Das perfekte Opfer

Registriert
8. Oktober 2003
Beiträge
46
Ne kleine Geschichte, die ich als Vorgeschichte für ein eigenes Cyberpunkabenteuer geschrieben habe...innerhalb von einer Stunde. Lest einfach mal rein.


Das perfekte Opfer

Jack strich sich seinen langen Trenchcoat glatt und blickte nochmals über die entstellte Leiche, die vor ihm lag. Sie war sein letztes Opfer gewesen. Von ihrer ursprünglichen Schönheit war nicht mehr viel übriggeblieben. Mit chirurgischer Präzision hatte er ihr beinahe alle lebenswichtige Organe herausgenommen und in kleine Gläser mit Formaldehyd verpackt, die in seinen tiefen Taschen lagerten. Auch die Haare seines jüngsten Opfers hatte er abgeschnitten und in ein kleines Bündel verstaut, das er an der Seite trug.
Jack war nicht der einzige Serientäter in SanAngeles, aber sicherlich der bekannteste. Seit fast zehn Jahren trieb er sein Unwesen und beinahe hundert Menschen hatte er das Leben genommen. Immer Frauen und immer Blondinen. Sein großes Haus im Neocentrumplex war bis unter das Dach gefüllt mit Trophäen seiner Opfer. Genüßlich zündete er sich eine Zigarre an und trat aus dem Zwielicht der einsamen Gasse hinaus auf die belebte Strandpromenade. Nach einigen Minuten erreichte er eine Eisdiele und beschloß sich noch einen kleinen Snack zu gönnen, bevor er sich auf den Weg nach hause machte. Sein Bananasplit befriedigte ihn nicht wirklich; Seit dem letzten großen Fallout vor 12 Jahren gab es kein „echtes“ Obst mehr, sondern nur noch synthetisch hergestellte Imitate, die zwar gleich aussahen, aber beileibe nicht genauso schmeckten.
Die Polizei war zwar inzwischen wieder einigermaßen organisiert und eine neue Regierung eingesetzt, aber so richtig schien sich keiner von der damals herrschenden Anarchie trennen zu wollen; natürlich hatte diese Arte des Lebens fatale Nachteile, aber sie hatte ebenso den größten Vorteil, den man sich denken konnte: absolute Handlungsfreiheit.
Es war schon beinahe 23 Uhr, als sich der Mörder zum Taxistand begab, wo schon diverse Gleiter auf ihn warteten. Schnell entschied er sich für ein Taxi der Yellow-Cabs und stieg hastig ein, schließlich begann es gerade wieder zu regnen...und nur Irre oder Leute in Schutzanzügen hielten sich dann noch draußen auf.
„Neocentrum...Area five, Paxtonstreet“, sagte er mit abgehackten Worten in seinem deutlich englischen Akzent.
Der Fahrer nickte nur kurz und schwebte los; die Schwebegleiter waren im Reisekomfort einfach unübertroffen auch wenn sie Unmengen an Sprit verbrauchten und der zerschundenen Atmosphäre noch weiter zusetzten...aber wen interessierte schon die Umwelt??
Irgendwie schien jedoch der Taxifahrer das Formaldehyd zu bemerken, denn des Öfteren schnüffelte er, deutlich hörbar, und räusperte sich...aber was war das...das war doch kein männliches Räuspern, sondern das einer Frau.
Jack malte sich im Gedanken aus, wie seine Chauffeuse aussehen mochte und stellte sich vor ihr vermeindlich blondes Haar von ihrem Haupt abzutrennen; gemütlich ihre Leber herauszunehmen und mit einem geschickten Kniff ihr noch schlagendes Herz aus dem Brustkorb zu entfernen. Er versank in seiner brutalen Traumwelt und bemerkte gar nicht als das Taxi anhielt. Schließlich ertönte aber deutlich eine Frauenstimme durch den Lautsprecher vor der Trennscheibe: “12 Bucks...Cash oder Colt, Mr.“ Unsanft aus seiner Fantasie gerissen kramte der Mörder mürrisch 15 Bucks aus der Tasche und steckte es durch den Bezahlungsschlitz „Stimmt so“, sagte er mit unverhohlenem Zorn in seiner Stimme und wollte aussteigen, als er, wider Erwarten, eine Antwort bekam. „Hey Mr.! Wenn sie meinen hier den großen Macker spielen zu müssen wegen 3 lächerlichen Bucks Trinkgeld, dann wird’s echt mal Zeit eins auf die Fresse zu bekommen, klar?“
Verdutzt stieg der Serienkiller aus und fügte an: „Lady, wenn sie es wünschen kann ich auch ihre Eingeweide aus ihrem unwürdigen Körper herausschneiden und sie ihnen auf einem Silbertablett präsentieren, bevor sie ihr nichtiges Leben aushauchen!“ Wutentbrannt fühlte er in seiner geheimen Tasche am Rücken des Mantels nach seinem Mordinstrument; einem verbotenen Plasmawellenmesser und starrte die Fahrerin an. Verdutzt erkannte er, daß die Fahrerin tatsächlich blond war; lange Strähnen ragten unter der uberproportionierten Mütze des Taxiunternehmens heraus. Ihr Gesicht war perfekt, so perfekt, daß Jack zum ersten Male sprachlos war. Ihre Schönheit war einzigartig...diese vollen Lippen, die tiefblauen Augen. Sie war das Opfer seiner Träume; sie wäre die Krönung seiner Sammlung...er mußte sie nur noch aus dem Taxi bekommen.
Er hatte den Gedanken noch nicht einmal zu Ende gedacht, als die Tür des Gleiters aufschwang und die Frau ausstieg mit einem breiten Grinsen auf dem makellosen Lippen. „Na...da haben wir ja nen ganz harten Typ. Ich glaube wir beiden sollten...“ Ohne ein weiteres Wort nahm sie den verblüfften Killer in die Arme und küßte ihn leidenschaftlich; so leidenschaftlich, daß Jack gar nicht mehr wußte wie ihm geschah. Als sie sich wieder von ihm getrennt hatte, sagte sie: “Ich liebe harsche Männer. Laß uns doch in dein Haus gehen; auf nen Kaffee oder so.“
Jetzt war der Serientäter wirklich völlig durcheinander. Diese wunderschöne Frau, die er gerade aufs übelste beschimpft hatte, wollte mit zu ihm...zu IHM! Er war beinahe 43, sie vielleicht gerade 20. Und diese blendende Schönheit. „Noch leichter kann sies mir gar nicht machen“, dachte er „wenn sie erst in meinem Haus ist kann sie gar nicht mehr fliehen und ich spar mir unnötige Wege...perfekt. Und vielleicht...ja vielleicht kann ich vorher noch meinen Spaß mit ihr haben. Vielleicht gibt es ja doch einen Gott.“
Er grinste; er hatte seit Monaten nicht mehr gegrinst und ihm war fast so als schmerzten seine Gesichtsmuskeln ob dieser widernatürlichen Bewegung. Mit einem gutmütigen Tonfall erwiderte er: „klar Lady...mein Haus ist groß und Kaffee habe ich sicher auch noch.“
Ohne ein weiteres Wort betraten die beiden das geräumige Haus des Killers. Seine Sammlung von Leichenteilen bewahrte er in verschlossenen Schränken auf, so daß sein Haus auf den ersten Blick ganz normal erschien, bis auf daß es sehr gut eingerichtet war. Er wohnte in gehobenem Standart und so besaß er sogar ein echtes Haustier; eine Boa, die in ihrem Terrarium herumkroch. Seine Begleiterin nickte nur erstaunt über das Tier und auch über die anderen Möbel, die erkennen ließen, daß Jack viel Geld verdiente.
Ohne Umschweife gingen sie ins Schlafzimmer und begannen mit ihrem Liebesspiel. Der Killer war sich nun gar nicht mehr sicher, ob er die Frau überhaupt noch töten wollte. Sie war so schön und so unglaublich temperamentvoll. Er stellte sich vor, daß die beiden sogar ein Paar werden könnten...ein ganz normales Paar. Vielleicht würde er sogar eine kleine Mörderpause einlegen und...
Hier brach sein Gedanken ab, denn er spürte einen gräßlichen Schmerz unter seinen Rippen. Als er mit seinen Fingern über den schmerzenden Punkt strich fühlte er etwas Feuchtes. Er nahm die Hand hoch und erkannte Blut. Es war Blut! Verdutzt schaute er seine Liebschaft an. Diese grinste nur hämisch und sagte: „Na Du alter Sack! Glaubst Du wirklich, daß ich mit so einem Arsch in die Falle springen würde? Ich bin die schwarze Witwe, die Killerin aus Downtown und Du bist mein 104tes Opfer, damit schlag ich sogar den Rekord von dem „Schnitter““. Mit diesem Satz stach sie nochmal zu und Jack merkte wie das Leben mit dem Blut aus seinem Körper floß. Es dauerte nicht lange, bis sein Herz aufhörte zu schlagen. Und alles an was er noch denken konnte war: „sie hat mich überholt...sie hat mich, „den Schnitter“ eingeholt...diese Schlampe...diese...“

Und so starb Jack der Schnitter. Er starb, getötet von dem perfekten Opfer; der Krönung seiner Sammlung...seiner größten Konkurrentin...
 
Geile Story. Hat mir super gefallen und konnte man so weglesen. Ich hab mir zwar schon gedacht, dass sie selber eine Mörderin ist, weil sie so offen auf ihn einging.
Aber ist echt super....
 
Zurück
Oben Unten