AW: Suche Western RPG
Selganor schrieb:
Das Problem an Western RPGs ist dass die Handvoll Plots die ein Western haben kann (wie viele sind das wirklich?) ruck-zuck durch sind.
Ja. Genau. Ich finde es auch ätzend, daß bei (nichtübernatürlichen) Piraten-Settings die Plots ruckzuck aus sind. Oder bei Privat-Detektiv-Settings. Oder bei Viktorianischen Settings. Oder im Mittelalter. Oder bei in der heutigen Zeit spielenden Rollenspielen. - Echt scheiße, daß die alle nur eine Handvoll Plots haben und man sie dann wegschmeißen muß.
Und jetzt "Für eine Handvoll Plots mehr..."
Western als Genre hat - auch ohne übernatürliche Elemente - beliebig viele unterschiedliche und sich nicht einmal wiederholende Plots. Genauso wie jedes andere Rollenspiel (sogar mit Übernatürlichem in der Spielwelt).
Du meintest sicherlich, daß nach Deiner Erfahrung oder Erwartung man im Western nur eine Handvoll an Plot-Mustern finden wird. Das ist sicherlich richtig. Das trifft aber auf wirklich ALLE Rollenspiele zu.
Die Verwicklungen, die sich menschliche Spielleiter ausdenken können, werden immer wieder in die gleichen, als Konfliktmaterial taugenden Bahnen geraten. Das ist unabhängig, ob als Western oder als Eastern oder was auch immer.
Zum Beispiel "Für eine Handvoll Dollar" mit Clint Eastwood: ein Fremder ohne Namen kommt in eine Stadt, die unter dem blutigen Krieg zweier Verbrecherbanden leidet, mischt sich ein, spielt die eine gegen die andere aus, wird selbst übel zugerichtet, kommt wieder und macht alle alle.
Typischer Western-Plot?
Weit gefehlt!
Das Original zu diesem Italo-Western ist der japanische Schwarzweiß-Film "Jojimbo" (deutscher Untertitel: Der Leibwächter), in welchem ein Ronin in einer Stadt mit verfeindeten Yakuza-Banden kommt, <hier Plot von oben einfügen>. Und dieser Eastern spielt in einem historischen Japan - definitiv vor der Meji-Reform um ca. 1870.
Also ist das ein typischer Eastern-Plot?
Falsch!
"Jojimbo" lieferte die Geschichte für den Italo-Western "Für eine Handvoll Dollar" und dieser wiederum für den Film "Last Man Standing". Hier kommt ein Privat-Detektiv/Ex-Hitman im Amerika der großen Depression in eine Kleinstadt, die unter dem Krieg zwischen Gangs leidet, <insert Plot here>.
Also ein typischer 30er-Jahre Gangbuster-Plot?
Zu allem kann man eindeutig JEIN! sagen.
Die Plots der drei Filme sind praktisch identisch. Die Zeiten, in denen sie spielen, sind jeweils andere. Die Settings, die Genre-Versatzstücke sind anders. Die sind wie Skins, wie Stylesheets auf der eigentlichen Geschichte. Und die Geschichte ist immer gleich.
Zu den Western-Plots. Im Western kann man dieselben Geschichten erzählen, wie in anderen Settings, nur sind die Versatzstücke typisch Old (oder Weird) West, statt mittelalterliches Europa, viktorianisches England, das Homanx-Universum, das Firefly-Universum, ...
Du solltest einfach mal ein paar Western mehr anschauen. Dustin Hoffmanns "Little Big Man" hat einen ganz anderen Plot als "Butch Cassidy and the Sundance Kid" oder John Waynes letzter Film "The Shootist". Das sind alles Western, aber was für welche!
Klar, die Western-Dutzendware, die im Fernsehen rauf und runter wiederholt wird, die erschöpft sich irgendwann einmal. Aber wer Rollenspiele im Western-Genre spielt, der sollte sich halt nicht nur Bonanza für seine Plot-Ideen anschauen, sondern auch mal Deadwood, Brisco County Jr., Firefly, Wanted: Dead or Alive, Rawhide, ... - Und vielleicht eben auch mal ein paar gute Spielfilme.
Western ist als Setting auch ohne jegliche Magie genauso ergiebig wie Fantasy oder Science Fiction. Horror wie in "Ravenous", Herz-Schmerz und Schmalz wie in "Vom Winde verweht", hart-brutale Widerstandskämpfer wie in "Heavens Gate", krebskranke Gunslinger wie in "The Shootist", drogenrausch-abgehobene Psychedellic Western wie "Blueberry", ...
Gute Güte. Da könnte ich mir die Finger wund schreiben, ohne mich von der Story der Western, die ich aus unterschiedlichsten Gründen so alle mag, zu wiederholen.
Und dann gibt es neben den z.T. ja schon erwähnten, eher nichtübernatürlichen Western-Rollenspielen, die ein Old West Setting abbilden, ja noch eine ganze Menge Rollenspiele, die in der einen oder anderen Richtung mit übernatürliche Fähigkeiten, seltsamen, nicht mehr historisch akkuraten Begebenheiten, alternativen Geschichtsverläufen etc. arbeiten, und hier die gleichen Plot-Muster mit neuen, attraktiven, ja einzigartigen Versatzstücken versehen, bzw. sogar neue Kräfte in der Spielwelt, neue Konflikte, neue Konfliktarten(!) einführen, die dann tatsächlich den Old West erweitern können.
Hier einfach mal ein noch ein paar Western-Rollenspiele (bin zu faul nachzulesen, was schon erwähnt wurde und was nicht):
Deadlands (deutsch, basiert auf der 1. Auflage der Regeln)
Deadlands - The Weird West (engl., gibt es in 1. u. 2. Auflage)
Deadlands D20 (keine gute D20-Adaption des Deadlands-Settings, lieber das originale System verwenden)
Deadlands GURPS (typische, nicht wirklich schlechte, aber leider auch nicht wirklich begeisternde GURPS-Adaption des Deadlands-Settings)
Sidewinder: Recoiled (D20 Modern, GUTES Westernrollenspiel, trotz D20 - gibts auf RPGnow als Kauf-PDF, hatte ich gesagt GUTES D20 Westernrollenspiel? Ja, das kann es auch mal geben.)
Dogs in the Vineyard (interessantes Spiel, aber garantiert nicht jedermanns Sache, da es hier um Konflikte und deren Eskalation und - ganz wichtig - um den rechten, wahren Glauben geht. Wer sich auf psychischen Charakter-Striptease und rechtgläubiges Predigen - ja, auch mit der Waffe - einlassen kann, der sollte das mal ausprobieren.)
Blaze of Glory (das Wild West Campaign Setting für das berüchtigte Spiritual Warfare Rollenspiel, welches ein Rollenspiel basierend darauf, was manche Amerikaner so als christliche Werte betrachten, ist. Das ist als Rollenspiel so eine Art Baptisten-Schaum-vor-dem-Maul-wir-müssen-die-Windelköppe-vernichten-War-against-Terrorism-Predigt mit Feuer und Schwefel. Und in diesem Campaign-Setting darf man dann Dämonen jagen, vorehelichen Sex verhindern und Hexen verbrennen, oder so. Kurios, aber was für den Giftschrank.)
Dust Devils (jeder Charakter hat seinen eigenen Teufel, der ihn plagt. Interessant und geht ein wenig in die ähnliche Richtung wie Dogs in the Vineyard, Konfliktauflösung per Pokerspiel, ähnlich wie beim Huckster in Deadlands, nur hier als der Standard-Mechanismus.)
A Fistful of Zombies (vom Deadlands-Autor Shane Hensley geschrieben enthält dies vier oder fünf All Flesh Must Be Eaten Deadworlds mit deutlichem Western-Flavour. Sogar die "Singin' Cowboys" sind dabei - und, wie ich finde, das verstörendste Setting im Buch. Creepy!)
Cold Steel Reign (ein mieser, billiger Deadlands-Ripoff. Die Autoren behaupten sogar, daß sie nie die Deadlands-Bücher gelesen hätten und alles aus ihren eigenen schuldbeladenen Hirnen gequollen sein, was nach copy&paste plus Remix von Deadlands stinkt! - Nicht kaufen! Plagiateure sollte man nicht auch noch unterstützen. Vor allem nicht solche dreisten Schweinepriester.)
Sixgun & Sorcery (der Good Ol' West nach Castle Falkenstein Art - interessant und stilsicher - wie alles bei Castle Falkenstein).
Shady Gulch (das mit $2,50 spottbilllige Old West Rollenspiel vom Hersteller der coolen Western-3D-Papiermodelle von Whitewash-City - die Dinger haben mir schon viel Freude bereitet bei meinen Deadlands-Runden. Zu haben auf RPGnow.com)
Und nicht zuletzt mal ein richtig gutes, deutschssprachiges Old West Rollenspiel:
Das "
Far West"-Rollenspiel. Gut recherchiert und solide.
Dann natürlich zuletzt noch die Fülle an "Generika", an Weird/Old/Wild West Adaptionen für generische Rollenspielsysteme wie Hero, GURPS, Fuzion, Fudge, Fate, Risus, Savage Worlds, ...
Für mich gehört zu einem GUTEN Westernrollenspiel dazu, daß es vom Regelsystem her das besondere Flair des Western einzufangen (zumindest) versucht. Daher bin ich trotz meines generellen Interesses für alle Western-Stoffe dem guten alten Deadlands treu ergeben. Es hat mich bislang noch nie im Stich gelassen, wenn mir nach Pferdeschweiß, Pulverdampf und rauher Trailatmosphäre war.