Gorfangnuk

Honigkuchenwolf

bekennender Lykomane
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23. Februar 2004
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Gorfangnuk betrachtete den Ifirnsstern, der auf seinen Arm fiel, sah zu wie er langsam schmolz und als Tropfen von seinem Arm zu Boden glitt. Schon den ganzen Vormittag überzog Fienjei die Steppe mit ihrem weißen Mantel. Kurz war der Sommer in dieses Jahres, keine Erleichterung brachte er von der Pein Firngrims Er blickte sorgenvoll gen Norden, dort wo Kyrjaka, der Fluch der Wölfe, nun ihr Revier hatte. Sollte sich der ewige Winter etwa immer noch ausbreiten? Er schob den Gedanken beiseite. Es gab eine Aufgabe, der seine volle Aufmerksamkeit gelten musste.

Er sah hinab zu dem Neugeborenen, dass vielleicht gerade mal einen Monat alt war, welches ruhig in seinem Arm schlief. Ob es mitbekam was passieren würde? Die Gesichtszüge des kleinen Mädchen waren entspannt. Er sah wieder in das sanfte Schneetreiben, das die Lichtung und den Steinkreis in dem er saß, langsam in strahlendem Weiß versinken ließ, und den Tannen und Fichten im Wald ein Weißes Kleid bescherte. Er lächelte. Der Bach am Rande der Lichtung trug mittlerweile eine hauchdünne Schicht aus Eis, die Fischotter, Munna wie sein Volk sie nannte, würden wohl mehrere Monde nicht mehr darin schwimmen können.

Gorfangnuk musste an die Mutter des Neugeborenen denken, seine eigene Schwester. Nun ja sie war nicht wirklich seine Schwester, jedenfalls nicht vom Blut. Seine richtige Schwester, Dana mit Namen, starb vor vielen Wintern als er selber noch ein kleiner Junge war. Man fand sie tot im Wald, einen Pfeil im Rücken, Pfeile wie seine Sippe sie nicht benutzte. Pfeile mit Wiederhaken. Pfeile mit denen man Menschen und kein Wild erlegt. Auch wenn man nie die Mörder fand, so war für Gorfangnuk doch seit jeher klar gewesen, das es jene fünf Jänaks waren, die sie am Tage zuvor im Schutze vor der Nacht beherbergten, und die am nächsten Morgen spurlos verschwunden waren. Doch seine jetzige Schwester, Nikaju-lieska wie er sie nannte wenn sie alleine waren, sah Dana verblüffend ähnlich. Er nahm sie vor drei Wintern bei sich auf, als sie allein durch den Wald irrte, losgelöst von den Bräuchen und der Kultur der Ahnen. Er war es der sie langsam wieder zurück führte, ihr wieder eine Sippe gab. Sie sprach nie mit ihm über ihr Leben davor, und wenn er ehrlich war, wollte er es auch gar nicht wissen.

Gorfangnuk spürte schnell wie nah sie aber den Geistern war, und nun lehrte er sie das, was er selber von seinem Vater erzählt bekam, und irgendwann würde sie ihm im Amte folgen. Das Amt des Kasknuk, das er nun selber seit Jahren bekleidet.

Gorfangnuk sah wieder auf das Bündel in seinem Arm, dann wandte er seinen Blick zu den brennenden Scheiten über denen ein kleines Kesselchen hing. Die meisten sahen darin nur ein kleines Feuerchen, er aber sah, das Gesicht in den Flammen, er sah den Kekkääle der auf dem Holz tanzte und seinen Tuuki warm hielt. Der kleine verspielte Feuergeist war einer seiner ältesten und treuesten Gefährten. Seit dem er zum ersten Mal das Nivaleiken betrat kannte er ihn, und nie wieder ist er von seiner Seite gewichen. Gorfangnuk schmunzelte als er sah, wie der Kekkääle versuchte dem Kessel entgegen zu züngeln. Seit er ihn kannte, war es immer das gleiche Spiel wenn er half den Kräutertee zu kochen. Auf das Argument, das er den Tuuki verdampfen würde, hörte er nie, und so stellte Gorfangnuk ihm immer wieder einen Becher mit der dampfenden Flüssigkeit hin, und schaute amüsiert zu, wie die Flamme versuchte ihn zu trinken.

Gorfangnuk spürte eine Bewegung in seinen Armen, seine Nichte war wach, er sah sie lächelnd, schaute ihr in die mandelförmigen Augen, strich ihr über den Kopf, spürte ein leichtes Ziepen als sie eines seiner hüftlangen weißen Haare zu greifen bekam. Vorsichtig löste er ihr kleines Händchen von seinem Haar und legte sie auf den Boden. Frieren würde sie nicht, dafür war sie in ein zu dickes Karenfell eingewickelt. Er nahm zwei Becher aus seinem Ranzen, füllte sie mit dem herrlich duftenden Tee aus dem Kesselchen, und strich auf beide oben eine Schicht des ranzigen Karenschmalzes den er dabei hatte. Er nahm sich einen Becher, setzte sich zurück und bettete das Kleinkind wieder in seinem Arm. Dann wandte er sich dem prasselnden Feuer zu: „Lass ihn dir schmecken“ und machte eine einladende Geste auf den zweiten Becher.

Er sah erneut zu dem Bündel im Arm, das Mädchen schlief bereits wieder. „In ihr fließt das Blut von Wolf und Mensch“ richtete er seine Worte an den Feuergeist ohne aufzublicken. „Es ist so deutlich zu spüren wie nur bei wenigen Kindern so früh nach der Geburt, wir haben von der Kleinen noch viel zu erwarten...“ Er stockte kurz. „Falls sie diesen Winter überlebt“, fügte er dann leiser hinzu.

Er nahm seinen Becher in die freie Hand, pustete den Schmalz an den Becherrand und nahm einen Schluck, stellte den Becher dann wieder ab, und sah der weißen Schicht dabei zu wie sie sich wieder über die gesamte Oberfläche verteilte damit sie wieder die Wärme dämmt.

Gorfangnuks Gedanken schweiften wieder ab. „Oh diese einfältigen Südländer“ dachte er, „die allen ernstes glauben die Nivesen würden den Schmalz mittrinken, und selbst eben genau dieses tun, und das sogar als Zeichen von gehobenen Stand ansehen, Tuuki mit Schmalz zu trinken.“ Er schüttelte leicht den Kopf: „Entweder haben sie einen besseren Magen als wir Nivesen, oder sie sind unglaublich dumm.“ Er tippte eher auf zweites, was ihn leicht schmunzeln lies. Jeder Nivese der versuchen würde den Schmalz mitzutrinken würde an Magenkrämpfen leiden, die ihm der Geist den er mit verschluckt hätte, aus Wut darüber nun im Bauch gefangen zu sein, zufügen würde. Er blickt zu seinem feurigen Begleiter, dessen Becherinhalt sich gerade verdampfend in Himmel erhob. Gorfangnuk spürte wie jedes Mal die Mischung aus Enttäuschung und Wut die sein Freund jetzt fühlen musste.

Dann entsann er sich wieder dessen warum er hier war, und musste erkennen das seine Gedanken sich heute nicht nur mit einer Sache beschäftigen wollten. Er atmete tief durch, schaute zum Himmel. Nun etwas Zeit hätte er noch bis er das Ritual beginnen müsste. Er wog das Mädchen sanft im Arm, er wollte einige der Ahnen rufen, um den Wolfsnamen der kleinen zu bestimmen. Sein Vater hat einst zu Gorfangnuk gesagt, der Wolfsname wäre das was die Nivesen an die Himmelswölfe bindet, und sie von all den anderen Geschöpfen abhebt. Es ist ihr wahrer Name, der beschreibt was sie später sein werden. Der Name ist ein Wegbereiter, ein Richtungspfeil und der intimste Gegenstand den man haben kann, und deshalb wollte er sich mit den Ahnen beraten, denn sie hatten schon immer eine größere Weitsicht als er.

Er nahm seinen Ranzen, legte ihn neben sich nieder, und entnahm ihm mit der freien Hand einige Kräuter, eine Schale und ein Tiegelchen. Mehr würde er diesmal nicht brauchen. Er legte die Kräuter in die Schale und bat den Kekkääle sie zu entzünden. Er war viel offener dafür wenn er vorher einen Tuuki bekam, dachte sich Gorfangnuk und versuchte sich ein grinsen zu verkneifen. Die Kräuter würden ihm erlauben das Mädchen mit auf die Reise zu nehmen.

Er öffnete das Tiegelchen, in dem sich eine blaue Paste sich befand, die er am Abend zuvor noch angerührt hatte. Gorfangnuk tauchte seinen Finger hinein, und malte dann einen Längsstrich auf die Stirn des Mädchens, hinab bis zur Nasenspitze. Das würde den Ahnen den Blick in ihren Geist erleichtern. Kurz sah er zu dem Kesselchen mit Tuuki den er gekocht hatte. Oh ja, auch er hatte seinen Platz im Ritual, denn war er doch als Belohnung für die Ahnen gedacht, die ihn in der Ewiggrünen Ebene nicht mehr gereicht bekamen. Er nahm seine Knochenkeule in die Hand mit der er gerade noch das kleine Mädchen bemalt hatte, blickte kurz über die eingeschnitzten Symbole, und begann sie dann langsam in ruhigem Takt auf den Boden schlagen, was die Keule mit einem Rasseln beantwortete. Das Rasseln würde die Gabetajs anlocken, während die Schläge die Juajok daran hindern würde, sich in das Ritual einzumischen. Allerdings würde er sich deswegen nachher bei diesen mit einem kleinen Opfer entschuldigen müssen, wenn er nicht ihren Zorn auf sich ziehen will. Die Ahnen lockte Gorfangnuk wiederum mit einem monotonen Singsang in dem er sie Direkt ansprach und seine Bitte vortrug.

Als ihm der Rauch der Kräutermischung in die Nase stach, verschwamm kurz alles vor seinen Augen. Das Ritual hatte begonnen.

Er schloss die Augen, und spürte wie sein Geist auf Reisen ging, spürte das Kind weiterhin in seinem Arm. Langsam aber stetig schraubte sich Gorfangnuk gen Himmel, ins Nivaleiken, das Geisterreich, wohin er auch die Ahnen mit dem Singsang bat, kommen sie doch aus der ewig grünen Ebene, dem Totenreich der Nivesen.

Er öffnete wieder die Augen und sah vor sich eine endlose Steppe. Nichts versperrte seinem Blick den Weg, bis an den Rand des Horizonts konnte er Nivaleiken überblicken, und ihm fiel auf, dass auch hier der Winter einzog.

Er wartete. Er wusste die Ahnen würden länger als er brauchen, bis sie hier sind.

Er sah an sich hinab, und lächelte, das Mädchen lag weiterhin in seinem Arm, sie hat ihn begleitet, die erste Hürde war also ohne Schwierigkeiten genommen. Es war meistens schwer jemand anderen hierher zu bringen, dass es so reibungslos funktionierte bestätigte seine Vermutung wie mächtig das Mädchen mal sein würde. Neben ihm stand auch das Kesselchen mit dem Tuuki wie er plötzlich merkte sowie etwas Karenschmalz. Ihm war bewusst dass er nur hier sein konnte, weil er ihn durch einen Feuergeist hat kochen lassen, dessen Geisterkraft damit teilweise auf den würzigen Kräutertee übergegangen ist, denn einfachen Sachen ist der Weg hierher versperrt.

Er sah wieder auf. In der Ferne erkannte er 3 Schemen die sich schnell auf ihn zu bewegten. Die Ahnen kamen in diesem Augenblick an. Gorfangnuk sah wie sie immer näher kamen, so schnell als würden sie mit dem Wind fliegen, trotz all der vielen Male, die er schon hier war, war er immer wieder überrascht wie schnell man sich doch im Nivaleiken fortbewegen konnte.

Mittlerweile erkannte er die drei, es handelte sich bei ihnen um 2 Männer und eine Frau, alle drei kannte er von früher schon, und er wusste das sie wohl zu den weisesten Nivesen gehörten die er jemals kennen gelernt hatte. „Fiänaj“ begrüßte er sie freundlich mit einem Nicken als sie vor ihm standen. Sie erwiderten die Begrüßung in gleicher Form und ließen sich vor ihm nieder. Gorfangnuk setzte sich darauf hin ebenfalls hin, ihnen gegenüber. Er sah noch mal zu dem Kleinkind in seinem Arm, hob dann an zu sprechen: „Vor etwa einem Mond wurde dieses Mädchen, in unserer Sippe geboren, und nun ist es an der Zeit ihr ihren Wolfsnamen zu geben.“ Er sah die anderen an.

„Nika-Lauki“ der alte Mann der links außen saß sprach Gorfangnuk mit seinem Wolfsnamen an, „zwei Winter ist das letzte Neugeborene her, und wir haben uns schon langsam Sorgen um den Fortbestand der Sippe gemacht, um so erfreuter sind wir nun dieses Mädchen in deinen Armen zu sehen, und dass uns die Ehre zu Teil wird ihr ihren Namen zu geben, so wie wir es schon bei deiner Tochter, dir und deinem Vater taten.“ Er sah zu dem kleinen Kind strich ihm über den Kopf. Er schloss kurz die Augen und seine Hand verharrte kurz über dem Blauen Strich auf der Stirn. Dann löste er sie wieder sah Gorfangnuk an, schwieg aber. Der zweite Greis berührte sie kurz an der Stirn, hob dann an zu sprechen. „Sie wird einmal eine schöne und kluge Frau werden.“ Die Frau allerdings sah das Mädchen nur musternd an „Lieska scheint der Kleinen wohlgehwollen gegenüber zu stehen.“ Dann sprach der erste Greis plötzlich: „Sie ist weder Mensch noch Wolf, sie ist beides zugleich und doch keines von beidem. Sie ist ein Wolfskind, und wird dir und deiner Schwester in nichts nach stehen.“ Alle drei lächelten, und auch Gorfangnuk musste schmunzeln.

Er schloss die Augen. „nun, in ihr schlummert große Kraft, und dies sollte ihr Name auch zeigen.“ Er sah sie wieder an: „Was also schlagt ihr vor?“ Wieder ergriff die Frau unter den Ahnen das Wort: „Aus ihrem Mund wird Erkenntnis strömen, sie wird andere Beraten, aber auch ihnen ihre Fehler aufzeigen, sie wird zu einem Gewissen der Sippe werden.“ Sie Stockte kurz, sprach dann weiter: „Nennen wir sie also „fienän-tuunju“, das schöne Gewissen, denn das ist es was sie einst sein wird.“ Sie nickte leicht, sah das Mädchen noch mal an: „ja ich bin mir sicher, dass das ihr Name sein soll.“ Dann sah sie zu ihren beiden Begleitern, die ihr nur schweigend mit einem Nicken zustimmten.

Gorfangnuk sah wieder zu dem Mädchen in seinem Arm und sprach leise „soso, schönes Gewissen ist also dein Name…“ Dann schwieg er und sah Fienän-tuunju einfach nur an „mal sehen was deine Mutter zu dem Namen sagen wird.“ Er grinste kurz als er sich das Gesicht seiner Schwester vorstellte.

Er sah wieder auf, machte mit der Hand eine einladende Bewegung zum Kesselchen und ein kindliches Strahlen breitete sich auf den Gesichtern der Greise aus. „Ich weiß ihr habt schon lange keinen mehr getrunken, so nehmt ihn, als ein Geschenk der Sippe und als Lohn für eure Mühen, es war sicher ein beschwerlicher Weg für euch von der ewig grünen Ebene bis hier her.“

„Oh Nika-lauki, du weißt gar nicht was für eine Freude du uns damit machst, wir nehmen das Geschenk gerne an“ Sprach der Linke der beiden Greise, und hob das Kesselchen an seinem Henkel an. „aber wir werden nun auch gehen, denn unsere Arbeit hier ist getan“ und alle drei drehten sich mit einem Male um, und gingen gemütlich den Weg zurück den sie kamen. Gorfangnuk stand noch eine ganze Weile da, seien Nichte im Arm und sah den dreien dabei zu wie sie schnell immer kleiner wurden und der Horizont sie schließlich verschluckte. Ja das Nivaleiken macht seinem Namen alle Ehre, dachte er kurz, um sich dann auch wieder auf den Heimweg zu begeben. Nikaju-lieska wird wahrscheinlich sehnlichst auf ihre Tochter warten. Er schloss wieder die Augen atmete kontrolliert aus, damit all die Gabetajs die in ihm waren und ihn hergebracht hatten wieder entweichen konnten, und er langsam gen Erde schweben konnte. Er spürte wie sein Körper immer schwerer wurde, und als er die Augen wieder aufschlug saß er auf der kleinen Lichtung im Steinkreis. Er blieb einen Augenblick lang so sitzen, um sicher zu gehen das all seien Sinne wieder in dieser Welt ruhten, bis er aufstand, das Mädchen vorsichtig wieder auf dem Boden legte, und ein neues Ritual begann. Nun war es Zeit die Erdgeister für die Schläge mit der Knochenkeule um Entschuldigung zu bitten.



„Fiänaj“: nivesische Begrüßungsformel

Fienjei: Firngrimm. eine Himmelswölfin herrscht über Schnee, Eis und Tod

Gabetajs: nivesische Luftgeister

Ifirnsstern: Schneeflocke

Jänak: abfällig für Fremde, Menschen aus dem Süden

Juajok: nivesische Erdgeister

Karen: Herdentier das von den Nivesen gehalten wird und deren Lebensgrundlage ist

Kasknuk: nivesicher Schamane

Kekkääle: nivesischer Feuergeist

Kyrjaka: ein Dämon, von den Nivesen als gefallene Himmelswölfin gefürchtet

Lieska: Liska. Himmelswölfin Mittlerin zwischen den Himmelswölfen und den Menschen

Muuna: nivesisch für Fischotter

Nivaleiken: nivesische Geisterwelt

Nivesen: aventursiches Nomadenvolk das überwiegend Im hohen Norden anzutreffen ist

Tuuki: nivesischer Kräutertee mit ranzigem Karenschmalz

 
Hi Kevin,

deine Geschichte gefällt mir echt gut.
Schade das du sie nicht einschickst.Würde sie gern mal an die angeber in einem anderen Forum geben.
:banane:

Na ja freue mich mehr von dir zu lesen

Gruß janet
 
hmm? kennt man sich? dein Posting wirkt so ob wir schon mal das Vergnügen gehabt haben...

Welches Forum meinst du denn, das die Geschichte den dortigen Angebern gezeigt werden müsste und aus welchem Grund?

HoKuWo *irritiert*
 
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