine Würfelstufe Agility und eine Würfelstufe Vigor eingebüßt, da er so weit vom Rest der Gruppe panisch geflohen ist, daß er förmlich zerhackt wurde. - Wie gesagt: guter Spirit-Wert ist gesünder.).
Was ich sehr gut am Kampfsystem bei Savage Worlds finde, sind die - wie bei Deadlands - explodierenden Würfel. Man kann bei Raises noch schöne zusätzliche Special-Effects beschreiben, man kann Glückstreffer erzielen, die auch harte Gegner niemals völlig unverwundbar werden lassen (etwas, daß bei den klassischen Hitpoint-Systemen für meinen Geschmack zu oft passiert - ja auch RuneQuest hatte Hitpoints, aber auch abgehackte Arme, Beine, Köpfe. Das waren da ja auch keine Hitpointwerte wie man sie aus den guten(?) alten AD&D-Zeiten kannte, wo einem Charakter lange Zeit garnichts passierte, und er dann plötzlich mit minus-Hitpoints am Abkratzen war. So "digital" ist Savage Worlds jedenfalls nicht.). Andererseits ist das System für das Spielen durchaus kompetenter Helden (und sogar HELDEN) gut geeignet. Man spielt nicht lange Zeit inkompetente Luschen, die eines schönen Tages zu unverwundbaren Killermonstern mutieren. Diese Extremwerte sind bei Savage Worlds deutlich abgemildert.