[20.05.2008] Es scheint zu wirken (Teil II)

"Ja, das stimmt."

Für Distanz war es nun zu spät. Also konnte er Marta problemlos an sich ziehen - bis zu einem gewissen Punkt. Nah genug um sie an sich zu spüren, doch nicht nah genug um irgendetwas zu wagen. Hals Gesicht und alle weiteren, nicht von Stoff bedeckten Körperteile bleiben außer Reichweite. Wollte sie gewärmt werden, so musste sie wohl ihreseits die Inititative ergreifen. Ricco selbst konnte sie lediglich eingeschränkt führen. Und auch das war schnell zu Ende, denn als sie um eine Biegung schritten, blieb die junge Frau plötzlich stehen.

"Wow! Schau mal..."

Ihre Augen waren nach oben gerichtet, diesmal lag jedoch ein überraschter Ausdruck darin. Die Ursache war nicht schwer zu übersehen: Zwischen den Baumkronen hing der Mond als rote Sichel am Himmel. Wie lange ist das schon? Die Vampirin konnte kaum glauben, dass sie dieses Phänomen bis hierher einfach übersehen hatte. Es sieht so schön aus...
 
Ricco sah nun auch nach oben. Sowas hatte auch er noch nie gesehen und natürlich hatte auch keiner von ihnen schon mal etwas vom roten Stern gehört, sonst hätte vielleicht zumindest Martha es nich für romantisch gehalten.

"Das sollte es eigentlich nur bei einer Mondfinsternis geben", meinte Ricco. "Aber die ist gerade nicht drinnen? Vielleicht eine Verunreinigung in der Atmosphäre."
 
Glücklicherweise war Marta nicht abergläubisch. So konnte sie die Erscheinung mit einer gewissen Kuriosität betrachten. Vermutlich hätte sie noch einige Minuten einfach dagestanden und nach oben gesehen, doch Riccos relativ nücherne Analyse brachte sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Recht hatte er aber: Bei aller Schönheit - was sie da sahen konnte man kaum als normal bezeichnen.

"Möglich... so ähnlich wie bei einem Sonnenuntergang. Eine Mondfinsternis ist das jedenfalls nicht."
 
"Ja, aber irgendwie ist es dafür keine Zeit", murmelte Ricco.

Leider fehlte ihm bei solchen Sachen jeglicher Sinn für Romantik.
 
Und wie. Außerdem schien der Junge plötzlich völlig aus dem Wind zu sein. Marta sah zu ihm herüber und zog die Stirn kraus.

"Ja, das hast du schon gesagt... Alles okay soweit?"
 
Er schüttelte den Kopf.

"Ich hatte nur eben kurz das Gefühl, als hätte ich schon mal von einem solchen Phänomän gehört, aber es fällt mir nicht mehr ein, vielleicht war es auch nur eine Geschichte von meiner Gropmutter", meinte Ricco dann. "Aber vielleicht ist es auch einfach nur schön."

Natürlich dachte er immer noch an Luftverschmutzung und anderes.
 
Dafür ist es jetzt zu spät. Marta konnte nur erahnen, was sich in seinem Kopf abgespielt hatte. Und mit 'einfach nur schön' dürfte das herzlich wenig zu tun haben.

"Jetzt komm mir nicht so - du hast doch etwas bestimmtes im Kopf gehabt! Smog, oder sowas? Vielleicht jetzt, wo der Tunnel wieder auf ist..."

Mit der Romantik schien es jedenfalls unwiederbringlich vorbei zu sein.
 
"Sowas ähnliches wie Smog, irgend etwas, was in die oberere Atmosphäre aufgestiegen ist und in den nächsten Tagen haben wir dann den ganzen Mist im Regen und im Grundwasseer", meinte Ricco nun. "Wäre ja nicht das erste Mal, daß so etws geschieht und glaub mir, das ist dann nicht lustig. Vor garnicht allzulanger Zeit war eine Subtanz in der Luft und im Regen, die Menschen in den Selbstmord getrieben hat."
 
"Das hört sich ziemlich extrem an. Sah der Himmel damals auch... seltsam aus, oder war das Zeug einfach im Wasser?"

Marta hatte von diesen Ereignissen zwar schon gehört, allerdings nicht sehr viele Details. Vielleicht solltst du da noch etwas nachgraben. Vielleicht hätte sie ja in der kommenden Nacht Gelegenheit dazu. Und jetzt genug mit den trübseligen Gedanken! Die Brünette zog sich etwas näher an Ricco heran und schickte eine Aufmunterung - in Form eines umwerfenden Lächelns - zu ihm herüber.

"Aber ich würde mir jetzt nicht so viele Sorgen machen. Vielleicht ist das ja auch völlig harmlos."

Die Kleine schien hier optimistisch zu sein. Und auch wenn man 'völlig harmlos' als übertrieben ansah, so würde doch nicht gleich die Welt untergehen. Oder?
 
"Nein, damals sah es wie flüssiges Blei aus, aber das will nichts bedeuten, das ist vermutlich etwas anderes, sie Stimmung war anders", murmelte Ricco und sah dann doch weg. Anscheinend wollte Marta nicht über solle Dinge nachdenken, wollte nichts Schwermütiges, also würde er sie nicht weiter damit belasten.

Er legte die Arme um sie.
"Du hast Recht, was willst du jetzt noch tun?" Er legte den Kopf etwas schief und sah auf sie herunter.
 
Wie sieht denn flüssiges Blei aus? Gelb? Mit dieser Information konnte sie im Moment eher weniger anfangen. Doch zumindest schien es damals anders gewesen zu sein. Was ich jetzt noch tun will? Das wusste sie ganz genau - nichts was sie ihm hier erzählen wollte. Ihre Blick fing seinen auf und es schien als läge ein leichtes Grinsen darin. Dann war es auch schon wieder vorbei. Marta sah hinaus in die Nacht.

"Ich weiß nicht. Eigentlich ist es ja schon ganz schön spät... vernünftig wäre wohl auch etwas zu schlafen."

Dabei blieb zunächst in der Luft, ob sie nun auch vernünftig sein wollte. In gewisser Hinsicht fragwürdig, machte sie doch keine Anstalten die bisher übliche Distanz wiederherzustellen. Noch nicht.
 
"Du meinst du willst ins Bett?" fragt er und ließ sich nicht los. "Und nur weil ich gut erzogen bin, frage ich jetzt nicht, ab zu dir oder zu mir."

Aber wenn sie natürlich auch wollte, wäre er dabei
 
"Gut. Sonst müsste ich dir nämlich sagen, dass ich nicht so eine bin..."

Ihr Tonfall war etwas neckend, doch die Worte todernst gemeint. Ihr Interesse konnte man zwar durchaus als sexuell bezeichen... allerdings auf einer etwas anderen Ebene. Hatte sich Ricco also Hoffnungen gemacht, musste sie diese Blase zunächst platzen lassen. Schweigen. Fast wie zum Trost blieb sie noch kurz in seiner Umarmung, bevor sie sich löste, gerade genug um ihn sanft voranzuziehen.

"Gehen wir noch ein Stück."
 
Nun, was hatte ein Mann schon für eine Möglichkeit, wollte er nicht hinterher als Wüstling da stehen und keine Chance mehr haben.

Da blieb dann nur noch Smalltalk während er neben ihr her trottete.

"Wann musst du denn morgen anfangen?" fragte er mit einem Themenwechsel.
 
Also vom Wüstling war er nun meilenweit entfernt. Im Gegenteil schien er eigentlich einen ganz guten Eindruck hinterlassen zu haben.

"Relativ spät - so auf neun. Aber vielleicht gehe ich auch etwas eher hin. In den letzten Wochen hat sich so einiges angehäuft, mit dem wir noch ein Stückchen beschäftig sein dürften."

Was ja tatächlich der Wahrheit entsprach. Allerdings würde sie wohl nicht vor zehn - abends - aus dem Haus kommen. Einer der Nachteile am kommenden Sommer.
 
"Du meinst also, du willst jetzt nach Hause gehen?" fragte Ricco. "Wir können auch gerne noch irgendwo einen Kaffee trinken gehen oder etwas anderes, wenn du keinen Kaffee magst."

Er wollte sie nicht gehen lassen, aber die Nacht würde bald vorbei sein und auch die Uni würde ohne schlaf nicht toll werden.
 
"Kaffee? Mag ich, aber... du willst schon noch irgendwann schlafen, oder?"

Marta sah zu Ricco hinüber. Natürlich würde sie keine Probleme beim Einschlafen haben und der Sonnenaufgang war noch ein gutes Stück entfernt. Also wenn du durchmachen willst... Sie grinste ihn an.

"Es bisschen Zeit haben wir ja noch... Okay, lass uns Kaffee trinken!"
 
"Ich kann auch nach ein oder zwei Kaffee schlafen, wenn du es auch kannst", meinte Ricco. "Ich kenne da ein süßes kleines Cafe, da hast du eine Riesenauswahl an Kaffes-Sorten."

Er lenkte sie langsam wieder Richtung Auto.
 
"Klingt gut - solange es nicht zu weit weg ist. Und überhaupt auf hat..."

Ja, die meisten Cafés hatten nun mal nicht bis tief in die Nacht geöffnet und selbst bei denen, wo es länger ging, war das in der Regeln nicht bis zum frühen Morgen. Hoffentlich willst du jetzt nicht nach Burgh oder so...
 
"Mein, es ist da ein kleines Frühstückscafe, an Stiedd, das erst vor ein paar Tagen aufgemacht hat, wollen wir es mal ausprobieren?" schlug er vor. "Oder kennst du schon ein anderes?"

Er wollte ihr doch den Vortritt lassen.
 
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