Rezension Splittermond

La Cipolla

Gott
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Leider ist der Text hier für meinen Geschmack irgendwie doch einen Tacken zu abgehoben und fachsimplerisch geworden. Sorry im Voraus! (Und einen Spoiler-Tag zum Eindämmen der Ausmaße finde ich auch nicht ... ^^')


Wühlen in der SpliMo-Kiste

Der folgende Text ist KEIN Review zu Splittermond: Die Regeln.
Eigentlich sollte er, wie auch schon die Spritztour mit dem SpliMobil (der Schwesterntext zum Weltenband ein paar Posts weiter oben), ziemlich assoziativ werden … was aber nicht so richtig geklappt hat. Weil, man versuche mal bitte, assoziativ zu arbeiten, wenn man eine Anleitung vor sich liegen hat. Das sind Regeln, verdammt. Die sollen funktionieren, nicht assoziieren, und dementsprechend gibt es jetzt halt doch eine rudimentäre Struktur, irgendwie. Am Ende will ich mir einfach ein Bild von Splittermond machen, das Buch auseinandernehmen und ganz grundlegend verstehen. Eine Anleitung zur Anleitung sozusagen.

Disclaimer 1: Ich habe das Ding noch kein einziges Mal gespielt. Aber hey, wir befinden uns in einer Szene, in der jeder dritte mindestens einen Regalmeter Rollenspielbücher besitzt und zur selben Zeit höchstens zehn davon gelesen, geschweige denn gespielt hat. Realistisch betrachtet wäre es also eine totale Verzerrung der Tatsachen, Splittermond tatsächlich zu SPIELEN, bevor man sich eine Meinung dazu bildet. Und mit so was wollen wir hier gar nicht erst anfangen.
Disclaimer 2: Ich werde die Regeln NICHT erklären, und ich werde erst recht keinen Überblick zum Gesamtprodukt geben. Holt euch euren Schuss woanders. Der Schnellstarter etwa ist ein guter Startpunkt, oder ihr lest halt einfach ein vernünftiges Review.
Disclaimer 3: Ich habe kein Rezensionsexemplar gekriegt, was unter anderem daran liegen könnte, dass ich nicht danach gefragt habe. Eigentlich ziemlich blöd von mir?! Dann wiederum ist man wahrscheinlich sowieso parteiischer, wenn man tatsächlich noch 40€ auf den Tisch gelegt hat und direkt danach zugeben soll, dass es ein verdammter FEHLER war (nennen wir es einfach das „Kickstarter-Review-Syndrom“). Na mal sehen!


Die SpliMo-Regeln und die BAM!-Kurve der Komplexität

Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass alle wissen, was Lego ist. Diese kleinen dänischen Bauklötze für Leute ohne Modellbau-Skills? Für Leute, die zu viel „Rape Face“ in den seelenlosen Playmobil-Gesichter sehen? Ja? Gut. Splittermond: Die Regeln ist ein bisschen Lego. Eigentlich sogar ziemlich Lego.

Zuallererst ist es aber ein klassisches Spiel. Das Bild kennt man ja …
Die multikulturelle Kinderclique (mit verdächtig ausgeglichenem Geschlechterverhältnis) sitzt im Keller einer amerikanischen Vorstadt, eine unverhältnismäßige Begeisterung auf den Gesichtern, die in dieser Intension eigentlich nur ausgebeutete Kinderstars an den Tag legen können. Der Spielleiter, oder noch besser der DUNGEON MASTER, grinst diebisch hinter seinem Spielleiterschirm hervor, während er möglichst viele seiner Allmachtsfantasien in einem Groschenroman zusammenkleistert. Die Gruppe (damals praktisch der zusammengestauchte Cast von Herr der Ringe, eventuell ergänzt um Aushilfs-Jesus) muss sich mit Drachen, dunklen Verließen und extensivem Eskapismus jenseits des guten Geschmacks herumschlagen. Und während so die bescheidenen Grundlagen für die zelebrierte Totalvernerdung der Gesellschaft gelegt werden, haben die Fundamentalisten endlich mal wieder ein neues Feindbild. Good times.
Doch die 80er sind vorbei.
SpliMo ist klassisch, aber dabei auch sehr selbstbewusst, gerade im Sinne von „sich selbst bewusst“. Ein Beispiel? Man könnte ein Trinkspiel aus Formulierungen wie „im Ermessen des SLs“ oder „der SL entscheidet“ machen, ohne dass ein Vulkanzwerg (Konstitution 5) eine reelle Chance hätte, den Settingteil hinten im Buch zu erreichen. Das Spiel allerdings weiß um seinen starken Spielleiter und versucht auch gar nicht erst, irgendetwas anderes zu behaupten. Eventuellen Negativkonsequenzen begegnet man nicht mit Metaregeln, sondern mit Relativierungen und dem gelegentlichen Aufruf zu Vernunft und kollaborativem Spiel … was gut zur Gesamtmentalität passt. Die komplette Einführung zeichnet ein locker-pragmatisches, undogmatisches Bild davon, wie so ein Rollenspiel funktionieren kann, und zwar durchaus in dem Bewusstsein, dass es auch ganz anders geht. An dieser Stelle also ein Integritäts- und Toleranzbienchen für den Uhrwerk-Verlag. Die SL-Tipps später im Buch zementieren diese Herangehensweise auch noch mal sehr bewusst und ergänzen damit hervorragend das Regelsystem, in dem der ganze moderne Rollenspielkram - und das sollte man auf keinen Fall untergehen lassen - wenig bis gar keinen Niederschlag findet.
Die Illustration auf Seite 8 unterdessen ist einfach nur total goldig.

Zweitens ist Splittermond ein komplexes Spiel. Man findet zwar einige Simulationsüberbleibsel, aber im Vordergrund steht zweifelsohne der Baukasten, diese wahnsinnige Truhe aus Kinderzimmertretminen. Lego eben! SpliMo ist kein Pathfinder-Playmobil, kein Fate-Freestyle-Hobby-Basteln und erst recht kein Old-School-Revival-Puppenspiel. Der Punkt ist, dass man Lego eben NICHT ausschließlich benutzt, um die Figuren aufeinander zu hauen oder die traumatische Trennung der Eltern zu verarbeiten, sondern auch, um einfach mal unzählige Steine aufeinanderzustapeln! Wer Rollenspielregeln nur als Mittel zum Zweck versteht, als ein Werkzeug, um spannende Geschichten zu erzählen, sollte vielleicht lieber die Finger von diesem System lassen. Charaktererstellung, die verschiedenen Facetten der Probe, Ressourcenverwaltung und Taktik im Kampf, das ist alles auch Selbstzweck. Umgedreht heißt das natürlich NICHT, dass man mit Splittermond keine spannenden Geschichten erzählen könnte (Lego macht den Großteil seines Geldes mit Videospielen, duh!), aber das allein ginge wohl tatsächlich auch ein bisschen einfacher. Die Faszination liegt im System an sich, in den Details, die auf den ersten Blick schon fast übertrieben wirken. Sag deinem Lego-Kind doch einfach mal testweise, dass es lieber mit Playmobil spielen soll, weil der Ritter am Ende nun mal derselbe blöde Ritter ist. Das Kind zeigt dir den Vogel! Und das liegt bestimmt nicht nur an diesen shit-scary Gesichtern.
Dass SpliMo komplex ist, stand aber auch selten zur Debatte; meistens ging es eher um das Ausmaß dieser Komplexität. Lasst mich meine Meinung dazu in einem bunten Bild festhalten, damit es auch jeder versteht. Ich präsentiere: Die BAM!-Kurve der Komplexität!

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Okay, komplex ist es also, soweit, so gut. Das Buch startet allerdings ganz dreist mit der Erklärung der Standardprobe, und wir sind positiv angetan. Wer komplexe Rollenspielsysteme kennt, wird hier höchstens positiv überrascht, durch Risiko und Sicherheit, aber besonders krass? Nah. Simple enough, I guess.
Und dann kommt das Charaktersystem. Vielleicht hat man aus Versehen bis zum zweiseitigen Charakterbogen vorgeblättert, vielleicht ist man über die Berechnung der Fertigkeitswerte gestolpert. Wie auch immer, BAM! Der Schock sitzt tief. HOLY MOLY, das ist komplex, denkt man!
Komplex genug, um leicht ein paar coole Sachen zu übersehen: Das System für Lebenspunkte (und Fokus) funktioniert ja schon in der WoD und bei Shadowrun 4e sehr gut, allerdings wurde es hier um das taktische Kanalisieren erweitert. Die Startattribute sind auch auf lange Sicht überraschend relevant, und allgemein weiß das System mit den Heldengraden zu begeistern, die kein handfester Level-Kram, aber doch ein eindeutiger Power-Boost für die Kampagne sind, der über das Verteilen von Punkten hinausgeht. Dass man sich nicht wirklich verskillen kann, gefällt ebenfalls. Lego wäre schließlich ziemlich uninteressant, wenn man nur mit einer Anleitung etwas Hübsches gebacken kriegen würde, ODER?! *genervter Seitenblick zur Character-Build-Mentalität von d20 & Co*

Die Charaktererschaffung hat zwei Modi: Erstens die Punkteerschaffung („hardcore-komplex“) und zweitens die Modulerschaffung („für-ein-komplexes-System-eigentlich-ganz-zugänglich“, oder auch liebevoll „der Duplo-Modus“). Das ist wirklich sympathisch, speziell weil der Duplo-Modus ein elegantes Mittelding zwischen der praktischen Benutzbarkeit und einer hilfreichen Orientierung für alle Charaktere bietet. Außerdem kann man die beiden so überraschend produktiv miteinander kreuzen wie die Strahlen im Finale von Ghostbusters. Und ja, Duplo und Lego sind kompatibel. Die Metapher hält, look it up.
Danach passiert zwar so einiges, aber freundlicherweise nichts, für das ich in meinem Bildchen rumkritzeln müsste. Die Stärken sind „total normal“ und wirken höchstens in ihrer Wirkung etwas doppelt gemoppelt neben den später auftauchenden Meisterschaften. Die Mondzeichen haben auch was, wobei man sich hier eventuell ein wenig streiten könnte, ob dieser zusätzliche Komplexitätslevel gerade bei der Charaktererschaffung notwendig war; eine mögliche Hausregel wäre, die Zeichen erst nach der ersten Runde einzuführen. Die Splitterpunktökonomie über das Ausspielen der Schwächen ist ein kleiner Handschlag mit der Rollenspielmoderne. Hervorheben will ich allerdings dann doch lieber die Ressourcen. Die World of Darkness (deren Inspiration man abermals vermuten darf) hantiert seit diversen Generationen mehr oder weniger unbeholfen mit der Frage herum, was genau an diesem System denn nun fest reglementiert sein sollte, und was der SL lieber gleich handwedelt. SpliMo dagegen zuckt smug mit den Schultern und wirft ein Konzept in den Raum, dass durch seine gut platzierten Laissez-faire-Elemente fast schon ein wenig fehl am Platz wirkt. Heiß! Sonst ist das Spiel nämlich ziemlich hart durchgeregelt, und oh, da kommen wir auch schon zu den Fertigkeiten. Zeit zum Kritzeln!

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BAM! Ich meine nicht mal vorrangig, dass jede einzelne Fertigkeit ihre eigenen Regeln und Würfelergebnisse hat, das konnte man damals schon bei D&D 3e schrecklich finden und wird es selbst heute bei Fate Core noch nicht so richtig aus der Rollenspielsuppe kriegen. Nein, die Ursache der tektonischen Plattenverschiebung auf dem Bild liegt eher bei den Meisterschaften. Im Nachhinein sieht das wieder anders aus, aber wenn man das erste Mal in das Kapitel kommt, wird man umgehend von einem gewaltigen Batzen willkürlich wirkender Charakteroptionen erschlagen und dann tief, tief darunter verbuddelt. Mal gibt es +1, mal +2, mal +3 auf irgendeine Probe, mal kann man 5 statt 4 Meter weit schwimmen und mal kann man plötzlich Gerüchte in der Stadt verbreiten (warum auch immer man dafür eine Meisterschaft braucht). Der Witz ist: Der Wahnsinn hat System. Wenn man ein paar dutzend Meisterschaften gelesen hat, erkennt man langsam das Prinzip dahinter, aber bis dahin muss man definitiv die Zähne zusammenbeißen. Ich kann die Entscheidung verstehen, das Ganze zu den Fertigkeiten zu packen, aber eine glitzernde Warnung in Signalrot („Achtung, SYSTEM MASTERY!“) wäre echt nützlich gewesen.
Aber wie gesagt, es funktioniert. Oh, und es gibt Höhepunkte. Die gruppierten Fertigkeiten etwa. Hier hat es doch tatsächlich mal ein Spiel geschafft, dass ich Ballet tanzen kann, ohne automatisch ein verdammt guter Trommler zu sein, und dass ich auf der anderen Seite potentiell besser trommeln kann, wenn ich das subtile Taktgefühl einer Prima Ballerina mitbringe. Exquisit! Außerdem sorgen die Meisterschaften für etwas, das ich neudeutsch als „flavourful specialists“ bezeichnen würde; wer sich spezialisiert, hat nicht nur einen hohen Wert, sondern auch ein paar coole kleine Vorteile und ein bisschen Feeling mit im Paket. Manche Effekte wirken zwar etwas hartwurstig-kleinteilig, etwa die verdreifachte Haltbarkeit von Tierprodukten bei der Jagdkunst, aber hey, letztendlich sind genau diese freaky-urdeutschen Meisterschaften einer von zwei Gründen, aus denen Splittermond seine Behauptung halten kann, den Kampf nicht zwangsweise in den Mittelpunkt des Spielkonzepts zu stellen (zum zweiten Argument später mehr). Wer allerdings nur einen mäßig ausgeprägten Regelfetisch mitbringt, wird sich schon des Öfteren fragen, ob halb so viele Meisterschaften mit doppelter Wirkung nicht auch gereicht hätten … ich meine, sogar D&D hat gerade das erste Mal seit der der dritten Edition seine Talente zusammengestaucht und dabei praktisch nichts an Charakterindividualität verloren. Aber das ist dann wohl wieder der Lego-Faktor, mit dem man klarkommen muss.

Hui. BAM? Wir kommen zum Kampf, und das Tick-System überfordert meine wissenschaftlich-objektive Darstellung endgültig. Aktionen wie „Fernwaffe vorbereiten“ mit eigenem Tick-Wert, das Abbrechen der Bewegung präsentiert sich als ganzseitige Regelaberration (Monstergrad 4+) … irgendwie wirkt das erstmal alles wahnsinnig abgefahren. Beim näheren Hinschauen - und langsam bilde ich mir ein, hier ein Muster zu erkennen - macht es dann natürlich irgendwo Sinn. So ein detailliertes Kampfsystem überlebt keinen ernsthaften Playtest, ohne am Ende irgendwie zu funktionieren, und wer nach einem Blick ins Betaforum und nach der Verschiebung des Regelbuchs immer noch an den Playtest-Intentionen des Verlags zweifelt, sollte mal gründlich darüber nachdenken, ob er nicht irgendeine Probe gebotcht hat, beispielsweise auf Lebensfreude. Anekdote: Das Internet hatte so seine Probleme mit einem gewissen Schnellstarter-Zwerg und seiner weniger schnellstarterigen Zeitlupengeschwindigkeit, zurückzuführen auf Rüstungsbehinderung, langsame Waffen und … nun ja, es war immer noch ein Zwerg. Selbst vor drei Wochen sind noch irgendwelche mehr oder minder empörte Kommentare zu dem Thema aufgekommen (inkls. der obligatorischen Todsagung des Systems, so fett auch „Beta-Regeln“ auf dem Heftchen steht). Ich hab mir mal die drei Minuten genommen und das Ding nachgeschlagen. In den aktuellen Regeln ist die Rüstungbehinderung nur noch halb so hoch, und auch die betroffene heavy hitter Waffe dürfte jetzt zwei Ticks schneller arbeiten. Sieh doch mal einer an. Letztendlich bin ich mir selbst ohne Testspiel ziemlich sicher, dass die Ticks in SpliMo erheblich besser funktionieren dürften als etwa in Exalted und Scion; und hey, das ist vielleicht keine Herausforderung, aber doch schon mal ein guter Anfang. Außerdem gibt es abermals so kleine Aha!-Momente, etwa die Koloss-Regeln: Eine Hydra handelt nicht einmal auf der Tick-Leiste, sondern dreimal, und das lässt den Videospieler in mir fröhlich glucksen. Wunderbar gamey.
Okay, wo stehen wir also am Ende der Kurve?

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Who fucking cares?
Jetzt mal ernsthaft. Diese ganze mühsame Diskussion zwischen „wäh! schlimmer als DSA!“ und „uh! nicht so schlimm wie Shadowrun!“ verfehlt total den Punkt: SpliMo IST komplex (Surprise!), es IST Hardcore-Lego, und die Regeln sind damit definitiv ein gutes Stück Selbstzweck. Und zwar ein verdammt gut konzipiertes und noch besser umgesetztes Stück Selbstzweck. Tut mir leid, aber viel näher an ein Fazit kommt der Text wohl nicht mehr, obwohl ihr erst ein Drittel hinter euch habt. Die ganzen Detailvergleiche lenken meiner Meinung nach nur von dem Fakt ab, dass man problemlos damit klarkommen wird, wenn man auch an D&D 3e und 4e, an Shadowrun oder DSA seinen Spaß haben konnte, ohne einen epileptischen Anfall zu kriegen, und dass man wahrscheinlich Probleme mit den SpliMo-Regeln bekommen wird, wenn einen schon diese Aufzählung allein zu den Medikamenten greifen lässt. Willkommen im Mainstream, sucker!

… man beachte aber auch den letzten Teil dieses Beitrags, für ein bisschen Relativierung.

So, CUT! Bis hierhin war alles vergleichsweise sortiert. Ich habe natürlich noch mehr geschrieben, weil das Inventar einer Legokiste nun mal nicht auf eine sticky note passt. Aber wenn jemand keinen Bock mehr auf diesen Text hat, wäre jetzt wohl der perfekte Zeitpunkt, um schreiend zu flüchten. Von hier an geht es nur noch bergab.
 
35 000 Zeichen Limit ... und sowas nannte sich mal "Blutschwerter"? :p


Prioritäten und das große Drumherum

Tatsächlich ist die Komplexität nicht die einzige „Attraktion“, die einem je nach persönlicher Vorliebe ordentlich die Innereien durchwirbeln kann. Auch die Aufmachung des Buchs ist diskussionswürdig, und das „diskussionswürdig“ will ich an dieser Stelle einmal doppelt unterstreichen: Regeln sind in meinen Augen komplett Ansichtssache, aber im Vergleich mit Priorisierung, Illustrationen und ähnlichem werden sie zu einer verdammt exakten Wissenschaft. Dementsprechend ist gerade dieser Abschnitt hier als meine Meinung zu verstehen … also, noch mehr als der Rest. K?

Aber zuerst kudos an das Team: Danke dafür, dass ihr das Inhaltsverzeichnis auf ganz genau einer Seite untergebracht habt. Ich kriege jedes Mal einen mittelschweren Koller, wenn sich selbst das Inhaltsverzeichnis schon wie ein eigenes Kapitel anfühlt, das man erstmal durcharbeiten muss, bevor man nach irgendetwas suchen kann. *Shadowrun, ick hör dir trapsen* Die anderen „Selbstverständlichkeiten“ (Register und ähnliches) funzen ebenfalls, mit Regelübersicht und Tickliste hilft man dem Leser dann auch erheblich dabei, den Überblick in der Legokiste zu behalten. Vorbildlich! Und jetzt zurück zum Text.

Vereinfacht gesagt nimmt der Regelteil etwa 280 Seiten ein, die kurze Beschreibung des Settings 33, und dann kommen noch ein paar dutzend Seiten für Kram. Geht klar, was die Prioritäten angeht. Das Buch heißt schließlich „Splittermond: Die Regeln“ und nicht „Splittermond: Die gottverdammte Bibel“ (Hätte allerdings auch was!), zumal es ja durchaus noch einen Weltenband gibt. Zwei kleine Entscheidungen fand ich trotzdem etwas unschön.
Erstens: Ich verstehe, dass man die Module mit extensivem Fluff, also mit regelfreien Hintergrundinformationen ausstatten möchte. Schließlich bieten sie eine Orientierung für die Erschaffung eines Charakters, und auf der anderen Seite ist es auch einfach eine uralte Mainstream-Tradition, Klassen, Professionen, Klans etc. mit entsprechenden Texten vollzustopfen, von Kultur und Sprache über die bevorzugten Urlaubsorte bis hin zur Farbe des ashurmazaanischen Klopapiers. Okay, die letzten zwei sind vielleicht erlogen, aber mir persönlich ist es trotzdem ein bisschen zu viel geworden. Rassen und Kulturen, na gut, das ist irgendwo ja auch allgemeingültiger Settingkram, aber gerade die Ausbildungen sind per Definition so ein bisschen austauschbar und wären in meinen Augen auch mit jeweils einer halben Seite ausgekommen. Als Lego-Freak stört es einfach, wenn irgendwelche überdimensionierten Duplo-Blöcke ein Viertel der Spielzeugkiste einnehmen. Auf der anderen Seite ist die Auswahl der Module schon ziemlich interessant geworden. Die Ausbildungen möchte man dafür küssen, wie sie so zwischen Fantasy-Standard (Waldläufer) und Splittermond-Spezialität (Magischer Unterhändler) umherspringen. Die Kulturen sind praktikablerweise aus der Umgebung des inneren Meeres zusammengeklaubt, was zwei lustige Konsequenzen hat: Einmal haben wir die Andarai dabei, die im Gegensatz zu den fehlenden Immersommeralben ja mal definitiv die Exotenrolle ausfüllen (ich meine … Godzilla?!), und zum anderen gibt es stumpf gesagt ganze drei „arabische“ Kulturen, aber keine einzige „asiatische“. Ein Schelm, wer jetzt an die gestörte Beziehung der deutschen Rollenspiellandschaft mit asiatischen Einflüssen denken muss.
Mein zweites Problemkind sind die Archetypen. Es ist einwandfrei klar, warum ein Spiel mit der Komplexität einer deutschen Steuererklärung Beispielcharaktere braucht, aber hier fallen sie nicht nur wie ein Wespenschwarm über den Leser her, sondern bringen durch den Charakterbogen auch immer gleich zweieinhalb Seiten mit. Das finde ich persönlich etwas übertrieben, zumal ich später im Buch ein paar andere Sachen schmerzlich vermisst habe.

Oh, aber es sieht besser aus! Besser als der Weltenband, meine ich, und der hat mir optisch auch schon sehr gut gefallen. An das tolle Mondtor-Cover kommt der exotische Feendrache zwar nicht ganz ran, aber im Inneren dreht das Regelbuch ordentlich auf. Bedanken sollte man sich wohl bei den dutzenden Charakterbildern, deren unterschiedliche Stile erheblich harmonischer wirken. Ironischerweise ist selbst der Settingteil etwas konsistenter illustriert als der Weltenband, was zwar nahliegt (weniger Bilder, duh!), mir aber doch ein melancholisches „hach“ entweichen lässt. Das Layout wirkt wieder extrem routiniert, und sogar die Illus scheinen mir konsistenter eingebunden zu sein (was mich im Weltenband ja noch ein bisschen gestört hat). Instant Crush: Das Bild der Verwandlerin auf Seite 69. <3 Und dabei gefallen mir die Bilder im Querschnitt wirklich gut. Wenn irgendwo ein Mäkeln angebracht wäre, dann vielleicht bei den Monstern. Dass manche so unerwartet … cartoony wirken, ist sicherlich Ansichtssache (Ich persönlich finde es schon irgendwie geil, dass mich ein Fantasybuch zu einer Runde „Wo die wilden Kerle wohnen“ inspiriert!), aber die Mischung der Stile fällt abermals negativ auf, obwohl natürlich viel netter Kram dabei ist. Im Großen und Ganzen trotzdem eine extrem gute Note für die Optik!

Die Monster allerdings sind nicht nur optisch ein wenig curious. Man fragt sich, ob dieses kleine Bestiarium von Anfang an so geplant war, und man spürt definitiv den Monsterband, wie er aggressiv am Horizont lauert. Durch das großzügige Monstergrad-System findet man zwar genügend Gegner für vielerlei Situationen, aber ein paar „Archetypen“ mehr (es gibt bspw. den „Söldner“), eine Schablone für stärkere Versionen oder eine Seite mit illustrationsfreien Standardmonstern im Schnellformat hätten den Praxisnutzen des Kapitels auf jeden Fall erheblich verbessert, ohne dass die Teaser-Natur verloren gegangen wäre. So drängt sich doch der Gedanke auf, dass D&D seine „Standardbelegung“ immer ein gutes Stück besser hingekriegt hat, auch wenn das vielleicht nur mein persönlicher Eindruck ist. Oh, und der Feendrache vom Cover fehlt übrigens auch. *Darth Vader Stimme* NOOOOOO…!


Coole Hotzenplotz-Mid-Fantasy-Anime-Märchenmagie

*hinzufügen zum Wörterbuch*

Hier wird es interessant. Die SpliMo-Magie wurde viel beworben, unter anderem als alltäglich, High Fantasy etc, und ja, es gibt wirklich viel dazu zu sagen. Dann wiederum ist es gar nicht mal so einfach, das Gesamtbild in Worte, oder überhaupt erstmal irgendwie zu fassen. Ich musste ordentlich blättern, Beispielcharaktere und Zauber studieren, bis ich das Konzept einigermaßen „gecheckt“ habe. Ich werde die Überschrift aus bloßer Faulheit nicht noch mal abtippen, aber sie dürfte das Genre einigermaßen ausschöpfend beschreiben.
1. Der Powerlevel ist wirklich eigen. Es gibt eine Menge „Utility-Spells“ für Alltagsangelegenheiten (wie man im D&D-Min/Maxer-Slang sagen würde), und zwar durchgängig von Grad 1 bis 5, Statuszauber für jeden ansatzweise denkbaren Spielwert (die sich durch die Kanalisierung glücklicherweise auch nicht grenzenlos stapeln lassen) und dazu auch noch eine gute Menge an üblichem Kampfkram. Der beschränkt sich nicht zwangsweise auf die obligatorische magische Pew-Pew-Gun zweimal pro Tag, sondern lässt die Startcharaktere auch schon mal mit Feuerstrahlen um sich schießen und Mini-Elementare beschwören. Viele Zauber findet man in ungewohnter Gesellschaft, etwa Unsichtbarkeit und die Verwandlung in andere Menschen auf dem Maximallevel 5. Hui. Das unterstreicht den Nicht-Kampf-Fokus sehr aggressiv und deutet auch schon mal an, dass man relativ früh mit dem Zaubererkopf an die Decke stößt. Einen Wunsch, eine Zeitschleife, einen Schrei der Todesfee und ähnlich radikale Game Changer sucht man hier vergeblich. Wetterkontrolle, Feuerball und derartige Kaliber sind das Höchste der Gefühle, und ein Ritual zum Beschwören eines Erdbebens dürfte der mit Abstand brachialste Zauber sein, der sich im Buch finden lässt. Letztendlich kann man also als fähiger Magier starten und am Ende ziemlich mächtig werden, aber eben auch nicht der verdammte Genie aus Aladdin. Zumindest im Grundbuch nicht; wer an der Lampe reiben will, muss wohl auf das Magiebuch warten.
2. Die Zauber SIND ein Werkzeug im Kasten des Charakters. Das Fokussystem und die feste Auswahl verhindern ziemlich effektiv, dass man praktisch alles kann und ein Abenteuer im Alleingang bewältigt. Gerade auf höheren Graden fressen kanalisierte Zauber auch reichlich Fokus. Man kann sich zwar durchaus einen fähigen Utility-Magier machen, aber das ist dann eben auch wieder eine Spezialisierung und sorgt dementsprechend dafür, dass man in anderen Bereichen abkackt, spätestens, wenn einem der Fokus ausgeht. Disclaimer: Dieser Absatz war speziell an die Generation gerichtet, der die Zähne schlottern, sobald auch nur ansatzweise abzusehen ist, dass die Zauberwirker alles mit einem Fingerschnipsen in den Schatten stellen könnten. Scary shit, I know. Bei SpliMo könnt ihr die Rollenspielinquisition beruhigt im Folterkeller lassen.
3. Interessant sind die 19 Magieschulen, teilweise mit großen Überschneidungen. Manche davon sind auch hierzulande Genre-üblich (Erkenntnismagie, Kampfmagie), andere lassen meine Anime-Glocken klingeln. Die verkappten Elementarbändiger unter uns freuen sich über die wirklich charakteristischen Elementarschulen, die noch stärker pubertierende Generation wird sich wohl augenblicklich mit einem breiten Grinsen auf die Schattenmagie stürzen. Und das ist auch gut so. Man kann also durchaus einen Elminster basteln, aber auch ebenso gut einen handfesten Avatar, ohne dass es nach einem Stilbruch riecht.
4. Es gibt einen Dornröschenzauber, so richtig Hardcore mit 100 Jahren Wirkungsdauer. Jap. Ich bin mir nicht ganz sicher, ob man sich damit auch selbst praktisch unsterblich machen kann, aber schon der reine Fakt macht mich ein kleines bisschen glücklich. Apropos: Die Zauberbeschreibungen fallen recht knapp aus. Es wird also zu gelegentlichen „Äh, darf ich das?“ Momenten kommen, aber gut, dafür passen auch mindestens zehn Zauber auf einer Seite und nicht nur zwei. Das Spiel ist ja sonst schon regeltastisch genug.
Letztendlich ist die Magie wirklich charakteristisch geworden. Mehr als erwartet! Gerade auch die Kanalisation (Oh Gott, das klingt jetzt total nach Abwasser. Ich meine aber die „belegten“ Fokuspunkte, nicht das Abwasser.) bringt eine Menge cooler Zahlenspielerei an den Tisch. Mein persönlicher kleiner Höhepunkt war allerdings der Fakt, dass ganz im Sinne der allgemeinen Zugänglichkeit wirklich JEDER, der die Fertigkeit Arkane Kunde beherrscht, versuchen kann, Schriftrollen zu benutzen. Das passt nicht nur klasse ins Magiekonzept, sondern eröffnet auch eine ganz neue Dimension für die Charaktererstellung. Nice.


Noch mehr Regeln?

Ja, verdammt. Deal with it.

Wenn die Grundregeln eines Mainstream-Spiels durch sind, erwartet man üblicherweise ein paar dahingeklatschte Subsysteme, unausbalancierte Artefakterschaffung für die kleinen Powergamer unter uns und einen ganzen Batzen an ähnlichen Zweifelhaftigkeiten, damit das Buch am Ende bloß nicht unter 350 Seiten rauskommt. Man erwartet den STANDARD™, sozusagen. SpliMo liefert den Standard, weiß aber zu überraschen. Man kennt das ja: Der Schnellimbiss an der Ecke sieht jetzt nicht unbedingt nach einem 5-Sterne-Restaurant mit Spitzenköchen aus Frankreich aus, und man kennt ja auch diese Berichte, mit denen RTL2 sein Nachmittagsprogramm bestreitet … aber hey, es schmeckt verdammt gut. Wer hätte das gedacht?

Verfolgungsjagden und soziale Konflikte: Only praise. Wirklich. Alles spielt sich im klassischen Rahmen ab, aber genau an dieser Stelle profitiert Splittermond von seiner Komplexität. Letztendlich sind es nämlich nur Fertigkeitsproben, die man in ein durchdachtes Gerüst aus „Wann genau nutze ich welche Probe wie genau?“ eingeflochten hat. Und das passt perfekt. Die Optionalregel zu „MEIN CHARAKTER WILL DAS ABER NICHT TUN!?“ tut ihr Übriges dazu, einen ziemlich goldenen Mittelweg freizuschaufeln.

Leichte Bauchschmerzen verursacht die aktive Abwehr außerhalb des Kampfs. Man kann hier zwar einiges hausregeln (in einem Dialog braucht es ein gutes Argument etc), aber prinzipiell gibt es keinen vernünftigen Grund, nicht jede einzelne Probe um einen weiteren Würfelwurf zu ergänzen. Da hätte ich mir etwas klarere Regeln gewünscht.
Etwas Beef hab ich auch (wie so oft) mit Gift und Krankheit. Da kommt nämlich genau diese zweifelhafte Schnellimbiss-Atmosphäre durch: Es funktioniert natürlich, irgendwie, aber es wirkt ein bisschen gelangweilt, um nicht zu sagen enttäuschend. Zwar zweifle ich nicht daran, dass auch im Playtest noch mal einige Gedanken in den Komplex geflossen sind, aber hnnngh. Geht das nicht irgendwie chilliger? Immerhin wird erwähnt, dass Krankheiten lieber richtige Plotpunkte sein sollten, keine Abenteureralltäglichkeiten. Generell sind die Zustände und ihre Organisation so ein kleiner Splitter (haha, Wortspiel) im Zeh meines persönlichen Tick-Systems. Aber vielleicht sollte ich an dieser Stelle auch noch mal daran erinnern, dass ich Ganze nie gespielt habe. Wenn es in der Praxis flüssiger läuft als in meinem Kopf, nehme ich alles zurück und behaupte das Gegenteil.

So, zurück zum allgemein Splitterpersern! Die Ausrüstung geht standard-klar, mit nützlichen Illustrationen, die eigentlich ebenfalls Standard sein sollten, aber das Handwerk … Wow! Das ist a) simpel, b) scheint zu funktionieren und sorgt c) augenblicklich dafür, dass mein Charakter mit seinem Schweißgerät an der Werkbank stehen möchte. Ich meine, man kann sich nen fancy Hut machen, der wirklich was bringt. In welchem Regelsystem gibt es bitte simple, handfeste Regeln für die Herstellung eines fancy Huts? Awesome. Dasselbe gilt für Alchemie und Kräuterkunde. Ich habe zu viele schmerzhafte Erinnerungen an die Fertigkeit Beruf (Kräuterkundler) in D&D 3e, an „mach halt mal ne Probe“ und „kk, +2 auf Heilkunde“, als dass ich über solche Regeln nicht ein bisschen ausflippen dürfte. Und trotz scheint sich der ganze Kram im Rahmen der Spielbalance zu bewegen. Die magischen Items werden zwar ähnlich simpel abgehandelt, was einigen Leuten definitiv zu oberflächlich sein dürfte, aber hey: Ihr seid die Zielgruppe für die Ergänzungsbände mit dem ganzen Harry-Potter-Scheiß, nicht ich. Der Mainstream mag sich mal bitte von SpliMo belehren oder die Kräuterkunde lieber gleich in der Fluff-Schublade liegen lassen.

Die Reiseregeln sind nicht ganz so spektakulär, gefallen mir aber auch recht gut, nicht zuletzt, weil sie völlig optional sind. Und wenn wir einmal dabei sind: Generell gibt es da eine kleine, unscheinbare Seite mit kleinen, optionalen Regeln. Sie machen Lorakis wahlweise hardcore-tödlich, lassen die Spieler Nicht-Splitterträger spielen (hätte ich gern als Standard) oder tauchen die Welt in einen Magie-Power-Level, den man nur noch als OVERKILL bezeichnen kann. Oh, und sie scheinen nicht mal dutzende nervige Konsequenzen im ganzen System hinter sich herzuzerren. Und das ist geil. Ich meine, PENNER MIT MAGIE. Was will man mehr?

Die kleine Aufzählung hier war übrigens auch der zweite Grund, aus dem ich Splittermond abnehme, den Kampf nicht als totalen Mittelpunkt des Spiels zu betrachten: Die zahlreichen Subsystem passen sich wunderbar in die Legokiste ein. Sie haben zwar nicht unbedingt ureigene, innovative Regeln, aber trotzdem eine sehr durchdachte Tiefe, im Durchschnitt. Nicht so viel, dass es die Zielgruppe ankotzen oder Uninteressierte nerven würde, aber auch nicht so wenig, dass man sich unwillkürlich fragt, ob der Koch irgendetwas Zwielichtiges mit der Knoblauchsoße angestellt hat. Und damit lässt sich dann schon was anfangen, was über brutalen Körperkontakt hinausgeht. Also, mit der Tiefe, nicht mit der Knoblauchsoße.


Wochenendtrip vs. Kaffeefahrt: Der Settingteil

33 Seiten Setting sind durchaus ernst zu nehmen, bei Paizo wären das auf einen Schlag 20$ weniger auf dem Konto. Und ja, man möchte augenblicklich das SpliMobil aus der Garage holen. Der kleine Überblick funktioniert, der Reiz des Settings kommt auch hier überraschend gut rüber. Lediglich die ganzen kleinen Details, die letztendlich die Entscheidung für Lorakis besiegeln können, fehlen naheliegenderweise. Zwar glaubt man zu erkennen, dass verschiedene Autoren an den Regionen gesessen und unterschiedliche Maßstäbe angelegt haben, aber hey, immerhin kennt man das ja schon aus dem Weltenband (mal hat eine Region direkte Story Hooks, mal muss man sie aus dem Text fischen; mal ist die Beschreibung wirklich idiotensicher und vermittelt ein gutes Bild, manchmal klingt sie mehr wie ein Sales Pitch für den Weltenband). Hier fällt es aber leider noch einen Tacken negativer auf. Die Karten sind auch nicht immer komplett passend, aber immerhin gibt es sie, und das ist ja auch schon alles andere als selbstverständlich.

Und dann steht ER zwischen den Zeilen.

So sieht man sich wieder ... REDUNDANZEN! Mein alter Erzfeind! Was ist diesmal dein Plan? Ich meine, du hast 33 Seiten! Was kann sich auf 33 Seiten schon groß wiederholen? „Töricht“? Wieso töricht? Ich habe längst durchschaut, dass du von der mutigen Erstveröffentlichung des Weltenbands profitierst, aber das wird nicht reichen, um dein übles Handwerk auch in diesem Buch zu verrichten; immerhin soll der Weltenband auch als Standalone-Produkt funktionieren! … Wie bitte? Du bluffst! Das kann nicht sein! Es gibt acht Seiten Rundgang durch Lorakis, und dann noch mal acht Seiten, auf denen die Regionen am zentralen Meer genauer beschrieben werden, obwohl sie auch schon im Rundgang dabei waren?! Hast du denn keinen Sinn für Ehre, für ANSTAND? Aber wenn du glaubst, dass das ausreicht, um mich zu schlagen, irrst du dich gewaltig! Schließlich werden diese Texte viele neue Informationen enthalten, viel Mehrwert für jeden, der seine Spielrunden dort aufschlagen lassen will, nicht wahr? … Wenigstens ein bisschen? Immerhin! HA! Aber halt. Warum grinst du so diabolisch? … Wie bitte? Die Kulturmodule haben ebenfalls redundante Informationen zu den Kulturen? Das KANN NICHT SEIN! Selenias Ritterkram wurde zwischen beiden Büchern mindestens SECHS MAL angesprochen?! DU MONSTER!! Aber wir dürfen nicht aufgeben. Wir müssen siegen! Schließlich haben wir noch eine Geheimwaffe, die die Situation herumreißen kann! Wir haben die Arwinger Mark als Startgebiet, und damit einen gewissen Mehrw… WAS?! Die Arwinger Mark wurde aus Platzgründen GESTRICHEN?! Nein … bitte nicht! NEIN!! *röchelt und fällt bewusstlos zu Boden*
*REDUNDANZEN lacht seine diabolischste Schurkenlache*

Jup. Natürlich wurden bewusste Entscheidungen getroffen (und die wenigsten davon waren einfach, würde ich mal tippen), aber das ändert nichts am Ergebnis. Die Redundanzen sind mein größter Kritikpunkt am Regelband, gerade für Käufer des Weltenbands, und die Arwinger Mark hätte hier viel gerissen.

Was wieder positiv hervorsticht, sind die allgemeinen Texte über Geschichte, Sprachen und derartige Dinge. Gerade auch die Magie wird schön lebendig. Die Mondpfade hätten ein, zwei Sätze mehr gebraucht, um ihre individuelle Natur so richtig rüberbringen zu können, aber im Großen und Ganzen hat man Lorakis gut vor Augen, was das Feeling angeht. Persönlicher Höhepunkt: irgendwie war mir bisher völlig entgangen, dass SpliMo scheinbar sein eigenes Sigil hat (die Unwissenden sollten augenblicklich „Planescape“ googeln, um ihre Familienehre reinzuwaschen). Ich will ein Buch darüber. JETZT. Oder am besten gleich ein ganzes Subsetting, auf 1800 Seiten, mit Magie und Feen, und oh myyy. <3

Letztendlich ist der Settingteil also mehr ein kleiner Wochenendtrip in Gefilde, die man bereits kennt, auf der anderen Seite aber auch eine gute Werbung für den Weltenband und das Setting als Gesamtprodukt. Haut mich nicht um, so als Käufer des Weltenbands, geht aber klar.


SpliMo für Legoverweigerer

Die Begegnung mit REDUNDANZEN liegt schwer im Magen, also gucken wir doch mal, ob wir diesem Text hier auch noch etwas Mehrwert verpassen können. Lego ist bekanntlich geil, aber ebenso bekanntlich auch nichts jedermanns Sache. Also mal Butter bei die Fische: Kann man SpliMo denn nun problemlos mit anderen Systemen spielen? Die Antwort lautet „OF COURSE“ (Bison-Style), aber behaupten kann das ja jeder.

Das Naheliegende … Fate Core und FAE

Fate Accelerated funktioniert ohne jede Veränderung. Einfach losspielen!
Fate Core erfordert ein paar Überlegungen, ist aber fast schon ein „natural Fit“. Aus dem Jackenärmel heraus: Magieschulen als Fertigkeiten. Dann kann man eventuell schon loslegen, aber manche haben es ja lieber etwas detaillierter. Also gibt es zwei Gratis-Zauber pro Schule und jeweils zwei weitere für einen Stunt, damit klar ist, was man so ungefähr mit der Fertigkeit anstellen kann. Kanalisierte Zauber erschaffen Aspekte, die „unterbrochen“ werden können, außerdem kann der Zauberer nur so viele Zauber aufrechterhalten, wie er Skillpunkte hat (besonders starke Zauber zählen doppelt). Wer viel zaubert, besonders starke Zauber benutzt oder bei Zaubern viel kanalisiert hat, kriegt eine Erschöpfungskonsequenz oder ähnliches verpasst, mit eventuell folgender Eskalation. Der Rest läuft mit den Standardregeln.

Das Fan-Favoritige … Savage Worlds und Numenera

Rule 34: Wann immer eine Rollenspielwelt das Aufmerksamkeitsequivalent von 500 Facebook-Likes für sich verbuchen kann, hat irgendjemand schon längst eine Konversion für Savage Worlds gemacht. Man google einfach schnell nach „Savagemond“, und wer Numenera bevorzugt, tippt lieber gleich „Cyphermond“ in seine Tastatur. Alles Weitere findet sich in den Weiten des Internets.

Das Unerhörte … Dungeons & Dragons

Ja, verdammt! Nehmen wir einfach mal D&D Next, weil es so schön simpel ist: Die Völker müsste man wohl leicht anpassen, die Varge komplett neu basteln, aber sonst geht es fast ohne Veränderungen. Um die Alltagsmagie deutlicher zu gestalten, gibt man jedem Charakter ein Zusatztalent und empfiehlt nachdrücklich, es für diese kleinen, netten Magie-Dipper-Talente auszugeben, bei denen man zwei Stufe-0-Zauber kriegt. Wer richtig zaubern will, nimmt einfach eine entsprechende Klasse oder weitere Magie-Dipper-Talente. Fertig.

Das wirklich Hardcorige … Mage: The [Edition War]

Klingt komisch, wäre aber auch mal interessant. Gerade die nWoD bietet die Möglichkeit, Magie und mundane Fähigkeiten ganz unterschiedlich zu gewichten, die Anpassung auf Fantasy funktioniert ja immer recht problemlos (ein paar Skills austauschen und die Rassen durch Merits oder Fluff abbilden). Die freie Magie dürfte ein neues Spielgefühl nach Lorakis bringen, und genau das wäre daran so interessant. Wer es nicht so extrem will, gibt den Charakteren am Anfang weniger magische Macht und dafür eine Menge Erfahrung, damit sie auch fähige Krieger etc. spielen können.

Aber hey … gebt dem offiziellen System doch ruhig mal eine ernsthafte Chance. Vielleicht entdeckt ja der eine oder andere, dass die kleinen Steinchen doch nicht ganz so kindisch und lächerlich sind, wie die „Erwachsenen“ immer gleich mit Hingabe behaupten müssen.

Puh. Na Gott sei Dank ist der Text am Ende doch nicht so strukturiert geworden, wie ich befürchtet habe. Sorry und danke für’s Durchhalten!
 
Lustig, während des Spieltests hatte ich einen sehr ähnlichen Eindruck von Splittermond: Gutes System, wenn auch für meinen Geschmack etwas kleinteilig (aber noch akzeptabel) und für den Geschmack des Rests meiner Gruppe nicht kleinteilig genug.
 
Ich hatte auf eine regelarmere Alternative zu DSA gehofft - daher werd ich mir Splittermond höchstens kaufen um es in den Schrank zu stellen;)
 
Jo, der Regelband wäre da wohl ein Fehlkauf. :D Wenn es dir auch um das Setting geht, sieht es mit dem Weltenband natürlich wieder anders aus.
 
Danke für die Rezension! Mein Gott, ich glaube, wenn du eine Rezension zu einem Bügeleisen schreiben würdest, dann würde ich das auch noch mit Genuss lesen... Genug geschleimt! Es sieht so aus, dass es das System bei mir wohl nur zu einem Sammlerstück schaffen wird, haben würde ich es schon gerne. <öffnet einen neuen Tab und googelt "Planescape">
 
Ich hänge mal noch ein paar Spielerfahrungen hinterher. ;)

Nach einer Spritztour mit dem SpliMobil und dem Wühlen in der SpliMo-Kiste bleibt eigentlich nur noch eine Frage: Wie spielt sich das Ganze denn nun eigentlich?

SpliMo und die harte Realität

Ein Disclaimer: Ich benutze die Regeln AS WRITTEN. Hausregeln oder ignorierte Regeln sind schön und gut, aber wenn auch andere von einer Meinung profitieren sollen, ist das offizielle Material interessanter. Weil, ich will ja was über Splittermond schreiben, nicht über das Splittermond deiner Spielrunde oder das Splittermond meiner Oma. Deine Spielrunde und meine Oma spielen zweifelsohne zwei verschiedene Splittermond…s (Splittermonde?), weshalb wir einen kleinsten gemeinsamen Nenner brauchen, von dem alle wenigstens ein bisschen was haben. Und hey, da bieten sich die offiziellen Regeln doch eigentlich ziemlich gut an.
Okay, meine Oma spielt kein Splittermond. Der Punkt bleibt.
Dann wiederum ist das Disney-Logik, die Damsel in Distress, die böse Königin und am Ende einfach ein bisschen zu simpel gedacht. Rollenspiele werden verändert, sie werden unterschiedlich gespielt, und wenn man diesen Fakt in einem Text über ein Rollenspiel ignoriert, sollte man vielleicht besser Bücher review… ups, nope, selbst einen Roman liest jeder anders. Zwei Konsequenzen:
1. Wenn es eine Sache gibt, die gefühlt JEDER kacke findet oder hausregelt, sollte man sie zwar kritisieren, aber es wäre irgendwie genau so naiv und weltfremd, die tatsächliche Realität (Die Spieler scheißen drauf!) zu ignorieren. Hier kann man aber Entwarnung geben: Wenn man die verschiedenen Foren verfolgt, scheint Splittermond keinen Teilaspekt zu haben, der durchgängig von den meisten Spielern ignoriert oder verändert wird. Zwar gibt es relevante Fraktionen, die Probleme mit a) der generellen Komplexität, b) dem Tick-System als Ganzem und c) gewissen Aspekten des Tick-Systems haben, aber es gibt keine allgemeingültigen „Deal Breaker“. Diesen Punkt hätte ich mir also eigentlich auch sparen können. Na toll.
2. Ich werde öfter mal darauf eingehen, wie gut oder schlecht man Splittermond den eigenen Bedürfnissen anpassen kann. Das ist nämlich der erheblich interessantere Aspekt.

Zwei Textteile, die in etwa dem Spielgefühl entsprechen: Es gibt den Kampf, und es gibt den ganzen Rest.


Nicht Kampf - Was man tut, wenn man … nicht kämpft.

Tolle Überschrift, ich weiß. Erinnern sich alle daran, dass SpliMo ein durchaus komplexes Spiel sein will, ja? Gut. Dann akzeptieren wir das nämlich von hier an als Fakt. Wer Probleme damit hat (wie ich, gelegentlich), geht einfach noch etwas in der SpliMo-Kiste wühlen.
tl;dr - Außerhalb der Kämpfe flutscht SpliMo wie ein Eigelb, das beim Trennen eigentlich in der Schale bleiben sollte. Und diese Metapher passt, denn tatsächlich hätte ich einen solchen Flutschfaktor von einem Spiel dieses Komplexitätsgrads nicht unbedingt erwartet.

Der Internet-Praise für die Charaktererschaffung war lang und laut, und so halte ich mich kurz: Die Mischung aus Modulen und Punkten ist klasse. Beide für sich allein wären nicht ganz optimal, weil die Module ähnlich wie bei DSA und Konsorten recht einschränkend sind und die alleinige Punktverteilung wahnsinnig mühsam werden kann. Zusammen allerdings fühlt man sich wie im Lego-Charakterbastelwunderland, weil die Übergeneralisierung, die natürlich mit den Modulen einhergeht, problemlos durch die einzeln ausgetauschten Charakteraspekte entschärft werden kann, ohne dass man gleich alles selbst verteilen muss. Meine Spieler haben im Lauf der Erstellung sicher dreimal gefragt, ob das JETZT AUCH WIRKLICH GEHT, weil es wohl in den meisten ähnlichen Systemen die Balance zerhauen hätte.
Die Quotenseltsamkeit ist vielleicht das aufeinander folgende Verteilen von Bonuspunkte und extra Erfahrungspunkten am Ende der Erstellung; man schnallt zwar bald, warum das so ist (nicht alles geht mit Bonuspunkten), aber es fällt trotzdem etwas aus der Intuitivität der sonstigen Erstellung.

Für den Probenmechanismus kann man fast die Copy-and-paste-Kombo bedienen. Wie schon oft erwähnt bringen Risiko und Sicherheit eine durchaus unterwartete Menge an Abwechslung ins Spiel, und die Regeln drumherum funktionieren ebenso einwandfrei. Auch die damit zusammenhängenden Mechanismen (Verfolgungsjagden, Soziales etc) klappen genau so gut, wie sie sich lesen.
Eine Sache allerdings hat mich etwas überrumpelt: Es ist gerade anfangs sehr schwierig, stinknormale Proben intuitiv zu behandeln. Durch die hohen Werte muss man praktisch immer einen Schwierigkeitsgrad festlegen und die Erfolgsgrade hochzählen (oder rausrechnen), um wirklich ein Bild davon zu bekommen, wie gut oder schlecht das Ganze gelaufen ist; die feingranularen Unterschiede beim Würfelergebnis tun ihr Übrigens dazu, dass SpliMo auch außerhalb der Kämpfe ein sehr regelintensives Spiel bleibt - vielleicht regelintensiver, als man erst denkt. Eine kleine Konsequenz daraus ist, dass zumindest ich nach kürzester Zeit weniger gewürfelt habe. Der modernen SL-Logik „Say yes or roll the dice!“ wird in diesem Kontext ein ganz neues Feuer unter dem Hintern gelegt.

Mein größtes Problem mit den tatsächlichen SpliMo-Regeln allerdings ist die MASSE an ganz unterschiedlich funktionierenden Modifikatoren (vor allem durch die verschiedenen Charakteraspekte), die genau diese Proberei wahnsinnig in die Länge ziehen, und zwar meistens mit, nun ja, Pillepalle-Werten. Das hat schon beim Lesen seltsam gewirkt und im Spiel noch ein bisschen mehr genervt. Mal gibt eine Stärke +1, +2 oder +3 auf eine Probe, mal erhöht eine Meisterschaft die Erfolgsgrade, mal gibt es einen Malus für den Gegenüber. Wer in die Stärken-Sektion eines durchschnittlichen Charakterblatts guckt, kann sich tendenziell wohl schon vorstellen, was ich meine.
Jetzt könnte man natürlich sagen, dass das nichts Neues ist, dass das einfach fucking normal im Mainstream-Rollenspielbereich ist. Und hey, das stimmt, leider. Macht es aber nicht besser. Ich bin nun mal verwöhnt von Mechanismen wie „intuitiv vergebener Bonus zwischen +1 (nett!) und +3 (geil!)“, „ein Bonus gibt immer +2“ oder etwa dem „würfle 2w20 und nimm den höheren“ Advantage-Mechanismus der neuen D&D-Edition. Aber selbst auf dem Komplexitätsgrad von Splittermond ist es möglich, denke ich, klarere Richtlinien und Schablonen für Boni zu verwenden. Vielleicht gibt es sie sogar und ich hab sie nur noch nicht durchschaut? Kann gut sein. Über „High Contact“ reden wir später sowieso noch mal, aber ich will jetzt schon mal erwähnen, dass ich nicht für mich beanspruche, das System wirklich gänzlich gecheckt zu haben.
Tatsächlich kann man diesen Nachteil auch nur wenig entschärfen, weil er so tiefgehend mit den Charakteren verwoben ist. Kleinscheißboni sind am Ende eben einfach wichtig, leider. Also rechnet man.

Das Gesamtbild bleibt trotzdem sehr gut, und sehr charakteristisch. Das ist ein Pluspunkt, den Reviewer selten ansprechen: Splittermond fühlt sich wie ein eigenes Spiel an, nicht wie die nächste Klamotte für das alte Mainstream-Skelett. Das ist jetzt kein wahnsinnig rationales Urteil, aber hey, wir stellen uns gerade vor, wie wir als Feengnome und Furry-Krieger durch eine Fantasy-Welt rennen. Ein bisschen irrational dürfte also klar gehen, Feeling ist wichtig. Letztendlich wäre Splittermond außerhalb des Kampfes für mich persönlich so ein typischer 4/5-Fall: Ich finde Sachen zum Kritisieren, aber es funktioniert in der Summe trotz allem einwandfrei. Und Spaß macht es auch noch.


Kampf - KAMPF KAMPF KAMPF KÄMPFEN!

Um einzuschätzen, ob SpliMo in den Kämpfen gut funktioniert, muss man zuerst mal schauen, was es überhaupt will. Dabei ignoriere ich das Genre, die Illustrationen, irgendwelche Angaben auf der Verpackung, die Aussagen der Entwickler, den Einführungstext des Kampfkapitels, kurze Atmosphäre-Texte und irgendwelche Ego-Monologe von „Internet-Experten“ (lol) wie mir. Es geht mir weder darum, die Marketing-Kampagne zu bewerten, noch darum, das Selbstbewusstsein der Autoren auf die Probe zu stellen, sondern um die Regeln und das Spiel, das daraus entsteht. Das kann man anders sehen - viele Reviewer messen Rollenspiele an dem, was sie sein SOLLEN - aber ich gucke mir lieber die Fakten an. Alles andere ist mühsam, und ich habe oft genug vorgewarnt, dass diese Reihe hier keine Reviews enthält. Deal with it.
1. SpliMo will offensichtlich Taktik. Gamey Stuff. Man macht einfach kein verdammtes Tick-System, wenn man nicht irgendwo Taktik will, und zwar ziemlich feingranulare Taktik; auf Anhieb kenne ich kein Tick-System, das seine Zeiteinheiten dermaßen klein aufstellt. Und wenn die drei Köpfe der Hydra an verschiedenen Stellen agieren, ist das eindeutig ein Videospiel mit Zelda-God-of-WOAH!-Effekt.
Fun Fact am Rande: Einige Leute meinten, dass SpliMo das Tick-System nur hätte, um sich von DSA abzusetzen. Jedes Mal, wenn ich das lese, muss ich aufpassen, dass ich nicht belustigt meinen Orangensaft gegen den Bildschirm spucke - so was ist vielleicht eine Ursache, eine Motivation in der Konzeptionsphase, aber niemals ein echter Grund für ein komplettes Regelsystem. Wenn man sich von DSA absetzen will, kann man auch mit den proverbialen brennenden Hamstern würfeln und muss nicht so einen Riesenaufwand betreiben. Das Thema DSA und Ticks ist dementsprechend in meinen Augen also gänzlich langweilig. Ich bevorzuge die Hamster.
2. SpliMo will Realismus, wenigstens ein bisschen. Die potenzielle Tödlichkeit hat viele überrascht (auch mich), man braucht Ticks für das Wechseln von Waffen, Schilde geben nicht einfach nen Bonus, sondern können blocken etc etc etc … Jap, das ist ansatzweise Realismus. Spätestens, wenn man die Regeln für das Unterbrechen der Bewegung sieht, ist klar, dass hier ein Kampf simuliert werden soll.
3. SpliMo will cool stuff. Die Meisterschaften, mit denen auch ein Krieger sonst was für Sachen anstellen kann, die Zauber, die wirklich reinhauen, wenn sie durchkommen, die Manöver und die Sondereffekte durch Erfolgsgrade. SpliMo will, dass du dich cool fühlst.
Das sind drei (mindestens implizite) Spieldesignziele, die ich hinter den Regeln sehe. Man könnte jetzt natürlich versuchen, das Ganze mit Gewalt in irgendein pseudo-etabliertes Genre zu drängen („Heroic Superhero Fantasy!“, „Dramatic Gritty Grimdark!“, „Hotzenplotz 2014!“), aber das würde komplett übergehen, dass Rollenspiele ein eigenes Medium mit eigenen Konventionen und Erwartungshaltungen sind, und dass einzelne Werke damit sowieso machen, was sie wollen. Also lass ich es gleich. Wie so viele Mainstream-Rollenspiele entziehen sich die Splittermond-Regeln einer Einordnung in zwei Sätzen, und wer versucht, genau das trotz allem zu tun, wird den Punkt des Systems („ein bisschen hiervon, ein bisschen davon, und hey, ein Gesamtbild!“) höchstwahrscheinlich völlig verfehlen.

Viel interessanter ist doch die Frage: Schafft es SpliMo, seine verschiedenen, teilweise nicht unbedingt gut harmonierenden Ziele zu erfüllen? (Zur Erklärung: Coolness und Realismus zusammenzubringen, ist nicht unbedingt die einfachste Aufgabe. An Wundbrand in einem Schützengraben zu verrecken, ist höchstens cool, wenn Michael Bay das Ganze mit dem Geld der Army inszeniert. Aber eigentlich ist es auch dann noch nicht cool. Oder realistisch, was das angeht.)
Meine persönliche Antwort nach einigen Runden lautet: Unter Umständen. Das Tick-System als taktisches Tool, um irgendwo realistische Kämpfe mit coolen Charakteren darzustellen, kann funktionieren, wenn einige Voraussetzungen erfüllt sind. Und das sind gar nicht mal allzu wenige.

Voraussetzung 1: Alle kennen das Spiel - vor allem der SL!
Ernsthaft. Liebe angehende SLs: Spielt mit euch selbst. Damit meine ich nicht die gesellschaftlich verpönte Variante, sondern die … andere gesellschaftlich verpönte Variante, die mit Würfeln und Tickleiste. Ich hab ohne Übertreibung eine gute Stunde gebraucht, eh ich die Kampfregeln in der Praxis wirklich „gecheckt“ habe, und es hilft ungemein, einen Beispielkampf mit zwei Charakteren und einem stärkeren Gegner selbst durchzuspielen. Aber selbst dann sollten die Spieler wissen, dass SpliMo kein Rollenspiel ist, das man nach einer einzelnen 6-Stunden-Runde beherrscht. Hier ist viel System Mastery angesagt, viel Übung. Natürlich ist dieser Fakt auch einer der Punkte, die das Spiel am Anfang so tödlich machen. Wenn erstmal alle geblickt haben, wie das Ganze funktioniert, kommt die „Coolness“ zunehmend besser durch. Weil, von einer Gruppe Rattlinge gefickt zu werden, während man ständig daneben haut und kaum zum Zug kommt, ist nur begrenzt cool. Da muss man dann die taktischen Kniffe rausholen, und die erfordern Übung.

Voraussetzung 2: Das Setup des Kampfs passt zum System.
Das Splittermond-Kampfsystem kann NICHT alles, nicht mit den momentanen Regeln. Tatsächlich realisiert es so einige Sachen eher suboptimal, und das ist ein handfester Nachteil, eine Schwäche, die man nicht untergehen lassen sollte. Ich rechne persönlich stark damit, dass im angekündigten Kampfbuch zusätzliche und optionale Regeln für entsprechende Situationen kommen, aber momentan ist es beispielsweise ein Krampf, gegen mehr als pi mal Daumen drei oder vier Gegner zu kämpfen, vor allem wenn diese auch noch über taktische Optionen wie Umreißen, Entwaffnen oder gar das Verteilen von Zuständen verfügen. Gerade für Anfänger. Oder gegen gleichartige Gegner in einer Gruppe, das wird ziemlich schnell ziemlich langweilig. Dieser Aspekt hat natürlich auch viel mit dem Abenteuerdesign zu tun, und gerade die offiziellen Abenteuer müssen hier einen Gang zulegen - oder sich einfach ihrer Regeln noch bewusster sein (SpliMo-Team? Vielleicht ein kleiner Leitfaden für Abenteuerdesign und Kampfdesign?). Für mich ist es bspw. ein kleines Unding, einem Standardgegner in vierfacher Ausführung eine so komplexe Regel wie das Umreißen zu verpassen, die man wahrscheinlich fünf Mal nachschlagen muss, bevor man sie sich langsam merkt.
Es gibt Sachen, die machen richtig Spaß mit SpliMo, und als SL tut man gut daran, sich auf solche Situationen zu fokussieren: Kämpfe gegen wenige Gegner. Kämpfe gegen Gruppen aus ganz unterschiedlichen Gegnern, mit unterschiedlichen Fähigkeiten (und vor allem auch mal ganz ohne Sonderfähigkeiten! Mut zu langweiligen Schergen!). Und so weiter. In der Praxis merkt man dann auch relativ schnell, was funktioniert und was nicht.
Ein Praxistipp: Von den kleinen, kostenlosen Abenteuern finde ich "Die Nacht der Toten" mit Abstand am besten, obwohl es beizeiten unter den genannten Problemen im Kampfdesign leidet. "Die Türme im Eis" gefallen ebenfalls, aber sie sind halt ziemlich lang und eignen sich daher nur beschränkt für Testspiele.

Voraussetzung 3: Alle sind gut vorbereitet.
Ohne die Tickleiste geht gar nichts, aber auch die Regelzusammenfassung ist ein Muss. Dazu kommen die Meisterschaften der Gegenspieler (unbedingt vorher raussuchen!), mindestens ein Schmierzettel für die Positionierung und ähnlicher Kram. Die Spieler sollten die Wirkung ihrer Zauber u.ä. aufschreiben.
Es ist nicht unüblich, dass Mainstream-Spiele eine gewisse Vorbereitung erfordern, und SpliMo ist hier keine Ausnahme (und manchmal nagt es sogar am Maximalkuchen). Das sollte man wissen.
Das Gute: Uhrwerk weiß das. Wenn man in die Ankündigungen guckt (SL-Schirm! Tick-Leiste! Marker! etc!), wird schnell klar, dass man den Spielern hier unter die Arme greifen will. Das ist nicht nur notwendig, sondern auch vorbildlich. Eine besonders große Rolle spielt hierbei auch die Gratis-pdf des Grundregelwerks. Was auf den ersten Blick erstmal nach „lol, gratis“ aussieht, kriegt eine ganz neue Bedeutung, sobald zwei Spieler mit Tablets am Tisch sitzen, die nebenbei ihren Kram nachschlagen können. Ich empfehle also Freunde mit Tablets!

Voraussetzung 4: Alle haben die richtigen Erwartungen.
Ich hoffe mal, niemand erwartet einen wirklich cineastischen Kampf. Oder einen ernst zu nehmenden Kampf, der wesentlich weniger Zeit als eine Stunde benötigt. SpliMo fühlt sich auch mit System Mastery eher wie ein relativ trockenes Taktikspiel an. Improvisation ist möglich, aber wie so oft wären an der Stelle mehr Richtlinien nötig gewesen. Spaß und Spannung gibt es selbstverständlich trotzdem, aber man sollte diesen Spaß und diese Spannung eben in der Taktik suchen, nicht in großen Drama-Regeln. Oh, und in diesem Funken Realismus, der dich Ticks dafür aufwenden lässt, deinen Bogen zu ziehen.

Sind diese Voraussetzungen allerdings erfüllt (was nicht unbedingt immer eine leichte Aufgabe ist, sein wir ehrlich!), kann das SpliMo-Kampfsystem so richtig glänzen. Mich hat es streckenweise sehr positiv an D&D4 erinnert, mit seinen durchgestylten, von vorn nach hinten quer gerechneten Kämpfen und seinem coolen Ressourcen-Mechanismus, der bei SpliMo in der Form von Mana und Leben genau so gut klappt, wie er sich liest.
Hätte ich so ein System gemacht, hätte ich den Realismus trotzdem um eine Stufe heruntergeschraubt, was eventuell die momentan recht massiven Anforderungen an SL und Spieler gesenkt sowie die anderen Designziele unterstützt hätte. Aber gut, persönliche Vorliebe. Es gab einen Playtest, und da war ja sehr deutlich, dass der Großteil der Spieler darauf steht.
Was die Kämpfe angeht, bin ich also durchaus etwas hin- und her gerissen. Sind die Anforderungen erfüllt, die das System an Spieler und SL stellt, kann der Kampf locker bei einer 4/5 landen, eventuell sogar höher. Dann ist es einfach ein gut durchdachtes, fein ausbalanciertes System, das in seiner Taktik wahnsinnig Spaß macht, trotz kleiner Schwächen und „toten Winkeln“ in den Anwendungsmöglichkeiten der Regeln. Sind besagte Anforderungen allerdings nicht erfüllt, kann die Gesamtwirkung sehr schnell sehr tief den Bach runtergehen, und damit auch der Spielspaß. Dessen sollte man sich also bewusst sein.


Apropos „sich bewusst sein“ ...

Falls es noch nicht deutlich geworden ist: SpliMo ist HIGH CONTACT. Aber so richtig. Kein Spiel für zwischendurch, kein Spiel zum „mal anspielen“ an einem Abend, sondern High-Contact-Hardcore-Rollenspiel-Stuff, den man über Jahre hinweg jede Woche Dienstag spielt. Das drückt sich in den ganzen genannten Punkten, aber auch in dem Aufstiegssystem aus, das bei Mainstream-Spielen nur sehr, sehr selten so durchdacht wirkt und auch auf späteren Levels noch gut funktionieren sollte (ich gebe zu, ich habe es noch nicht auf höheren Levels gespielt, aber es liest sich faszinierend simpel). Sogar am Produktplan von Setting- und Regelbänden merkt man, welche Spielkultur hier die Zielgruppe ist.
Und auf derselben Schiene ist es ausdrücklich kein Regelsystem, an dem man einfach mal so herumtinkern kann (der Vergleich mit D&D4 liegt abermals nah). Alles hängt irgendwie zusammen, und ein Tick weniger kann durchaus die Balance zerhauen. Dementsprechend wäre sogar ich als alter Regel-Weglasser vorsichtig, was das Weglassen von Regeln angeht. Aber hey, das passt. Schließlich sind die Regeln ziemlich wasserfest, solang man sie nicht kopfüber und mit losem Verschluss in den Rucksack steckt.
 
Hui ganz schön lang, dass werde ich mir mal heute Abend in ruhiger Minute ähm Stunde durchlesen. Man kann aber festhalten, dass Splittermond ein Spiel ist, welches für den längeren Einsatz geplant ist und nicht für mal eben so gedacht ist. Man muss sich schon damit auseinander setzen, wenn man daran Spaß haben möchte. Der Uhrwerk Verlag hatte aber das Problem erkannt und die Einsteigerbox raus gebracht. Trotzdem ist Splittermond eines der schönsten Rollenspiele, die entwickelt wurden. Manchmal hatte ich beim studieren der Regeln das Gefühl gerade im Myranor oder DSA Universum zu sein - keine Ahnung, war nur so ein Gefühl. ;-)
 
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