AW: Warum tragen Indianer keine Colts?
Skar schrieb:
Mehr eine allgemeine Westernfrage, als eine reine Deadlandsfrage:
Aber warum tragen Indianer in den vorherrschenden Darstellungen aus Filmen und Büchern nur traditionelle Waffen wie Tomahawk, Messer oder Pfeil und Bogen?
Bei den zivilisierten Waffen tragen sie wenn überhaupt ein Gewehr, meistens eine Winchester.
Warum keine Colts/Revolver?
Mal eine allgemeine Western-Antwort:
In Filmen und Büchern wollte man die Indianer als die unzivilisierten Wilden mit grausamen, unzivilisierten, unsauberen Waffen darstellen. Daher der Fokus auf die "low-tech"-Waffen.
Vielfach wurden Waffenhändler, die Indianern Gewehre verkauften, als besonders schändliche Individuen dargestellt.
Trotzdem hatten in vielen Filmen die Indianer auch Gewehre - und in Büchern (Silberbüchse) durchaus auch.
Warum Gewehre, statt Revolver?
Revolver können oft schießen, aber nicht weit und nicht durchschlagskräftig genug, um bei der Jagd auf Büffel etc. von Nutzen zu sein. Auch die Weißen hatten ja Revolver nicht zur Jagd, sondern, weil die weiße Zivilisation so hoch entwickelt war, daß sie die Revolver fast ausschließlich gegeneinander einsetzen wollten/mußten. - Indianer brachten sich innerhalb eines Stammes nicht so oft um, wie das bei den Weißen üblich war. Dafür führten sie gegen andere Indianische Nationen auch durchaus Kriege, in welchen - wie bei den Kriegen der Weißen - die lange Distanz, somit die Reichweite des Gewehrs, wichtig war.
Ein Revolver konnte - und WURDE - von Indianern durchaus getragen. Nur war er einem Indianer an Nutzwert gegenüber einem Gewehr unterlegen.
Als Prestige-Gegenstand jedoch war es ziemlich egal, was für eine Art Schußwaffe es nun war. Für die Jagd hatte man sowieso meist die traditionellen Waffen eingesetzt, da hier Produktion und Nachschub an Geschossen problemlos zu bewältigen waren.
In Western-Filmen hatten Indianer oft Winchester-Repetiergewehre. Warum? Weil die Filmproduktionen diese typische späte(!) Westernwaffe in rauhen Mengen im Fundus hatten und eher weniger die - bei Indianern wie bei Weißen - verbreiteteren Vorderlader-Gewehre.
Vielfach wurden auch nach dem Bürgerkrieg die schlechten, billig produzierten Vorderlader der Armee - die Überproduktion der letzten Kriegsjahre - an Indianer verkauft. Oftmals illegal, da ja die Indianer-Vernichtungskriege gerade im Beginn waren.
Ein Indianer konnte sich durchaus Schwarzpulver und Blei zulegen, um seine Schußwaffen verwenden zu können. Aber aufgrund der unzuverlässigen Lieferlage (durch die unseriösen Waffenschieber) gab es da die typischen Munitionsprobleme bei allen späteren Waffen, die auf Metallhülsen-Munition eingestellt waren. Selbst für einen Weißen war das Auffinden der passenden Munition je nach Region ein Abenteuer für sich.
Daher waren auch die Vorderlader und das Selbstgießen von Kugeln bei Weißen wie bei Indianern lange Zeit die bevorzugten Schußwaffen.
Vorderlader bzw. Perkussions-Revolver waren ohnehin zu unpraktisch und zu Fehlfunktionslastig, als daß sie das eher rauhe Indianerleben bei guter Funktionstüchtigkeit aushalten konnten.
Die Situation "besserte" sich erst mit dem Aufkommen der Winchester '73 und späterer Repetiergewehre, die DIESELBE MUNITION wie die beliebten Colt-Revolver verwenden konnten. So konnte der Siedler einen Packen Munition kaufen und hatte ein Gewehr gegen Coyoten und zur Hasenjagd UND konnte seinen Revolver mit derselben Munition laden zum Umgang mit anderen Siedlern und übelerem Gelichter.
Für viele Indianerstämme war der Besitz von Feuerwaffen ein "Equalizer" gegen die Feuerkraft der Weißen. Da spielte aber viel Glaube und weniger die nachgewiesene Effektivität eine Rolle. So gab es Indianerstämme, die Langbögen aus Hölzern in ihrem Siedlungsgebiet gebaut hatten, die weit mehr Zug hatten, als die englischen Kriegslangbögen aus Eibenholz. Solche Bögen sind in geübter Hand treffsicherer, leiser und tödlicher als die ungenaue Kugel eines billigen Kriegsvorderladers, der "um die Ecke" schießt. (So hatten die Plains Apachen vorzugsweise mit ihren Kompositbögen die Angwohnheit den Gegnern in den Bauch zu schießen. Ein großes Ziel und die durchtrennten Darmschlingen führen - wenn schon nicht zum sofortigen - zu einem schmerzhaften und mit damaligen Mitteln nicht im Geringsten behandelbaren Tod.)
Indianer, die Siedler um ihre Waffen gebracht hatten, werden ab den Siebziger Jahren also neben Schrotflinten und Vorderladern auch die Winchester-Repetier-Gewehre erbeutet haben.
Die hier schon angesprochene Kavallerie bzw. der Einsatz von Gewehren vom Pferde aus ist reine Munitionsverschwendung. Die US-Kavallerie hatte bei Kavallerie-Attacken auf den Säbel und die Lanze gesetzt (wie überall sonst in den "westlichen" Armeen der Welt damals). Die Kavallerie war trotzdem mit Gewehren ausgestattet, da sie als Dragoner konzipiert waren: sie ritten knapp in Schußweite, saßen dann ab und schossen dann abgesessen vom Boden aus. So traf man wenigstens was. - Nicht zuletzt gehörten zur Kavallerie ja auch ganze Scharfschützen-Einheiten, die als "Sniper" eingesetzt wurden.
Dasselbe gilt für die meisten Indianerstämme, die eher einen Hinterhalt vorbereitet hatten und dann abgesessen schossen.
Vom Pferde aus waren nur manche der Nationen in der Lage (ähnlich wie die Mongolen) mit ihren kurzen Reflexbögen zu schießen. Das hatten sie bei der Jagd auf Büffel vom Pferde aus geübt und waren demzufolge schon durchaus trainiert.
Die Taktiken im Kampf Indianer gegen Weiße waren SEHR vielfältig. Hier spielte das komplexe Ehrgefühls-Reglement der Krieger in ihren "War Societies" eine erhebliche Rolle. Coup-Markieren, persönlichen Mut beweisen, Furchtlosigkeit vor dem Gegner zeigen, usw. waren wesentliche Bestandteile der Kriegführung der Indianischen Nationen (natürlich je nach Stamm auch wieder sehr unterschiedlich).
Alles in allem waren indianische Taktiken wesentlich vielfältiger als es uns die alten Hollywood-Schinken mit den in Horden anreitenden und im Feuer aus der Wagenburg verreckenden Indianern weißmachen wollen (wenn auch das Einkreisen und herauspicken der würdigsten Gegner in manchen Stämmen eine Form der Vorgehensweise war, jedoch nicht in allen).
Diese Taktik des Anreitens in den Kugelhagel ist übrigens tatsächlich eine weiße(!) Taktik, die z.B. ein bekannter aufstrebender Offizier mit Namen Custer im Bürgerkrieg durchgeführt hat. Er hatte auf dem Blut seiner Untergebenen seine ach so herausragenden Siege erzwungen, indem er einfach mehr und mehr Kavallerie-Einheiten unter seinem Befehl in den Kugelhagel der Rebellen gejagt hatte, bis sie eine Bresche nach IMMENSEN Verlusten geschlagen hatten. Ein "Karriere-Soldat". Was er bei den Indianerkriegen an Kriegsverbrechen und Schindluder mit seinen eigenen Truppen getrieben hat ist das einzige Herausragende an dieser Person. Die Indianer haben ihm nur das verpaßt, was schon lange überfällig war.
Gerade zur Schlacht am Little Big Horn:
Die Sioux und Cheyenne hatten nach Funden über 30 verschiedene Typen an Feuerwaffen in die Schlacht geführt. Gewehre und Revolver waren beide recht verbreitet, galten aber eher als Prestige-Objekte, weil sie nach Indianischer Kriegführung als am wenigsten ehrenhafte Waffe eingeschätzt wurden. Daher hatten die Krieger Lanze, Bogen, kleinen Schild und Nahkampfwaffen wie Äxte, Keulen als Standardausrüstung dabei.
Von den geschätzt 2000 Kriegern der verbündeten Indianer Stämme wurden 200 damals moderne Repetiergewehre mitgeführt, an die 500 Gewehre und Revolver, die Patronen abfeuern konnten (man hatte bei archäologischen Untersuchungen diese auffinden können, jedoch von Vorderladern zwangsläufig kaum etwas) - diese Funde schließen nicht die erbeuteten Army .45/50 Hinterlader Springfield Gewehre mit ein, da nicht mehr klar feststellbar war, ob sie vor der Schlacht bereits erbeutet wurden, oder von der aufgeriebenen 7. Kavallerie selbst in die Schlacht gebracht wurden (Noch ein Punkt am Rande: man hat viele dieser Springfield-Gewehre gefunden, bei denen die Hülse einer abgefeuerten Patrone noch steckt - mit Taschenmesserspuren daran. Diese Waffe hatte den Nachteil, daß öfter die Hülse sich so verkantete, daß man diese dann aufwendig entfernen musste. Ein Nachteil, der mitten in einer Schlacht das Todesurteil für den Soldaten darstellte. - Über den eventuell schlachtentscheidenden Einfluß dieses Makels streiten sich bis heute die Historiker und Waffenexperten.) Diese Springfield-Gewehre waren zwar nur einschüssige Hinterlader, was sie den Vorderladern an Feuerrate überlegen machte, doch konnten die Repetierer natürlich wesentlich öfter feuern. Dafür hatten aber die Springfield-Gewehre etwa die doppelte effektive Reichweite gegenüber den "unterpowerten" Repetierern (u.a. wegen der Pistolenmunition mit weniger Pulver).
Eine Deadlands-Antwort:
Neben den offensichtlich gleichen Problemen wie Munitionsnachschub, Einsatzfähigkeit zur Jagd, Verfügbarkeit, etc. kommt bei Deadlands noch dazu, daß die "seelenlosen" Waffen der Weißen den Stämmen, die ihre spirituelle Macht aus dem Alten Weg beziehen, ihre Geisteranrufungen versauen. Ein Indianer mit Guardian Spirit nach dem Alten Weg wird es immer schwerer haben, diesen anzurufen, wenn er sich mit allerlei technischem, seelenlosen Waffenzeugs der Weißen behängt. - Für einen Schamanen ist so etwas die reine Katastrope.
Daher sind die Alter Weg Stämme der Indianischen Nationen völlig auf ihre selbsterstellbaren Waffen angewiesen. Mit diesen Waffen können sie die Günste ihrer Geister auch richtig ausleben. Wer braucht schon eine Sharps Big .50 zur Büffeljagd, wenn er das mit einem popeligen Holzpfeil und dem richtigen Naturgeist wesentlich treffsicherer und mit mehr Schaden pro Pfeil hinbekommt?
Es gibt aber auch Indianerstämme, wie z.B. die welche sich als Scouts für die Weißen anheuern lassen, die die Waffen der Weißen führen. Und gerade solche Kundschafter benötigen auch öfter Revolver, da sie ja nicht so sehr jagen, als mit anderen Menschen (und ähnlichem

) Umgang pflegen. Und hier ist ein Peacemaker überlebenswichtig, wenn man eben KEINE Geister mehr hat, die man anrufen könnte, oder sich selbst von ihnen abgewandt hat.
Spielercharaktere aus Indianischen Nationen sollten IMMER bewußt sein, ob sie Alter Weg Indianer sind, oder ob sie die Produkte (und den Alkohol) des Weißen Mannes für sich nutzen wollen. Es geht nur so oder so (auch wenn es Stämme gibt, die das eine behaupten und das andere tun.

).
Spieltechnisch macht es für einen Indianer-SC keine Nachteil (und keinen Vorteil), wenn er sich dem einen oder anderen Weg anschließt. Es ist aber eine spirituell wichtige Entscheidung, denn im Alten Weg hat er einen wesentlich direkteren Draht zu den Dingen, die den Westen erst zum Weird West gemacht haben, als die ignoranteren, von der alten Lehre abgewandten "modernen" Indianer.
In unserer Südstaaten-Runde spielt ein Spieler gerade einen modern ausgestatteten Indianer. Das ist auch nötig, bei dem, was er in den Städten der Weißen vorgesetzt bekommt (kennt jemand die Serie "Kungfu"? So ähnlich, wie Kwai Chang Caine dort immer offenherzig aufgenommen wurde, kann man sich das vorstellen). - Kein Wunder, daß er zwei LeMat Revolver/Schrot-Kombinationen dabeihat.
