[Klassiker] Gaming and Writing are not the same

Infernal Teddy

mag Caninchen
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Gaming and writing are not the same!


Ein uralter Artikel von Infernal Teddy


Vor langer, langer Zeit, damals als die Schotten und die Engländer einander noch mit Steinen bewarf... was? das tun sie immer noch? Okay, jedenfalls vor langer Zeit schrieb der Teddy noch für sein eigenes kleines Rollenspielblog. Und nicht alles davon war absoluter Schwachsinn. Und da der Teddy nicht möchte das all das Zeug verloren geht, und weil er die Karte nicht fertig bekommen hat für seinen heutigen Pathfinder-Artikel, dachte er, er gräbt mal was altes aus, und lässt euch drauf los. Share and enjoy!

Okay, dieses mal geht's weniger um das Spielen als eher um das Erschaffen.

Ich leite ja nicht nur, ich schreibe auch. Und damit meine ich nicht nur SL-Material. Ich habe hier im Regal hinter mir mehrere Ordner mit Settingmaterialien, sei es irgenwelche Notizen zu längst vergangenen Campaigns, NSCs zu Spielen die ich nicht mehr besitze, oder das "etwas" umfangreiche Fantasy-Setting das ich zum Erscheinen von D&D 3.0 angefangen hatte (Und heute noch am ausarbeiten bin. Da stecken geschichten dahinter...). Außerdem habe ich hier noch Ordner mit Kurzgeschichten, Romananfängen, Gedichten und ähnliches mehr, und da ist auch einiges über die Jahre zusammengekommen.

Überschneidung? Null.

Ich habe keine einzige Geschichte, keine einzige Zeile Fiktion zu meinen Rollenspielen verfaßt. Nix. Nada. Null. Warum? Weil Rollenspiel nunmal nicht Fiction Writing ist. Eine Welt, die sich zum Rollenspielen eignet, eignet sich selten wirklich zum Geschichtenschreiben - und umgekehrt. Ich hab' in Hismar berge von Plothooks, Campaign- und Abenteuerideen verarbeitet, aber die wenigsten davon würden sich wirklich eignen um daraus einen geschichte zu machen. und wenn, dann wären es letztenendes "geschichten", bei denen ich die Anfangslage aufstellen würde, und zugucken würde wo die Spieler damit hingehen, und was sie damit machen. Keine geschichte die ich schreiben würde, sondern eine, die mit den Spielern entstehen würde. Und seien wir doch ehrlich - so toll Rollenspielsessions auch sind, die wenigsten wären als Roman interessant, oder?

Umgekehrt natürlich auch: Klar mag ich Tolkien, Dune oder The Atrocity Archives. Aber in diesen Welten spielen wollen? Nicht wirklich. Ich bin eh ein Tolkien- und Dune-Freak, aber ich wette, sollte ich mal eine Runde in einer dieser Welten ansiedeln hätte ich sofort jemanden an der Backe, der mit traumwandlerischer sicherheit einen Fehler nach dem anderen finden würde, den ich in bezug auf das ursprungsmaterial gemacht hätte. Zumal die wenigsten Romane so geschrieben sind das sie eine vielzahl von Protagonisten tragen. Meist ist es ja doch der eine Protagonist, unterstützt von einigen nebencharakteren, der die Handlung erlebt.

Es gibt auch Romane zu Rollenspielwelten, klar. Manche davon sind auch richtig gut, auch klar. Aber das ist in meinen Augen eher die Ausnahme. Und oft ist es auch ein Problem: die wenigsten Rollenspiel unterstützen tatsächlich die Möglichekiten und Plots, die in den Romanen dargestellt werden. Die D&D-Romane sind zum Beispiel niemals als Rollenspiel umsetzbar - und bei den paar DSA-Romanen die ich vor Jahren gelsen habe ist es auch eher so, das sie eine ähnliche Welt abdecken als die des Rollenspiels, aber niemals die selbe.

Also: Gaming and Writing are NOT the same. Repeat that every night before you go to bed.

Ich gehe jetzt mal noch was für meinem Roman über Feen schreiben. Und ihr könnt euch über eines sicher sein: NICHTS davon wird jemals von mir im Rollenspiel verwendet werden. Versprochen!Den Artikel im Blog lesen
 
Bis zu dem Satz "eher so, dass sie eine ähnliche Welt abdecken als die des Rollenspiels, aber niemals die selbe." wollte ich noch vehement widersprechen und dir erzählen wie falsch du liegst.
Allerdings trifft die Einschränkung genau den Kern.
Es gibt sehr gute Rollenspiele zu Bücher, Serien und manchmal sogar Filmen. Es gibt sehr gute Bücher und manchmal sogar Serien und Filme zu Rollenspielen.
Es gibt natürlich auf beiden Seiten auch sehr schlechte Vertreter.

Aber dein Satz trifft es in beide Richtungen! Es ist nur eine ähnliche Welt.
Also verstehe ich das Problem nicht. Warum nicht Dune oder Tolkien spielen? Wenn man das Ausgangsmaterial nicht immer perfekt behandelt... was solls! Es ist nicht dieselbe Welt nur eine sehr ähnliche, desto weniger Abweichungen man hinkriegt, desto mehr kann man den Zauber einfangen, sicher, aber sobald es in Arbeit ausartet oder die Geschichte behindert. Wen kümmert das schon.
Es ist eben nicht wirklich Dune oder Tolkien sondern nur eine Welt, die möglichst viel davon abfängt.
 
Teddy schrieb:
Also: Gaming and Writing are NOT the same. Repeat that every night before you go to bed.

Ichwürde das so nicht unterschreiben. Für: das selbe Material für Gaming und Writing zu benutzen trifft das sicher zu. Für: Material gleichen Ursprungs für Gaming und Writing zu benutzen nicht.

Das ist ja ein Problem, dessen sich das transmedia storytelling (nein, nicht das White Wolf storytelling) annimmt. Früher gab es Lizenezn und Franchises zu verschiedenen Themenwelten (heute natürlich auch noch). Aber das war einfach der Gedanke möglichst viel aus einer Themenwelt heruaszuholen. Transmedia storytelling sieht das ganzehitlicher und anaylsiert schon vorher, wie die Themenwelt in den verschiedenen Medien angefasst werden muss, damit sie darauf passt.
So wird schon beim Erstellen einer Themenwelt darauf geachtet, dass man sie in verschiedenen Medien so umsetzt, wie sie optimal erzählt werden können. Ein FIlm erzählt sich nunmal eben anders als ein Buch, ein Comic, ein Computerspiel oder ein Brettspiel.

Die Kunst ist es dann die "Geschichte" so zu erzählen, dass sie ein ganzheitliches Gebilde bleibt, die sich in ihren verschiedenen Medieninkarnationen ergänzt und man sie trotzdem auch in ihren Bruchstücken bereits begreift. Ein ständig geteasertes "wollen sie mehr wissen?" soll also zum Begleiter des Kunden werden, um also quasi die perfekte Geschichte zu erzählen wie beim Franchise das Maximum an Kohle aus dem Konsumenten zu ziehen.
 
Ich unterstützte die Grundaussage, aber auch nur die. Um für die Praxis wirklich was Handfestes mitzunehmen, das über "gaming not writing" hinausgeht, müsstest du so einige Punkte weiter ausführen, vor allem die genaue Natur der Synergien, die ja definitiv fruchtbar sein können. Das würde den Text auch etwas relativieren.
So ist es mehr eine nett gemeinte Provokation. ;)
 
Wo liegt der prinzipielle Unterschied zwischen einer Spielrunde in "unserer" Welt (Jetztzeit oder historisch), die zwangsläufig faktisch oft ungenau ist und deren Geschehnisse zwingend von den realen Geschehnissen abweichen müssen, und einer Spielrunde in einer vorgegebenen fiktiven Welt wie Mittelerde oder dem Dune-Universum?

Egal, welche Welt man bespielt - man zweigt sofort und unwiderruflich von ihrer Realität bzw. ihrem Kanon ab. Dessen muss man sich bewusst sein. Die WIRKLICHE Realität einer Spielwelt befindet sich immer ausschließlich im Kopf des Spielleiters. Alle "vorliegenden" Informationen (egal ob Wissen über die reale Welt oder publiziertes Material über die fiktive) können nicht mehr als Anregungen für den Spielleiter darstellen (die er natürlich vernünftigerweise aufgreifen wird, sobald dem keine zwingenden Gründe entgegenstehen). Eine Spielwelt ist eine Spielwelt ist eine Spielwelt, und zwar wirklich immer nur EINE. Zwei Runden bei verschiedenen Spielleitern, oder auch zwei Runden beim selben Spielleiter, welche den selben Plot bespielen, finden per Definition immer in verschiedenen Spielwelten statt, und eine Spielwelt ist niemals gleich einer realen oder fiktiven Welt.
 
Aber in diesen Welten spielen wollen? Nicht wirklich. Ich bin eh ein Tolkien- und Dune-Freak, aber ich wette, sollte ich mal eine Runde in einer dieser Welten ansiedeln hätte ich sofort jemanden an der Backe, der mit traumwandlerischer sicherheit einen Fehler nach dem anderen finden würde, den ich in bezug auf das ursprungsmaterial gemacht hätte.

Ich seh das auch wie die anderes, das darf man nicht so eng sehen. Entenhausen ist auch nicht immer gleich je nach Zeichner & Autor.
Man kann das auch ganz interessant finden, in einer aus Literatur oder Film bereits bekannten Welt zu spielen - die bereits vorhandene Vorstellungswelt, die kleinen Anspielungen, das Entdecken von Bekanntem aus neuer Sicht.
 
Ein Film erzählt sich nunmal eben anders als ein Buch, ein Comic, ein Computerspiel oder ein Brettspiel.
Als jemand, der sich damit im Rahmen der Erzähltheorie auch beschäftigen darf&muss kann ich im Brustton der Überzeugung sagen, dass das komplett falsch ist.
Es IST die gleiche Vorgehensweise, nur ist es so, dass eine schlechte Struktur und mieses Schreiben durch verschiedene mediale Stilmittel bei entsprechend ungebildetem und unwissendem Publikum kaschiert werden kann. Wenn es anders wäre hätten Abrams und Bay kein Publikum.
Aber das ist nur meine persönliche Meinung.

Die "Kultur"-Industrie erzeugt keine Kultur, sondern betreibt nur und letztlich ausschließlich Mimesis ihrer früheren Erzeugnisse, was zu wegbrechenden Märkten führt. Letztlich führt die eigene Unfähigkeit zur Anpassung der Kulturindustrie in ihren Untergang.

Denn wenn sie ein gutes Konzept hätten, würden sie solche Bullshit-Buzzwords wie "transmedia storytelling" nicht bedienen müssen, um ein triviales und banales Konzept als neu und innovativ zu verkaufen.

Das "transmedia storytelling" wird sogar bereits in meinem Exemplar des Martinez/Scheffel erwähnt, und das Buch ist locker zehn Jahre alt, wo bitte soll das innovativ oder neu sein, Skar?
 
Skar schrieb:
Ein Film erzählt sich nunmal eben anders als ein Buch, ein Comic, ein Computerspiel oder ein Brettspiel.
Als jemand, der sich damit im Rahmen der Erzähltheorie auch beschäftigen darf&muss kann ich im Brustton der Überzeugung sagen, dass das komplett falsch ist.
Erzähl mehr davon.

Ich geb in der Zwischen zeit schon mal kleine Beispiele zur unterschiedlichen Herangehensweise von Buch, Comic, Film und Computerspiel.
Im Film läuft die Handlung zweitlich fortlaufend und unaufhaltsam weiter. Du bist zum Betrachter verdammt und dein Geist hechelt der Rezeption hinterher. Deine eigenen Gedanken werden von der fortlaufenden Flut immer wieder überspült
Im Comic dagegen läuft die Handlung auch zwischen den Panels weiter. Du selber füllst die Lücken zwischen den Bildern auf. Auch wirkt der Comic auf eine emotionale Art. Die Figuren und Mimik sind stilisierter und nicht realistisch. Erstaunlicher Weise ist die Identifikation mit stilisierten Grafiken (hier Mimiken) aber größer als bei realistischen,
Im Computerspiel steht (je nach Ausrichtung unterschiedlich) die Interaktion im Vordergund. Die Handlung folgt (zumindest vorgeblich) den Eingaben des Spielers und lässt damit ganz verschiedene Arten von Interaktion zu (Strategie, Geschicklichkeit, Deduktion usw.)
Im Buch kann die Innenschau eines Charakters ein ganz anderes Ausmaß annehmen. Es wirkt über die Charaktere dadurch viel intimer und vertraulicher. Es werden Gedanken und Gefühle en detail geschildert. Das kann in dem Ausmaß kein Schauspieler der Welt so interpretationsfrei rüberbringen und keine Vertonung von Gedanken so vielschichtig vorgeben.

Weitere Unterschiede liegen im Umfang oder in der Art des jeweiligen Medienkonsums. Und insgeamt lassen sich daraus die verschiedensten Schwerpunkte ableiten, wie man eine Geschichte in Abhängigkeit vom Medium erzählt.
 
Ich denke Du hast im Grundsatz recht. Aber es gibt natürlich auch Ausnahmen ;)
Eine davon sind z.B. die Bücher von Steven Erikson die seinen eigenen Angaben nach auf Rollenspielsessions beruhen.

Unzusammenhängende Einzelabenteuer eignen sich natürlich nicht wirklich für einen Roman bzw eine Roman-Serie. Aber eine gut durchstrukturierte Kampagne wäre mMn durchaus auch als Roman denkbar. Meine Gruppe hat da durchaus schon brauchbares geliefert finde ich.
 
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