myWoD4 - Soziales Miteinander

Ioelet

I am Iron Man!
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Ihr kennt das ja beim (wenn ich richtig gezählt habe - ohne mein myWoD(Ioelet)-Spezial) inzwischen 4. Mal...

Tut ihr nicht?
Na gut, dann erklär ichs nochmal:

Es ist wieder so weit: Zeit für myWoD.

Kaum jemand spielt komplett by-the-book. Nahezu jeder SL macht sich Gedanken zu SEINER PERSÖNLICHEN WoD, die er an seine Gruppe angepasst hat. Je nach Zielen, Stilrichtung und Geschmack entstehen so verschiedenste Konzepte. Einige davon widersprechen direkt dem offiziellen Setting. Einige wirken für außenstehende skurril.

Doch solang sie durchdacht sind und die beabsichtigte Wirkung erzielen, sind sie es wert irgendwo festgehalten zu werden. Vielleicht gibt es ja noch einen zweiten im Internet, der seine WoD gerne einmal so richtig knallbunt-überdreht und trashig haben möchte. Vielleicht will noch jemand Ideen finden, wie er seinen Spielern eine Spielwelt präsentieren kann, die eine einzige riesige Metapher auf den Nahostkonflikt ist - oder vielleicht list man auch einfach nur gerne ein paar inspirierende neue Sichtweisen und Eigen-Interpretationen.

Wie gesagt - jetzt ist wieder Zeit für myWoD.

Ab hier gibt es kein richtig und falsch mehr, kein "du bist ein Weichei" und kein "krankes Schwein". Präsentiert uns EURE stimmungsvollen Konzepte. Erklärt uns wie das zusammengehört. Gebt uns ein Gesamtbild. Gebt uns eure WoD - zum Thema

Soziales Miteinander

Was bedeutet es bei euch für den einzelnen Kainiten ein Vampir zu sein - hinsichtlich seines Verhaltens, seiner Selbstwahrnehmung, seiner Moral (wobei das Fass "Was bedeutet Menschlichkeit" etwas zu umfangreich für diesen Thread ist; haltet es bitte auf dem Niveau "entmenschlicht der Vampir und warum (nicht)?").
Wie gehen die Vampire miteinander um. Wie funktioniert die kainitische Gesellschaft. Wie gehen sie mit Menschen um. Was bedeuten für sie Begriffe wie Liebe und Freundschaft.

Zur Orientierung werde ich gleich mal wieder selbst vorlegen (wenn mir keiner dazwischen tippt).
 
Soziales Miteinander

Was bedeutet es bei euch für den einzelnen Kainiten ein Vampir zu sein - hinsichtlich seines Verhaltens, seiner Selbstwahrnehmung, seiner Moral (wobei das Fass "Was bedeutet Menschlichkeit" etwas zu umfangreich für diesen Thread ist; haltet es bitte auf dem Niveau "entmenschlicht der Vampir und warum (nicht)?").
Wie gehen die Vampire miteinander um. Wie funktioniert die kainitische Gesellschaft. Wie gehen sie mit Menschen um. Was bedeuten für sie Begriffe wie Liebe und Freundschaft.
Jeder Mensch und jeder Vampir geht anders damit um.

Isolation und Individualismus ist eine Möglichkeit, genauso wie das distanzierte Streben nach Macht. Sie ist aber per se nicht vordefiniert, da der Mensch sowohl egoistisch als auch sozial orientiert ist. Das Leben des Menschen besteht nun einmal aus solchen Paradoxen:
- Egoismus versus Soziales Engagement (oder Freunde und Familie).
- Nähe versus Distanz.
- Einzigartigkeit versus Gemeinschaftsgefühl.
usw.

Also gilt das auch aus meiner Sicht für den Vampir: Kind -> Jugendlicher -> Erwachsener -> Vampir. Es ist eine Entwicklungsstufe hinzugekommen. Das heißt aber nicht, daß der einmal veränderte Weg dann für immer vorgezeichnet ist. Ein Erwachsener kann sich wieder an seine kindliche Unbekümmertheit erinnern und sie pflegen, ohne daß er seine Erfahrung, seine Vor-Sicht und sein kritisches Denken deswegen aufgibt. Im Gegenteil, der Mensch muß lernen, diese verschiedenen Paradoxen auszubalancieren. Im Einklang bringen wird nicht funktionieren, dazu widersprechen sich die Verhaltensmuster zu sehr. Aber der Mensch oder der Vampir kann versuchen, eine halbwegs ausgeglichene Balance zu schaffen. Ob er das schafft oder dabei scheitert, ist wieder eine andere Frage.

Die kainitische Gesellschaft wird mit ähnlichen Widersprüchen auskommen müssen:
Zum einen soll sie Schutz bieten vor äußeren und inneren Feinden, zum anderen wollen die Kainiten ihre Freiheit und ihren Individualismus behalten, ohne von der Machtorganisation vereinnahmt zu werden. Konflikte sind da vorprogrammiert wie bei Menschen auch:
Wie viel Macht darf der Staat haben ? Als Beispiel Schutz der Privatsphäre versus Schutz des öffentlichen Raumes. Wann wird die sogenannte Bekämpfung des Terrors zum Vorwand, die eigene Macht zu mißbrauchen ?

Zu den Beziehungen:
Möglich sind die Beziehung Vampir-Vampir, Vampir-Ghul, Vampir-Mensch (und Vampir mit einem anderen übernatürlichen Wesen). Jede Beziehung hat Konflikte, mal mehr und mal weniger. Später mehr dazu ;-)
 
Der Vampir als Einzelperson

Vampire trinken Blut - Menschenblut in den meisten Fällen.
Das klingt für viele von uns wohl inzwischen wie ein gewohntes Monsterklischee. Mumien verfluchen, Werwölfe zerfleischen und Vampire trinken nunmal Blut.
Aber nehmt euch einmal die Zeit euch das wirklich deutlich vor Augen zu führen:
Die beißen Menschen in den Hals (Arm, etc.), durchtrennen gezielt die Adern (AU!) lassen das Blut in den Mund fließen und schlucken es nciht nur, nein, sie berauschen sich daran geradezu - und dem Menschen gefällt es.

Ein solches Verhalten kann man mit sehr viel Toleranz vielleicht noch als sehr ungewöhnliche BDSM-Spielart abtun, aber spätestens wenn einem klar wird, dass es dazu noch lebensnotwendig ist und wohl im größten Teil der Fälle zwischen Vampir und Opfer ein heftiges reales Machtgefälle besteht, ist das eine ziemlich kranke Sache...

Dazu kommen dann noch die Sachen wie Sonnenlicht, Panik vor Feuer, das Tier, die vielen Clanseigenheiten, die alle auf ihre Art eine gewisse Entfremdung vom menschlichen Zustand mit sich bringen... Ein Vampir ist kein Mensch - und wenn man ihn doch zwanghaft mit menschlichen Werten beschreiben will, dann ist er ein grotesker Freak.

DAS wäre meiner Meinung das Minimum dessen sich ein Vampir klar werden müsste, der sich tatsächlich langfristig einreden wollen würde, der Kuss hätte ihn nur unwesentlich verändert. Die meisten Kainiten werden aber wohl andere Wege gehen. Und hier gibt es einen Haufen Optionen. Einen großen Teil der Optionen bilden beispielsweise die Pfade ab. "Ich bin ein Geschöpf der Nacht, erschaffen um die Menschheit zu bedrohen und ihren Glauben zu prüfen." könnte dann ein solches Ergebnis sein. Aber auch "Ich hab übersinnliche Kräfte - ich nutze sie um Leuten zu helfen."

Der "Superhero with Fangs" ist für mich ausdrücklich ein mögliches und absolut nachvollziehbares Charakterkonzept... aber eben ein Superhero, dessen wahres Ich kein Teeny-Reporter oder Milliardärs-Playboy ist, sondern ein Vampir.

Ich bin kein Freund von künstlicher Darkness. Ich schau mir gerade zur Zeit die ersten Staffeln von Buffy an und muss ganz ehrlich sagen:
Es ergibt Sinn. Teenies die mit völlig überdrehtem Horrorzeug zu tun haben und eben nicht im Twilight-Stil alle 2 Minuten wegen immer dem selben Scheiß schockiert in die Kamera starren, sondern ihren dauerhaft dauergrotesken Alltag akzeptieren und auf dieser Basis ihr Teenie-Leben leben.

Anfangs war ich irritiert als die Toreador-Spielerin bei uns nach der ersten Erwähnung von Schattententakeln fragte, ob man die Dinger auch zum Klavierspielen benutzen könnte - aber ganz ehrlich: Von künslicher stylischer Darkness mal abgesehen, wäre das nicht genau das, was eben eine junge Toreador fragen würde, die das Unleben meist von der schönsten Seite präsentiert bekommt?

Meine Kainiten sind keine Menschen. Aber sie waren alle einmal Menschen. Und wer das noch nicht aus den Augen verloren hat, der ist kein durchgestylter Vorzeigevampir, sondern stets zu einem gewissen Teil ein einstiger Mensch, der sich auf die ein oder andere Art mit seinem Schicksal arrangiert hat.

Vampire in der Gesellschaft

Und als solche haben sie Interessen. Macht beispielsweise, aber auch einfach Dinge wie Sicherheit oder eine angenehme Zeit. Wenn ein Prinz Lust dazu hat einen Sackhüpfwettbewerb zu veranstalten, dann veranstaltet er einen Sackhüpfwettbewerb. Was ihn in der Praxis daran hindert ist nicht eben seine Evil-Vampireness, sondern die Tatsache, dass er ein bedeutendes Amt innehat und die anderen potenziellen Sackhüpfer teils zum alten Hochadel gehören, teils vor 500 Jahren den Grunstein der städtischen Kathedrale gelegt haben, teils auch einfach nur grummelige Miesepeter sind oder sonst einen Grund haben, weshalb es als nicht passend, respektvoll und angemessen gelten würde einen solchen Umgang zu pflegen.

Kann er den Sackhüpfwettbewerb heimlich mit seinen Ghulen veranstalten und ihnen anschließend das Gedächtnis löschen damit solch kindisches Verhalten nicht in der Stadt bekannt wird? Ja klar, wenn er Lust dazu hat.

Es gibt keine angeborenen Verhaltensregeln für Vampire.
Als kleiner Exkurs: Es gibt sowas mMn auch nicht für Menschen. Ich kann jedem nur mal empfehlen einen Blick in den Original-Knigge zu werfen. ORIGINAL, das heißt das Buch "Über den Umgang mit Menschen" von 1788. Dieses Buch beschreibt Hilfestellungen für den Umgang mit Menschen verschiedener Schichten, die Behandlung verschiedener Themen usw. stets mit der Absicht das Miteinander angenehm zu machen.
Und 90% von dem was man heute als gute Manieren oder Etikette beschreibt geht grundsätzlich auch auf einen solchen Gedankengang zurück. Warum das Messer rechts vom Teller liegt? Na weil sichs mit links nunmal blöd schneiden lässt.
Warum man ner Frau den Stuhl zurechtrückt? Weil die früher oft ziemlich umständliche Kleider anhatten.

Warum der Torrie-Ahn beim Betrachten eines schönen Bildes im Elysium dem Küken nicht von der guten alten Zeit vorschwärmen darf?
Äh... ja, warum? Ich weiß es nicht, aber eine solche Situation hatte schonmal in einem anderen Thread einiges virtuelles Augenrollen bewirkt - vielleicht versteh ich es nach euren Ausführungen.

Vampire schätzen ein miteinander mit höflichen und freundlichen Kainiten... wobei höflich und freundlich natürlich HÖCHST subjektiv sind und für einen Gangrel eben auch eher "wir sind knallhart direkt und ehrlich" bedeuten kann.
Ich habe niemanden in meinem ganzen Leben kennen gelernt, der es vorzieht seine Zeit mit Leuten zu verbringen, die ihn direkt und absichtlich schlecht behandeln. Ein gewisses foppendes Gepöbel, spaßige Rangeleien, verbale Schwanzvergleiche etc. sind eine Sache, aber echte Feindseligkeiten und Respektlosigkeiten sind nichts was man sich gerne freiwillig antut.

Aus diesem Grund sind auch und vor allem die angehörigen der vampirischen Oberschicht der Stadt (typischerweise Ventrue und Torries, vielleicht noch Tremere und individuell Mitglieder anderer Clans) höfliche und freundliche Personen. Weils den Umgang angenehmer macht. Weils keinen Grund gibt den politischen Gegner permanent anzupöbeln. Weil man sich als Prinz ganz sicher keinen Respekt verschafft indem man spricht oder sich verhält wie der Proleten-Türsteher in der Dorfdisco, der sich an kleinen Machtdemonstrationen aufgeilt.
Man kommt dem anderen entgegen wo es einen selbst nichts kostet und erwartet ohne dies extra zu erwähnen NATÜRLICH das selbe auch zurück. Man tauscht freundlich lächelnd kleine Gefallen aus, in dem Wissen, dass jeder auch unausgesprochen weiß, was er einem schuldet... und wer dabei nicht mitspielt, wird aus diesem Zirkel eben früher oder später ebenso wortlos ausgeschlossen.

Vereinzelter Austausch von Zickigkeiten ist natürlich dennoch möglich - angesehener machts einen aber nicht unbedingt.

Und auch sonst weiß man es zu nutzen, dass es sehr nützlich sein kann, wenn man den anderen ein angenehmer Zeitgenosse ist. Und so lässt ein geschickter uralter Diplomat eben auch mal hin und wieder (wirklich oder eben auch mal nur gespielt) seine distanzierte Ältestenmaske fallen und zeigt sich dem Küken auf einer "Ich war mal wie du"-Ebene um eine persönliche Verbindung zu konstruieren.

Liebe und Freundschaft

"Die Gefühle sind nicht echt", "Die Gefühle sind nur ein Schatten von früheren Gefühlen" und ähnliches Zeug steht in den Büchern zum Innenleben von Vampiren. Dennoch wird auch klar erwähnt, dass sie manche Sachen lieber machen als andere, dass sie angreifbar über Präsenz sind und was weiß ich nicht alles, was dann verdammt nach emotional-fähigen Wesen klingt.
Für mich heißt das:
Vampire haben keine Hormonausschüttung. Sie schütten nichts aus, was ihre Freude zu einem Endorphin-Rausch macht. Was sie aber haben ist.
1. Freude - nur halt Endorphinlos.
2. Die Erinnerung daran wie sich Endorphine anfühlen und eine Art Schatten eines Endorphin-Rausches.

Kurz:
Sie sind emotional etwas abgekühlt im Vergleich zu früher und jemand, der sein ganzes menschliches Leben über nie wirkliche Freude erfahren durfte, wird nicht plötzlich als Vampir Freudensprünge machen.

Und jetzt sind wir auf einer Ebene angelangt, auf der wir uns gegenseitig in die Depression hineindiskutieren können:
Was ist Freude? Ein körperlicher Ausschuss von Chemikalien? Ein Geisteszustand? Etwas göttliches? Das was Schiller in seiner Ode an die Freude beschrieben hat? Ein kühles Bier an einem Sommerabend? ;)
Wenn wir uns darauf einigen können, dass auch noch Geister ohne Gehirn Erinnerungen haben können - darüber hinaus sogar noch Schmerzen oder Gefühle; die Seele eines Verstorbenen also - dann kann der Kainit das bei mir auch.

Insofern ist das ganze Gefühllosigkeitszeugs für mich stimmungsvoller Emo-Fluff, den ich den Spielern frustrierend unter die Nase reibe, wenn die WK gerade Richtung 0 geht, eine Entartung passiert ist oder sonstwie Zeit für ein wenig melancholisches Gegrübel ist - und ansonsten mach ich den Spielern einfach klar, dass alles was einzig auf Hormonausschüttung abzielt für nen Vampir nicht kickt.

Freundschaft und Liebe gehört nach meinem Verständnis nicht dazu - hibbelige Teeny-Schwärmerei mit Schmetterlingen im Bauch, aber dann schon wieder eher.

Ich sehe keine Grund, warum Freundschaft und Liebe bei Vampiren nicht genauso existieren sollten - natürlich aber stets unter dem Hintergrund, dass man in ner verdammt gefährlichen Welt lebt und man besser misstrauisch sein sollte.
Sollte.
Rein rational SOLLTE wohl auch jedes Paar nen Ehevertrag schließen, aber Vertrauen abseits rein rationaler Überlegungen war schon immer ein Teil von Liebesbeziehungen. Warum sollten Vampire da auf einmal anders sein?
 
Für mich und damit zwangsweise für meine Runde ist der soziale Umgang der Vampire bedingt durch die Natur des Wesens. Jeder Vampir hat bei mir immer etwas menschliches in sich, egal ob er auf einem Pfad läuft oder nicht. Das Tier im Vampir drängt ihn dazu jeden als Konkurrenz zu sehen, der Menschenrest hingegen sehnt sich nach Gesellschaft. Das ist meine Begründung, warum sich nicht der eine oder andere Vampir irgendwo mit Animalism auf einen Berg hockt und mit Wild-Nahrung die Ewigkeit anstrebt. Sex etc. können sie bei mir auch haben, wenn es mit dem Char-Konzept passt. Ich will da nur nicht, dass der gesamte Spielabend inhaltlich nur noch Gruppensexorgien enthält, aber davor haben mich meine Spieler bisher bewahrt. Freundschaft hat in meiner wod einen besonderen Stellenwert, kommt allerdings erst dann wirklich zum tragen, wenn die Charaktere etwas älter sind, sprich zwei, drei menschliche Lebensspannen erreicht haben.
 
Nachtrag - Wahre Liebe

Der Vorteil "Wahre Liebe" gehört für mich in erster Linie zum Gothic-Fluff der WoD. Das ist eben eine Welt in der Gestalten sind, die voll emotionslos sind... dennoch sieht man ne Emotion wann immer man sie mit Auspex ansieht, weil "emotionslos" nur dann tragic-gothic ist, wenn mans emotional zelebrieren kann ;).
Und "es gibt KEINE echte Liebe in der Welt" schluchzt man eben vor allem, weil es die ECHTEN WAHREN Liebesgeschichten, die es dann eben doch gibt so wunderbar herzergreifend macht.

Ich genieße den Fluff, während ich den Text dazu lese und mich in der tragischen "es ist sooooo selten geworden"-Mentalität wälze... und danach stell ich den Stimmungstext in den Schrank zurück und reduziere das ganze Konzept auf das immer noch natürlich voooooll roooomaaantische "Wahre Liebe ist eine Liebe die von sich heraus eine Kraft entwickelt, dass sie den Liebenden übernatürlich willensstark werden lässt."

...was für mich aber in keinster Weise notwendig ist, damit eine Liebe eine Liebe ist.

Genausowenig wie die Abwesenheit von Wahrem Glauben mit Ungläubigkeit gleichzusetzen ist oder jemand mit Wahrem Glauben zwangsläufig christliche Werte besonders gut vorlebt oder erleuchtet ist.
 
Im Grunde kann ich hier meinen Beitrag aus dem Nebenthread zitieren, weil er so gut wie alle Kernelemente meiner persönlichen Einstellung widerspiegelt. Darüber hinaus möchte ich nur auf einige wenige Punkte im Speziellen eingehen

Menschliche Vampire
In myWoD sind Vampire nicht mehr menschlich. Sie waren es mal, sie haben Erinnerungen an Emotionen aber empfinden sie nicht mehr so, wie einst. Das wird vor allem im höheren Alter deutlich. Dementsprechend verschieben und verlagern sich die Triebe und Wunschvorstellungen, die Ängste und Nöte eines solchen Charakters. Der Vergleich einer menschlich-psychischen Entwicklung, wie so oft in solchen Themen gebracht, ist für mich daher völlig Fehl am Platz und führt am Ziel vorbei. Meine Vampire (und die meiner Spieler) richten sich in erster Linie an den Umständen ihrer Charaktere aus und nicht an dem, was sie als Spieler machen würden. Das könnte auch daran liegen, das wir prinzipiell nicht Maskerade spielen, sondern andere Abspaltungen des Systems und vorwiegend in historischen Settings. Buffy mag im Bezug auf moderne Teenies ehrlich und realistisch mit den Bedrohungen umgehen, in unserem Spiel wäre sowas allerdings ziemlich daneben und würde den Spielfluss und die Vorstellung der Spieler stören.

Wie finde ich die Idee, dass der Lasombra mit seinen Schattenarmen Klavier spielt? Cool! Bau es in einen guten NSC oder in deinen SC, ins Konzept ein. Wie finde ich, wenn die Toreador-Spielerin ihren Charakter intime sagen lässt: "wow, krass, kann ich mit den Tentakeldingern auch Klavierspielen?" - unpassend und albern. Es geht nicht darum, dass diese Dinge thematisiert werden, sondern wie. Mit "dysternis" hat das im Übrigen nichts zu tun, dazu später mehr.

Tragische Charaktere
Tragik ist so weit von "gothic-Emo" entfernt, dass ich jedes Mal so eine Reaktion erleide, wenn ich Texte darüber lese, die das in meinen Augen zu sehr gleichsetzen oder auch nur nahe aneinander bringen.

Vampire sind in meinen Augen tragische Figuren, von mir aus tragische Helden, da sie in unter anderem die Protagonisten unserer Geschichten sind. Das zeigt sich in einer Essenz daran, dass sie trotz aller Bemühungen, trotz allen Strebens und aller Erfolge letztlich scheitern. Sie scheitern an ihrer Existenz, deren unendliche Zeitspanne sie wahnsinnig oder inner leer werden lässt, an ihrer Sehnsucht nach dem, was sie verloren haben, an ihrer Natur, die selbst die verrät, die sie einst Freunde nannten. Sie scheitern mit Stil, denn sie sitzen nicht jeden Tag in der Ecke und heulen über ihre schreckliche Existenz, sie versuchen es zu ändern, bei diesem Mal besser zu machen. Sie streben nach Macht in der Hoffnung, ein gutes Polster bietet Sicherheit und Komfort und müssen doch erkennen, dass - je höher sie klettern - die Probleme größer und ihre Feinde gefährlicher werden. Sie streben nach Gesellschaft, weil sie spüren, dass sie in Isolation vereinsamen und den letzten Rest ihrer menschlichen Erinnerungen an Gefühle verlieren. Und doch sehen sie in der Gesellschaft ihres Gleichen in erster Linie - nach müh- und schmerzvollen Lektionen - Konkurrenten und potentielle Feinde, Verräter und ab und an temporäre Verbündete. Gemeinsame Ziele können zusammenschweißen.

Das heißt nicht, dass es so etwas wie Loyalität unter Vampiren nicht gibt, zumindest zeitlich begrenzt. Das Charakterkonzept eines in seinem Weg und in den Tugenden seines Vasallendienstes aufgehenden Vampir-Ritters, der für seinen Herrn - Erzeuger oder einfach Lehnsherr - auch den endgültigen Tod in Kauf nehmen würde, ist stark und glaubwürdig. Dennoch wird auch dieser Charakter nach ein paar hundert oder tausend Jahren vermutlich nicht mehr mit der Stellung zufrieden sein, die er inne hielt. Oder er beginnt am Verstand und an der Führung seines Lehnsherrn zu zweifeln. Oder er wird seines Dienstes überdrüssig und sieht den Zweck nicht mehr, da sie nur noch das Scheinkonstrukt eines einst großen Reiches bewahren, in dessen Traumwelt der Lehnsherr sich in seinem Luftschloss eingesperrt hat, während die jüngeren Kainiten längst die gesamte Politik übernommen haben.

Dessen sind wir uns als Gruppe bewusst und wir würden das Spiel sicher auch nicht anders spielen wollen. Gerade vor diesem Hintergrund bleibt ein letzter Funke, der sich auch nach den größten Erfolgen noch fortträgt. Das ist für einige vielleicht eine schwer zu schluckende Pille, andere spielen vielleicht nie soweit, bei uns macht es allerdings einen Kernpunkt des Spiels aus.

Liebe und "echte" Gefühle
Ich mag das Konzept, dass Vampire in erster Linie zu extremen Gefühlen tendieren. Wichtig ist: in erster Linie. Natürlich haben sie auch in gewisser Weise natürliche Affekte, sie tendieren nur dazu, recht schnell und vor allem auf lange Sicht so gut wie automatisch in Extreme zu verfallen. Ein Vampir, der sich heute von seinem politischen Konkurrenten ein bisschen beleidigt fühlt, könnte das in seinem wirren und zu jeder Seite hin wachsamen Verstand später als Demütigung mit weitreichenden Konsequenzen deuten, eine erneute Demütigung könnte ihn - gefühlt - mehr politische Reputation kosten, als er im Augenblick vertragen kann.
Ein Vampir, der Sympathie für einen anderen empfindet, verfällt dadurch allerdings nicht gleich automatisch beim nächsten Treffen in triefende Ergebenheit. Dennoch kann es sein, dass die Freundschaft, die sich zwischen zwei Vampiren entwickelt, mit genügend Zeit, in irgendeine Richtung zu einem Abähngigkeitsverhältnis wird, das nach gewaltsamer Trennung schreit - klassisches "The Fan"-dilemma. Das noch einmal mehr, wenn Blut in Form von Disziplinen oder gar Blutsbanden eine Rolle spielt.

Jetzt haben wir aber sogar ein Liebespaar aus zwei Spielercharakteren, die in einer Symbiose aus gleichmäßig geteiltem Blut und einem tieferen, inneren Verständnis füreinander eine Liebe empfinden, wie sie vielleicht unter Sterblichen üblich ist. Das ist bei uns eine Ausnahme, etwas Besonderes, etwas, das vor viele Proben gestellt und in vielerlei Hinsicht von der Gesellschaft nicht akzeptiert wird. Aus diesem Charakterpaar ist dadurch mittlerweile mehr eine Art Bonnie & Clyde geworden, als Romeo & Julia, da "wir gegen den Rest der Welt" bei Vampiren irgendwie besser greift, vor allem wenn man scho neine recht erhebliche Machtposition innerhalb der Gesellschaft inne hat (sind beides Ahnen).

Wir haben auch echte Freunde in unseren Gruppen, Vampire, die füreinander ins Feuer gehen werden. Das geht, das ist möglich und plausibel. Aber eben doch nur auf den zeitlichen Rahmen begrenzt, den wir abdecken. Wir machen es gerne, dass wir in unseren Chroniken ein paar Jahrhunderte verstreichen und zu einem späteren Zeitpunkt wieder einsetzen lassen - und da sind die meisten Freundschaften unterkühlt oder werden sogar von erheblichem Misstrauen begleitet, bis zur offenen, in Feindschaft umschlagenden Auseinandersetzung. Und das ist für uns auch richtig so. Das wird vielleicht sogar den Liebenden irgendwann so gehen, je nachdem, welche Geschichte uns besser gefällt - und ob sie der Tragik ihrer Existenz gemeinsam begegnen, oder sie darin finden, einander zu verlieren.
 
Mit "dysternis" hat das im Übrigen nichts zu tun, dazu später mehr.
Du hast vergessen dazu später noch mehr zu schreiben, oder?

Ich habe nämlich nach deinen Ausführungen schon das Gefühl, dass es für dich in erster Linie eine Frage von Stil und Atmosphäre ist.
 
Ich sehe keinen zwingenden Grund dafür, dass man sich nach Vorstellungen anderer Spieler richten und einen Vampir deswegen beispielweise auf sozialer Ebene stets kalt, emotionslos, distanziert etc. darzustellen müsste. Einfach deswegen, „weil sie Vampire sind“. Das stellt bloß eine Möglichkeit dar, einen Vampire/Charakter sozial darzustellen. Die Möglichkeiten sind potentiell so vielschichtig und zahlreich, wie die Anzahl an Spielern, die sie nutzen. Was das Vampirsein in meinen Augen gemein hat, ist, an „bestimmte mystischen Regeln“ gebunden zu sein (z.B., dass man im Sonnenlicht verbrennt, dass man sich von Blut ernährt usw.)....und das Tier. Alles andere sollte meiner Meinung nach die Sache des individuellen Spielers oder der Spielerin sein.

Richtlinien wie Pfade und Menschlichkeit können hilfreich sein und als Orientierung dienen, was die Darstellung angeht. Je niedriger der Menschlichkeitswert, um so...unmenschlicher wird der Charakter/Vampir. Was das aber im Einzelnen genau heißt, sollte jeder für sich selbst definieren. Kühle, distanzierte Untote können ebenso stylish sein, wie die Darstellung eines emotional verkrüppelten, hoch intelligenten Alienvampirs, eines sadistischen, triebhaften Monsters oder eines leidenschaftlichen, wilden Rebells. In allen steckt etwas unmenschliches...aber nicht alle sind kalt wie ein toter Fisch. (Ich liebe wilde, leidenschaftliche Vampire, die sich nicht immer unter Kontrolle haben und aufgrund niedriger Menschlichkeit nahezu animalische Wesenszüge und Eigenheiten annehmen. Das Kind in mir kann damit genausoviel anfangen, wie der Mann. Und die sind alles andere, als kalt oder emotionslos. Die sind einfach nur nicht liebevoll und zärtlich, sondern beißen beim Sex. Und Ziepen an den Haaren. Und Schubsen. Und haben Sex. Während sie Sex haben. Von den triebhaften Sadistenmonstern will ich gar nicht anfangen.)

Wenn diese Nichtmenschlichkeit einigermaßen überzeugend dargestellt wird, reicht das doch dicke. Wer das nicht will (oder kann), der konzentriert sich eben darauf, Menschlichkeit entsprechend auf Niveau zu halten. Eine simple Richtlinie, die viele Freiheiten lässt und nicht per se ein übergeordnetes Konzept vorschreibt, an welches man sich vielleicht gar nicht anpassen möchte. (Wer einen Pfad beschreitet, ist definitiv als unmenschlich zu betrachten. Aber auch da kommt es stark auf den Pfad an. Ein Vampir auf dem Pfad der Ritterlichkeit kann in einen mehr oder weniger menschlichen Truppe sicherlich noch Freunde finden. Jedenfalls mehr, als ein Nekromant....der allerdings in einer unmenschlicheren Truppe sicher leicht Kontakte knüpfen kann.)

Entmenschlichung/Unmenschlichkeit bedeutet nicht, anders zu sein, als ein Mensch. Es bedeutet in erster Linie, sich nicht mehr an Regeln von Moral und Ethik halten zu wollen...oder zu können. Ob man dabei nun herzlos und kalt berechnend ist oder wild lachend die Ketten von Etikette, Ethik und Niveau sprengt, spielt dabei keine Rolle. Auch Menschen sind unmenschlich. Sie sind deswegen nicht weniger Mensch.

Wir sind damit eigentlich immer ganz gut gefahren und haben eine Menge Spaß gehabt, auch ohne eine Ansammlung von kalten, untoten Fischen zu spielen.

Sei's drum. Kategorisierungen, die Spieler in ein Korsett aus Einschränkungen zwängen sollen, um „richtig“ zu spielen, halte ich prinzipiell für elitären Unsinn, den sich Hipsternerds einfallen lassen, die sich aus unerfindlichen Gründen selbst dafür hassen, Nerds zu sein. Möglicherweise, weil sie zuviel auf das Geschwätz anderer Menschen geben und ihnen anscheinend die Alternativen im Leben fehlen. Keine Ahnung, warum die das machen, ehrlich gesagt. Whiskey doesn't care.
 
Du hast vergessen dazu später noch mehr zu schreiben, oder?

Ich habe nämlich nach deinen Ausführungen schon das Gefühl, dass es für dich in erster Linie eine Frage von Stil und Atmosphäre ist.

Ne, "später" heißt da tatsächlich später, in einem neuen Beitrag, wenn ich die Muße dazu und die richtigen Formulierungen finde. Natürlich spielt Atmosphäre eine wichtige Rolle, ist bei uns allerdings genauso wenig Selbstzweck, wie die Tragik, Grausamkeit oder überhaupt das Konzept eines Charakters.
 
Ich sehe keinen zwingenden Grund dafür, dass man sich nach Vorstellungen anderer Spieler richten und einen Vampir deswegen beispielweise auf sozialer Ebene stets kalt, emotionslos, distanziert etc. darzustellen müsste. Einfach deswegen, „weil sie Vampire sind“. Das stellt bloß eine Möglichkeit dar, einen Vampire/Charakter sozial darzustellen. Die Möglichkeiten sind potentiell so vielschichtig und zahlreich, wie die Anzahl an Spielern, die sie nutzen. Was das Vampirsein in meinen Augen gemein hat, ist, an „bestimmte mystischen Regeln“ gebunden zu sein (z.B., dass man im Sonnenlicht verbrennt, dass man sich von Blut ernährt usw.)....und das Tier. Alles andere sollte meiner Meinung nach die Sache des individuellen Spielers oder der Spielerin sein.
Volle Zustimmung !

Sei's drum. Kategorisierungen, die Spieler in ein Korsett aus Einschränkungen zwängen sollen, um „richtig“ zu spielen, halte ich prinzipiell für elitären Unsinn, den sich Hipsternerds einfallen lassen, die sich aus unerfindlichen Gründen selbst dafür hassen, Nerds zu sein. Möglicherweise, weil sie zuviel auf das Geschwätz anderer Menschen geben und ihnen anscheinend die Alternativen im Leben fehlen. Keine Ahnung, warum die das machen, ehrlich gesagt. Whiskey doesn't care.
Das war jetzt aber gemein den Nerds gegenüber.
;)

Auch Menschen sind unmenschlich. Sie sind deswegen nicht weniger Mensch.
Auch Menschen können unmenschlich sein, das wird von vielen vergessen.

Passend dazu:
„Ich habe weder Angst vor Hexen, Kobolden, Erscheinungen, prahlenden Riesen, bösen Geistern, Irrlichtern, usw., noch fürchte ich jede andere Art von Lebewesen mit Ausnahme des Menschen”.

Goya, ein begeisterter Verfechter der Aufklärung, der von der Aristokratie gefördert wurde, gibt angesichts der Schreckensherrschaft während der französischen Revolution und der Kriege, die ganz Europa entflammten, seine Illusionen auf und wird von Zweifeln gequält. Die nur vordergründig klare Unterscheidung zwischen der Aufklärung und dem Obskurantismus weicht nun einer neuen, grauen, Furcht erregenden und ungewissen Welt, wo die Grenzen zwischen Gut und Böse, Wirklichkeit und Imaginärem, Logik und Absurdität, vergangenen Überzeugungen und revolutionären Ideologien der Gegenwart verwischen. (Schwarze Romantik)


So oder so:
Auch Vampire können positive Gefühle (Passion) empfinden oder ihre Unbefangenheit pflegen bzw neu entdecken, ohne dabei ihre anderen (Struktur)Anteile ihrer Seele / Psyche zu verleugnen. Warum auch nicht ?
Ein Mensch, der z.B. zu Lebzeiten von Sehnsüchten getrieben wurde, kann seine Vampirkräfte benutzen, um eben diese Sehnsüchte oder einen Teil davon zu befriedigen. Oder er schafft es sogar, sich auf entspannte Weise von diesen Sehnsüchten nicht mehr treiben zu lassen.
Golconda is a mystical state of enlightenment where a vampire is no longer subject to the Beast, or alternatively the Beast and human aspects of a vampire are in balance.
Das wäre dann eine gesteigerte Form von Golconda / Inner Peace.
 
Ich sehe gerade, ich bin noch eine Ausführung schuldig.

Warum Atmosphäre bei uns kein Selbstzweck ist
Natürlich, Atmosphäre ist wichtig, sie trägt in gewisser Weise das Spiel. Sie gibt Stil, Empfindung und Fluss vor. Stimmt die Atmosphäre, verlieren sich die Teilnehmer in der Szene und vergessen vielleicht sogar für eine kurze Zeit, dass sie an einem Tisch sitzen und Chips mampfen. Sie wird von Beschreibungen und einem allgemeinen Spielgefühl erzeugt, das den gemeinsamen Vorstellungsraum von Spielern und Spielleiter synchronisiert. Steht es um diese Synchronisation gut, erreicht man meiner Erfahrung nach Stufen wirklicher Immersion. Atmosphäre kann auch gestört werden, unter anderem durch für einige am Tisch unpassende Dinge, die heraus stechen. Zum Beispiel wenn ein 200 Jahre alter Vampir mit dem geistigen oder verbalen Portfolio eines 15 Jährigen Vorstadtteenies der 90iger durch die Welt hüpft. Es sei denn, er war 15 als er den Kuss erhielt, wir spielen 200 Jahre in der Zukunft oder er spielt bewusst eine Scharade, um etwas zu erreichen.

Zu dieser Atmosphäre gehört ein gemeinsames, grundlegendes Verständnis davon, wie wir uns Vampire vorstellen. Ich halte meinen Spielern keinen Monolog, bevor sie ihre Charaktere machen, ich lasse sie lediglich das GRW lesen (Dark Ages) und lege wert darauf, dass sie die wichtigen Stellen über die Natur, die Flüche und die Geschichte der Vampire behalten. Im Grunde steht da bereits alles drin, was man wissen sollte. Und wie alles andere im Rollenspiel, sind das Richtwerte, keine Fesseln, kein Korsett.

Konzepte und Auslegungen des "Vampirseins" können so verschieden sein, wie M&Ms, dennoch sind sie alle kleine bunte Schokoladendrops mit einem "M" drauf, wenn man versteht, worauf ich hinaus will. Man kann einen Skittle in eine M&M-Schachtel schmuggeln, das fällt vielleicht erstmal nicht auf, beißt man drauf, merkt man allerdings, das irgendwas nicht passt. Die Immersion wird gestört, wo Schokolade sein sollte ist plötzlich saurer Geschmack. Selbst wenn man Skittles mag, hat das da im Augenblick irgendwie nichts zu suchen. Mit anderen Worten: die Erwartungshaltung spielt eine essentielle Rolle.

Das die gedehnt und das mit ihr gespielt wird, steht außer Frage. In einer ernsthaften Runde mit tragischen Charakteren, die in einer lebensfeindlichen Welt zu überleben versuchen, darf es und muss in gewisser Hinsicht auch Witz geben, Charaktere und NSCs, die sich nicht an die Regeln halten, Situationen, die komisch sind, einfach weil man gerade Lust drauf hat. Vampire dürfen sich auch mal besaufen und gröhlend durch die Straßen ziehen, das ändert ja nichts daran, dass sie tragische Wesen sind. Vielleicht fördert das den Eindruck höchstens (viele gröhlende Besoffene sind ja auch oft eher tragische Wesen..).

Die Atmosphäre passt sich bei uns also dynamisch den Vorstellungen und Wünschen der Gruppe an. Es gibt keine allgemeine Agenda, die vorgibt, alles müsse möglichst düster und dunkel, melancholisch und tiefgreifend sein. Wenn es das ist, wollen es die Spieler und der Spielleiter so. Es gibt keine Messlatte, an der sich Situationen zu orientieren haben und es gibt Niemanden der beurteilt, ob in Szene XY nicht vielleicht noch ein wenig mehr Tragik nötig gewesen wäre, oder ob Charakter XY für eine so "düstere" und "ernste" Geschichte nicht unpassend ist. Es gibt nur die Gruppe, die instinktiv entscheidet, ob etwas passt oder nicht. Und es gibt eine gemeinsame Überzeugung, die den Unterbau aller Geschichten mit gemeinsamen Prämissen austattet: Alternative Welt (in der die Horrorvorstellungen der Menschen von Dämonen wahr sind oder wahr werden können); Tragische Helden / Protagonisten; Erkundung noch menschlicher oder schon nicht mehr menschlicher Psyche in einer Raubtiergesellschaft, die sich selbst als größtem Feind gegenübersteht; territoriale und machtpolitische Kämpfe und Auseinandersetzungen.
 
Vampirische Soziologie läßt sich einteilen in drei Bereiche: Vampire untereinander, Vampire und Menschen sowie Vampire und andere übernatürliche Wesen.

Vampire untereinander

Zusammenfassend kann man den Zustand mit: Ein Haifischbecken, von sich still umkreisenden Raubtieren. Wenn eines Schwäche zeigt oder gar blutet, wird es von den anderen zerissen und man geht wieder dazu über das Spiel still weiter zu spielen. Wer ist der nächste?

Das Verhältnis unter ihresgleichen wurde bereits desöfteren von Vampiren selbst als "verflucht" angesehen. Die Älteren können den jüngeren nicht trauen, weil sie sie fressen könnten. Die jüngeren können den Älteren nicht trauen weil sie sie benutzen. Gleichaltrige (oder Generationengleiche) Vampire können einander nicht taruen, da emotionen auf sehr realen, unmittelbaren Manipulationen wie dem Blutsband (Beherrschung oder oder oder) beruhen können oder durch diese von einer Nacht auf die andere radikal verändert werden können. Über jahre gepflegte Bündnisse können sie in einer Nacht auflösen und es ist noch das beste, wenn es nur das ist und nicht ein unterschwelliges Sabotieren der "gemeinsamen" Bemühungen. Selbst wenn man von einer Nacht auf die andere plötzlich einen Schläfer im Team hat kann er wahrhaft lange wirken, bis sich die Hinweise auf Verrat verdichten. Wurde der Vampir X wirklich Opfer eines Gaslecks? Hat man das Versteck eines Gangrel (nur seines Weltlichen Besitzes) tatsächlich beim verlegen eines Kabels im Wald gefunden? Zufälle? Auf den ersten Blick schon

Als wäre das nicht genug, ist es ganz real so, das wirklich alte Vampire sich von den jüngeren ernähren. Es kann also kein wahres Vertrauen unter Vampiren geben.
Die logische Folge wäre im Grunde, seinesgleichen so gut es irgend möglich ist zu meiden. Es gibt aber sachzwänge, die einen kooperationszwang zur Folge haben. Zum einen ist die Chance einem alten Kanibalen in der Gruppe etwas entgegen zu setzen größer, zum anderen kann man in der ersten Zeit (100 Jahre +) alleine kuam etwas an den bestehenden Strukturen ändern. Schließlich muss auich gesagt werden, dass das es aufgrund der vorhandenen Population schlicht schwer ist andere Vampire zu meiden, da sich alle am Futtertrog (Städte) versammeln.

Aus dieser Notwendigkeit, ergeben sich nun die Strukturen des Zusammenlebens. Die Traditionen helfen de Alten, denn seit den Aufständen der Jungen ist deutlich geworden, dass sie zumindest formal einen Platz brauchen. Die Tradition der Maskerade ist aussen vor, den sie steht über allem, fällt sie, so muss die gesamte Existenz neu definiert und geregelt werden.

Die Tradition der Vorstellung in einer Domäne ist existenziell um einen Platz am Futtertrog zu erhalten- und das ohne das jedes Mal ein zwei Vampire einem psychopatischen Revierkampf zu Opfer fallen. Wenn ein Neuankömling die Erlaubnis erhält, in einem Teil der Stadt zu jagen, den sich bereits einige andere ohne besonderen Einfluß teilen, muss man sich nicht über das kurze guturale Knurren des Herrn im Anzug wundern. Alle seine Instinkte wehren sich dagegen, ein weiteres Raubtier in der Nähe des Futters zu dulden.

Die Tradition der Vernichtung knüpft an den Selbsterhaltungstrieb, einem bei Menschen und Vampiren vorhandenen, starken Trieb. Dadurch das der Fürst/Prinz/Anführer eines Gebietes gegenwärtig die Macht hat über die Existenz eines anderen Vampirs zu entscheiden wird sein Wort respektiert. Alle anderen Strafen sind graustufen. Die Raubtiere werden sich nicht gegenseitig umbringen- das ist gut für alle.

Ob Vampire über ihre Domänen frei entscheiden dürfen, hängt letztlich von der Organisation des Fürsten/Obersten der Domäne ab. Ebenso wie viele Auslegungen der Traditionen. Daher kann es sein, dass man im Falle eines Wechsels der Domäne starke Überraschungen erlebt, wie die Tradition der Gastfreundschaft ausgelegt wird.

"Freundschaften" können aufgrund der gegebnen Verhältnisse allermeistens nur in den jungen Jahren eines Vampirs entstehen. Sie verfallen im Laufe der Jahre fast unausweichlich und machen Platz für die neue, die solideste Form des Zusammenlebens unter den Geschöpfen der Nacht: Zweckbündnisse. Aufmerksam beobachtete Partner, von dem keiner der Beteiligten gegenseitig zu viel wissen darf. Zur eigenen als auch zur Sicherheit des anderen. Besser für alle Beteiligten. Bündnisspartner können zuweilen echte sympatie füreinander empfinden, dies ist jedoch nicht die Regel. Zum einen streben solche Empfindungen ab, zum anderen macht es blind für die kleinen Anzeichen. Die kleinen Zeichen von Verrat. Und das kann sehr gefährlich sein.

Zweckbündnisse können viele Formen haben. Manche sind ausgesprochen (wie bei unseren Gruppen) sie können aber auch so diffus sien wie ein niemals ausgesprochener Nicht- Angriffspakt. Eine Art Bündniss des Gegenseitigen Ignorierens. Über jahrzehnte entstanden, nie ausgesprochen und für aussenstehnde kaum zu bemerken.

Die wenigen, wirklich wenigen Freundschaften oder gar Liebesbeziehungen unter Vampiren sind der Stoff aus dem Legenden sind. Die großen Geschichten, von denenen vielleicht der ein oder andere Vampir im Abendgrauen träumt. Träume dieser Yart vergehen jedoch schnell sobald man die diamantharten Blicke hinter dem Lächeln des Elysiums sieht. Blicke, die immer mit einer Spur von Hunger erfüllt sind, Blicke die obschon freundlicher Worte keinen Zweifel daran lassen, dass man ohne die Ordnung des Fürsten, die eigene Stärke oder die Stärke der Bündnisse- den Weg nach Hause wohl nicht schaffen würde. Weil man von dem Wesen im schwarzen Cocktailkleid gejagdt und gefressen würde.

Eine eigenart der Vampire ist das Elysium. Man findet es tatsächlich in sogut wie allen Domänen. Dort kann ein Vampir unter Umständen zeigen was er ist, zumindest ist er unter seinesgeleichen, ein Beürfniss, womöglich noch aus sterblichen Tagen.. Und obschon in manchen Elysien nächtelang, außer Höflichkeitsfloskeln, kein Wort gesprochen wird.

Höflichkeit ist ein besonders Gebot. Womöglich eine Art überkompensation dessen, das man nahe der Oberfläche ein Tier in sich trägt, vielleicht auch ein in der Vergangenheit als erfolgreich erwiesenes Verhalten um genau solche Ausbrüche untereinander zu vermeiden, ist die Höflichkeit absolut selbstverständlich. Selbst ein vollkommen überzeugter Anarch wird sich den Zeitpunkt für die Übertretung der Regeln sehr genau Überlegen, da er dann sofort vom Ort des Geschehens entfernt wird. Man hat für solche Eskapaden oder einen Eklat nur wenig Gelegenheit, da man das Elysium lange Zeit nicht mehr wiedersehen wird.

Wobei ein Anarch, der nach 10 Jahren Abwesenheit durch Verbannung aus dem Elysium wieder vor den Fürsten tritt und sich nicht tief genug verbeugt, womöglich das innere Lächeln eines Ahnen ernten wird, während er laut fluchend für weitere 10 Jahre aus dem Elysium entfernt wird und die Harpieen sich tuschelnd in ein Separee zurück ziehen.

Vampire und Menschen
Auch können Vampire kaum über längere Zeit mit Menschen zusammensein. Sie haben also kaum eine Alternative. Menschen sind sterblich, sie sind Nahrung und sie haben grundlegend andere Bedürfnisse als Vampire.
Wie sollte auch ein Vampir einem menschlichen Freund erklären, was er in der letzten Nacht erlebt hat, als er sich gerade ernähren wollte und plötzlich eine alte Frau um die Ecke kam und begann zu schreien... Er hob die Fänge aus der Wunde des Opfers, worauf sich ein schwall Blut aus den offenen Venen ergoss und die Alte noch mehr schrie..

Wie auch immer der im Beispiel betroffene Vampir diese Situation gelöst hat, das Blut, die häufige Anwendnung von Gewalt, sie es pysischer oder psychischer Natur (z. B. durch Beherrschung) diese Erlebnisse kann ein Vamoiur kaum mit einem Menschen teilen, das doch ein anderer Mensch die Beute war. Die Jagdt auf Menschen, die Erfahrungen dabei, das ist ein Elementarer Bestandteil des vampirischen Daeins, der fast unmöglich mit eben jenen Opfern zu teilen ist.

Solch ein Dialog lädt zum grotesken ein:
Vampir: "Man kann einen Menschen sehr leicht in eine abgelegene Straße locken, indem man leise um Hilfe ruft, damit habe ich ganz gute Jgadterfolge erzielt"
Mensch: "Ja das kann gut sein, darauf reagieren wir stark, hilfsbereitschaft hat uns letztlich gut durch die Evolution gebracht."

Auch viele andere Bedürfnisse und Erfahrungen kann ein Vampir nicht mit einem Menschen teilen. Die Freundschaft mit einem Menschen ist ein Spiel mit dem Feuer, bei dem der Verlierer von vorne herein feststeht. Sich klar zu machen, dass beide niemals auf augenhöhe sein werden, dass ein Vampur so tun kann als wäre es so, was aber immer ein so tzun als ob sein wird, ist ein guter Schritt in Richtung des richtigen Verhältnisses.

Alles andere endet meist dramatisch (und blutig).

Vampire und andere übernatürliche Geschöpfe
Die wenigesten Vampire haben überhaupt Umgang mit anderen Übernatürlichen Geschöpfen. Bei den Garou lautet die einzige Regel: Kontakt unbedingt vermeiden.
Diese beiden Wesensarten sind wie Feuer und Wasser. Die lebendigen, feurigen, impulsiven, gutherzigen, manhcmal auch derben bepelzten Garou, sind Rudeltiere und pflegen einen starken, herzlichen Zusammenhalt.. Auf der anderen Seite die introvertierten, zurückhaltenden, planenden, bis aufs Äusserste Misstrauischen (gerade untereinander) Vampire. Selbst wenn es den Wyrm nicht gäbe (aber es gibt ihn nunmal) wären diese Wesen keine Freunde.

Bei Feen, Magiern und Geistern pflegen die Clans unterschiedliche Vorgehensweisen. Während die Giovanni Geistern eher zugetan sind haben die Kinder Malkavs einen gewissen Bezug zu den Feen. Hier läßt sich aber kein einheitliches Verhalten feststellen. Bis auf die Regel im Umgang mit den Garou.

Allgemein könnte man sagen das das so prekäre verhältnis von Vampiren untereinander sie für den Kontakt zu anderen Rassen verdirbt. Da sie so von Misstrauen zerfressen sind, dass sie kaum wahre Kontakte pflegen können. Wobei auch hier Zweckbündnisse durchaus möglich sind.
 
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