Rezension Bulldogs! [Team-Rezi]

Silvermane

Wahnsinniger
Registriert
22. Februar 2004
Beiträge
5.750
Bulldogs!


FATE RPG [Team-Rezi]


"Who could be desperate enough to sign his life away for five long years? Desperate enough to take a job
hauling volatile and hazardous cargo to the most dangerous places in the galaxy? Planets where the very
air is a corrosive acid. Planets where the locals might cut your throat just so they can turn you into a nice steak.
Planets where petty thugs and warlords are engaged in constant running gun battles and you’re just as likely to
catch a blaster shot in the skull as get a signed delivery manifest.
You are, that’s who. Welcome to Bulldogs!"


...und ich dachte, ich hätte einen Scheißjob.
Willkommen bei einem weiteren Rollenspielreview hier bei B!, mein Name ist Silvermane und ich erzähle euch etwas über Bulldogs!, einem SciFi-Rollenspiel nach den FATE-Regeln.

"Böh, Onkel Silver...es gibt doch schon Diaspora, Strands of Fate und Starblazer Adventures! Alles SciFi! Alles FATE! Brauchen wir da echt NOCH EIN SciFi-FATE?"

Kurz gesagt, JA! Aber schauen wir uns doch erst einmal das Regelwerk an...

Das Buch:
Bulldogs! ist ein gerade mal 170 Seiten starkes Hardcover, durchgehend farbig und solide gebunden. Es handelt sich eigentlich um eine Neuauflage; der Autor hatte schon einmal ein SF-RPG namens Bulldogs! publiziert, das ursprüngliche Bulldogs! verwendete allerdings das D20-Regelsystem.

Das Setting:
Bulldogs! spielt primär im Niemandsland zwischen 2 verfeindeten Sternenreichen, der Republik von Devalkamanchan und der Union der Saldralla. Beide hatten vor etlichen Jahrhunderten einen tausendjährigen Krieg gegeneinander geführt und dabei ganze Planeten und Sonnensysteme zertrümmert - bis beiden Seiten die Resourcen ausgingen und ein Waffenstillstand geschlossen wurde.
Eine neutrale Grenzzone wurde eingerichtet und dient seither als Puffer. Beide Seiten sind mit der Gesamtsituation unzufrieden, aber keiner will den ersten Schritt machen. Stattdessen agieren Agenten und Stellvertreterregierungen der beiden Imperien innerhalb der neutralen Zone. Diese ist zwar reich, aber ohne zentrales Rechtssystem - ein Hafen für Piraten, Freibeuter, Gesetzlose und opportunistische Händler.

Die Standardprämisse ist, daß die Spieler für Transgalaxy in der Frachtdivision Class D arbeiten, den sogenannten "Bulldogs". Wie der Introtext schon vermuten lässt, sind die Charaktere nicht gerade geschniegelte Musterastronauten, sondern eher kriminelle Subjekte auf der Flucht vor irgendetwas oder irgendwem - Transgalaxy stellt keine Fragen was die Herkunft oder das Vorstrafenregister angeht.
Class D transportiert Risikofracht in meist schrottreifen, aber hochversicherten Seelenverkäufern; entweder die Chars erwirtschaften einen ordentlichen Profit für die Firma, oder sie gehen dabei drauf und die Firma kassiert die Versicherungssumme; Win - Win, von deren Standpunkt aus.

Das Regelwerk beschränkt sich allerdings nicht auf diesen einen Kampagnentyp, sondern bietet weiter hinten im Buch etliche alternativen an. Eine der Grundprämissen ändert sich allerdings nicht dabei: Es wird fest davon ausgegangen, daß die Spieler ein Raumschiff haben und viel unterwegs sind.

Die Rassen:
Was wäre pulpige SciFi ohne Aliens? Bestenfalls seltsam, und deswegen bietet uns das Charaktererschaffungskapitel satte 10 Beispielrassen und einen kleinen Baukasten für Eigenkreationen. Und weil das hier Pulp ist und keine harte SF stammen die Aliens alle vom Planeten der Hüte, will sagen, entsprechen gewissen Archetypen...
Netterweise gibt es zu allen fertigen Alienrassen eine Liste mit Beispielnamen, was ich den Autoren hoch anrechne.

Asurbaraner
Die Asurbaraner sehen frappant wie Menschen aus (auch wenn sie mehr Varianzen in Augen-, Haut- und Haarfarbe haben). Sie haben kein eigenes Sternenreich (auch wenn Verschwörungstheorien etwas anderes behaupten) sind anpassungsfähig, zahlreich und schier überall...he, wie Menschen.

Dolomé
Groß. Blau. 3 Arme, 3 Beine, 3 Augen, schwer zu ärgern und technisch begabt, das sind die Dolomé. Auf der Schattenseite sind sie die reinsten Abrissbirnen WENN sie denn erst einmal sauer sind. Mit drei Metern Körpergröße taucht der Aspekt "zu Eng" auch öfter auf, als einem im Spielverlauf lieb ist.

Hacragorkan
In dem Namen steckt nicht umsonst "Ork" drin...Hacragorkans stammen von einer ziemlich unangenehmen Heimatwelt, und das hat abgefärbt. Zwar sind sie bis auf die grüne Hautfarbe vollkommen Humanoid, aber gebaut wie Kleiderschränke, mit Tätowierungen und künstlerisch wertvollen Narben bedeckt, sowie einem Faible für gewaltsame Konfliktbewältigung und Nahkampfwaffen ausgestattet. Hacragorkas Hauptexporte sind Gewalt, Söldner und Waffen. In dieser Reihenfolge

Ken Reeg
Auch die Ken Reeg sind grün, aber im Gegensatz zu den Hacragorkans narbenfrei und von erheblich geringerem Bizepsumfang. Die meisten halten sie für einen Nebenzweig der Asurbaraner. Die Ken Reeg sind gut mit Zahlen und Regeln; anstatt diese Gabe aber dazu zu benutzen, ordentliche Rollenspieler zu sein, entscheiden sich die meisten für eine Karriere in den Bereichen Glücksspiel, schmierige Geschäfte und Rechtsverdreherei. Zu allem Überfluss brauchen die Ken Reeg keinen Schlaf...und ernsthaft, würdet ihr einem Typen namens Dizzy Stardust ein gebrauchtes Raumschiff abkaufen? ;)

Roboter
Hierunter versteckt sich eigentlich ein weiteres Konstruktionssystem, nämlich eines für mechanische Lebensformen. Von künstlich intelligenten Androiden die als Mensch durchgehen bis zu piependen Blechtonnen mit eingebautem Trennschleifer wird hier alles an Spielercharakteren abgedeckt, was nicht auf biologische Weise entstanden ist.

Ryjyllian
Die Kilra...äh, Ryjyllianer sind ein Kriegervolk von katzenartigen Zweibeinern vom eisigen Planeten Ryjyll, in Clans organisiert und an einen strengen Ehrenkodex gebunden. Zumindest innerhalb des Clans. Aliens hingegen sind meist ohnehin ehrlos, und dürfen ohne Berücksichtigung der Regeln über den Haufen geknallt werden.

Saldrallaner
Die Hauptrasse der Union der Saldralla; Saldrallaner sehen aus wie Schlangen mit 2 Armen, können ihr Geschlecht nach belieben wechseln (und das Geschlecht von Aliens meist nicht auseinanderhalten) und sind Kaltblüter. In mehr als dem biologischen Sinn. Die Union und ihre Mitglieder sind für ihren Pragmatismus, kombiniert mit einem äußerst flexiblen Verhältnis zu Moral, Recht und Anstand und absoluter Ruchlosigkeit berüchtigt.

Templar
Die dominante Rasse der Republik von Devalkamanchan. Die Templari sind humanoid, lila und haarlos, militaristisch bis ins Mark, eroberungsgeil und zu allem Überfluss auch noch xenophobe Rassisten. Wundert es da noch jemanden, daß sie auch das stärkste Militär haben? Oh, und der Name der Republik kommt von Deval und Kamanch - den beiden Kriegsgöttern der Templari.

Tetsuashan
Der Planet Suash ist ein sumpfiges, insektenverseuchtes dunkles Loch von einer Welt. Seine Einwohner, die Tesuashan, haben große Ähnlichkeiten mit 1 Meter großen Nacktschnecken mit zwei armähnlichen Pseudopodien und einem einzelnen Auge. Sie vermehren sich asexuell, sind allergisch gegen Salz und haben ein Talent für alles, was mit Raumfahrt zu tun hat.

Urseminiten
Die Urseminiten sehen aus wie kleine, knuddelige Teddybären von etwa 1-1,20 Metern Höhe mit kuscheligem Fell. Es wird vermutet, daß sie künstlich als Haustiere gezüchtet wurden, da ihre Zähne stumpf sind und sie keinerlei natürliche Waffen haben.
Leider täuscht der Eindruck - sie haben alle Persönlichkeitsmerkmale eines soziopathischen Wiesels, sind nur aufs eigene Wohl bedacht und benehmen sich generell wie die Axt im Walde. Jabba the Hutt im Ewokkostüm. Mit einem Faible für fette Zigarren.

Die Regeln:
Gehobener FATE-Standard. Bulldogs! orientiert sich sehr nah am Regelwerk von Spirit of the Century, Subsysteme wie in Diaspora oder exzessiv verregelte Sonderoptionen wie in Starblazer Adventures findet man hier nicht.
Die wenigen Ausnahmen sind die Regeln für Waffen und Rüstungen sowie Fahrzeuge.

Waffen haben einen Schadenswert, welcher den minimal beigefügten Stress darstellt. Nur wenn die Anzahl der Shifts über den Waffenschaden hinausgeht, steigt dieser.

Beispiel: Eine schwere Blasterpistole hat einen Schadenswert von 3. Treffe ich nun mit 1 Shift, richte ich 2 Punkte Stress an. Hätte ich 3 Shifts, wären es immer noch 3 Punkt; erst bei 4 Shifts und mehr richte ich mehr Stress an, nämlich die Anzahl der Shifts selber.

Rüstungen werden vom Stress abgezogen. Bulldogs! unterscheidet zwischen Schilden und Rüstung - bestimmte Waffen richten z.B. gegen schilde weniger Schaden an. Es wird allerdings immer nur der beste Schutzwert verwendet - Schild und Rüstung werden nicht addiert.

Fahrzeuge und Raumschiffe werden wie Charaktere behandelt - sie haben eigene Aspekte und einen eigenen Stresstrack, ebenso wie Waffen und eventuell Schilde. Im Kampf kann jeder Charakter an Bord eine Aktion durchführen, was die Kämpfe etwas Gruppenfreundlicher gestaltet als die in Strands of Fate.
Es existieren (optionale) Scalingregeln, die im Gegensatz zu den anderen Fateimplementation sogar funktionieren - es gibt 3 grundlegende Größen (Person, Fahrzeug, Raumschiff). Auf kleinere Objekte zu schießen erhöht die Schwierigkeit (und den angerichteten Schaden), bei größeren Objekten ist es umgekehrt. Schnell und simpel, und äußerst praxistauglich.

Die Skillpyramide wurde deutlich entschärft; zunächst mal sind einige Skills verbreitert worden (Pilot z.B. deckt jegliche Form von Fahrzeug ab), und dann hat die Skillliste die Form eines Kegelstumpfs. Zwar hat ein Charakter immer noch mehr niedrige Skills als hohe, aber es ist durchaus möglich, in die Breite zu gehen anstatt sich wie in Diaspora zwingend (über)spezialisieren zu müssen. Ebenso ist die Basis für nicht gelernte Skills +0, was auch untrainierten Charakteren Chancen bei etwas ausserhalb ihres Fachgebietes einräumt, speziell wenn man ein oder zwei passende Aspekte zusätzlich taggen kann.

Einige neue Skills sind ebenfalls dabei. Psychic deckt jegliche Form von psionischer Begabung ab - das "Feeling" liegt hier irgendwo zwischen den Psikräften bei Traveller oder der "Macht" in den alten Star Wars Teilen. Artillery regelt die Benutzung von schweren Waffen und Fahrzeuggeschützen. Trading kann von den Spielern zum Geldverdienen eingesetzt werden und regelt die Karriere als freier Händler à la Elite.

Einkäufe werden über ein Reichtums-Attribut abgewickelt, das NICHT Teil der Skills ist - im Gegenteil, dieses kann je nach "Auftragslage" der Spieler stark nach oben oder unten schwanken.

Ausrüstung und Fahrzeuge:
Eine der größten Überraschungen beim durchlesen von Bulldogs war das Ausrüstungskapitel. Waffen, Rüstungen und Gegenstände verfügen über ein Konstruktionssytem - man nimmt eines der Grundmodelle und addiert die gewünschten Extras, die wiederum den Preis beeinflussen.
Von Knüppeln über Wurfscheiben mit Vibroklingen und automatischen Blastern bis hin zum Panzerabwehrlaser, vom hautengen Raumanzug bis zur Power Armor, vom Satz Dietriche bis zur autarken Gefechtsdrohne - eine üppige Auswahl an Beispielexemplaren aus den verschiedenen Kategorien rundet das ganze Kapitel angenehm ab.

Fahrzeuge werden nach einem ähnlichen Prinzip zusammengestellt - Die Chassisgröße gibt Preis, Geschwindigkeit und Beweglichkeit an, Extras modifizieren diese Werte und erhöhen den Preis. Waffen werden separat gekauft. Die Einteilung ist recht grob, der Hauptunterschied zwischen einem schrottreifen Frachter und einer frisch geklauten Zollkorvette liegt primär in den Aspekten und der Anzahl der montierten Waffen, weniger in den Attributen. Auf der einen Seite mag der Mangel an spielmechanischen Unterscheidungsmöglichkeiten angekreidet werden, auf der positiven Seite ist es möglich, ein Schiff innerhalb weniger Minuten im Kopf zu erstellen.

Fazit:
Bulldogs ist großartig - eine schlanke, vollständige Umsetzung der FATE-Regeln für actionlastige, pulpige SciFi. Das Regelwerk kann ohne größere Modifikationen dafür verwendet werden, Szenarien wie in Star Wars, Firefly oder Farscape abbilden zu können, falls einem der mitgelieferte Hintergrund nicht zusagen sollte. Das ganze verpackt in ein schniekes, stabiles Hardcover mit farbigen Seiten und brauchbarem Lektorat.
Der einzige Wermutstropfen ist der für den Umfang von 170 Seiten verhältnismäßig hohe Preis von etwa 40,- € und das mäßige Charakterblatt.
Unterm Strich betrachtet bleibt nur zu sagen: SO sieht eine hervorragende Rollenspielpublikation aus! Bulldogs! ist für mich das SciFi-Highlight dieses Jahres, und die bisher spielbarste FATE-Variante in diesem Genre.

Bulldogs! - Offizielle Homepage

-SilverDen Artikel im Blog lesen
 
Scheint ja ein sehr geiles System zu sein, wenn ich mir ansehe, dass Du gerade deine bisherigen FATE-Lieblinge verkaufst ;) Werde es mir mal bei Gelegenheit anschauen... Danke für die ausführliche Rezi!
 
Oh shit, schaut das gut aus! Und ich hab in der Schule die meisten Englischstunden auf dem Flur beendet....

Frau Lehrerin, ich bereue!
 
Und jetzt, wo ich gerade so am Rezis aktualisieren und bilder einpflegen bin fällt mir auf - ich brauch das noch!
 
Zurück
Oben Unten