[18.5.2008] Sweet Dreams

Kalliope

Kainit
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27. Februar 2012
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Out of Character
Die Würfel bezüglich Nachteil sind zwar gut gefallen, aber iwie hatte ich jetzt Lust trotzdem was zu zu schreiben um die Lernpause noch en bisschen zu ziehen. :'D


Von draußen drang die Schwärze der Nacht herein. Eisige, unbarmherzige Krallen langten nach den ausgezehrten, bleichen Beinchen des Mädchens, welches auf dem klammen Stroh einer erbärmlichen Schlafstätte kauerte. Sie fror. Sie ängstigte sich. Und von den Spitzen des zerzausten, vor einigen Wochen radikal gekürzten Haarschopfes tropf noch immer kaltes Nass.

Die Arme hatte die ausgezehrte Gestalt in dem mit Flecken übersäten, schmutzig weißen Hemdchen eng um die angewinkelten Knie geschlungen. Hämatome, Blutkrusten, Narben und Schürfwunden überzogen den krankhaft bleichen, teils bläulich anmutenden Mädchenkörper. Düstere Schatten mit rötlichen Rändern unter den vor Entsetzen weit aufgerissenen Augen, deren Iris gänzlich von der Pupille verschlungen worden zu sein schien, und eine aufgesprungene Lippe, an der weiße Zähnchen nervös nagten.
Weißer Dampf entwich Nase und Mund mit jedem Atemzug im Takt des lahmen, schwachen Herzchens. Der Nebel spiegelte die tumbe Starre wieder, in welcher sich die Sinne des Mädchens zu befinden schienen. Und doch war sie nicht komatös, nicht gänzlich katatonisch, nicht erloschen. Ein letztes Mal brachte sie all die verstreuten Überreste ihrer ausgezehrten Kräfte auf. Sie würde sie brauchen. Bald. Viel zu früh.
Zeit hatte alle Bedeutung verloren. Hoffnung war gestorben. Erlösung ein Fremdwort.
//Überleben...wir müssen überleben...wir...wir dürfen nicht...ich darf nicht zulassen dass sie...ich kann nicht...nein, nein...//

Die Welt war nicht mehr, wie sei einstmals gewesen schien. So nahm das Kind im Frauenkörper sie auch gar nicht mehr wahr. Ihre Sinne schienen geschärft durch Leiden und Pein in einem Maße, wie es wohl bloß mit jemandem geschehen konnte, der längst den Balanceakt auf der Klippe zwischen Leben und Tod verloren zu haben schien und dennoch fest entschlossen war weiter zu tanzen. Wenigstens vorerst. Sie konnte nicht aufgeben, dürfte es einfach nicht. Sie hatten doch bloß noch einander...
Heiße Tränen fanden ihren Weg steife Schneewangen hinab und fielen weich auf Stroh.

Schlüssel klirrten als sie aufeinander prallten, schabten prüfend über Metall ehe ein wohl vernehmliches Klicken verriet, dass das Schloss geöffnet worden war. Es folgte das Quietschen alter Scharniere und das Schaben mächtiger Gitter auf dem steinernen Boden. Dann Schritte auf dem Flur.
Das Mädchen zuckte erschrocken zusammen. Mit schwarzem Schmutz und rotem Blut bedeckte Finger krallten sich krampfhaft in das Fleisch der eigenen Schenkel. Dann begann die Geschundene zu zittern. Nicht bloß leidend an der peinigenden Kälte, sondern vor schierer Panik. Alle Kräfte die aufzubringen sie noch imstande war, hatte sie fokussiert. Sie reichten nicht einmal mehr zum Aufstehen.

"Hier ist es."
Erneut das stumpfe Klirren rostiger Schlüssel als Erwiderung auf eine frostige, harte Männerstimme.
Ein letzter, verzweifelter Blick in Richtung des vergitterten Fensters, welches für das Mädchen so unerreichbar hoch in der kleinen Zelle prangte. Dann ein unverhoffter Wink des Schicksals. Der Wolkenschleier am Himmel lichtete sich. Ganz sanft, sacht quoll silbriger Mondschein in die Finsternis ihrer Welt.
Die Gepeinigte schloss die Augen. Der Schein erfasste sie, tauchte sie in ein mystisches Bad. Die quälende, kinderherzzerreißende Furcht wich schlagartig einer eigentümlichen Zuversicht, schließlich gar Indifferenz.
Kein Scharnier und auch kein Schaben von Holz auf Stein verriet das Öffnen einer Tür.
Stille.

Als Ligeia die Augen aufschlug, empfing sie tiefe Schwärze. Eine Nacht wie jede andere.
Ohne sich einen weiteren Moment der Besinnung oder der Reflexion zu gönnen öffnete die Kainitin in geradezu automatisierter Geste den Deckel ihres Sarges und fand sich in der Fabrik wieder, ganz dort, wo sie eingeschlafen war.

"Guten Abend, Frau Doktor", empfing sie Eleanore mit einem Lächeln und einem seichten, nichts desto trotz ehrerbietenden Neigen ihres Hauptes.

"Guten Abend, Lenore", erwiderte die Psychiaterin in gewohnt nüchterner Manier und erhob sich aus dem Sarg, welchen sie in der letzten Nacht aus dem Van in die Fabrik gebracht hatte. Die bleiche Brünette konnte nicht anders. Bettete sie sich anderweitig zur Ruhe, erfüllte sie dies mit nicht näher fassbarem Unbehagen, wenn auch nicht annähernd so sehr, wie es jenen Bildern mitunter gelang. Eigentlich hätte sich Raven bereits vor Jahrzehnten an diese ihr anhaftenden Schatten in Vergessenheit geratener Historie gewöhnt haben müssen. Dennoch hatte sie unabhängig von Intensität, Ausmaß und Form jener ganz persönlichen Horror-Show jedes Mal auf's Neue das Gefühl, als sei es das erste Mal gewesen, selbst wenn die Szenen nicht genügten ihren Geist die Nacht über nachhaltig zu beschäftigten.

//Vermaledeiter Nachtmahr... Nimmermehr scheinen wir diesen Impressionen entkommen zu dürfen... Stigmata. Final jedoch bleibt die Katharsis zwingend aus.
Allerdings...nun, es bleibt festzuhalten, dass uns zumindest diesen Tag über erspart wurde die wahren Gräuel ein weiteres Mal zu durchleben.

Ein Umstand, dem ich reichlich verbunden bin. Schwester, ich...spürst auch du noch hin und wieder statt angenehmem Schuhwerk an nackten Füßen kalten Stein? Und siehst nicht auch du in manch einem Gewässer...

Schweig in dieser Sache. Du darfst nicht darüber nachdenken. Lass die Toten ruhen - und vor allem lass nicht zu, dass Urd dich mit Gewalt niederschmettert und der Verdandi entreißt. Ich habe schließlich solche Opfer für uns gebracht...

Du hast dich selbst verzehrt. Die eigenen Flügel verschlingen...ein Gräuel wohin dies führen muss.

Bin ich nicht Ligeia? Warum sollte ich der Morella Raum schenken wo ich bereits die Madelaine mein nenne?!

Verzeih...ich...es lag mir nichts ferner als dich zu erzürnen...

Vergiss nicht, dass es erst der Nebel ist, dem es gebührt an der Esche Krone zu rühren. Liesdie Zeichen wie sie da nieder stehen. Uns wurde gelehrt zu sehen, wo andere bloß mit Sinnen tasten und zu denken, wo jene allein zu glauben vermögen.
Was das andere angeht, so solltest du dir schlicht gewahr sein, dass ich der zerschmetterten Schlange wohl nicht nachtrauern würde, den Stoß jedoch nicht auszuführen gedenke. //

Düster waren die grünen Augen der Brünetten als sie ihre Kleidung richtete. Die Guhlin kannte die Bewandtnis für jenes Starren bloß zu gut. Doch sie schwieg. Bei aller Anteilnahme wusste niemand besser als sie, dass manche Wunden niemals gänzlich verheilen konnten.

Der Innere Dialog der Schwestern hingegen blieb ihr, wie es bloß all zu natürlich scheinen musste, gänzlich verborgen. Was exakt im Kopf der Malkavianerin mit den zwei bloß augenscheinlich identischen Gesichtern vor sich ging, war ein Rätsel, welches allein in ihrem Blut ergründet werden mochte.

Nach endlos scheinenden Minuten des Schweigens wandte Ligeia sich endlich ihrer Tasche zu und ging zur abendlichen Routine über.
"Ich werde heute Abend noch die eine oder andere Erledigung tätigen müssen, Lenore", sprach die Untote mit dem ausdruckslosen Alabastergesicht, während sie Make-Up und Frisur prüfend in einem Handspiegel kontrollierte und wo nötig auch korrigierte.
"Es mag sein, dass Jenny vor mir hier sein wird. Mir wäre es recht lieb, würdest du mich umgehend telefonisch kontaktieren sobald die Dame hier eingetroffen ist. Nichts desto trotz habe ich nicht vor länger als nötig abwesend zu sein."

Es folgten noch weitere Instruktionen und ein kurzer Austausch betreffs Abendplanung sowie der konkreten Bedürfnisse, denen eine zukünftige Unterkunft innerhalb dieser Stadt wohl zu entsprechen haben würde.
Die Psychiaterin beauftragte ihre Guhlin damit bei Gelegenheit eine Vorauswahl passender Immobilien -favorisiert Wohnungen innerhalb eines Altbaus der wilhelminischen Ära- zu treffen.

Dann nahm sie ihre Tasche, verabschiedete sich von der Assistentin und öffnete die Tür ihrer gegenwärtigen Behelfszuflucht um hinaus in die Nacht zu treten. Kühle, labende Luft geweiht im Geiste Lunas würde ihre Sinne fraglos klären. So war es stets, musste es stets sein.
Ob sie den erwähnten Jugendlichen begegnen würde? Nun, gegen einen kleinen Umtrunk am frühen Abend hätte sie fürwahr nichts einzuwenden. Andererseits wäre es auch nicht unangenehm gänzlich unbehelligt das Gelände verlassen zu können und sich dem Wesentlichen zuwenden zu können.

Erste Anlaufstelle an diesem Abend würde die Akademie sein, welche Jenny als örtliches Einwohnermeldeamt für Blutsauger ausgewiesen hatte.

Und das obgleich der Sirenen Ruf sie doch noch immer voll solch lieblicher, grauenerregender Süße lockte.

//Bald...eine Frage von Stunden...kein Lidschlag im Ganzen, doch brennende Pein der Sehnsucht schürend... Die Nähe ist fürwahr die schrecklichste aller Distanzen! //
 
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