[16.10. - 13.11.2015] Berliner Verteidigung (Sg8-f6)

Magnus Eriksson

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Das sind sie also, die besorgten Bürger von denen man so viel hört, die patriotischen Europäer, die das Abendland beschützen wollen, dachte von Bredow mit einem Anflug von Belustigung. Links und rechts wurden Plakate hochgehalten und voller gerechtem Zorn geschüttelt. Keine Sharia in Europa, kann man dort lesen. Alibaba und die 40 Dealer. Ausweisung sofort, stand auf einem anderen.

Er sah sich erneut in der Kirche um, die diesmal als Treffpunkt der Protestierenden gewählt wurde. Die Bankreihen an deren äußerstem Rand auch von Bredow Platz gefunden hatte, waren gut gefüllt. Sogar in den Gängen standen noch einige von den Wutbürgern, johlten, klatschten oder reckten wütend die Fäuste an den Stellen in die Luft, wo es von ihnen erwartet wurde.

Seit von Bredow nach Finstertal gekommen war, hatte er schon einige von diesen Versammlungen besucht. Hatte nach Mustern in Abläufen gesucht und nach Köpfen, die dahinter steckten. Den Schreihälsen im Publikum galt dabei nur ein flüchtiges Interesse. Dies waren nur die Sympathisanten, Mitläufer und Marionetten und selbst wenn nicht, würden sie es bald sein. Denn von Bredow hatte beschlossen, heute Nacht seinen Zug zu machen.

Die meisten Menschen und auch eine überraschend große Anzahl von Kainiten, hingen noch dem antiken Ideal des Anführers an. Doch die Tage von Alexander von Mazedonien waren lange vorbei, wo ein Einzelner dank seiner individuellen Fähigkeiten an vorderster Front die Schlachten entscheidet. „Leading from behind“ oder heutzutage besser bekannt als die Obama-Doktrin würde es der Bewegung erlauben, ihre öffentlichen Gesichter zu behalten. Neben Napoleon und Frau Merkel zählte auch von Bredow zu den Anhängern dieses moderneren Führungsstils. Und war das am Ende nicht auch stets die Idee bei der Gründung einer Kamarilla?

Auch wenn er noch nicht die Erfahrung eines Ahnen hatte, wusste von Bredow, dass es Orte wie diese waren, egal ob Münchner Bierkeller oder Leipziger Kirchen, an denen Geschichte geschrieben wurde.
Im Gegensatz zu vielen seiner Artgenossen machte sich von Bredow keine Illusionen darüber, dass Vampire seit dem Bestehen der Maskerade bestenfalls eine Fußnote der Geschichte waren. Selbst die besten unter ihnen konnte Revolutionen nicht weit voraus sehen, geschweige denn erzeugen oder gar lenken. Selbst von Bredow hätte seine Mühe auch nur diese Kirche voll Bauernopfer länger als eine Nacht direkt zu kontrollieren, wie er sich ungern eingestehen musste. Es waren einfach zu viele von ihnen. Aber sehr wohl konnten die nächtlichen Parasiten von den Ereignissen profitieren und wenn von Bredow eins gelernt hatte, dann die Chancen zu nutzen, die der Lauf der Geschichte ihm bot.

Quis custodiet ipsos custodes?, fragte sich Juvenal Angesichts des Sittenverfalls im alten Rom. Ich, würde von Bredow ihm ohne zu zögern antworten.

Und so hielt er jetzt Ausschau nach des Pudels Kern, nach den Chef-Ideologen, den Vordenkern, den Strategen, Planern und Lenkern, um die Strippenzieher mit eiserner Hand im Samthandschuh zu beugen oder zu brechen und an seinen Fäden tanzen zu lassen.

Von vorne feuerte eine menschliche Stuka eine weitere Wort-Salve auf die Zuhörerschaft ab. Grölender Applaus. „Genau“, geiferte eine ältere Dame neben ihm. „Ganze Viertel haben die Ausländer bereits übernommen,“ schrie sie ihm ins Ohr, um den Lärm zu übertönen. Von Bredow nickte ihr zustimmend zu und erhob sich würdevoll, um zu applaudieren. Schnell folgten die anderen seinem Beispiel. Herde, Bauern, willensschwacher Pöbel. Ihr wisst doch gar nicht, was ihr wollt. Aber ich werde es euch mitteilen lassen. Seid unbesorgt, es wird zu unser aller Besten sein.

Zum Abschluss der Kundgebung wurden noch die drei Strophen der Nationalhymne angestimmt. Dann begann die Menge sich langsam aufzulösen. Die meisten strömten den Ausgang zu. Von Bredow blieb noch einen Moment im Gespräch mit der Gruppe von Leuten um sich herum stehen, konnte aber aus ihren wirren Gedankengängen keine neuen brauchbaren Informationen gewinnen. Immerhin ein paar Gesichter und Namen der kleinen Lichter für später. Dann bahnte er sich gegen den Strom einen Weg auf das Podium zu, vor dem sich der innere Kreis der Veranstaltung versammelt hatte. Dort hatte er Simon Kauwell ausgemacht, einen der Abgeordneten der Freien Wähler.

Die Partei der Freien Wähler gehörte inhaltlich zur politischen Mitte, ohne eine besondere Nähe zu den etablierten Parteien aufzuweisen. Je nach Themengebiet vertraten sie liberale, konservative oder sozialliberale Themen, was ihnen oft den Vorwurf des Populismus oder der Beliebigkeit eingebracht hatte, wohingegen die Freien Wähler in ihren Worten nach einer pragmatischen Politik jenseits ideologischer Festlegung strebten und parteiübergreifende Zusammenarbeit ausdrücklich begrüßten. Im Zuge der Finanzkrise der EU hat die Partei jedoch einen Rechtsruck erfahren und deutlich nationalistischere Töne angeschlagen.

Von Bredow ging auf einen der Ordner zu, die bei der Organisation halfen, der aber momentan Pause hatte, bis mit dem Abbau des Podiums begonnen werden konnte. Manche führen, stand vorne weiß auf schwarz in altdeutscher Schrift auf seinem Hemd und das hatte von Bredows Gefallen gefunden.

„He da, guter Mann,“ sprach er ihn an.“Ich würde gerne Herrn Kauwell sprechen. Können Sie mich ihm bitte vorstellen?“ Von Bredows Stimme war höflich, aber er machte nicht Eindruck, als würde er ein Nein als Antwort akzeptieren.
 
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Der Mann den er angesprochen hatte sah aus wie Ende 30 und wirkte mit der großen Nase die wohl bei der ein oder anderen Auseinandersetzung gebrochen worden war und dem Stiernacken wir ein ehemaliger Schwergewichtler. Jetzt wandten sich seine grauen Augen von Bredow zu.
"Herr Kauwell ist ein beschäftigter Mann" sagte im Ton der ausdrückte Da könnte ja jeder Kommen. Im Hintergrund sah Gustav Kauwell mit dem Pfarrer der Gemeinde verhandeln der sehr bestürzt wegen des fremdenfeindlichen und aggressiven Tons der Veranstaltung erschien und auf den Leiter der Freien Bürger einredete.
In dem Moment sah Kauwell Gustav und entschuldigte sich bei dem verzweifelt um sein Gehör bemühten Priester. "Aber Albert, der Wähler hat eine Frage vermute ich und wir schenken unseren besorgten Bürgern immer gerne Gehör." Während Albrecht solcherart gemassregelt den Rückzug antrat wandte sich Kauwell nun direkt an Gustav
Kauwell war ein gutaussehender Mann Ende 40, er war etwa 1,80 Meter groß, blond und Brillenträger. Unter einem dunkelblauen langen Mantel trug er einen grauen Anzug mit Krawatte. Er wirkte sportlich und jugendlich auch wenn sich schon die ersten grauen Strähnen in seinem Haar zeigten, was ihm aber eher einen Anstrich von Seriosität verlieh denn von Alter. Seine blauen Augen richteten sich auf von Bredow, musterten den Ventrue neugierig.
"Guten Abend mein Herr. Mein Name ist Simon Kauwell und ich würde Sie gerne nach der nächsten Wahl als Stadtrat von Finstertal repräsentieren. Was kann ich für Sie tun?"
 
„Sehr angenehm. Mein Name ist Gustav Albrecht von Bredow und es ist mir ein Vergnügen Sie zu treffen Herr Kauwell,“ und das entsprach ziemlich der Wahrheit. Zwar hatte das verkümmerte Gefühl in von Bredows begrenzten Empfindungsspektrum nicht viel mit dem gemein, was normale Menschen als herzliche Freude verspürten, doch die stimulierender Anspannung der Interaktion war das, was dem wohl am nächsten kam.

Von Bredow bot seine Hand zur Begrüßung an und suchte mit festem Blick die Augen seines Gegenübers. „Ich habe mit wachsendem Respekt ihre Arbeit verfolgt, wie gut Sie die sozialen Probleme erfasst haben und als einer der wenigen deutlich beim Namen nennen. Ich bin da völlig ihrer Meinung, aber als Wirtschaftsberater mehr an den ökonomischen Fragestellungen interessiert. Meine Firma hat diesbezüglich einige Berechnungen angestellt und die Kosten sind einfach immens und in keinem Verhältnis zum wirtschaftlichen Nutzen. Leider verschweigen die etablierten Parteien die offensichtliche Wahrheit. Kein Wunder, dass sich so viele aufrechte Bürger frustriert von dem System abwenden. Ich habe mich gefragt, ob Sie in diesem Punkt ihr Programm schärfen wollen? Die entsprechenden Gutachten könnte ich Ihnen zukommen lassen.“

Und glaub nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast.
 
Kauwell zögerte nicht mit seiner Antwort und ein leicht selbstzufriedenes Lächeln spielte um seine Lippen während er antwortete. "Vielen Dank Herr von Bredow." Das von betonte er unauffällig aber für einen aufmerksamen Zuhörer unüberhörbar.
"Ich glaube immer mehr Bürger teilen unsere Besorgnis und sehen wie sehr diese liberalen Wirrköpfe auf der Linken unser solides Wirtschaftsfundament untergraben. Dazu noch solche Katastrophen wie die Flüchtlingsschwemme. Wie soll unser Staat das bewältigen ohne das unsere fleissigen und schwer arbeitenden Bürger ihr Auskommen verlieren. Das ist eine der brennenden Fragen unserer Zeit. Die Antwort ist unsere Wirtschaft die Industrie und der Mittelstand die hier im Land Arbeit schaffen und Arbeit erzeugt Wohlstand..das ist auch die Antwort auf Ihre Frage.
Wir müssen uns von politischen und humanitären Luftschlössern wieder zum Kern unserer Gesellschaft hin entwickeln, müssen unseren Mitbürgern wieder Arbeit verschaffen und unsere Wirtschaft fördern. Sehen Sie sich doch das Geschrei der linken Gesinnungslumpen an als ein amerikanischer Industriekonzern sich hier ansiedelt. Oh Gott, die verdienen am Krieg, das ist unmoralisch." Die letzten Worte sprach Kauwell mit einer affig hohen Tonlage einer hysterischen Frau.
"Aber was zählt ist das eine siechende Industriestadt wie Finstertal wieder prosperiert. Jeder der will hat Arbeit, die Infrastruktur wurde modernisiert und nach einigen Jahren fangen wir nun auch an wieder die Annehmlichkeiten des Lebens zu geniessen. Ich sage lass die ewigen Nörgler auf der Linken reden, die Bürger, die Wähler werden ihnen an der Wahlurne schon zeigen was sie davon halten.
Was ihre Frage zur Wirtschaft angeht bin ich dafür den Kurs fortzusetzen der Industrie den notwendigen Freiraum zur Expansion zu geben. Was schwebt Ihnen denn explizit vor?"
 
„Oh, ich bin niemand, der das Rad neu erfinden möchte und ich habe auch nicht den Stein der Weisen gefunden, um mit einer perfekten Lösung alle Probleme zu beseitigen. Alle die guten Konzepte und Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft sind algemein bekannt und ich würde mir nur jemanden wünschen, der sie auch umsetzt und sie nicht wieder in endlosen Kompromissen bis zur Nutzlosigkeit verwässert. Bürokratieabbau ist ein so ein Bereich, um Verwaltungskosten zu senken und potentielle Firmengründer nicht mit einen Wald von Vorschriften abzuschrecken. Und eine solide Haushaltspolitik ist notwendig. Niemand kann hier griechische Verhältnisse wollen.
Zu oft habe ich gesehen, wie gute Ideen mit Verfahrensfragen blockiert wurden und inzwischen weiß ich, wie man einige Tretminen umgehen kann. Ich weiß, Sie haben die richtigen Ideen und ich wünsche nur das diese realisiert werden. Wenn es dabei zu Problemen kommt, dann kann ich vielleicht helfen.“
Zur Unterstreichung seiner Worte ließ von Bredow einmal seine Halswirbel knacken.
 
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"Kompromisse werden überbewertet. Man muss seine Agenda rücksichtslos durchdrücken, sehen sie sich jemanden wie Trump in den USA an, meinen sie der würde das politische Establishment dort durcheinanderwirbeln wenn er political corectness predigen würde? Die meisten Wähler sind von den endlosen Details gelangweilt, die wollen einfache Lösungen und einfache Wahrheiten und die einfachste Wahrheit ist das man ohne die Unterstützung der Wirtschaft in der Politik nichts erreicht. Aber machen wir uns nichts vor, Deutschland ist ein Land in dem man als politischer Newcomer vielleicht einmal die Protestwähler gewinnt, wenn man dann aber nichts erreicht ist man tot und verschwindet gleich wieder von der politischen Bühne und deshalb bin ich sehr interessiert wie sie dieses mein mittelfristiges Problem lösen wollen?"
 
„Eine hervorragende Frage. Ich sehe da mehrere Optionen, aber würde dies gerne mit Ihnen ausführlich und in aller Ruhe besprechen. Wenn Sie erlauben, würde ich Sie gerne in den nächsten Tagen einmal zum Abendessen einladen. Ich kann ihr Büro kontaktieren, um ein passenden Tag zu finden. Wäre das annehmbar?“
 
"Natürlich, klären Sie das mit meinem Assistenten Herrn Krüger. Er hat einen besseren Überblick über meinen Terminplan als ich selbst." Kauwell lachte dazu verlegen. "Es hat mich gefreut Sie kennengelernt zu haben und auch meinen Dank das sie mich aus den Klauen des Pfaffen befreit haben. Ich freue mich schon auf unser Treffen aber jetzt entschuldigen Sie mich bitte." Kauwell reichte von Bredow die Hand, sah aufgrund der Kälte des Händedrucks leicht irritiert drein und wandte sich dann einigen weiteren Anhängern zu.
 
Auch von Bredow wandte sich ab. Mit einem letzten Blick auf den Gekreuzigten, der nur mit Gleichgültigkeit erwidert wurde, verließ er die Kirche und sandte einige Anweisungen an seine Assistentin, um das nächste Treffen vorzubereiten.

Einige Nächte später waren Terminabsprachen und Reservierungen gemacht worden und von Bredow wartete nun in einem der besten Restaurants (man erkennt sie an den extrem kleinen Portionen!) der Stadt auf das Eintreffen seines Gastes. Die geschmackvolle Deko des Etablissements bot einen gewissen Sichtschutz, so dass etwas mehr Privatsphäre gewahrt werden konnte, ohne allzu verschwörerisch zu wirken.

Gustav von Bredow war absichtlich etwas früher gekommen, um die Atmosphäre auf sich wirken zu lassen und auch um sich Personal und andere Gäste etwas anzuschauen, bevor er sich später wieder ganz dem eigentlichen Thema widmen würde. Aber immerhin hatte er mit ben Levy die Absprache mehr Kontakt zu den oberen 10.000 aufzubauen und so schadet es nicht, das Angenehme mit den Nützlichen zu verbinden.
Vor ihm auf dem Tisch stand eine Kristallkaraffe mit Wasser und ein halbvolles Glas, das er gelegentlich hin und her schob und zum Mund führte, ohne daraus zu trinken.
 
Kauwell erschien zu dem treffen akkurat gekleidet und mit tadellos gestylter Frisur. "Guten Abend Herr von Bredow. Ich freue mich Sie wiederzusehen. Schön das es so schnell geklappt hat. Kommen wir doch gleich zum Punkt...was kann ich für Sie tun?"
 
Die direkte Art von Herrn Kauwell überraschte Herrn von Bredow schon, doch grundsätzlich war auch ihm an einer zügigen Übereinkunft gelegen. Trotzdem mussten einige Etikette gewahrt bleiben. Herr von Bredow erhob sich entspannt und wies einladend auf den gegenüberliegenden Platz.

„Herr Kauwell, einen guten Abend wünsche ich auch Ihnen. Gut, dass Sie da sind. Bitte setzen Sie sich doch. Wenn Sie es schon so direkt ansprechend: Mein ausschließliches Interesse gilt der wirtschaftlichen Lage von Finstertal und da wünsche ich mir eine Situation, von der wir gemeinsam profitieren können. Im Moment möchte ich einfach nur über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden bleiben, um bei auftauchenden Problemen sicherzustellen, dass auch die Unternehmerseite von Finstertal gehört wird. Dann kann man gemeinsam an der Lösung des Problems arbeiten - zum Vorteil alle Beteiligten!“

Immer wieder suchte von Bredow dabei den Blickkontakt, um zusammen mit seiner sehr überzeugenden Stimme eine hypnotische Suggestion vorzubereiten.
 
"Momentan profitiert Finstertal von der Situation. Die neu angesiedelten Unternehmen haben die Konjunktur kräftig angekurbelt was zur Folge hat das die Stadt aus ihrem wirtschaftlichen Winterschlaf der letzten 30 Jahre erwacht ist. Finstertal war schon immer eine Stahlstadt. Durch die Ansiedlung von Maidland Technologies und einer starken Zulieferungsindustrie boomt die Branche, viele alteingesessene Unternehmen florieren wieder und das schlägt sich auf dem Arbeitsmarkt nieder. Die Stadt und das nahe Umland haben nahezu Vollbeschäftigung was sich dann auch wieder auf die Gesamtwirtschaft auswirkt. Die Menschen haben Geld und geben das in unseren Geschäften und Restaurants aus. Dadurch das die Bevölkerung diese Verbesserung registriert ist die Haltung zur Wirtschaft sehr positiv. Es besteht also keine Gefahr das die Wirtschaft nicht ge- oder gar überhört wird.
Allerdings ist die Position als Förderer der Industrie bereits durch die großen etablierten Parteien besetzt. Dort sehe ich daher keine Möglichkeit mich zu etablieren. Maidlands Vorstand redet nicht mal mit mir. Wenn wir unsere Ziele vorantreiben wollen bietet die Flüchtlingskrise bessere Chancen. Wenn wir die Ängste der Wähler ernstnehmen und als Sprecher der Menschen auftreten würde es uns leichter fallen uns zu etablieren. Dafür benötigen wir aber mehr Mittel um uns Gehör in der Öffentlichkeit zu verschaffen." Kauwells blick bekam bei diesen Worten etwas begieriges.
 
„Maidland Technologies ist momentan in aller Munde und sicherlich kann es von Vorteil sein, namenhafte Firmen in der Stadt zu haben. Aber wir sind hier nicht in Wolfsburg oder Ludwigshafen. Bei einer Stadt in der Größe von Finstertal gilt es zahlreiche Interesse zu vertreten und nicht alles was gut für Maidland ist, ist auch gut für die anderen Branchen. Es wäre ein Fehler, wenn die Stadt sich zu abhängig von einem einzelnen Arbeitgeber macht. Das hat man in Detroit gesehen. Außerdem sind Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs ideal, um mit Reformen die Weichen für die Zukunft zu stellen. Das vergessen viele.

Aber genug von meinen Sorgen. Sie haben natürlich recht, was Ihre Chance angeht, den Menschen wieder mehr Gehör zu verschaffen. Und gerne komme ich Ihrem Wunsch nach, Sie darin zu unterstützen, dass ein vollständiges Meinungsspektrum angemessen repräsentiert wird. Sie können sich darauf verlassen, dass ich Ihnen über regelmäßigen Spenden zu einen größeren finanziellen Spielraum verhelfen werde. Aber mit Geld alleine werden Sie die etablierten Parteien nicht schlagen. Sie müssen cleverer sein und auch dabei kann ich helfen. Ein, zwei meiner Mitarbeiter haben bereits Interesse bekundet, zeitweilig von ihren Aufgaben freigestellt zu werden, um ehrenamtlich für Ihre Kampagne zu arbeiten. Diese könnten Sie nach amerikanischen Vorbild gestalten, weg von Inhalten für die sich niemand interessiert und ganz auf Ihre Persönlichkeit zuschneiden. Wenn die Leute Sie als Garant der Vertretung Ihrer Interessen begreifen, können sie nicht andere Parteien wählen, die vielleicht ähnliche Versprechen im Programm haben. Damit sollten Sie Aufmerksamkeit und Stimmen der Öffentlichkeit gewinnen können.
Wie hört sich das an?“
 
"Naja, das Problem ist das ich befürchte das eine Zersplitterung unseres Lagers stattfindet wenn ich mich allzu offen als Anführer aufspiele. Da sind doch einige Charaktere die Einfluss haben und die man im Moment noch hätscheln muss bevor man die Spitze der Partei erklimmt. Außerdem bin ich immer noch der Anführer einer lokalen Gruppierung und muss auf überregionale Interessen und Personen Rücksicht nehmen. Auch wenn es niemand weiss erhalten wir finanzielle Mittel aus dem rechten Lager die wir uns nicht leisten können zu verlieren so lange wir keine Unterstützung aus der Wirtschaft haben und es ist wirklich Pech das der Vorsitzende von Maidland augerechnet Jude ist. Ich gewinne sowieso langsam den Eindruck das der Kerl Druck auf seine Zulieferer ausübt ebenfalls nicht mit uns zusammenzuarbeiten."
 
"Also eins nach dem anderen. Ich bin sicher, dass Sie es schaffen werden, die Führung der Freien Wähler zu übernehmen, ohne zu viele andere zu verprellen. Ich geb Ihnen die Möglichkeiten dazu und vertraue darauf, dass Sie über das nötige Geschick verfügen, sich nicht zu viele Feinde zu machen. Am Ende muss die Partei von sich aus einsehen, dass man Sie braucht und Sie der Richtige für die Aufgabe sind. Eine Machtergreifung wäre hier noch nicht angebracht, aber jedem in der Partei muss klar werden, dass es nur mit und nicht ohne Sie geht. Natürlich kann nicht jeder Chef werden und manchem, dessen Unterstützung man noch braucht, wird man die Gefolgschaft mit Aussicht auf andere Posten schmackhaft machen können.
Im Moment können wir es weder mit dem Juden noch mit Maidland aufnehmen und müssen uns Unterstützung in anderen Lagern suchen. Aber mit etwas Geduld und Geschick ist es nur eine Frage der Zeit, bis sich eine Gelegenheit ergibt daran was zu ändern. Denken Sie, Sie kriegen das hin?"
Geduld und Geschick hatte von Bredow zu Genüge. Er hoffte nur, dass das auch für Kauwell galt.
 
"Im Moment? Nein, denn wir haben nicts anzubieten. Das sind alles nette Worte herr von Bredow aber ich sehe weder einen Plan noch Substanz dahinter. Niemand in der Stadtpolitik braucht uns im Moment. Solange Links und Rechts an einem Strang ziehen brauchen sie uns nicht und für eine starke Protestbewegung der Wähler fehlt uns der Protest - die Leute sind derzeit überwiegend zufrieden. Es ist in Deutschland sowieso ein Problem die Menschen auf die Straße zu bringen."
 
„Wenn Sie das wirklich denken, dann verschwende ich hier meine Zeit mit Ihnen,“ und ein Hauch von Ärger und Ungeduld schlich sich in von Bredows Stimme. Muss ich ihm denn alles erklären?
„Nicht die Stadt oder die Politiker, die Bürger brauchen Sie. Ich war bisher der Ansicht, dass Sie die erste, einzige, echte, politische Alternative innerhalb von Deutschland seit 20 Jahren anbieten. Aber wo Sie Probleme sehen, sehe ich Gelegenheiten.
Sie sagen, die Finstertaler sind satt und zufrieden. Ich sage, die haben jetzt viel zu verlieren und Angst davor. Niemand will wirklich Veränderungen, aber wer repräsentiert heute denn noch die erzkonservativen Bürger? Sie sagen Linke und Rechte ziehen an einem Strang. Dem entgegne ich, die sind beliebig und austauschbar geworden. Kein Profil und keine harte Kante. Wenn Sie jemandem auf der Straße 10 Kernforderungen aus den Wahlprogrammen vorstellen, wird er Ihnen nicht die Partei dazu sagen können. Wenn die nächsten Finstertaler Kommunalwahlen eine Beteiligung von 40% erreichen, liegen sie wahrscheinlich schon über dem Bundesdurchschnitt. Die Mehrheit ist längst frustriert und hat sich damit abgefunden, keinen Einfluss zu haben. Da muss man keine Massen von Bürgern mobilisieren, um mit einigen Abgeordneten ins Parlament einzuziehen.
Die Menschen sind verunsichert. Krieg und Terror rücken immer näher und haben jetzt ihren Bahnhof, Sporthallen und Schulen im Form der Flüchtlinge erreicht.
Die Menschen wollen einfach Antworten auf komplizierte Fragen und wenn sie den Menschen geben, was sie verlangen, dann werden sie ihnen auch folgen.
Und die einfachste aller Wahrheiten ist nach wie vor: Früher war alles besser. Wenn sie den Menschen versprechen, sie vor der unsicheren Zukunft und unangenehmen Veränderungen zu beschützen, werden Sie damit Erfolg haben.
Die Menschen haben Angst. In einer sich immer schneller verändernden Welt gibt es keine Sicherheiten mehr. Im Moment haben sie Arbeit, aber nur mit Zeitverträgen. Spätestens in der nächsten Krise, die sich bereits abzeichnet, stehen sie alle wieder auf der Straße. Die Politik hat die Solidarität aufgekündigt. Jeder soll jetzt selber vorsorgen und wer es nicht schafft, ist selber schuld. Das erzeugt einen immensen, gesellschaftlichen Druck und früher oder später wird sich der ein Ventil suchen. Wir können diese Kräfte kanalisieren und sie nutzen.
Sie müssen lediglich die vorgefasste Meinungen der Menschen aufnehmen, sie bestätigen und ihnen ein Gesicht und eine Stimme geben, dann werden sie auch deren Stimmen bekommen.
Schauen Sie sich nur um. In allen europäischen Ländern ist die Rechte wieder auf dem Vormarsch. Deutschland hat lange von den Krisen in den anderen Ländern profitiert und dies hat bisher den Aufstieg von rechten Alternativen verhindert, aber die Zeit wird bald kommen.
Ich habe ein Vermögen damit gemacht, zur rechten Zeit gegen den Markttrend zu wetten. Jetzt setze ich auf Ihren Erfolg, aber wenn Sie das nicht hinkriegen, suche ich mir jemand anderes, der das kann. So wie ich das sehe, haben Sie nichts zu verlieren. Im schlimmsten Fall bleiben Sie der bedeutungslose Lokalpolitiker, der Sie sind, nur um ein paar Tausend Euro und eine Erfahrung reicher. Aber wenn ich recht behalte... dann können Sie es noch weit bringen und die Menschen werden Sie bejubeln. Sagen Sie ja,“ forderte von Bredow eindringlich und nutzte dabei auch seine übernatürliche Präsenz, um noch überzeugender zu werden, als er es ohnehin schon war.
 
"Das tue ich doch bereits. Wir haben in Finstertal eine Situation die anders ist als im Restbundesgebiet, zumindest im Augenblick. Die Leute haben keine Existenzängste und solange es keine Übergriffe durch Asylanten gibt fehtl mir ein Ansatzpunkt. Was Sie da vorschlagen ist schön und gut, aber mir fehlt etwas greifbares. Schaffen Sie mir ein paar Albaner aus dem Kosovo herbei die vor einer Schule mit Drogen dealen, deutsche Frauen die von orthodoxen Moslem belästigt werden oder noch besser einige Araber die eine Kirche anzünden und der Boden ist bereitet um Ihre Pläne umzusetzen. Ich verspreche Ihnen das ich sofort auf die große Medienpauke schlage um daraus Kapital zu schlagen."
 
„Ach so ist das. Ich glaube, da müssen Sie sich keine Sorgen machen. Mit jedem neuen Zug, der noch mehr Ausländer ins Land bringt, steigt der Druck weiter an, bis es irgendwann knallt. Momentan ist die Euphorie noch groß, aber sobald sich abzeichnet, dass der Flüchtlingsstrom nicht abreißt, wird die Stimmung bald kippen. Und ich habe das so im Gefühl, dass das nicht mehr lange dauern wird. Sie haben natürlich recht, dass man sich nicht übermäßig mit Fakten aufhalten muss, aber es einfacher ist, wenn die Tatsachen für jedermann offensichtlich auf unserer Seite sind.

Ich denke für den Anfang sollte es eine unserer zentralen Forderungen sein, dass die Ausländer zur besseren Erfassung und auch zu unserer aller Sicherheit gemeinsam an einem Ort untergebracht werden. Das die ungebetenen Gäste in 5 Sterne Hotels residieren dürfen, während unsere deutschen Arbeitslosen oder Rentner mit fauligen Absteigen auskommen müssen, kann doch niemand mit klarem Verstand nachvollziehen. Bei diesen Werbemaßnahmen ist es ja auch kein Wunder, wenn nächstes Jahr der gesamte Nahe Osten an unsere Tür klopft. Nein, nein, das muss aufhören und zwar bald. Und seien Sie versichert: Das wird es auch.“

Gustav von Bredow zog es zwar vor einfach nur der Geschichte ihren Lauf zu lassen, aber er hatte auch keine Skrupel sich die Hände schmutzig zu machen, wenn es nötig war und das ließ er jetzt zwischen den Zeilen auch durchblicken.
 
"Das mit den Hotels hab ich noch garnicht gehört. Welches ist das denn und seit wann?" Kauwell grinste. "Die spinnen doch die Typen. Denen machen wir feuer unterm Arsch. Ich wende mich gleich an die Presse deswegen."
 
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