Für Vicente - Manche Samstagnacht, ist denkwürdig

Kiera McKinney

Die Dunkle Macht
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24. Mai 2007
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Die alte, schon lange nicht mehr öffentliche Bibliothek in Burgh war schon an normalen Tagen kein Ort, an den man gerne ging, doch in manchen Samstagnächten, wirkte sie noch unheimlicher, obwohl durch die Fenster Licht zu sehen war und die Tür aufstand.

Vielleicht waren es die Trommeln und die fremden Worte, die zu hören waren, die nur bestimmte Menschen anlockten, vielleicht war es auch die Tatsache, daß man hier das Gefühl hatte, in eine Welt einzubrechen, von der die normalen - vorallem auch die gutgläubigen - Leute nichts wissen wollten.

Der Vollmond beschien das Gebäude und es schien, als würden irgendwelche Schatten im Mondlicht tanzen.
 
Der Blick des Italiener glitt an den tanzenden Schatten entlang hin zum Gebäude.
Ein leiser Singsang, der Rythmus der Trommeln klang an sein Ohr, kündigte davon das er zur rechten Zeit gekommen war. Vielleicht auch zu spät?
Er verwarf den Gedanken wieder, zumindest seine südamerikanischen Geschwister hatten ein anderes Verständnis von Zeit als die deutsche Pünktlichkeit vorgab.

Ein kurzer Griff zum schwarzen Fedora Hut mit roten Band sowie kleiner Feder. Nicht allzu auffällig aber legerer als normal.
Der Anzug den er trug war leicht, modern ein einfacherer schwarzer Zweiteiler den er mit einem hellen Hemd und einer roten Krawatte kombinierte.
Die Jacke hielt er locker aufgeschlagen blickte sich kurz um Fiora war unweit von ihm, blieb an seiner Seite und wirkte sichtlich nervös.
Ihr Meister hatte zwar versichert das es zu ihrem besten war, etwas Entspannung und eine kleine Belohnung für ihre Dienste dennoch war es eher ungewöhnlich. Normalerweise nahm er eher Nicolo zur Belohnung mit, zu Dingen an die sie nicht denken mochte. Das Verhalten viel doch aus dem gewohnten Muster, vielleicht plante er etwas und wenn ja war es selten gut.

Vicente der nach außen ihn fast wie ein Malandro wirkte sah man von der Hautfarbe sowie der Blässe ab hatte tatsächlich nur den Plan gefasst der Messe beizuwohnen.
Er hatte versucht sich etwas anzupassen, war jedoch nicht vollendens sicher ob es genug war. Ob ihn nicht der ein oder andere in Feierlichkeiten zu nahe kam, ob das Leben nicht weit mehr geschätzt würde als ihm der sich dem Tod verschrieb recht sein konnte. Letztlich würde er es wohl herausfinden. Ein kleines, schmallippiges Lächeln an den Gedanken an den Tod, selbst wenn es der eigene war. Dann schritt er voran. "Komm?" meinte er freundlich, scheinbar gutgelaunt zu Fiora.

Schritt durch die tanzenden Schatten und in die offene Tür hinein. Die Hand glitt zum brasilianischen Rum in der Tasche, es gehörte sich schließlich nicht ohne Geschenk zu kommen.
 
Vicente musste einen weiten Weg zurücklegen vorbei an vielen Reihen Büchern und während er das tat, wurden die Trommeln und auch der Gesang lauter und wilder. Ungefähr 2 Dutzend Menschen tanzten um eine Art Stele herum, die mit bunten Tüchern und verschiedenen anderen Dingen verziert war. Am Boden um die Stele herum waren verschieden Körbe mit Lebensmitteln aufgestellt und mehrer Krüge mit Flüssigkeiten. In mehren Feuerschalen loderte lustig die Flamen und fast schien es, als würden auch diese sich im Takt der Trommeln bewegen, innerhalb eines Kreises aus etwas, was wie Asche aussah befand sich Kiera. Auch sie bewegte sich im Takt der Trommeln, auch sie trug ein weites, weisses Gewand, das war das Zeichen, derer die zum Zirkel gehörten.

Im Halbdunkel konnte Vicente erkennen, dass außer dem Kreis noch andere Zeichen auf den Boden gestreut waren und an der Seite hingen ein einer Kleiderstange verschiedene Kleidungsstücke und andere Dinge.

Außer den Gläubigen konnte der Nekromant noch einige Geister erkennen, Magoo und Akin, die sich mitten unter den Gläubigen befanden und einige, die auf den Regalen sassen.

Kiera nahm einen der Krüge und verschüttete daraus Wasser aus, das sich in den Rillen zwischen den Fliesen sammelte.

Magoo und Akin kamen zu Fiora und streckten ihr ihre Hände entgegen, um sie mit in ihren Tanz aufzunehmen.

Ich könnte weiter erzählen, aber Vicente kommt in der Aufmachung eines Mannes, der sich als Cheval anbietet. Die Frage ist, weiss er das?
 
Der Italiener nahm sich die Zeit nicht zu hasten, zu sehr faszinierten in die Regale, die Bücher und das Wissen das sich in diesen verbarg. Die Aufmerksamkeit glitt an den Buchrücken entlang, den Klang der Trommeln entgegen. Buchtitel, Wörter, Zeichen wurden aufgenommen, die Versuchung stehen zu bleiben wuchs mit dem was er sah dennoch widerstand der Nekromant und ließ sich von den Trommeln leiten.

Als sich die Versammlung zu erkennen gab stockte er kurz, hielt ein. Es waren für seine Maßstäbe erstaunlich viele Menschen und er gedachte nicht sie durch ein rüdes auftreten und ihre seine Präsenz zu schrecken, von den Riten abzuhalten. Er bemerkte, glaubte zu fühlen das die Geister auf ihn zu kamen und sah aus dem Augenwinkel wie Fiora enthusiastisch zu Akin blickte einige Schritte auf den Geister zu machte nur um sich kurz nochmal zu Vicente umzusehen. Ein Nicken, eine offene Geste hin zur Tanzfläche verbunden mit einem der wenigen Lächeln des Bestatter bedeuteten der Italienerin das sie frei war, zumindest für den Abend, für den Tanz.

Die Geister würden voran gehen dann würde sich Vicente anschicken ihnen zu folgen. Ein kurzer Griff zum Revers, der jedoch mehr vergeblich versuchte dem ungewohnt offen getragenen Anzug halt zu verschaffen dann glitten die Hände runter in die Taschen. Er versuchte sich im halbdunkel zu orientieren, suchte kurz und hielt dann schließlich auf den Altar zu. Er beförderte die mitgebrachte Rum Flasche heraus, nahm einen kräftigen Schluck und stellte es schließlich zu den weiteren Gaben bei. Kurz unterdrückte er den Impuls sich zu bekreuzigen und wandte sich um.

Er schritt wieder näher an die Gemeinde heran, beobachtete Keira und versuchte instinktiv die Zeichen zu entziffern.
Vicente versuchte nach besten vermögen zu erfassen was geschah, sein Verhalten anzupassen. Man hatte ihn gelehrt stets nach der Logik zu handeln, nicht nach Emotionen.
Dennoch hatte er die Kleiderwahl durchaus bewusst getroffen, wusste um die Bedeutung und war von nahezu morbider Neugier erfasst.
Selbst wenn er es vermeiden konnte emotional zu werden, es würde wohl bedeuten ein Stück Kontrolle abzugeben. Wenn es tatsächlich echt war.
 
Akin und Magoo nahmen Fiora mit und schon bald tanzte sie zwischen den Menschen und anderen Geistern, die sich hier versammelt hatten. Die Musik hatte eine unheimlich sinnliche Wirkung auf die Wraith, die das nicht kannte und ihre Füsse fanden automatisch die richtigen Schritte und Bewegungen. Für die Italienerin, die in den letzten Jahrzehnten kaum eine Chance hatte, alle Sorgen loszulassen eine ganz besondere Erfahrung.

Die Gemeinde, alle außer Kiera Menschen, nahmen zwar Vicentes Aura auf, aber sie machten ihm trotzdem Platz, dass er mit in den Kreis konnte und auch mittanzen. Er konnte sich erinnern, dass er etwas in der Art schon mal vor Jahren in New Orleans gesehen hatte, dort war es eine schwarze Frau gewesen, die in einer Samstag Nacht ein zumindest ähnliches Ritual abgehalten hatte. Auch diese hatte Zeichen auf den Boden verstreut und dann mit ausschütten von Wasser die Geister aus ihrem Unterwasser-Reich gerufen.

Kiera schien sich in einer leichten Trance zu befinden, so als habe sie gerade Kontakt mit dem Jenseits und vermutlich entsprach das auch der Wirklichkeit, dann nahm sie einen Reissigbesen und entfernte einen Teil des inneren Kreises und blieb mit vor der Brust verkreuzten Armen stehen. Die Trommeln verstummten und die Stille die eintrat als jeder an gerade dem Ort stehenblieb und in der Haltung verharrte, die er gerade hatte. Einige der Geister verschwanden in der Stele, die einen besonderen Namen hatte, der Vicente aber vermutlich gerade nicht einfiel.

Es mochte vielleicht 10 Herzschläge dauern, bis aus der Stele nacheinander 3 Gestalten hervor traten, eine hellhäutige Frau mit rotem, flammend wirkenden Haar in schwarz-violetter Südstaatenkleidung und danach 2 schwarze Männer in Frack und Zylinder, sie waren eindeutig Geister, aber in einer Intensität, wie sie der Nekromant nie zuvor gespürt hatte. Sollte Vicente zu seinen Nachbarn sehen, so würde er erkennen, dass diese die Loa zwar nicht sehen, aber wohl spüren konnte. Die beiden Männer traten zu 2 der Gläubigen und berührten diese leicht am Arm, um auf ein Nicken dann in deren Körper zu schlüpfen, worauf die Betroffenen erstmal zu Boden stürzten.

Die anderen eilten zu ihnen und halfen ihnen auf um mit ihnen zu den Kleidern zu gehen, die da aufgehängt waren. Der Gang und auch der Gesichtsausdruck der beiden Männer, die nun als Cheval für die Loa dienten hatte sich vollkommen verändert.

Dann waren da nur noch die Loa-Frau, Kiera und Vicente. Selbst die Geister hatten Platz gemacht und Akin und Magoo hatten Fiora zu einem Platz oben auf einem der Regale gebracht, wo sie alles bestens im Griff hatte.

Der Geist schien fester zu werden. Sie blickte Kiera mit einem Lächeln an und nickte ihr zu, bevor sie vor Vicente stehenblieb.
"Du bist für mich?!" Es war eine Mischung aus Feststellung und Frage und obwohl sie deutsch sprach, war da ein Beiton, den der Italiener schon bei Helena bemerkt hatte, wenn sie sich aufregt, als wäre es ein Rest von Gälisch.
 
Fiora nahm die Wirkung der Musik mit allen Sinnen auf, spürte sie, fühlte sie. Wie geführt fanden die Füsse den richtigen Schritt, wogte sich der Körper zum Musik. Ihr Gesichtsausdruck war hell unbeschwert während für den Tanz, beim Rythmus die Sorgen abblätterten. Sie fühlte sich frei, jung, lebend stand unter dem Eindruck wieder die Farben zu sehen. Schmecken, riechen zu können. Sie gab sich ganz dem Gefühl und dem Tanz hin war in dem Moment und darüber hinaus unbeschwert wie sie sich zwischen den Menschen bewegte, mit den beiden Loa feierte und darüberhinaus nichts wahrnahm das sie hätte an das Leid erinnern können.

Vicente bewegte sich zurückhaltend, fast schüchtern unter den Menschen die anders reagierten als er es gewohnt war. Der erste Impuls des Nekromanten war am Rande stehen zu bleiben, unbewegt das zeremoniell zu betrachten, sich vielleicht hinzusetzen und zu studieren. Doch dafür war er nicht gekleidet, dafür war er nicht gekommen und letztlich wäre es eine feige Handlung, würde er sich dem Studium entziehen.

So schritt er neben die Menschen, nahm die Erinnerungen auf. An die Stadt in den Sümpfen, die Gerüche New Orleans, die Gebräuche. Dem Ritual das er bei gewohnt hatte. Er passte den rechten Takt ab, setzte dann an. Ein Schritt, eine Geste, zweiter und dritter Schritt. Halbdrehung. Bedacht darauf das können umzusetzen, mit den anderen Anwesenden zu interagieren setzte der Bestatter zum Tanz an. Eine recht eigene Form, ein wortwörtlicher Totentanz, ebenso konzentriert wie kraftvoll jedoch bar der Emotion welche die Lebenden und die wahren Toten auszeichnete.

Mit dem verklingen der Trommelschläge hielt er ein. Hielt die Haltung für einen deutlichen Moment bis die Neugiere, der Durst nach Wissen ob siegte und er den Kopf umwand um zu sehen was stattfand.
Der Blick führte an Keira vorbei und folgte den Loa welche sich den Gläubigen zu wandten. Die kleine Geste, wie sie nahmen was angeboten wurde.
Die Keira blieb natürlich ebenso wie die weibliche Loa die sich ihm zu wandte.

Vicente betrachtete sie direkt, wie von einem Blitz getroffen in ihren Bann geschlagen. Es mochte am Tanz liegen, der ungewohnten Anstrengung das er so spät begriff wer sich dort auf ihn zu bewegte. Für einen kurzen Moment nur zögerte er. Eine so mächtige Loa, das abgeben der Kontrolle. Der Gedanke war jedoch schnell verdrängt. Er hatte sich bewusst gekleidet, herbegeben und es war eine Ehre.
"Ja, das bin ich. Mutter." entgegnete er gleichfalls auf deutsch jedoch von einem stärkeren italienischen Akzent geprägt als für den Bestatter üblich.
Vicente beschloß die Worte mit einem Nicken wie die Menschen vor ihm.

Fiora hatte das geschehen enthusiastisch mitverfolgt und lies sich von Akin zu dem Regal führen. Es fühlte sich nach Sicherheit an während sie unten die Leute betrachtete.
Die Wraith wirkte immernoch entspannt während sie beobachtete wie Brigitte sich ihrem Cheval zu wandte. Schien zumindest für den Moment zurück gedrängt zu haben wer der Mann war.
 
Mama Brigitte lächelte Vicente aufmunternd an, berührte seinen Arm und glitt dann in seinen Körper, begann diesen auszufüllen und dann wurde sein Bewußtsein zurückgedrängt, für einen Augenblick sogar soweit, dass es um ihn dunkel wurde, doch dann schien sich die Loa darauf zu besinnen, dass es für den Nekromanten bestimmt viel interessanter war, wenn sie ihn dann mit schauen ließ, was denn nun geschah. Er spürte wie alle Körperfunktionen, die seid so langer Zeit nicht mehr in Gang gewesen waren wieder ansprangen, er konnte allerdings selbst nicht darüber verfügen.

Allerdings übernahm sie vollkommen seine Mimik und seine Bewegung und kaum war sie ihn seinem Körper, eilten einige der anderen herbei und brachten die richtige Kleidung für die Loa mit. Eine rote lange Lockenperücke und ein schwarz-violettes Kleid und am Schluß reichte ihr Kiera Brille, Gehstock und Zylinder.

Als sie die Brille aufsetze, wunderte sich Vicente zuerst, warum ein Glas dunkel war, doch als sie einige Worte in einer unbekannten Sprache äußerte änderte sich das Bild und zwei Bilder schoben sich übereinander. Einmal das Bild der Bibliothek und auf der anderen Seite eine Landschaft, die aussah, wie er New Orleans kannte. Wenn er geistig ein Auge schloss, konnte er sogar erkennen, dass es irgendwie wirkte, als wäre da kein Himmel, sondern Wasser.

Die beiden anderen Loa gesellten sich zu ihr und eine der Frauen aus der Gruppe der Gläubigen trat hervor und bat für ihre totkranke Mutter für die Erlösung. Vor dem geistigen Auge betrachtete sich die Loa anscheinend das Leben der Frau und auch Vicente konnte es betrachten, schließlich entschied die Totengöttin, dass sie sich der Seele annehmen würde.

Mit einem Tippen an den Zylinder wurde es dunkel und sie befanden sich in dem Krankenzimmer der Mutter, einer Frau von über 80 Jahren, die zerbrechlich und schweratmend im Bett lag. An ihrer Seite waren nur noch die beiden Barone, die Tochter und Kiera. Anstatt die Anderen Menschen, tanzten einige Ghede um das Bett herum und außer Akin und Magoo war auch Fiora dabei und schaute mit grossen Augen zu.

Brigitte wies Kiera an, den weltlichen Teil zu übernehmen, der aus Gebeten, Ritualen und verschiedenen Räucherungen bestand. Nach Vicentes Meinung war die Frau noch garnicht soweit, was das Sterben anging, er hätte ihr noch gut und gerne 2 Tage gegeben und er vermisste die Angst, die er sonst immer bemerkt hatte. Eine endlose Ruhe breitete sich aus, vorallem dann als sich die Seele vom Körper löste und dann daneben stand, nun als junge Frau, mit einem Lächeln, die vor Brigitte auf die Knie sank.

Die Loa bedankte sich bei Kiera und deren Geistern für die Assistenz, dann reichte sie der Frischverstorbenen die Hand und stipte mit dem Gehstock auf den Boden, worauf sich eine Art Portal auftat, das irgendwie an das berühmte weisse Licht erinnerte.

Aus dem Augenwinkel bemerkte die Loa wie Fiora mit Akin flüsterte und irgendwie wie ein Kind im Süssigkeitsladen wirkte. Konnte er da wirklich widerstehen? Natürlich nicht, also würde erwohl mit ihr doch mit durchs Portal gehen.

Der Weg führte über einen leuchtenden Weg zu einer Art Insel. Diese Insel mitten in einem Sturm, es wirkte als wäre man im Auge eines Orkans, der drohte über einem hereinzubrechen.

Während Akin und Mama Brigitte wie Felsen in der Brandung standen, war nun doch Angst zu spüren, sowohl bei Fiora, die sich an Akin klammerte, hatte sie doch in den Schattenlanden erlebt, wie Wraith einfach mitgerissen wurden und nie wieder zurückkehrten.

"Agwe, komm zu mir", donnerte die Stimme von Mama Brigitte über den Sturm.

Dann begannen die begleitenden Ghede zu singen, vom Leben nach dem Tod von Frieden und Wiedergeburt, von den Wellen und dem Glück, das in Ginen auf die Toten wartete. Während der Gesang immer lauter und eindringender wurde, begann sich die Seele der Frau zu teilen und einer der Teile, der heller und strahlender war, begann sich auf zulösen und in der Mitte der Insel tat sich ein Strudel auf, zu dem sich dieser Teil hinbewegte und dann dort verschwand.

Es schien lange zu dauern, dann tauchte am Ufer ein U-Boot auf, das entfernt an die Darstellungen aus alten Filmen erinnerte, in der Ferne schien ein Segelschiff vorbeizuziehen, aber vielleicht war es auch nur eine Illusion.

Als sich die Luke öffnete, küsste Brigitte den übriggeblieben Teil der Seele, der dann mit den begleitenden Seelen einstieg und das U-Boot dann wieder in den Tiefen verschwand.

"Ich denke, du hast viele Fragen?" meinte Brigitte und Vicente merkte, dass sie ihn wieder freigelassen hatte und er wieder als er selbst neben der Loa stand.
 
Vicente spürte die Berührung, das eindringen und wie er für einen Moment zurück gedrängt wurde. Er versuchte dagegen anzukämpfen, dennoch fühle er sich wie ein Brett das einen reißenden Fluss hinab gerissen wurde.
Schwärze. Das Gefühl des 'Nicht Sein'. Als er zurück kehrte toste es in seinem Verstand. Sein Körper, sein Leichnam fühlte sich anders an, falsch. Es brauchte einen Augenblick bis der Nekromant erfasste was geschah. Leben. Reflexartig versuchte er das Ruder herumzureißen, merkte jedoch das er keine Kontrolle hatte.

Langsam, während sich Brigitte einkleiden ließ, während sie die Sachen an seinen Körper legte fasste sich der Italiener wieder. Verarbeitete die ungewohnten Gefühle, die Lebendigkeit die er weiter hinter sich gelassen hatte als andere Vampire. Beruhigte sich in dem er sich darauf besann das er weiterhin kein Mensch war. Auch wenn es für den Augenblick anders wirken mochte.

Er spürte die Bewegungen, wie die Loa Mimik, Gestik.. den gesamten Körper beherrschte und beschloss zu beobachten.
Die Brille war faszinierend, das dunkle Glas erinnerte Vicente an die rauchigen Spiegel, die Gläser die er selbst aus Obsidian herstellte. Ritualformeln wurden gesprochen und die Welt änderte sich, zeigte eine andere Ebene. Fasziniert betrachtete er im Rahmen seiner Möglichkeiten die Bibliothek, versuchte mehr von der Landschaft zu erfassen während er der Bittstellung lauschte.

Die Szenarie wechselte dramatisch. Er fragte sich für einen Augenblick ob sie tatsächlich den Ort gewechselt haben, richtete dann jedoch den Blick auf die Anwesenden. Keira, die beiden Loa sowie Fiora und auch die Gheden. Er richtete die Aufmerksamkeit auf die Frau, die noch nicht gestorben war, wohl noch Zeit hatte. Konzentriert beobachtete er die Rituale, Gebete und Räucherungen. Wie sich die Frau vor ihrer eigentlich Zeit löste, wie sie starb. Fragen kamen auf. In wie weit es tatsächlich freiwillig war, wie weit es wahrhaftig sein mochte, wie häufig es vorkam, ob es möglich war so zu stehlen, in wie weit es mit dem Glauben verbunden war sowie einige mehr.

Das leuchtende Portal, sein Blick ging zu Fiora, ob sie wieder mit ihm zurück kehren würde. Die Machtlosigkeit im eigenen Körper war bedrückend. Der Drang da Kontrolle zu haben.
Er betrachtete wie er, beziehungsweise Mama Brigitte den Weg entlang schritt, wie sich Fiora an Akin klammerte. Überlegte ob es tatsächlich sein konnten das sie in einen Maelstrom drangen, ob um sie herum der Tempest war. Wenn dem so war, war Fioras Angst berechtigt und selbst dem Nekromanten war es mulmig. Eine Folge der Lebendigkeit seines Körpers? Bedauerlicherweise musste er feststellen das es wohl mehr eine Emotion war.

Er hörte die Stimme der Mutter über den Sturm hinweg donnern. Den Namen hatte er schon einmal gehört, nicht in dem Kontext, aber es machte Sinn. Sie rief nach einer weiteren Loa.
Interessiert betrachtete er wie sich die Seele der Frau teilte, wie Stücke davon im Strudel aufgingen, mitgerissen wurden. Fasziniert wie schließlich das das Unterwasserboot anlegte.
Fragen formten sich, in wie weit Agwe dann doch oder nicht Charon entsprach. Ob die Seele nicht ein ähnliches Schicksal erleiden würde. Hatte doch seine Recherche ergeben das es die Wraith welche den Fährmann vertrauten nicht die versprochene Erlösung erwartete. Die Überreste der Seele wurden verabschiedet und sie wurde mit Geleit in das Boot geführt. Der Blick fasste nahezu sehnsüchtig dem U-Boot nach wie es in die Tiefe glitt.

Ein Moment verstrich. Die Worte klangen an seinen Verstand und Vicente realisierte das er angesprochen wurde.
Kurz darauf forderte der Körper Luft, blinzeln und schickte ein wahres Feuerwerk der Reize welche den Lebenden zu eigen waren los. Der Nekromant war wieder er selbst, stellte jedoch fest das er lebte. Zumindest für jetzt. Ein Husten, das einziehen der Luft. Atmen das nicht nur der Maskerade und dem Betrug diente.

"Ja. In der Tat." brachte er als erstes hervor während er einen Fokus suchte. Die Haltung straffte und die Mimik die gewohnte Form annahm.
Er sog den Geruch des Ortes ein, versuchte ihn zuordnen, aus einem Gefühl des Durst heraus fuhr er sich kurz über die Lippen, bemerkte das sie rau waren, eher trocken versuchte die Luft zu schmecken. Den Drang in den Sturm zu greifen oder den Untergrund zu ertasten widerstand er. Er schürzte die Lippen und überlegte sich wo er anfangen sollte. Natürlich war seine potentielle Sterblichkeit ein Problem und Fragen wert, dennoch wohl mitnicht das dringendste oder interessanteste.

"Ich wüsste zu gerne wo wir und befinden. Ob es innerhalb der Schattenlande ist oder an einem anderen Ort ist." Er deutete in Richtung des weiterhin tosenden Sturm und der See.
"Was es ist das ich hier sehen darf. Ebenso natürlich was mit der Seele geschehen ist. Mir fiel auf das es etwas,.. vor der Zeit der Frau war und das sich ihre Seele teilte." Der Nekromant überlegte.
"Ich frage mich auch wo Agwes Boot hinführt, zu welchen Ufern und wer mit ihr Reisen kann. Ob es möglich ist sie zu begleiten, wie es um die Rückkehr bestellt ist. Auch ob die Gheden sie begleiten."
Er bot ein schmales Lächeln an. "Es sind noch nicht alle Fragen, aber ich mag nach eurem Geschenk nicht unhöflich erscheinen." Tatsächlich hatte es einiges an Selbstbeherrschung gebraucht die Fragen ordentlich zu formulieren und nicht wie ein Kind in der Entdeckerphase mit knappen Worten stakkatohaft loszuschießen.
 
Mama Brigitte sah Vicente an, ein Lächeln und ein Kopfschütteln. "Wo habe ich nur meine Gedanken, lasse ich euch hier ungeschützt stehen", sagte sie und stippte den Gestock auf, wo durch eine Tür erschien und sich auftat. "Kommt doch mit, sie müssen doch hungrig und durstig sein, nach der Aktion."

Sie ging hindurch und wartete bis Vicente folgte und als dann auch Fiora und Akin durch waren, schloss die die Tür. Dahinter befand sich ein Südstaatensalon komplett mit bequemen Sofas und Sesseln und einem Kamin, in dem ein Feuer brannte. Ein Mädchen brachte Getränke und Häppchen.

Sie setzte sich und nahm sich eines der Gläser.

"Das eben war eine Insel im Mahlstrom, die geschützt wird, damit die Seelen der Menschen von da aus ihre Reise in das antreten können, was man das Jenseits nennt und davon gibt es nicht wenige. Alles Welten, die aus den Gedanken und Wünschen der Menschen im Zusammenhang mit ihrem Glauben und ihren Göttern entstanden sind", begann sie, nachdem sich auch Vicente gesetzt hatte. "Das was du Schattenlande nennst, ist allerdings auch etwas, was durch die Menschen geformt wurde, man könnte es am besten mit dem Fegefeuer vergleichen und früher war es nur zur Aufbewahrung von Dingen gedacht, das sie Menschen nicht mehr brauchten, aber das ist lange her, das war in der Zeit als die Menschen noch nicht sterblich waren, danach war es lange Zeit wirklich eine Art Hafen von dem aus die Seelen der Menschen weitergingen, doch im Laufe der Zeit haben sich die Menschen verändert, die Engel, die dafür verantwortlich waren, haben die Schattenlande verlassen und sie wurden zudem, was du kennst. Einem düsteren Ort, in dem die Seelen, die es nicht geschafft haben verharren und um ihr Dasein kämpfen, immer mit der Hoffnung auf Erlösung, die aber meistens nicht kommt."

Sie machte eine Pause.

"Der Tempest ist übrigens nicht nur bösartig sondern auch unbedingt notwendig, wenn er auch nicht so wild sein müsste, denn aus ihm werden die neuen Seelen geboren, die die Menschen brauchen. Die Seele des Menschen besteht von Natur aus, aus 2 Teilen, die nach dem Tod getrennt werden müssen, wenn die Seele irgendwann wiedergeboren werden soll. Der Grand-bon-ange, der die Lebensenergie ist, den Menschen am Leben erhält und den Petit-bon-ange, der als Schutzengel oder auch als moralische Instanz, dem was den Menschen ausmacht, gilt. Nach dem Tod, werden beide Teile von einander getrennt und der Grand-bon-ange kehrt zurück zum Gran Met - dem grossen Ganzen zurück um dann irgendwann mit einem neuen Petit-bon-ange wiedergeboren zu werden und das ist es, was du beobachtet hast. Wenn also das Gleichgewicht nicht gestört wird, ist das Individuum in der Tat unsterblich. Der Petit-bon-ange ist mit mit Agwe nach Ginen oder Guinee gereist um dort mit den Ahnen weiter zu leben, solange er mag.

Es können rein theorethisch alle Wesen mit Agwe auf die Reise gehen oder andere Wege benutzen, aber nicht alle können wieder zurück und andere müssen wieder zurück, bevor eine gewisse Zeit verstreicht. Nach Ablauf von mindestens einem Jahr und einem Tag, könnte die Frau als Schutzengel wieder auf die Erde zurückkehren. Die Ghede und auch ich, sind Menschen, die sterblich waren und gestorben sind, danach wurden die Teile der Seele miteinander verschmolzen, so dass wir unsterblich sind, aber weder tot noch lebendig, also auch Untote, aber in einer höheren Form wie ein Vampir.
Wenn die Frau angekommen ist, kehren die Ghede wieder zurück in die Welt und kümmern sich um andere Seelen, ich oder mein Mann werden nur gebraucht, wenn ein Tod schwierig ist, wenn einer normal und friedlich stirbt, dann kann die Seele einfach von einem der Ghede mitgenommen werden."

Für den Nekromanten waren das bestimmt interessante Informationen.
 
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