Rezension Freelancer Hexxagon

Taysal

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Freelancer Hexxagon


Grundregelwerk


Aus dem Hause Ulisses stammt „Freelancer Hexxagon“, eine Kampagne zum deutschen Rollenspiel „Freelancer“ aus der Feder von Christian Lonsing. Dabei spricht „Freelancer“ die Liebhaber japanischer Zeichentrick- und Actionserien an. Denn, ähnlich wie in diesen Serien, können sich die Charaktere in mächtige Streiter des Guten verwandeln und sich so finsteren Schurken entgegenstellen.

„Freelancer Hexxagon“ ist nun die erste sogenannte Staffel des Spiels, eine Kampagne zum Rollenspiel, dessen Regeln im Buch enthalten sind. Somit bekommt der Spieler sofort alles was er braucht, um loszulegen. Christian Lonsing erhebt dabei den Anspruch ein einsteigerfreundliches und leicht zu erlernendes Spiel geschaffen zu haben. Eine Fehleinschätzung des Autoren, der ambitioniert an sein Werk herangeht.

Der erste Teil des Buch widmet sich den Spielregeln. Dazu gehört unter anderem die Charaktererschaffung, die ziemlich komplex ist. Zwar gibt es eine Schritt-für-Schritt-Anleitung, dennoch werden die Zusammenhänge erst nach mehrmaligem lesen erkennbar. Die vielen Zahlen können auch leicht verwirren. „Einfach“ sieht anders aus.

Das schlägt sich dann auch in dem restlichen Regelwerk nieder, dass kein einheitliches System besitzt und seinem eigenen Anspruch nur wenig gerecht wird. So gibt es sehr viele Zusatzregeln, Schadenszustände und unnötig aufgesplittete Fertigkeiten. Zwar basiert „Freelancer“ auf einem W20-System das mit Mindestwürfen funktioniert, aber dieses System wird stellenweise aufgeweicht oder gar ignoriert. So gibt es Charaktere die mit Pokerkarten agieren statt zu würfeln und Regeln für „Hindernisparcours“, die einen Abstecher ins Jump'n'Run-Genre erlauben. Letzteres kann auch als Minispiel innerhalb des Rollenspiels ablaufen oder auch vom Rollenspiel losgelöst auf den Tisch kommen. Eine nette Idee, die zu einer Würfelorgie verkommt, da alleine für jedes Feld Bewegungsproben oder Aufenthaltsproben fällig werden. Grausig!

Im Mittelpunkt des Spiels stehen die Verwandlungen der Charaktere. Diese können Henshin-Formen annehmen, die allesamt aus dem Fantasybereich stammen. Die Quelle dieser Macht wird im Laufe des Spiels enthüllt, ebenso das Geheimnis um die Verwandlungen. Die Henshin-Formen brechen das Regelgerüst nun weiterhin auf. Zudem befinden sie sich im Ungleichgewicht zueinander. So kommt der eine nur mit popeligen Verwandlungen daher, während der andere beinahe unsterblich durch die Welt hüpft. Das ist ziemlich tumb und freudlos.

Allgemein wirkt das das Regelwerk wie ein großes Stückwerk, als habe sich der Autor aus den Bereichen bedient, die ihm gerade einfielen. Die wenigsten Elemente werden konsequent umgesetzt und so ist auch eine klare Linie zu vermissen. Einziges wiederkehrendes Erkennungszeichen stellt die Verbindung zu den Tokusatsu-Serien dar, die in Deutschland durch Sendungen wie „Power Rangers“ und „Kamen Riders“ bekannt sind.

Diese Verbindung ist auch zentraler Bestandteil der Spielhintergrunds. So sind die Charaktere der Spieler sogenannte Emorpher, die von einer Organisation namens Corp angeheuert werden und sich dann später als Freelancer verdingen. Natürlich im Namen des Guten. Die Verbindung zum Corp bleibt dabei aktiv, denn nur so erhalten die Freelancer die Artefakte, durch die sie sich verwandeln können.

Das klingt erst einmal sehr kitschig und japanisch überzogen, was es schlussendlich auch ist und sich deswegen von den üblichen Rollenspielen abhebt. So misslungen das Spielsystem, so gelungen die Spielidee. Hier präsentiert Christian Lonsing einen neuen und frischen Stil, mit dem auch junge Leute fern der klassischen Rollenspiele angesprochen werden. Zudem ist der Autor auch stark um neue Rollenspieler und Anfänger bemüht. So gibt er viele Tipps zum Spielen und zur Gestaltung des eigenen Spiels.

Auch die Kampagne ist erfrischend anders und weiß zu überzeugen. Sie spielt Morgen in einem Jahr und findet in Köln statt. Dabei gibt es natürlich einige starke Abweichung zu unserer Realität, was ebenfalls Teil der Kampagne ist. In dem zehnteiligen Abenteuer dreht sich alles um einen gewissen Hexxagon, der Köln in seinen Klauen hält und die Freelancer herausfordert. Was auf den ersten Blick an den Haaren herbeigezogen klingt, entpuppt sich während des Spiels als sinnvolle Geschichte mit Tiefgang. Das macht große Laune.

Die Aufmachung des Buchs macht leider weniger Laune. Das Layout geht verschwenderisch mit dem Platz um und die Illustrationen sind eher durchschnittlich. Trotz dem gewählten Spielstil gibt es auch keinen echten Manga- oder Anime-Style. Das ist ebenfalls sehr bedauerlich. Es fehlt auch ein Charakterbogen und ein Index. Dadurch wird die Suche nach einem bestimmten Begriff oder einer Regel zum Geduldsspiel.

Unter dem Strich bleibt ein zweigeteiltes Gefühl. Da wäre zum Einen die hervorragende Idee und der Einsatz des Autoren, mit der dazugehörigen unterhaltsamen Kampagne in Köln. Zum Anderen gibt es aber das misslungene Regelwerk, dass den ganzen Spielspaß ausbremst. Somit ist „Freelancer Hexxagon“ nur etwas für Freunde des Genres, die sich des Styles wegen mit den Unzulänglichkeiten des Systems abgeben.

Copyright © 2010 by Günther Lietz

Ulisses Spiele Hardcover (200)
Illustrationen: Nadine Wewer
160 Seiten, ISBN 978-3-86689-019-8Den Artikel im Blog lesen
 
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