Krjm
Rollenspielautor
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Der Drachensänger
von
Krjm
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Ich bin Yin Dracandos, Drachensänger und Träger des Bardenbanners. Merkt gut auf, denn dies ist nicht etwas, das ihr jeden Tag in den Tavernen hört. Es ist die Geschichte über mich selbst, Yin Dracandos, und die des Hexenfluches, der mich seither unter den Sternen wandeln lässt.
Geboren wurde ich vor einer ziemlich langen Zeit, noch während des frühen Mittelalters nahe der Stadt Nürnberg. Ich wuchs wohl behütet in einer reichen Kaufmannsfamilie auf. Kupferstecher sollte ich eines Tages werden, sobald ich das Kindesalter hinter mir lassen würde - doch es kam alles anders.
Noch bevor ich Zwölfe werden sollte, wurde bei einem Überfall auf meinem Elternhause alles gestohlen was einen Wert hatte, meine werte Frau Mama vergewaltigt und mein geliebter Vater erschlagen. Unsagbares Leid brachte meine Mutter dazu ihr Leben früher zu beenden und mich, in dieser nunmehr öde gewordenen Welt, alleine zu lassen. Immerhin hatte ich noch immer meine Zimmermannstrommel, ein einfaches Holzgerät, das aber sein Übriges zu meinem Gesang tat.
Ich kann mich noch gut erinnern, dass ich durch die Zeit wandelte, Götter verfluchend und über deren Ende singend, als eines Tages der gute Braumann über mich stolperte. Er lud mich zu einigen Bieren ein und im Suff erzählte ich ihm von meinem Leid. Da sagte er zu mir: "Guter Herr, ich vermag Euch etwas zu zeigen was euer Gemüt schneller wieder fröhlich stimmt, als eine gute Hure in eurem Bettenlager".
Was konnte mein Gemüt noch erheitern? Mit meiner Sangeskunst verdiente ich mir Brot und die ein oder andere Nacht in einem fremden Bett. Aber ich folgte natürlich, was denkt ihr denn. Die Neugierde hat mich schon so oft in Dinge hineingestoßen, egal ob nun Gutes oder Schlechtes. Doch was ich an jenem Tage sehen durfte ließ mehr Herz jauchzen, jedoch behielt ich es im Stillen erst einmal für mich – immerhin ...
Nun ja, kommen wir zunächst zu dem, was ich erblicken durfte: Einen waschechten Drachen! Etwas über das man nur noch sang und über der Drachen Henker, den ach so tapferen Rittern. Doch einen lebenden Drachen zu sehen, ja, das war wirklich ein einzigartiges Erlebnis. Der gute Braumann hatte dies wohl schon zu oft erlebt, denn er war wie durch Geisterhand verschwunden.
Neugierde trieb mich dazu, mich dem Drachen immer weiter zu nähern. Wie fühlte er sich an? Atmete er wirklich Schwefel? Fragen über Fragen und auf einmal erschallte die tiefe Stimme: "Was treibt Euch in mein Lager, sprecht rasch bevor ich Euch als mein Frühstück auserwähle!"
"Mein Herr", so sagte ich, "ich bin nicht viel mehr als eine zerbrochene Hülle die durch das Leben wandelt, mit ihren Gesängen das Volk belustigend. Meine Familie verlor ich und seither verfluche ich die Götter und singe von deren Ende". Meine Antwort war so ehrlich, wie ich nur konnte.
Der Drache, Yin Dracandos, so nannte er sich, dessen Name ich erben sollte, erhob seine Stimme: "Guter Mann, Du siehst mir noch nicht so aus als hättest Du etwas vom Leben gesehen, bist Du doch kaum älter als Zwanzig! Wenn Du Singen kannst, so singe für mich. Und wenn mich Dein Gesang löblich stimmt, so überschütte ich Dich mit Reichtum im Überfluss". Ich hatte natürlich Angst, aber ich nahm meine Zimmermannstrommel und begann einen einfachen Rhythmus, während sich meine Stimme zum Gesang erhob.
Ich sang, wie schon so oft, von dem Ende der Götter. Am Ende des Liedes schaute der Drache auf. Mein letztes Stündlein hat geschlagen, so dachte ich im Stillen bei mir. Doch ich würde wie ein Mann sterben! Also stellte ich mich so stramm hin, wie es mein zitternder Körper nur zuließ. Yin sprach nur zu mir. "Dein Gesang war schön. Bei weitem nicht der Beste den ich in meinem langen Leben hörte, aber schön. Deinen Gram über die Götter lege aber besser zur Seite, mit ihnen legt man sich nicht an. Sag, was wünscht Du dir denn? Geschmeide? Gold?"
Ich aber sagte: "Nein, mein Herr. Das Lob des Publikums ist eines Barden Bezahlung genug und obwohl ich schon so manches Geldstück ersungen habe, so nutze ich es nur für mein Überleben". Natürlich log ich. Wer wünscht sich denn nicht Wohlstand, um darin eine Familie aufzuziehen?
Der Drache wusste das scheinbar und seine tiefe Stimme erhob sich erneut: "Lügen steht Euch nicht gut. Wie wäre es wenn ich Euch unter die Arme greife und ein wenig von dem Erzähle was ich so erlebt habe? Und Ihr zieht dann in die Welt hinaus und singt davon?"
Es war als könnte er meine Gedanken lesen, denn er begann von seinem Leben zu erzählen. Ich saß Stunde um Stunde in seiner Nähe, schlief nur wenn es mich übermannte, aß und trank nur das Nötigste, lauschte aufmerksam der Stimme die mir so Vieles erzählte. Ich weiß gar nicht mehr wieviele Jahre vergingen, bis Yin Dracandos mit seinen Erzählungen fertig war. "Du saßest nun bei mir für viele Jahre, hast geschlafen als es Dich überkam, hast nur das Nötigste gegessen und getrunken. Das Wissen das ich Dir gab sei dein Lohn. Trage es hinaus in die Welt und singe von vergangenen Tagen. Sei wieder fröhlich und munter!"
Das größte Geschenk jedoch machte er mir aber, als ich ihn fragte: "Herr, könnt ihr Euch an meinen Namen erinnern? In all den Jahren war ich Ihr, erlebte Eure Geschichten wie von selbst und irgendwann vergaß ich wer ich bin."
Sein Schmunzeln vergesse ich nie. Es wirkte zwar ein wenig als würde er jemanden oder gar mich fressen wollen. "Yin Dracandos, das ist Euer Name fürderhin bis in alle Zeit". Mit frohen Mutes, einem neuen Namen und einem großartigen Wissensschatz, machte ich mich auf in die weite Welt.
Ich weiß nicht wie lange ich so vor mich hin zog. Aber irgendwann traf ich eine Frau die schöner war als alle anderen Weiber auf der Welt. Es schien als würde ein Stern am Himmelsfirmament fehlen. In einem schmutziggrauen Kleid stand sie auf einem Markt und kaufte frische Äpfel. Ihr Haar war rabenschwarz und so lang, dass es mühelos ausgereicht hätte einen großen Turm hinauf zu klettern, würde sie in einem gefangen sein und ich wär ihr Erretter. Ich sprach sie an. Und als wir im Gespräch versunken zu Ihr gingen, schenkte sie mir die Nacht der Nächte. Doch nur um einen hohen Preis zu verlangen - einen Preis den ich nicht zahlen konnte.
"Verrate mir wo er ist, mein junger Schönling, und ich gebe Dir alles was Du willst!" sprach sie mit ihrer zuckersüßen Stimme. Doch ich aber sagte: "So weiß ich nicht wen oder was Ihr meint, Engel des Himmels. Ich würde Euch mit Freuden alles geben was ich besäße, nur um Euch lächeln zu sehen."
Natürlich meinte sie den Drachen. Denn ich entdeckte in einem Buch, dass Sie das Drachenblut für einen Zaubertrank benötigen würde. Einen Trank der Sie unsterblichen machte. "Niemals würde ich Dir seinen Ort anvertrauen, Hexe! Ich wusste gleich, dass Deine Schönheit ein Trick war …", spie ich vor ihr aus. Aber weiter kam ich nicht, denn sie verfluchte mich bereits. "Unwirklicher! Ich habe längst Dein Wissen. Ich werde Ihn schon bald haben. Drachenjäger habe ich angeheuert! In einer Woche schon werden sie ihn erschlagen haben!"
In meiner unendlichen Angst und wütend über meine Dummheit brach ich noch in selbiger Nacht auf, den Drachen zu suchen und ihn zu warnen. Aber als ich erkannte was ich tat war es zu spät ... Nein, sie wusste nicht wo er war. Sie konnte es nicht wissen. Und ich habe sie zu ihm geführt. Nein, welch ein Trottel ich doch war!
"Yin! Yin! Werter Herr!" schrie ich in die Nacht heraus. "Wacht auf! Wacht auf! Ich habe etwas Dummes getan! Drachenjäger wollen Euch erschlagen, es ist meine Schuld. Ich führte sie hierher! Bitte, flieht edler Herr!" Doch es war zu spät.
Auf einer vom Mond silbrig erhellten Lichtung hatten einige Rittersleute den Drachen umzingelt. Meine Bemühungen, ihm zur Hilfe zu eilen, schlugen vollends fehl. Doch etwas Geschah, etwas Magisches. "Gräme Dich nicht, Du hast keine Schuld! Jeder würde auf eine solche Harpyie hereinfallen. So auch ich, wie Du weist. Erinnere Dich an die Geschichten!" sprach er, bevor er in goldenen Staub zerfiel und ich wusste: Er war nicht tot, er war in Sicherheit, er war in mir! Irgendwie konnte ich es spüren.
Die Hexe aber schrie und fauchte und spie mir ihre grausamen Worte entgegen: "Elender Narr! Dürsten sollst Du! Und hungern für immerdar! Mein Fluch, nur vom Drachenblut gebrochen, soll Dich auf alle Zeit hin schwächen! Kein Wasser wird Deinen Durst mehr löschen und jeden Tag sollst Du endlosen Durst verspüren! Kein Brot soll Deinen Hunger stillen und jeden Tag sollst Du endlosen Hunger verspüren! Bis in alle Ewigkeit! Bis du vom süßen Drachenblut kostest!"
Ich schrie in meiner Wut und Verzweiflung zurück, so gut ich es vermochte, aus Angst und Furcht vor ihrem Fluch. "Hure! Hexe! Kein Reim soll Deinen Namen in die Ewigkeit tragen! Kein Lied soll über Dich gesungen werden, noch eine Geschichte erzählt! Dies sei mein Fluch für dich!"
Und ja: Jeden Tag quälen mich fortan Hunger und Durst und es ist schrecklich, dass kein Wasser und keine Speise der Welt mir Linderung verschaffen mag. Auch verweigere ich bis in die heutigen Tage das Kosten von Drachenblut, hat ein Drache es mir doch unlängst angeboten. Ich ziehe durch die Geschichte der Welt. Und seit dem ich wandle, singe und reime, sind Hexen kaum noch mehr als ein Ammenmärchen aus längst vergangenen Tage. Ich hielt Wort an meinem Fluch.
Schon oft gewann ich Preise in Bardenturnieren. Ich bin der Träger des Bardenbanners und gebe nun Jahr für Jahr ein Fest in meiner Heimat, zu dem alle Barde von Nah und Fern kommen mögen und ihre Musik zum Besten geben. Ich bin Yin Dracandos, Drachensänger und Hüter zweier Seelen für alle Ewigkeit.
Ende
Ein ganz spezieller Dank für Taysal. Dieser hat die Geschichte nun lesbarer gestaltet und korrekturen vorgenommen.
Vielen, vielen dank Taysal, deinen Rat werde ich auch in Zukunft versuchen zu beherzigen.