Engelsblut

Samiel

Neuling
Registriert
20. Mai 2004
Beiträge
94
Zwar noch nicht fertig, aber trotzdem sind natürlich Kommentare und Kritik erwünscht...

Engelsblut



Prolog



Nebel kam auf, während der Kampfeslärm erstarb und sich stattdessen eine toten Stille über dem unscheinbaren Tal lag. Keine Klages- und Todesschreie mehr. Nichts wies auf das gerade passierte hin. Nur noch diese beunruhigende, kalte Stille. Xarviel spürte wie sein Lebensfunke immer schwächer wurde und zu erlöschen drohte. So kalt. Sein Blick, der für kurze Zeit wieder an Klarheit gewann, schweifte über das Chaos, das um ihn herum herrschte.

Es war keine Schlacht gewesen, es war ein Gemetzel. Frauen, Männer, alt wie jung, sie hatten keine Unterschiede gemacht. Blut verschleierte seinen Blick erneut. Zu viel Blut war geflossen. Seine Frau… seine Kinder… seine Enkel… er wusste das sie alle Tod waren, von ihm gegangen, in eine bessere, friedlichere Welt - so hoffte er zumindest. Selbst vor seiner erst 3 Monate alten Enkelin hatten sie nicht eingehalten. Sie war so schön, so ein liebes Kind, das noch sein ganzes Leben vor sich gehabt hätte- so viel hätte erleben können. Behutsam streichelte er über den kleinen, erstarrten, blutverschmierten Kopf seiner Enkelin Mariel.

Er hörte die sich nährenden Schritte, doch er verharrte reglos. Resignation hatte sich in ihm ausgebreitet, das Leben hatte keine Bedeutung mehr für ihn und nur der Tod würde ihm vielleicht noch Gnade schenken. Er machte keine Anstalten zu fliehen, oder zu einer Waffe zu greifen. Ihm war alles egal. Er hatte nichts mehr für das sich die Anstrengung eines Widerstandes lohnen würde.

Was für einen Sinn soll mein Leben noch haben, wenn sie doch alle Tod sind. Wieso werden wir von Gott so bestraft. Wieso hasst er uns?

Vielleicht wegen unserem blinden vertrauen in das Gute der Menschen. Wir unterscheiden uns von ihnen. Uns wurde durch eine Laune der Natur, oder wie wir früher dachten ein Geschenk Gottes, das sich nun als Fluch zu erkennen gab, die Fähigkeit verliehen zu heilen. Durch das auflegen unserer Hände schlossen sich Wunden, durch unseren Gesang fanden verwirrte, kranke Geister Heilung und Krankheiten verkümmerten unter unserem Einfluss. Wegen diesen Fähigkeiten bezeichnete man uns einst als Engel, Boten Gottes, die dessen Macht auf Erden demonstrierten und seine Schöpfung beschützten.

Doch wir wurden betrogen und verraten.

Heute jagt und tötet man uns. Man beschimpft uns als Dämonen, Diener und Vollstrecker des Bösen. Wir werden verfolgt wie Tiere, behandelt wie Aussätzige und von ihnen vernichtet sobald sie uns erblicken. Sie haben kein erbarmen mit uns, kennen keine Gnade, selbst diejenigen denen wir in so vielen Kriegen, so vielen Schlachten zur Seite standen.

Früher liefen wir in das Chaos einer Schlacht, riskierten unser Leben, um verwundete zu bergen, in Sicherheit zu bringen und zu versorgen, doch diese Erinnerungen verblassen in den Geistern der Menschen und werden ersetzt von blindem Hass.

Der Ursprung unserer Verfolgung und den Massenvernichtung war die Mutter Kirche. Sie hatte all die Jahre immer mehr ihrer einstiegen Macht verloren und erhoffte sich durch diesen Schachzug, die Bevölkerung wieder an sich zu binden. Sie ernannten uns zu Teufelsgeschöpfen, Dämonen der Finsternis und Vernichter allen Lebens. Natürlich gab es keine Begründung für all dies, doch ihre Worte fanden gehör in der Bevölkerung. Zuerst misstrauten sie uns nur, verbannten uns aus ihren Städten und verboten unsere Kunst der Heilung. Es war nur eine sehr kurze Zeitspanne zwischen dem anfänglichem Misstrauen und dem späteren blinden Hass. Selbst unsere ehemaligen Verbündeten kehrten uns nach kurzer Zeit den Rücken und verweigerten uns jegliche Hilfe.

Wir waren nicht an das Kämpfen gewöhnt, wir verachteten es sogar und so erwischte uns der erste Schlag mit voller Härte. Bei diesem Erstschlag gegen unsere Art starben mehr als die Hälfte meiner Brüder und Schwestern. Er wurde global ausgeführt und jede größere Ansammlung von uns wurde zerschlagen und ausgelöscht.

Die Schritte kamen immer näher.

Dieser Zeitpunkt war es, an dem wir uns der gesamten Situation erst richtig bewusst wurden und ihre Folgen zu sehen begannen, doch war es zu spät. In den folgenden Nächten starben immer mehr Mitglieder meiner Familie. So viele fanden den Tod und es gibt nur noch so wenige von uns. Vom dem Schlag der uns heute traf werden wir uns nicht mehr erholen. Wir sind so gut wie ausgerottet, nur wenigen gelang es sich zu verstecken, doch werden sie in ihren Verstecken in Sicherheit sein?

In weniger als einem Monat starben vierfünftel meiner Brüder und Schwestern.

Die Schritte verhallten.

Xarviel hatte seine Enkelin fest umklammert und schaute langsam nach oben. Durch seine blutvernebelte Sicht erkannte er nur schemenhaft den großen, recht jung wirkenden Mann, der nun vor ihm stand. Der Fremde war komplett in weiß gekleidet und ein goldenes Kreuz prangte an seiner Brust. Oberflächlich gesehen wirkte er sehr durchschnittlich, doch eine Aura von Macht und Tod umgab ihn. Eine Aura die Xarviel noch nie so stark bei einem auf Erden wandelndem Wesen erspürt hatte. Doch die Pracht der einst so imposant wirkenden weißen Robe war getrübt von dem Blute das sie beschmutzte. Er fokussierte den letzten Rest seiner Kraft und formte sie zu einem kurzen, aber für ihn sehr wichtigen Wort. „Wieso?“. Während das Wort nur zögernd und kaum hörbar über seine Lippen glitt schaute er dem Fremden tief in die Augen, um dort vielleicht eine Antwort zu finden die ihm sonst verwehrt bleiben würde. Er hatte die Gabe das zu sehen was anderen verborgen blieb, doch was er sah erschrak ihn zutiefst und Trauer, wie auch Mitleid erfüllte sein Herz. Er erkannte den Mann, dessen Seele, sofern man noch von einer ihr als solcher sprechen kann, tief schwarz und von einem unglaublichen Hass erfüllt war.

Noch einmal entwisch ihm ein schmerzverzerrtes, anklagendes „Wieso?“ und Tränen von flüssigem Gold flossen seine Wange hinab. Doch der Fremde lachte nur, zog seine Desert Eagle und zielte auf das Herz des Alten. Der Fremde wirkte zufrieden und sein lächeln war voll Hohn. Dann drückte er ab. Ein lauter knall durchzog die Nacht, der die Aasfresser von ihrem Abendmahl verscheuchte und einen kleinen Schauer aus schwarzen Federn über das Schlachtfeld regnen ließ.

Xarviel umklammerte noch immer den toten Leib seiner Enkelin, als wolle er ihn vor dem Mann schützen. Doch seine Muskeln erschlafften und er fiel zu Boden, während ihm Blut aus Nase, Mund und einer tiefen Wunde in seiner Brust troff. Das Leben entglitt ihm, es rann wie Sand durch seine Hände, und ein schwarzer Schleier legte sich vor seine Augen, während der Schmerz erstarb….

Dann erzitterte die Nacht erneut.

Ein weiterer Schuss löste sich aus dem Magazin.

Dann noch ein Schuss.

Noch einer.

Der Rhythmus der abgegebenen Schüsse wurde immer schneller, bis das Magazin schließlich vollständig entleert war. Der Mann kehrte dem toten Alten, der nun aus 5 weiteren Einschusslöchern blutete und dem Kind dessen Körper ebenfalls durch einen Einschlag verunstaltet wurde, befriedigend lächelnd den Rücken und schritt summend davon …







Kapitel 1: Januar 20.01.2028



Kaltes Herz



Daviel schrak schreiend und schweißgebadet aus seinem Bett hoch. Diese Erinnerungen hielten ihn schon unzählige Nächte lang vom Schlaf ab. Es waren immer die gleichen schrecklichen Ereignisse die ihn verfolgten. War das die Rache seiner Brüder für sein Überleben? Nein, entschied er. Ihre Geister waren es nicht die ihn verfolgten, vielmehr war es sein eigenes Gewissen, welches ihm sein überleben krumm nahm. Im Angesicht der Aussichtslosigkeit erneut die Augen für eine längere Zeit schließen zu können zog er die Decke von seinem Körper und erhob sich gähnend aus seinem Bett. Sein Blick schweifte durch die Wohnung die er nun seid mehr als einen Monat bezogen hatte. Sie war immer noch sehr karg eingerichtet und sein zu Hause würde er diese Absteige nie nennen können.

„Es wird vorerst reichen“, versuchte er sich selbst einzureden, während er den Raum verließ um das Bad zu betreten. Das Bad erstrahlte in einem sterilen weiß und außer dem Rasierapparat, Rasierschaum, einem Deostift und seinen Klamotten von letzter Nacht war es gähnend leer. Während das stetige Rieseln des Wassers auch noch die letzten Stimmen aus seinem Kopf verbannte, entkleidete er sich und stieg in die Dusche. Seufzend setzte er sich auf den Boden der Dusche und genoss die Einschläge des Wassers auf seinem Körper.

Erneut schloss er die Augen und dachte über die Träume nach die ihn seid den Geschehnissen vor drei Jahren immer noch verfolgten. Er war damals dabei gewesen als Xarviel, Führer seiner Familie, den Tod fand. Doch während seine Brüder versuchten zu kämpfen, um das Leben ihrer Familie zu sichern, selbst wenn es für sie den eigenen Tod bedeutet hatte, verkroch er sich. Die Angst vor dem Tod war zu stark in ihm, als dass er etwas anderes hätte tun können als sich unter den bereits Gefallenen zu verkriechen und zu hoffen das man ihn übersehen würde. Es gelang ihm auch, doch musste er mit anschauen wie die wieder einberufenen Templer einen seiner Freunde nach dem anderen exekutierten. Selbst die Frauen und Kinder, die sich ergeben hatten fanden keine Gnade.

Er hätte mit ihnen sterben sollen, denn sein Leben war seid diesem Ereignis eine einzige Katastrophe. Die Flucht vor seinen Verfolgern bestimmte nun sein Leben. Nur selten traute er sich tagsüber aus seiner Wohnung heraus und ehemalige Freunde die er unter den Menschen hatte, haben ihm den Rücken gekehrt.

Langsam klang das Rauschen des warmen Wassers ab und Daviel öffnete die Augen und bewegte sich zum Waschbecken. Langsam verteilte er den Rasierschaum auf seinen Händen und schäumte seine Wangen, wie auch sein Kinn damit ein. Anschließend glitt die elegant geformte Klinge des Rasierers über sein Gesicht und entfernte wieder den Schaum, samt den ihn störenden Bartstoppel. Als er seine Körperpflege beendet hatte schritt er gemächlich in sein Schlafzimmer und verharrte vor den großen Wandspiegel.

Mit kaltem Blick tastete er über seinen Oberkörper bis die Fläche der reinen Haut endete und die Brandtnarben begannen. Mittlerweile schmerzten sie nicht mehr – jedenfalls körperlich, denn die Erinnerungen an die Nacht, in der ein ehemaliger Freund von ihm sein Zimmer in Brandt gesteckt hatte, schmerzten immer noch. Die Kirche hatte ein Kopfgeld auf jeden Engel ausgesetzt und damit gedroht jeden der einen Engel bei sich beherbergte ebenfalls der Ketzerei zu beschuldigen und zu exekutieren. Seine hand tastete sich weiter nach oben und stieß erneut auf einen Makel seiner Haut. 3 Einschusslöcher, abgefeuert aus einem Vollautomatischen Gewehr, zierten seine linke Schulter, die ihm nun enorme Probleme bereitete. Es hätte zwar auch deutlich schlimmere Folgen für ihn haben können, doch ist jede Pause, jede Schwäche die er aufweist ein weiterer Vorteil für seine Verfolger und somit ein weiterer Schritt zu seinem Tod. Ein lautes pochen an der Tür unterbrach seine dunklen Gedankengänge. Sich wieder der Gegenwart bewusst riss er seinen Blick von dem Spiegelbild los und verfluchte seine eigene Arglosigkeit. Er zog sich eine dunkle am Boden liegende Jeans an und griff nach der 9mm Pistole, die unter seinem Kopfkissen lag.

Dies war eine der jüngsten Anschaffungen die er getätigt hatte, bisher hatte er sie noch nicht benutzten müssen und er hoffte dass der heutige Tag dies nicht ändern würde. Langsam ging er auf die Tür zu, während er auf jedes kleinste Geräusch achtete wodurch auch das entsichern seiner Waffe in seinen Ohren laut widerhallte. An der Tür angelangt drückte er die Pistole vorsichtig gegen die Stelle an der er das Herz, oder zumindest die Brust seines Gegenübers vermutete und fragte in einem angemessenen Tonfall, der keinerlei Gefühl aufzeigte:

„Wer stört?“

Niemand antwortete ihm, die einzigen Geräusche, die die Umgebung erfüllte war der monotonen Stimme eines Mannes, so wie er Sprach wohl ein Politiker, die aus einem Fernseher irgendwo in einer der umliegenden Wohnungen stammen musst, ein Chor aus Vogelstimmen die eindeutig von draußen kamen und das laute rauschen eines Staubsauger.

Seine Handknöchel traten weiß hervor, als er sie immer fester gegen den Polymeregriff seiner Waffe drückte und auch durch den unsichereren Klang seiner Stimme war jetzt für jeden Beteiligten seine Anspannung nicht zu überhören:

„Shit ! Zum letzten Mal wer ist dort?“, seine Gedanken rasten durch seinen Kopf, noch nie hatte er von der Waffe gebrauch gemacht, doch würde es etwas ändern nun seine Seele auch noch mit einem Mord zu belasten? , „ Ich werde bis drei zählen. Wenn du dich bis dann noch nicht zu erkennen gegeben hast garantiere ich für nichts.“

Noch immer blieb es still, außer dem gewohnten Hintergrundrauschen war nichts zu vernehmen. Sein Atem raste und seine Gedanken taten es ihm gleich.

„3 !“

Seine Seele, die so rein wahr, würde ihm in diesem Leben nicht mehr von nutzen sein. Wieso sollte er auf Gnade oder Erlösung hoffen können. Dieser Luxus stand ihm nicht zu…

„2 !“

Doch konnte er es wirklich tun- ein Leben beenden? Etwas so schwerwiegendes tun, was nur Gott vorbehalten war? Aber sie waren es die so viele seiner Art ohne Grund getötet hatten, hatten sie sich auch diese Fragen gestellt?

„1 !“

Er zuckte zusammen, da war eindeutig etwas vor der Tür.

Das Entsichern einer Waffe?

Langsam schloss er seine Augen und drückte ab. Die Stille zerbrach augenblicklich, denn mit dem abgegebenen Schuss, der durch die Tür drang entstand gleichzeitig eine Kakophonie aus verschiedenen Stimmen. Frauen-, Männer- und Kinderstimmen waren Bestandteile dieses Kanons, der alle anderen Geräusche überlagerte. Während er seine Augen langsam wieder öffnete und versuchte sein Herz daran zu hindern aus seiner Brust zu springen, schien um ihn herum alles in Chaos aufzugehen. Laut knallten die Türen in ihren Angeln, eilig wurden sie abgeschlossen und die Mütter schickten ihre Kinder auf ihre Zimmer.

Tief atmete er durch, wodurch langsam seine Starre begann zu bröckeln. Soweit war es also schon mit ihm gekommen, waren seine letzten Gedanken bevor er die Waffe von der Tür löste und vorsichtig den Türknauf herunter drückte, um zu sehen wer sein Angreifer gewesen war.

Die schwere Eichentür wies nun ein großes Loch in ihrer Mitte auf und um diese Loch herum hatte sich eine blumenartige Schattierung aus den Rückständen des abgegebenen Schusses gebildet.

Jedes mögliche Szenario, welches er in seinen Gedanken durchgegangen ist, flog ihn erneut durch den Kopf als er den goldfarbenen Knauf nach unten drückte und langsam die Tür aufzog. Doch mit diesem Anblick hatte er nicht gerechnet.

Nichts !

An der Stelle wo er eigentlich eine große Blutlache mit einem Toten oder zumindest schwer verletzten Mann erwartet hatte war –nichts? Kein Blut verunreinigte den Boden und keine Männer, die ihn töten wollten, warteten in einem Hinterhalt auf ihn.

Sein Blick verfing sich an der zu seiner Tür gegenüberliegenden Wand. Dort steckte die vor wenigen Sekunden von ihm abgeschossene Kugel, ohne auf ein Hindernis gestoßen zu sein, in der von Graffiti verzierten Wand.

„Shit !“

Fluchend sicherte er seine Waffe, steckte sie weg und rannte zurück in seine Wohnung. ……
 
Zurück
Oben Unten