Löwenclub Wie schreibt man gute Abenteuer?

Dies Thema ist aus dem ehemalien Löwnclub veröffentlicht worden.

Skar

Dr. Spiele
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Meine Herren, an dieser Stelle möchte ich einmal Raum schaffen, um über den wohl größten Kritikpunkt aus dem Hobby gegenüber Verlagspublikationen zu sprechen: über das Schreiben von Abenteuern.

Häufig ist der erste Schluss, dass man keine Verlagsabenteuer braucht, weil man viel besser selber Abenteuer schreiben kann.
Abenteuer mit Bezug auf die Hausgruppe möchte ich hier aber ausschließen, da hier sehr viel einfachere Voraussetzungen vorliegen. Man kennt die Ziele, Wünsche und Einstellungen der Gruppe und kann sich darauf einstellen. Zudem braucht man mit eigenen Abenteuern keine Rücksicht darauf zu nehmen, ob man etwas kaputt macht, was der Verlag lieber behalten hätte.

Hier soll es also um Abenteuer gehen, die unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten geschrieben werden:

  1. Sie sollen einer großen Masse an potenziellen Spielern gefallen. Es muss also vielen Spielstilvorlieben genügen. Ich würde sagen, wenn wir das auf zielgerichteten Spielstil und nicht zielgerichtetes Spielstil reduzieren, haben wir das Gängigste abgedeckt.
  2. Und sie sollen mögliche Vorgaben der Verlage berücksichtigen. Diese können natürlich sehr vielfältig sein, aber das Gängigste dürfte wohl das Verweben eines Metaplots oder einer fortlaufenden Geschichtsschreibung sein, die man zumindest im Höhepunkt des Abenteuers festschreiben muss.
Diese Punkte mögen gerne noch ergänzt oder erweitert werden, wenn ich hier etwas vergessen habe.

Ansonsten sollte hier halt gesammelt/erarbeitet werden, wie solche Abenteuer geschrieben werden müssten. Wie muss ein Autor da herangehen?
 
AW: Wie schreibt man gute Abenteuer?

Mein Lieber Clubkollege Skar,
Ich denke sie unterliegen einem fatalen Irrtum wenn sie davon ausgehen, dass eine Unterteilung in Zielgerichtet und nicht zielgerichtet ausreicht.

Da ich selber eher an nicht zielgerichtete Plots glaueb will ich auf diese näher eingehen:
Was mir spontan einfällt...
ARS, Storyorientiert (Hauptsache am Ende ergibts eine schöne Geschichte), charakterzentriert (Hauptsache es geht UM die Charaktere und sie sind nicht nur dabei) und komplettes "Sanboxing" sind hierbei nur einige wenige Beispiele. Sicherlich kann man manches kombinieren, aber während ich nicht zielgerichtetes Spiel bevorzuge ist mir ein komplettes Sandboxing oder rein storyorientiertes spiel zuwider.

Ich denke das perfekte Abenteuer gibt es nicht, so wird hier jedes Clubmitglied andere vollkommene korrekte Kriterien aufstellen.

Meine wäre beispielsweise:
Das Abenteuer sollte kein festes Ziel haben und vor allem keine festen Szenen, es sollte zahlreiche Lösungsmöglichkeiten geben. Ein Abenteuer sollte auch Gegner enthalten dürfen, die schlicht zu stark für die Charaktere sind (nicht jeder Gegner ist zum töten da). Es sollte sich ohne Hintergrundwissen spielen lassen, jedoch bei nachbohren eine komplzierten Hintergrund entfalten, der das Spiel jedoch nicht unnötig behindert. Es sollte einige Kämpfe geben, die jedoch mit etwas Mühe auch verhindert werden können. Am Ende sollte es in irgendeiner Form je nach eingeschlagenem Weg entweder ein Erfolgserlebnis geben oder eine klare Niederlage, keinesfalls jedoch ein langsames dahinsiechen. Ein Abenteuer braucht einen Schluss.
Grade mit Punkt 1
 
AW: Wie schreibt man gute Abenteuer?

Wie oft muss ich es noch sagen?

"Ein stürmischer Frühwintertag. Der böige Wind treibt den Pulverschnee vor sich her, der die Ternuheide in einen weißen Mantel hüllt. Eine einsame Reisegruppe flieht vor dem gnadenlosen Wetter in eine abgelegene Laraniabtei. Die Mächte des Schicksals haben sie dazu ausersehen, den schrecklichen Ereignissen, die sich innerhalb der Klostermauern abspielen werden, ein Ende zu setzen.

Während des durch die Naturgewalten erzwungenen Aufenthalts der Abenteurer werden in der Laraniabtei eine Reihe mysteriöser und blutiger Morde begangen. Aber weshalb ist nach keinem der Morde eine Leiche zu finden? Aus welchem Grund verhalten sich die anderen Gäste des Klosters so abweisend? Sind sie in das grausige Geschehen verwickelt? Ist wirklich die Zeit der letzten Schlacht zwischen der strahlenden Wächterin Dolithors und dem Herrn der Vier Apokalyptischen Reiter gekommen, wie es die dunkle Prophezeiung eines agrikanischen Propheten verheißt? In einer Atmosphäre der Angst, des Mißtrauens und religiöser Hysterie müssen die Spieler die Antworten zu diesen Fragen suchen, wollen sie den grauenhaften Schlächter finden."


Bislang hat sich noch nie einer, Storygamer, Hardcore ARSler oder Metzgermonster über das Szenario beschwert. Einzig wenn man Hârnmaster hasst muss man sich was einfallen lassen, aber das Szenario ist schnell konvertiert.

SO schreibt man perfekte Abenteuer.


 
AW: Wie schreibt man gute Abenteuer?

So eine Sandbox-Ansatz, in dem man sich nach eigener Vorliebe als Spieler bedienen kann ist auch recht einfach gestrickt. Ein Eröffnungsartikel, eine begrenzte Örtlichkeit (Railroading, wenn man so will), eine laufende Geschichte vor Ort, die die Charaktere involviert und ein Höhepunkt.

Das von dir genannte "Die Toten des Winters" setzt das soweit ich mich erinnere recht kurz um - große Teile des Heftes ist quasi Quellenbuch und zB eine [wiki]R-Map[/wiki] ist nicht vorhanden.

Bei solcher Abenteuerstruktur, brauche ich den Eröffner. Dieser sollte die Helden direkt involvieren. Da ich als Autor nicht weiß, welche Helden später in dieses Abenteuer schlittern ist das recht schwer. Ich kann sie auf persönlicher Ebene also nicht packen, es sei denn ich schreibe das aufs Backcover. Das schränkt dann aber wieder den Kundenkreis ein, was ich nicht möchte.
Ich könnte natürlich darauf vertrauen, dass die Spieler über ihre SC den Faden des Abenteuers aufgreifen. Besser wäre aber eine kleine Sammlung von Beispielen, wie der SL die SC mit dem Stoff des Abenteuers verweben kann. Natürlich sollte da auch das Vorabgespräch mit einem oder mehreren Spielern nicht ausgeschlossen sein.

Dazu muss ich dann das Abenteuersetting aufbauen. Lokationen, wichtige Personen und vielleicht eine Timeline, wann wo was an wchtigen Ereignissen passiert.
Die wichtigsten NSC-Personen kann man schön übersichtlich über eine Relationship-Map (R-Map) darstellen. Insbesondere wenn es konträre Verhältnisse zwischen den Personen gibt oder zB Liebesbande zwischen verfeindeten Lagern. Das würde ich im übrigen immer anregen. Das gibt viele Ansätze zum Spielen und bereicht die Konfliktpartei(en).

Je nach Eröffner gibt es vielleicht schon eine konkrete Aufgabe (Ziel) für die SC. Entweder steht "nur" die Durchführung an, vielleicht fehlen aber noch Informationen oder Unterstützungen, oder man kennt zwar das Ziel, aber die Zielpersonen noch nicht.
Vielleicht rutschen die Charaktere aber auch erst langsam in eine Handlung herein, die sich um sie verdichtet.
Wichtig wäre hier eigene NSC nicht über die SC zu stellen. Sie sollten den gleichen Regeln gehorchen und sie sollten auch nicht mehr Spotlight als die SC bekommen und sie zu Zuschauern machen.
Es sollte ferner immer wieder Anknüpfungspunkte geben, die das Abenteuerziel aufgreifen. So kann man zwar mehrere nicht zielgerichtete Bausteine als Handlungsangebote für die Spieler einbauen, sie sollten aber immer wieder an den eigentlichen Weg erinnert und potenziell auf ihn zurückgeführt werden.

Wenn besondere Personen (Antagonisten) der Geschichte überleben müssen, weil sie eben Signature-Charaktere des Gesamtsettings sind, dann dürfen diese Personen eben nur mittelbar auftreten. Ihr Taten und Werke können durchaus dargestellt werden, aber eine Situation, in der die Charaktere den Antagonisten auslöschen könnten, sollte nur auftreten, wenn sich diese regelgerecht aus der Affäre ziehen können. Es sollte dabei aber nicht vergessen werden, dass Frusterlebnisse, die aus einer solchen Begegnung entstehen können negativ sind. Potenzielle Erfolgserlebnisse sollten dann zumindest möglich sein, indem zB wichtige Handlanger bezwungen werden können.

Muss eine laufende Geschichtsschreibung eingehalten werden, dann sind auch die wichtigsten Ereignisse hieraus als unabwendbar zu gestalten. Hier gilt das Gleiche wie im Vorpunkt: Frustration vermeiden (Ersatz-)Befriedigung bereitstellen.

In einem Grundregelwerk sollten dazu grundlegende Spielleiter-Leitfäden enthalten sein. Ist das nicht der Fall, muss das halt zusätzlich ins Abenteuer.

Ich denke ich habe die wenentlichsten Punkte behandelt.
 
AW: Wie schreibt man gute Abenteuer?

"Die Toten des Winters" ist zweifellos ein hervorragendes Abenteuer. Ein aus
meiner Sicht weiteres beachtenswertes Beispiel ist "Griffin Mountain":
https://www.nobleknight.com/Product...cturerID_E_188_A_CategoryID_E_16_A_GenreID_E_

Im Unterschied zu "Die Toten des Winters" behandelt es eine ganze Region
und bietet nicht nur ein von den Charakteren zu lösendes Problem, sondern
ein ganzes Netzwerk ineinander verwobener Abenteueransätze.
 
AW: Wie schreibt man gute Abenteuer?

Ergänzend möchte ich noch hinzufügen, dass ich optionale Vorlesetexte nicht ganz verkehrt finde. Nicht jeder kann oder möchte die Szenerien in eigenen Worten beschreiben. Sicher könnte man auch hier ein Optimum schaffen, indem man diese Texte mehr als Hilfestellung zum eigentlichen Beschreiben aufbaut.

Ideal wäre aber auch eine zielgerichtete Verwendung von Illustrationen. Wenn ein Abenteuer schon Illustrationen aufweist, dann sollen diese bitte auch für das Spiel genutzt werden und nicht nur aus Gründen der layoutfreundlichekit für den SL zur Verfügung stehen.
(Zusammenarbeit zwischen Autor, Illustrator und Layout vorausgesetzt.)

Handouts haben einem Abenteuer auch noch nie geschadet. Ein zentrales Dokument als Handout zu gestalten oder zumindest bei örtlich gebundenen Abenteuern eine Karte der Örtlichkeit vorliegen zu haben, fände ich sehr positiv.

Außerdem präferiere ich Abenteuer, die in einem kurzen Kapitel dem SL erzählen, worum es hier eigentlich geht und wie sich das Abenteuer gestaltet. Dann verliert man nie den Überblick und kann vielleicht sogar (je nach Wunsch) ermöglichen, dass das Abenteuer ohne viel Vorbereitung geleitet wird.
 
AW: Wie schreibt man gute Abenteuer?

Ein gutes Abenteuer:
1. Schreib es.
2. Spiele es mit einer Runde. Mach dir Notizen. Schau dir an, an welchen Ecken das Spiel funktioniert, und an welchen nicht. Schau dir an, wo es Längen hat. Hör zu, welche Ideen / Lösungsansätze die Spieler haben. Achte darauf, welche Elemente die Spieler interessieren und welche sie langweilen.
3. Schreibe das Abenteuer um und lasse die Notizen aus (2) mit einfließen.
4. Spiele ist mit einer zweiten Runde. Mach dir Notizen. Ansonsten siehe Punkt 2 und 3
5. Wiederhole die Punkte 2 und 3, bis das Abenteuer rund ist.

Eigentlich ganz einfach.
 
AW: Wie schreibt man gute Abenteuer?

Ein ganz wichtiger Punkt ist noch Nummer 6:

Gib das Abenteuer einem anderen Spielleiter - er soll versuchen das Abenteuer zu leiten!


Dabei kommen auch noch immer einige Sachen zu Tage, die man in seiner Betriebsblindheit nicht wahrgenommen hat.
 
AW: Wie schreibt man gute Abenteuer?

Eigentlich ganz einfach.
Aber eben nur, wenn man ein Abenteuer für SICH SELBST schreibt. - Als Autor hat man jede Menge implizites Wissen und angestellte Überlegungen parat, die man beim Leiten auch in ungewöhnlichen oder nicht absehbaren Situationen verwenden kann.

Ein anderer Spielleiter hat das alles NICHT.

Ein Abenteuer, welches nicht aus der praktischen Sicht eines FREMDEN Spielleiters, der sich mit dem Abenteuer vertraut machen möchte, der es verstehen, der es leiten möchte, geschrieben wurde, KANN KEIN GUTES Abenteuer sein! - Bestenfalls mittelmäßig. Meist schlecht (egal, ob die Ideen darin noch so kreativ gewesen sein mögen - wenn man es nicht spielen kann, weil es zu schlecht zugänglich ist, dann sind die Ideen darin Totgeburten).
 
AW: Wie schreibt man gute Abenteuer?

Deshalb auch mein Hinweis auf einen dringend notwendigen Schritt 6!
 
AW: Wie schreibt man gute Abenteuer?

Schritt 6 - sehr wahr und richtig!
Den hatte ich in der Tat vergessen.

Eigentlich ganz logisch.
 
AW: Wie schreibt man gute Abenteuer?

Wie oft muss ich es noch sagen?

"Ein stürmischer Frühwintertag. Der böige Wind treibt den Pulverschnee vor sich her, der die Ternuheide in einen weißen Mantel hüllt. Eine einsame Reisegruppe flieht vor dem gnadenlosen Wetter in eine abgelegene Laraniabtei. Die Mächte des Schicksals haben sie dazu ausersehen, den schrecklichen Ereignissen, die sich innerhalb der Klostermauern abspielen werden, ein Ende zu setzen.

Während des durch die Naturgewalten erzwungenen Aufenthalts der Abenteurer werden in der Laraniabtei eine Reihe mysteriöser und blutiger Morde begangen. Aber weshalb ist nach keinem der Morde eine Leiche zu finden? Aus welchem Grund verhalten sich die anderen Gäste des Klosters so abweisend? Sind sie in das grausige Geschehen verwickelt? Ist wirklich die Zeit der letzten Schlacht zwischen der strahlenden Wächterin Dolithors und dem Herrn der Vier Apokalyptischen Reiter gekommen, wie es die dunkle Prophezeiung eines agrikanischen Propheten verheißt? In einer Atmosphäre der Angst, des Mißtrauens und religiöser Hysterie müssen die Spieler die Antworten zu diesen Fragen suchen, wollen sie den grauenhaften Schlächter finden."


Bislang hat sich noch nie einer, Storygamer, Hardcore ARSler oder Metzgermonster über das Szenario beschwert. Einzig wenn man Hârnmaster hasst muss man sich was einfallen lassen, aber das Szenario ist schnell konvertiert.

SO schreibt man perfekte Abenteuer.



Ok, kein schlechter Ansatz, ABER:
Was machst du, wenn die Gruppe den "Haken" nicht schluckt, beziehungsweise wieder ausspuckt?
Was, wenn die Gruppe sich eine andere Unterkunft (Iglu, Höhle, windgeschützter Überhang) suchen will?
Was, wenn die Gruppe generell auf so absehbare Plots verzichten kann&will?
Was, wenn die SCs einfach sagen "Pfff, was interessiert es uns, wenn hier im Kloster ein paar Morde begangen wurden?" ?
Fragen über Fragen.
 
AW: Wie schreibt man gute Abenteuer?

Was, wenn die Gruppe sich eine andere Unterkunft (Iglu, Höhle, windgeschützter Überhang) suchen will?

Dann hole ich die Hârnmaster Regeln über Erfrierungen in ihrem windgeschützten Überhang raus.

Was, wenn die Gruppe generell auf so absehbare Plots verzichten kann&will?
Was, wenn die SCs einfach sagen "Pfff, was interessiert es uns, wenn hier im Kloster ein paar Morde begangen wurden?" ?

Dann passiert das was laut Abenteuer passiert wenn der Täter ungehindert durchkommt - Sind die Charaktere Adelig passiert gar nichts. Sind die Charaktere Gemeine werden sie wahrscheinlich als Sündenbock aufgehängt.

Man muss ja keine Abenteuer durchprügeln. Wenn die Gruppe nicht will, dann will sie nicht.
 
AW: Wie schreibt man gute Abenteuer?

Man muss ja keine Abenteuer durchprügeln. Wenn die Gruppe nicht will, dann will sie nicht.
Was man meines Erachtens offgame vorher klären sollte. (Wenn das überhaupt nötig ist, schließlich haben sie ja mit dem Erscheinen zum Rollenspielabend ihre Bereitschaft konkludent kundgetan.) ;)
 
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