[13.10.2015] Die Ruhe nach dem Sturm

"Nein! Auf keinen Fall!"

Was 'die Klappe halten' bewirkte, konnte man nur zu häufig beobachten. Ein Problem, auf das nicht immer wieder aufs Neue hingewiesen wurde, stand gute Chancen einfach ignoriert zu werden. Umgekehrt konnte man falsche oder verfälschte Tatsachen einfach so oft wiederholen, bis es genug Leute glaubten. Und genau deshalb schneidet ihr euch ins eigene Fleisch. Marta dachte kurz nach.

"Vielleicht, wenn man die Sache einfach umdreht. Anstatt sich darüber zu beschweren, dass mehr Flüchtlinge ankommen und Bearbeitungszeit einnehmen, könnte man doch fehlende Akzeptanz und Mittel anprangern?"

Zumindest kam das ihr wesentlich sinnvoller vor, als sich mit denen anzufeinden, die im selben Boot saßen, während man denen Munition gab, die es versenken wollten.
 
Die Männer und Frauen redeten kurz alle durcheinander, zumindest erschien es Marta so, bis dann nach einige Minuten einer der Männer auf sie zu kam.

"Wir sollten uns zusammensetzen, wie haben sie denn Zeit?" fragte er. "Übrigens ich bin Ahmet."
 
"Gerne! Ich bin Marta."

Das war weit besser gelaufen, als es zunächst den Anschein gemacht hatte. Oder zumindest sind sie gesprächsbereit.

"Abends vor allem, also etwa um diese Zeit. Tagsüber bin ich in der Regel angebunden."

Möglichst bald wäre gut. Immerhin galt es auszumachen, ob sie hier potenzielle Verbündete vor sich hatte.

"Vielleicht am Donnerstag?"
 
"Donnerstag wäre gut und wo sollen wir hinkommen?" fragte Ahmet. "Wir können auch gerne ein paar Unterlagen mitbringen?"

Vielleicht würde sich doch noch was zum Guten wenden.
 
"Schaden kann es nicht, aber keine Garantie, dass wir da etwas machen können."

Außer wir haben Spezialisten vor Ort. Mit Stella konnte sie sicher rechnen, aber die hatte von Asylrecht wohl auch nicht mehr Ahnung als sie selbst. Marta kramte kurz in ihrer Tasche und fischte einen Flyer hervor, welchen sie an Ahmet übergab.

"Hier - die Veranstaltung ignorieren, das ist schon vorbei."

Natürlich ging es um den angegebenen Ort. Die neue Zentrale - deutlich seriöser und vorzeigbarer als die alte im Industriegebiet.
 
"Danke, wir werden hinkommen", versprach Ahmet. "Wieviele Leute soll ich denn mitbringen?"

Einige würden schon einiges an Wissen mitbringen können, viele von ihnen waren sehr gebildet.
 
"Eine kleine Gruppe. Wenn viele wollen, vielleicht auch etwas mehr."

Eine ganze Demonstration würde sicherlich nicht hinein passen, aber so klein waren ihre Räumlichkeiten auch nicht. Mehr leute bedeuteten mehr Input, weniger konnten sicherlich effektiver arbeiten. Und dann sehen wir mal, was wir erreichen können.
 
"Gut, wir werden sehen, wer mit will, es wird gestimmt hauptsächlich die interessieren, die schon zu Hause eine gewisse Bildung hatten", sagte Ahmed und es kam von vielen aus der Gruppe Zustimmungen.

Die machten Anstalten ihre Sachen einzupacken.
 
"Schön. Bis dahin!"

Sie warf einen kurzen Blick zurück zu ihren Freundinnen.

"Ich gehe mal besser wieder zurück - ihnen noch ein schönen Abend!"

Nach der Verabschiedung lief sie zurück zu den beiden Frauen, einen recht zufriedenen Audruck im Gesicht.
 
Die anderen hatten auf Martha gewartet und sich ein wenig um gesehen, aber irgendwie hatten sie nicht wirklich etwas auf dem Bahnsteig gefunden und auch die Leute, die hier noch unterwegs waren, schienen nur an ihrer Arbeit interessiert zu sein, so war es schon gut das Martha wieder kam.

"Und hast du denn was rausbekommen?"
 
"Das sind auch Asylsuchende. Ihnen geht es darum, dass sie sich bei der aktuellen Flut übergangen fühlen."

Beinahe beiläufig kramte sie ihre Brille wieder hervor. Die Kleidung wurde gerichtet und dabei scheinbar noch etwas enger gezogen, sodass auch ja kein Windhauch eindringen konnte.

"Ja, ich weiß die Plakate senden eine andere Botschaft und das habe ich auch bemerkt. Jedenfalls haben wir am Donnerstag Abend einen Termin - mal sehen, was wir erreichen können."
 
"An was hast du denn gedacht, wie ich gehört habe sollen noch mehr Leute kommen, also wird sich die Lage bestimmt nicht entspannen", meinte Miriam. "Wo hast du sie denn hinbestellt.
 
"Ich wäre schon froh, wenn sich nicht alle gegenseitig ausspielen, die eigentlich auf einer Seite sein sollten."

Dass sie im Zuge dessen ihr Smartphone hervorzauberte, sollte gewisse Vermutungen bestätigen.

"Ich fand das neue Antifa-Büro am besten. Da sollte eigentlich genügend Leute reinpassen und es ist" anders als das alte "vorzeigbar."

Mit Widerstand von den eigenen Leuten rechnete Marta nicht und eine Veranstaltung war da nicht geplant. trotzdem wollte sie natürlich die anderen zeitnah informieren - genauer gesagt jetzt sofort.
 
"Ja, das könnten wir machen, das ist Platz genug und da stört uns auch keiner, unter der Woche ist da auch selten was los, da haben wir dann das ganze büro für uns."

Sie sah sich um. "Und was machen wir noch, hier ist echt nichts mehr."
 
"Genau. Das war mein Gedanke."

Miriam war heute aber motiviert. Immerhin war es in der Woche und die Zeit mitterweile schon recht fortgeschritten. Marta sah sie etwas überrascht an.

"Es ist schon etaws spät... hast du morgen etwa frei?"

das klang jetzt fast wie eine Herausforderung - Miriam sollte sich ihre Antwort besser genau überlegen. Ami war da eine andere Geschichte - sie hatte immer oder nie frei, je nachdem wie man die beiden Kinder zu Hause einstufte.
 
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