Löwenclub Meta-Diskussion: Was sind Meilensteine des Rollenspiels?

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Meerjungfraumann
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Sehr geehrter Kollege Zornhau,

mit Interesse habe ich Ihren Beitrag "Meilensteine des Rollenspiels" gelesen und auch die Folgebeiträge der werten Mitglieder dieses Clubs. Dabei jedoch kamen mir einige Gedanken und Ideen zur Form und dem Inhalt, die ich aus Achtung vor den Beitragenden der Quelle mit Verlaub gerne in diesen neuen Gesprächsfaden auslagern möchte.

Die Personalisierung der Meilensteine ergibt automatisch ein nur durch die Menge allen bisher veröffentlichten Rollenspielmaterials begrenzte Möglichkeit an Beiträgen. Die Inbetrachtnahme alleine der initialen Spielerfahrung des jeweiligen geschätzen Clubmitgliedes wird theoretisch so viele verschiedene Meilensteine fördern, wie Clubmitglieder an dem Gespräch beteiligt sind. Einfach gesprochen reduziert sie den Beitrag auf die einfache Frage: "Welches Rollenspiel erachten Sie persönlich für einen Meilenstein"?

Es ist nun ausgewiesenermaßen Ziel des Gesprächsfadens, die Vorlieben der Mitglieder in Erfahrung zu bringen. Daran ist selbstverständlich kein Makel zu finden und die Ausführung und Fragestellung, die Sie, lieber Kollege Zornhau, gewählt haben, ist jeder Kritik erhaben. Allerdings gebe ich zu bedenken ob es nicht möglich wäre, darüber hinaus den Begriff "Meilenstein" mit einer allgemeingültigen Definition zu versehen und aus der subjektiven Betrachtungsweise herauszuheben? Könnte es uns gemeinsam gelingen, Kriterien für einen Meilenstein allgemeingültig zu formulieren und Merkmale herauszuarbeiten, diesen zu erkennen, dann ließen sich auch auf einer objektiveren Ebene Meilensteine des Rollenspiels herausarbeiten.

Ich würde mich freuen, werter Kollege, wenn dieses Ansinnen bei ihnen auf fruchtbaren Boden fallen würde. Die sich daraus entspinnende Diskussion hätte sicher einen entscheidenden Mehrwert. Gerne leiste ich auch vorarbeit und Stelle ein paar Kriterien zur Disposition, die einen Meilenstein vielleicht definieren könnten.

1.) Innovation
Ein Rollenspiel, dass einen zum Spiel gehörenden Aspekt einführte, der bisher so nicht in zeitlichen Vorgängern zu finden war. Zu den Apsekten können sowohl Regeln als auch Motive gehören.

2.) Nachhaltigkeit
Ein Rollenspiel, dass nicht nur kurze zeit die Spieler beeinflusste, sondern über längere Frist oder in großer Breite für Interesse sorgte.

Ich bin gespannt auf Ihre Meinungen, werte Kollegen.
 
AW: Meta-Diskussion: Was sind Meilensteine des Rollenspiels?

Von den Meilensteinen der klassischen Fantasyrollenspiele in der deutschen Landschaft, bzw. D&D in den USA empfinde ich das Storytelling Konzept der World of Darkness die mit Vampire die Maskerade ihren anfang nahm als wichtigen Meilenstein.
 
AW: Meta-Diskussion: Was sind Meilensteine des Rollenspiels?

Und welche sind deiner Meinung nach die Kriterien, die diese Meilensteine definieren? In diesem Gesprächsfaden sollen ja nicht einfach nur konkrete Spiele genannt, sondern eher die Merkmale herausgearbeitet werden, die diese Spiele zu Meilensteinen machen.
 
AW: Meta-Diskussion: Was sind Meilensteine des Rollenspiels?

Alle "objektiven" Kriterien, die hier gesucht werden, um einen MEILENSTEIN als solchen zu identifizieren, sind ganz zwangsläufig ebenso SUBJEKTIV - nur bestenfalls als subjektiver Konsens einer Gruppe von Personen - wie die im anderen Thread BEWUSST auf persönlich als Meilenstein eingeschätzte Qualitäten bezogene Kriterien.

"Innovation" - was ist das eigentlich?

Jeder Rollenspieler sieht das anders. Ist ein Regelmechanismus innovativ? Ist "roll-over" innovativer als "roll-under"? Ist ein Pool-System innovativ? Oder ein "Ein Würfel für alles"-System?

Ist ein Setting, bei dem man mal die Monster spielt, die man sonst jagt, innovativ? (Ich meine damit NICHT WoD, sondern Monsters! Monsters!, das Jahre vor der WoD das Spiel der "Bösen" für die Munchkin-Typen unter den Rollenspielern ermöglichte, die später bei der WoD gelandet sind.)

Was ist "Nachhaltigkeit", wenn es um Rollenspiele geht, eigentlich?

Am nachhaltigsten ist wohl, daß man für manche Sachen im Rollenspiel würfelt. Das ist WIRKLICH nachhaltig. - Nachhaltig ist auch, daß man Charaktere spielt. - Alles andere war entweder schon x-mal da, bevor irgendwer eine Variante so produziert hat, daß sie ein wenig (bei dem eh schon kleinen Marktvolumen) erfolgreicher und somit sichtbarer wurde, oder es wurde eine uralte Sache (egal ob Setting oder Regelmechanik oder beides) einfach ordentlich auf den Markt gepusht, so daß einfach mehr Bücher, Quellenbände, Romane usw. verfügbar sind.

Ist das schiere Seitenvolumen, welches zu einem Rollenspiel veröffentlicht wurde, schon ausreichend um "Nachhaltigkeit" nachzuweisen?


Ich kann definitiv sagen, daß bei MEINEN Kriterien "Nachhaltigkeit" - zumindest was ICH darunter normalerweise verstehe (und ich wäre SEHR dafür hier keine typische "rollenspieltheoretische Wortbedeutungsverdreherei" zu betreiben) - KEINE Rolle spielt, um einen Meilenstein als solchen zu erkennen.
 
AW: Meta-Diskussion: Was sind Meilensteine des Rollenspiels?

Alle "objektiven" Kriterien, die hier gesucht werden, um einen MEILENSTEIN als solchen zu identifizieren, sind ganz zwangsläufig ebenso SUBJEKTIV - nur bestenfalls als subjektiver Konsens einer Gruppe von Personen - wie die im anderen Thread BEWUSST auf persönlich als Meilenstein eingeschätzte Qualitäten bezogene Kriterien.

So leicht sollten wir es uns vielleicht nicht machen, wertes Clubmitglied. Ich denke schon, dass man hier zweimal überlegen sollte, ob es nicht möglich ist, objektive Kriterien zur Beurteilung zu finden. Immerhin lassen sich auch für die Bewertung von Computerspielen solche Kriterien finden (Grafikqualität z.B.), die allgemeine Gültigkeit haben.
Eventuell muss man natürlich davon Abstand nehmen, alle Kriterien, die für einen selbst ein Spiel zu einem Meilenstein machen so abbilden zu wollen. Der emotionale Faktor kann nicht in die Bewertung mit einbezogen werden.

Nachhaltigkeit lässt sich vermutlich am konkretesten belegen, indem man Verkaufszahlen und Langlebigkeit der Produkte vergleicht. Natürlich muss man hier wie bei jeder wissenschaftlichen Arbeit Prämissen setzen.

Aber auch die Innovation lässt sich mit einiger Mühe definieren. Auch hier muss man den Definitionsrahmen erstellen, innerhalb dessen Innovation bewertet werden kann. Aber dafür finden sich in den Wirtschaftswissenschaften Ansätze, die man übernehmen und auf das Rollenspiel anwenden kann. Innovationsmanagement verwendet dabei Werkzeuge, Innovationen zu bewerten, vor allem in Hinsicht auf ihre tatsächliche Verwendung.

Selbstverständlich ist ein solches Unterfangen nicht in einer lockeren Gesprächsrunde am offenen Kaminfeuer zu bewerkstelligen, sondern erfordert konkretes wissenschaftliches Arbeiten. Aber so wäre es zweifelsfrei möglich, den Faktor der Emotion aus der Frage nach den Meilensteinen zu eliminieren.
 
AW: Meta-Diskussion: Was sind Meilensteine des Rollenspiels?

Aber so wäre es zweifelsfrei möglich, den Faktor der Emotion aus der Frage nach den Meilensteinen zu eliminieren.
Aber warum sollte man?

Was ist der "Nutzen" für WEN, wenn man eine irgendwie (schein!)objektive Aussage bekommt "Das Rollenspielsystem XYZ ist ein Meilenstein, weil es auf einen Meilensteinbewertungskennzahlindex von 7,8 von 9,0 möglichen Punkten kommt."?

Eine Meilenstein-Aussage OHNE die Information für WEN und WARUM es ein MEILENSTEIN sein soll, ist eben KEIN MEILENSTEIN, sondern nur ein unnützer Bewertungsindex. (Siehe auch die an sich schon grauenhafte Thematik "Objektive Kriterien zur Bewertung von Rollenspielen" - die ist beinahe so grotesk wie die Suche nach dem objektiven, emotionslosen (lies: UNMENSCHLICHEN) Meilenstein-Index.)
 
AW: Meta-Diskussion: Was sind Meilensteine des Rollenspiels?

Sehr geehrtes Clubmitglied Zornhau,

im Umkehrschluß möchte ich mir dann doch die Frage erlauben, für wen es von Nutzen sein könnte zu wissen, wer welches Spiel für sich persönlich als Meilenstein definiert. In meinen Augen ist diese Erkenntniss unnötig, da ich nicht einmal zu den sich äußernden Personen in irgend einem Verhältnis stehe, dass mir deren persönliche Empfindungen als interessant erscheinen lassen könnte.

Eine wissenschaftliche Herangehensweise könnte hingegen schon hilfreich sein, zum Beispiel für die Spielentwicklungen. Ein Gastkommentor berichtete ja jüngst erst von seinen Erfahrungen auf einer Konferenz zur Gestaltung interaktiver Spiele. Erkenntnisse darüber, welche Mechanismen zu "Meilensteinen" führten, könnten hier helfen, Entwicklung zu optimieren.

Ein Sammelsurium an persönlichen Meinungen hingegen hat in der Tat keinerlei Relevanz außer vielleicht eine narzistische für den sich Mitteilenden selbst. Bleibt ihre Auswertung und Weiterverarbeitung aus, so sind all diese Aussagen verloren. Um einen Filmklassiker zu bemühen: verloren in der Zeit, wie Tränen im Regen.

Vielleicht ist natürlich der Markt der sogenannten Pen & Paper-Rollenspiele einfach zu wenig ergibig, umd erartig komplexe Verfahren zur Ermittlung von Innovation und Qualität anzuwenden. Aber zumindest in der mittlerweile Milliardenumsätze generierenden Welt der interaktiven Computerspiele kann eine ähnliche Erhebung sicherlich wirtschaftsrelevante Erkenntnisse zu Tage fördern.

Solange selbstverständlich kein wirtschaftlicher Vorteil aus einer Untersuchung von Rollenspiel-Meilensteinen erwächst, bleibt diese gesamte Diskussion freilich graue Theorie.
 
AW: Meta-Diskussion: Was sind Meilensteine des Rollenspiels?

Nun, geschätzte Clubmitglieder,

ich muss gestehen, dass mir "Meilensteine der Rollenspielgeschichte" ein bisschen zu schwammig ist. Jeder hat doch so ziemlich seine eigenen Vorstellungen von "Meilensteinen" und damit meine ich nicht nur die persönlichen.

Ich definiere mir diesen Begriff so: Meilensteine sind in diesem Zusammenhang Innovationen oder Errungenschaften mit sprürbarer Wirkung auf die "rollenspielende Welt".

Diese Meilensteine können im Spielsystem, im Mechanismus, im Setting, der Marktwirkung oder in irgendwelchen anderen Bereichen liegen. Fast jedes Rollenspiel hat eine Besonderheit, die es von anderen Unterscheidet. Man kann das nicht objektiv oder mit einer Skala messen. Ich sehe das auch nicht so eng. Nichts sollte "objektiv" dann doch knapp kein Meilenstein sein. Jeder kann doch für sich selbst auch diese nicht persönlichen Meilensteine defnieren.

Solange selbstverständlich kein wirtschaftlicher Vorteil aus einer Untersuchung von Rollenspiel-Meilensteinen erwächst, bleibt diese gesamte Diskussion freilich graue Theorie.
Nicht ganz richtig. Wenn jeder sich seine Rollenspiele anschaut und sich mal fragt: "Was ist das Besonodere an ... ?", dann werden wir alle feststellen, dass wir zu jedem Rollenspiel etwas sagen können, dass dieses Rollenspiel zu etwas Besonderem macht. Dabei ist es irrelevant, ob sich das gerechnet hat oder ob die Welt danach anders war. War es besonders? War es bereichernd? Welche Wirkung hatte es?

Immerhin lassen sich auch für die Bewertung von Computerspielen solche Kriterien finden (Grafikqualität z.B.), die allgemeine Gültigkeit haben.
Naja, also das will ich so auch nicht so ganz stehen lassen. Auch bei Computerspielen sind nur die Marketing-Strategen und Werbetexter mit dem Begriff "Meilenstein" (oder auch "Quantensprung", "Revolution", o.ä.) schnell bei der Hand. Objetiv messbare Kriterien für einen "Meilenstein" sucht man auch da zurecht vergebens.

Ich will hier mal ein paar Dinge aufführen, von denen meiner Meinung nach einige das Potenzial zum "Meilenstein" haben. Sie kommen aus unterschiedlichen Blickwinkeln und belleuchten unterschiedliche Facetten.


- Tunnels & Trolls führte die Idee ein, dass Rüstungsschutz den Schaden reduziert und nicht die Trefferchance (bis heute umstritten).
- Mit "Teange Mutent Ninja Turtles and other Strangeness" wurde die Vermarktung eines absehbar temporären Hypes aus anderen Medien auf das Gebiet Rollenspiel ausgeweitet. Das Speil wurde ein immenser finannzieller Erfolg!
- Mit Nobilis erschien ein Rollenspiel, das vor allem ein schönes Buch sein wollte. Das Spiel ist bestenfalls mittelprächtig, das Buch aber wirklich herausragend.
- Mit dem Allstar Wrestling Roleplaying Game erschien ein Rollenspiel in dem es KEINE EINZIGE anatomisch korrekte Illustration gibt...
- Mit dem "Amazing Engine"-Prinzip konnte man sogenannte "Player Cores" (Wertegerüste für Charaktere) von einem Setting ins nächste mitnehmen und damit in verschiedenen, grundverschiedenen Settings den gleichen Charakter, wenn auch mit unterschiedlichen Attributen und Werten (die waren vom Setting abhängig) spielen.
- Mit GURPS wurde die Bindung eines Regelsystems an ein Genre oder eine Hintergrundwelt pulverisiert. Das berühmte Setting "Bunnies & Burrows" gilt immer noch als Großvater aller Nonsens-Settings mit Elementen aus den verschiedensten Genres.
- Die Einführung der Würfelpools, die man für mehrere Würfe aufsparen sollte (ich weiß nicht, wo das erstmalig aufkam, ich kenne es nur von Shaddowrun).
- Das Drama-System bei 7te See, bei dem einem Spieler für die gelungene Beschreibung einer Charakteraktion eine Belohnung in Form eines Re-Rolls oder Bonuswürfels zugesprochen wird
- Das Rune RPG für die Einführung von Victory-Points, sodass es auch beim Rollenspiel einen Sieger geben kann!
- Masterbook mit dem Master-Deck, einem Karten-System, dass dem Spieler viel Einfluss gibt (in manchen Varianten des Masterbook-Settings gibt es sogar Subplot-Cards, mit denen der Spieler eine Nebenhandlung iniziieren kann!).
- Serials wegen der rufschädigenden Disskussion, ob man wirklich Serienmörder spielen sollte (Ohne diese vernarbte Diskussion wieder anzustoßen kann ich aber behaupten, dass Serials extrem schlechtes Rollenspiel ist.).
- Amber und Everway für tolle würfelfreie Systeme.
- DSA 4, weil damit die klassische "Einstiegsdroge für deutsche Nachwuchs-Rollenspieler nicht mehr für Einsteiger geeignet ist.
- Die WoD und da vor allem Vampire. Nicht nur war das Storytelling System wirklich klasse (btw.: Es gibt ein Streetfighter RPG, das auch dieses System verwendet...), sondern die alte WoD brachte eine komplette Szene (die Goths) mit Rollenspielen in Kontakt. Diese Wirkung hat die Publikumszusammensetzung auf Cons maßgeblich verändert.
- Das "Herr der Ringe"-Rollenspiel, für den Beweis, dass nicht alles, was sich Marketingleute ausdenken (HdR-Hype + neues Fantasy-Rollenspiel = $$$) funktioniert. Vergleiche Turtels oben :ätsch: !!!
- Midgard für die nahezu unvorstellbar treue Fan gemeinde, die seit nunmehr beinahe 30 Jahren Midgard UND NICHTS ANDERES spielt.
 
AW: Meta-Diskussion: Was sind Meilensteine des Rollenspiels?

Sehr schön, multor. So kennt man dich.

An systemgebundenen Meilensteinen möchte ich bei dieser Gelegenheit noch hinzufügen:


  • DSA 1 und Midgard 1 für das Anregen sexueller Phantasien (incl. Illus).
  • D&D Classic für Decoder-Folie und Fettstift.
  • Machoweiber mit dicken Kanonen für den W7 ;)
  • DSA 1 für die Maske.
  • Die New Style Reihe von Hogshead Publishing (De Profundis, Munchhausen, Pantheon, Violence, Puppetland/Powerkill) für frischen Wind und ungewöhnliche Konzepte.
  • HoL (Human occupied Landfill) für das konfuseste aber saucoole und handgeschriebene Rollenspiel-Lesebuch überhaupt.
  • Brickquest für Rollenspiel mit Lego.
  • Chronosaurus (1993) für frühes Player Empowerment
  • Maddrax Reloaded (in Form des Heftchenromans) Narnia (in klassischer Buchform) für den Versuch Rollenspiel aus der jeweiligen Literatur heraus zu verbreiten.
  • Spycraft für die "Qualities" zur System- und Charakteranpassung nach Vorlieben der Gruppe/Kampagne.
  • Der Geheimbund des schwarzen Auges und Tiger Comic für das Ansprechen von Kindern fürs Rollenspiel.
  • The Forge stellvertretend für mehr Regelbewusstsein.
 
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