Memoiren eines zerbrochenen Geistes (Vampire)

A

Alutius

Guest
Memoiren eines zerbrochenen Geistes

Dies ist weniger eine Kurzgeschichte, als eine kleine (aber ständig wachsende) Sammlung kleiner "Geschichten", die sich um einen Vampire-Charakter von mir drehen, Alutius, einen Malkavianer aus den Dark Ages, der als SC in den Transylvanischen Chroniken auftaucht. Bei den Geschichten handelt es sich um Präludium, Interludien (es gibt in der Chronik einige Zeitsprünge von teilweise 100 Jahren) und Kurzzusammenfassungen der Erignisse der Chronik. Nicht alle Einträge werden in Chronologischer Reihenfolge Stattfinden (hey, es ist ein Malk...).


Alutius
 
Präludium - Frankreich 1147-1185 AD
Ich wurde geboren am 21.Januarius im Jahre des Herren 1147 in Frankreich. Meine Eltern waren Bauern, und ich war das vierte von insgesammt sechs Kindern. Ich wurde von ihnen streng im Glauben erzogen, und da der Hof meiner Familie nicht ertragreich und groß genug war, um uns alle zu versorgen, dachte ich darüber nach, mich in ein Kloster zu begeben, wenn auch anfangs etwas zögerlich. Bis eines Nachts etwas geschah, das mich maßgeblich beeinflussen sollte und so meinen weiteren Weg bereitete.
Ich war 12, als er das erste mal zu mir sprach. Er nannte sich Gabriel, einer der himmlichen Heerscharen, ein Erzengel. Er bestätigte mich darin, den Weg einzuschlagen, denich zu gehen gedachte. Er sagte mir, das mich große Dinge erwarten würden, sollte ich jenen Weg einschlagen, und das sowohl schwere Prüfungen als auch großer Lohn mich erwarteten. Damals verstand ich den Sinn seiner Worte noch nicht, doch ich sollte bald verstehen.
Ich wurde im Kloster Clairveaux des Zisterzinenserordens aufgenommen, das nahe meines Heimatdorfes lag, und begann dort auch mein Studium der heiligen Schrift und der Naturwissenschaften, und bildete mich auch auf den anderen Gebieten des akademischen Wissens weiter, wie zum Beispiel der Astronomie und der Juristerei. Auch ansonsten führte ich ein Leben in Harminie. Ich bestellte mit meinen Ordensbrüdern die Felder des Klosters, kelterte Wein und hielt regelmäßig Messen in den unliegenden Dörfern.

So auch in jener Juninacht im Jahre des Herren 1185. Wieder einmal verlas ich die Sonntagsmesse in der kleinen Kapelle des Dorfes Bar-sur-Aube, sorgte für das Seelenheil der Bewohner in dem ich mich ihrer kleinen und großen Probleme widmete, ihnen die Beichte abnahm und bei einigen Dingen zur Hand ging. Es war ein Tag, an dem mich viel Arbeit erwartete. Drei Kinder mußten getauft werden, eine neu hinzugezogene Familie feierte Richtfest in ihrem Haus und erbaten den Segen des Herren für ihr neues Heim, und in einem anderen Haus wartete ein Mann auf seine letzte Ölung. Kurz gesagt, es gab viel zu tun, so das es schon zu dämmern begann, als ich mich auf den Weg zurück ins Kloster machte.
An jenem Abend sprach Gabriel das zweite mal zu mir. Er sagte nicht viel, nur, das ich heute Nacht jemanden kennenlernen werde, und das mich eine Prüfung und ein großes Geschenk Gottes erwarte, so wie er schon viele Jahre zuvor Prophezeit hatte.

Er saß auf einem Felsen. Er trug altertümliche Kleidung, nach römischen Schnitt, und eine Legionärsrüstung. Er schien auf mich gewartet zu haben, und es schien, als kenne er mich, denn er begrüßte mich mit meinem Namen. Er stellte sich selbst als Octavio vor, und er sagte, die Sterne haben ihm den Weg hierher gewiesen. Er begann mir davon zu erzählen, das die Sterne ihm Prophezeit haben, das bald große Dinge geschehen werden. Wir begannen ein längeres Gespräch, aus dem hervorging, das er sich für einen römischen Legionär hielt, und er sprach von einem „dunklen Vater“ namens Kein, aus dessen Linie er hervorging. Ich hatte schon in der Vergangenheit das ein oder andere mal mit jenen bedauernswerten Menschen zu tun gehabt, die verwirrt im Geiste waren, und so ging ich zunächst auf sein Spiel ein.
Schließlich zeigte er mir, dass das, was er von sich gab, durchaus der Wahrheit entsprach, und er schenkte mir den Kuß.
Diesen Moment werde ich wohl nie vergessen. Zunächst kam die Ekstase des Bisses, die ein Gefühl erzeugte, das ich zuvor noch nie gekannt hatte. Dann begann der Moment der Schwäche, als das Leben aus meinem Körper zu strömen schien, und die Welt sich in ein verschwommenes, unwirkliches Abbild ihrer selbst verwandelte. Schließlich trank ich von seinem Blut, mehr ein Reflex als ein willentlicher Akt, und mit einem Schlag hörte ich sie. Ich hörte sie alle, die Stimmen von Hunderten Kindern des Mondes, die Stimmen von Tausenden von Seelen, die die Anima durchwandeln, und über allem die Stimme Gabriels, der mir erklärte, das ich von nun an verflucht und gesegnet zugleich sei,. Die anderen Stimmen begrüßten mich, hießen mich Willkommen in ihrem Netzwerk des Wahnsinns. Ich konnte all ihre Stimmen klar hören, obwohl sie teilweise Hunderte von Meilen entfernt waren. Sie begrüßten mich jeder auf seine Art. Die einen beglückwünschten mich, die anderen sprachen mir ihr Mitleid und ihr Bedauern aus, andere lachten wahnsinnig, wiederum andere weinten, vor Freude, Trauer oder Schmerz, und wiederum andere schrieen einfach nur ihren Wahnsinn hinaus. Für einen kurzen Moment hörte ich die Stimme eines jeden einzelnen Mitglieds dieses Clans. Dann, genauso plötzlich wie es begann, vertsummten die Stimmen wieder. Ich erhob mich, und ich spürte eine Veränderung. Meine Sinne waren schärfer, und mein Geruchssinn war deutlich besser als je zuvor. Octavio lächelte. „Willkommen in der Welt der Dunkelheit, mein Kind.“

Ich verbrachte drei Jahre mit ihm. In dieser Zeit lehrte er mich das meiste dessen, was ich wissen mußte. Er erzählte mir von Kain und Enoch, der ersten Stadt. Er erzählte mir von den dreizehn, zu denen auch Malkav, unser Urahn zählte, und von seinen Brüdern Saulot, Set, Brujah und all den anderen. Er lehrte mich die Traditionen, und noch vieles mehr. Doch in all der Zeit lehrte mich auch Gabriel viele Dinge. Nun, da ich ein Engel der Nacht war, wie Gabriel es nannte, sprach er häufiger zu mir. Ich erkannte, dass das, was Octavio mich lehrte und das, was mir Gabriel erzählte, sich in einigen Punkten unterschied. Dann verließ mich Octavio und versprach mir, das ich bald von ihm hören würde.
 
Judäa, 1219 AD

Etwa 2 Monate wanderten wir, Gerome, Tatjana , Sir Mertran und ich, bis wir das heilige Land erreichten. Unser erster Weg führte uns nach Akkon, oder Accho, wie die Hebräer es nannten, Acce in der sprache der Römer. Über ein Jahrtausend war es Kainiten verwehrt die Stadt zu betreten. Eine heilige Aura, erzeugt durch einen Teil des wahren Kreuzes, das im Schrein des heiligen Paulus im Kloster der Apostel lag, verhinderte, das Kainiten sich der Stadt näherten. Nun war das Kreuz fort. Den Geschichten nach hatte ein Kreuzritter namens Dauphiere de Dampiere das Kreuz an sich genommen, um es an einen sichereren Ort zu bringen. Gerüchten nach soll er, obwohl er ein Vampirjäger sein soll und über die Gabe des Wahren Glaubens und des zweiten Gesichtes verfüge, mit einem Ritter des Ordens der Bitteren Asche zusammen weitergereist sein. Nun, ich sollte dem beizeiten nachgehen. Unser erster Besuch galt, den Traditionen entsprechend, dem Prinzen von Akkon, Etienne de Fauberge, ein Ravnos, Vassal des Ventrue Fürst Jürgen von Magdeburg. Nun, ich war von Etienne überrascht, unterschied er sich doch stark von jenen Ravnos, die ich bisher kannte.
Meine zweite Nacht verbrachte ich im Kloster der Apostel, im Gebet an jenem Schrein, der einst einen Teil des Kreuzes beinhaltet hatte. Auch Gerome und tatjana beteten mit mir. Gerome war Glücklich, hatte er doch endlich das heilige Land erreicht. Damals, als ich ihn fand und aufnahm, war er Teil des dritten Kreuzzuges, konnte jedoch aufgrunf einer Krankheit nicht weiterreisen. Nun hatte er endlich das heilige Land erreicht, zwar nicht im Rahmen eines Kreuzzuges, doch immer noch mehr oder weniger im Auftrag des Herrn.
In der folgenden Nacht besuchten wir noch andere Sehenswürdigkeiten der Stadt, diesmal auch in Begleitung von Sir Mertran: die Kirche des heiligen Sebastian, die des heiligen Andreas und das Hosptz der Hospitaler. Im Gegensatz zu den Städten in Europa sind die Straßen hier in der Nacht alles andere als leer. Gerome erzählte mir, das die Mittagshitze hier sehr stark sei, und darum die Menschen ihre Geschäfte in den kühleren Abendstunden erledigten.
Nun, eine weitere Nacht später wanderten wir weiter gen Jerusalem.

Wir erreichten Jerusalem einige Nächte später, und wir alle waren fasziniert von dem Anblick der heiligen Stadt. Wir näherten uns der Stadt von westen her, vorbei am Berg Zion und dem Grabe Herodes. Die Stadt betraten wir durch das Jaffa Tor, und machten uns dann auf die Suche nach Kainiten in der Stadt, um uns dem Prinzen vorzustellen, wie es Tradition ist, nur um festzustellen, das Jerusalem keinen wirklichen Prinzen hat. Zu viele Machtgruppen gleicher Stärke sind präsent, als das sich ein einzelner Kainit zu einem Prinzen ausrufen könnte. Also wandte ich mich an jene, die meine Interessen am ehesten tolerieren würden.
In der Nacht nach unserer Ankunft wanderten wir durch die Stadt, um verschieden Sehenswürdigkeiten zu sehen. Dabei stellten wir fest, das Jerusalem übersäht ist mit Orten, die man als heiligen Grund bezeichnen könnte. An einigen stellen hatten die Vampire unter uns Schwierigkeiten, unseren Weg fortzusetzen, aber der Glaube gab uns die Kraft, weiterzugehen. Wir besuchten die Kirche der heiligen Hanna, die Klagemauer, den Tempelberg und den Felsendom. In der folgenden Nacht pilgerten wir zum Grabe Davids, zum Grab der Jungfrau Maria und erklommen den Ölberg.
Dann bereitete ich mich, in den folgenden zwei Nächten, durch tiefes Gebet darauf vor, den letzten Weg Christi zu wandern.
In unserer sechsten Nacht in Jerusalem war ich dann bereit, und folgte der Via Dolorosa. Ich wanderte, von Gerome und Tatjana begleitet, zur Antonia, jenem Ort, an dem Jesus gefoltert wurde, die Dornenkrone erhielt und zum Tode verurteilt wurde. Gerome setzte mir die Dornenkrone auf, die er am Tage für diesen Zweck angefertigt hatte. Ich kniete nieder und betete. Dann stand ich auf, nahm das Kreuz entgegen, das Gerome ebenfalls angefertigt hatte, und folgte dem Leidenspfad Christi, der Via Dolorosa, durch Jerusalem. An jenen stellen, an denen Jesus niederfiel, es gibt derer drei, kniete ich nieder und betete. Der Weg endete an der Kirche der heiligen Grabstätte, die dort errichtet wurde, wo Jesus dereinst ans Kreuz geschlagen wurde. Ich betrat die Kirche und verbrachte dort den Rest der Nacht im Gebet.
In der folgenden Nacht versuchte ich, weiter das Leiden Christi nachzuempfinden. Während des Tages hatte Gerome einen geeigneten Ort außerhalb Jerusalems gefunden. Wir wanderten dorthin, und Gerome und Sir Mertran schlugen mich, wie von mir aufgetragen, an das Kreuz und richteten es auf. Die ganze Nacht verbrachte ich am Kreuz, ins Gebet vertieft, und erst in der Morgendämmerung löste Gerome mich und brachte mich in eine nahe Höhle.

Wir verbrachten danach noch einige Nächte in Jerusalem, und sprachen mit einigen Kainiten der Stadt. Selten habe ich so viele Kainiten gesehen, die wie ich der Via Caeli folgen, wie hier in Jerusalem. So sprach ich mit Bonifacius, einem Ahnen der Brujah, den Kappadozianern Abraham und Adam, mit Fater Paliuro Rustucci, einem Lasombra, meinem Clansbruder Bernardus, den Nosferatu Kothar und Ephraim. Sogar zwei Salubri fand ich in Jerusalem, eine Nonne namens Asha bint Wahiba, und einen Mann namens Nahum ben Enosh, ein direktes Kind Saulots. Ich bedaure, das ich nicht länger bei all jenen Gleichgesinnten verweilen konnte, doch habe ich Pflichten, und diese Pilgerfahrt muß nun doch ein Ende nehmen.
Nach ingesammt zwei Wochen brachen wir, Gerome, Tatjana, Sir Mertran und ich, auf. Bevor wir uns gen Norden wandten, pilgerten wir noch nach Betlehem, dann am Toten Meer vorbei nach Norden, entlang des Jordans an Jericho vorbei bis Nazareth, um dann wieder von Akkon aus die Heimreise anzutreten.
 
Kronstadt, Kloster des Ordum Angeli Noctis, 8. Juli 1367 Anno Domini

Gerome kniete vor dem Altar in der Kirche, die innerhalb des Klosters errichtet worden war. Die letzten sechs Stunden hatte er hier so verbracht. Nicht mehr lange, und Alutius würde ihm den Kuß schenken. Dreimal hatte Alutius Gerome gefragt, ob dieser wirklich wünscht, ein Wesen der Nacht zu werden, und dreimal hatte Gerome darauf mit „Ja“ geantwortet. Nun war es soweit, auf den Tag 200 Jahre nach dem Tag, an dem Alutius Gerome zum Ghoul gemacht hatte, würde er zu einem Engel der Nacht werden.
Sechs Stunden hatte Gerome gebetet, den himmlischen Vater um die Kraft gebeten, den Fluch, der bald auf ihm liegen würde, zu ertragen, die Kraft, die Macht, die er bald besitzen werde, zum Guten zu nutzen und sich nicht von den Verlockungen des Bösen beirren zu lassen.
Gerome wußte: er muß diesen Schritte gehen. Er würde ein „Angeli Noctis“ werden, ein Engel der Nacht. Die Kraft, die er durch den Kuß empfangen würde, ist Fluch und Segen zugleich. Mit dem Fluch würde er leben können, und die Segnungen ürde er zum wohle des Guten nutzen. Er war bereit. Als Mensch war er ein Ritter gewesen, ein Kämpfer des Guten. Als Ghoul diente er Alutius, ebenfalls als Ritter, doch mit größeren Kräften, gegen stärkere Gegner. Auch als Kainit würde er Ritter bleiben, ein Ritter der Nacht, mit größeren Kräften, um noch stärkeres Übel bekämpfen zu können. Ja, er war bereit.
„Gerome?“ Gerome blickte auf. Es war die Stimme Tatjanas. Sie trug ihre Ordenstracht, eine Mischung aus Nonnentracht und ritterlichem Wappenrock. Sie blickte ihn ernst an. „Seid ihr bereit, Gerome?“ Gerome nickte, dann stand er auf. Er bewunderte Tatjana, fast so, wie er Alutius bewunderte. Sie hatte nie eine Wahl gehabt. Ihr Erzeuger hatte sie einfach zu dem gemacht, was sie nun ist. Ohne Fragen, ohne Erklärungen. Er, Gerome, hingegen, ging diesen Weg aus freien Stücken. Er hatte eine Wahl, die ihr niemals offenstand. Doch ist sie daran nie verzweifelt. Sie hatte ihren Weg gefunden, ihren Frieden geschlossen. Alutius hatte ihr dabei viel geholfen, doch hatte er sie nie gedrängt. Nachdem sie zu dem geworden war, was sie nun ist, ist sie aus freien Stücken dem Weg gefolgt, den Alutius ihr angeboten hat. Gerome konnte in ihren Augen lesen, das sie sich um ihn sorgte. Ihr Blick verriet ihre Gedanken. ‘Seid ihr sicher, das ihr dies tun wollt?‘ Gerome nickte stumm auf die unausgesprochene Frage, und Tatjana nickte ebenfalls. Sie hatten in den letzten Jahren oft darüber geredet, und Gerome glaubte, das Tatjana ihn zumindest teilweise verstehen konnte.

Gemeinsam erreichten sie den kleinen Raum im Keller des Klosters. Alutius hatte bereits alles Vorbereitet. In der Mitte des runden Raumes standen zwei kleine Kniebänke, mit Kissen gepolstert. Um sie herum standen sieben Kerzenständer, auf denen, in lateinischer Sprache, die sieben Kardinalstugenden niedergeschrieben waren. Auf jedem Ständer steckten vier brennende Kerzen, je eine für jeden der Erzengel Gabriel, Michael, Raphael und Uriel. Dort stand Alutius. Gerome betrat den Raum, und Tatajana schloß die Tür von außen. Alutius blickte Gerome tief in die Augen. „Seid ihr bereit?“ Gerome nickte. „Ja, ich bin bereit.“ Alutius deutete auf eine der beiden Bänke. „Dann kniet nieder.“ Gerome tat wie ihm geheißen, und atmete noch einmal tief durch. Alutius kniete sich ihm gegenüber. „So laß uns beten...“ Beide falteten ihre Hände zum Gebet.

Tatjana wartete. Gerome hatte sie darum gebeten. Beim Ritual selbst wollte sie nicht zugegen sein, selbst wenn Alutius es ihr erlaubt hätte. Einerseits konnte sie verstehen, das Gerome diesen Schritt ging. Er war ähnlich stark Überzeugt von der Sache wie Alutius, und hätte man ihr auch 200 Jahre Zeit gegeben, darüber nachzudenken, hätte sie vielleicht auch diesen Weg gewählt. Vielleicht. Nun, jetzt hatte sie selbst über 150 Jahre Zeit gehabt, über ihr neues Dasein nachzudenken, und der Weg, den Alutius ihr eröffnet hatte, gab ihrem Dasein Sinn, sogar mehr noch, als ihr früheres Leben einen Sinn gehabt hatte. Trotzdem, im Gegensatz zu Gerome hatte sie selbst nie die Wahl. Aus Gesprächen mit Alutius wußte sie, das man auch ihm nie die Wahl gelassen hatte. Sein Erzeuger war auch mehr oder weniger über Alutius hergefallen. Dies, so sagte er, sei der Grund, warum er selbst niemandem den „Kuß“ aufzwingen wolle. Deshalb hatte er Gerome auch dreimal gefragt, ob er sicher sei.
Die Tür öffnete sich, und Alutius und Gerome traten aus der Kammer. Tatjana mußterte Gerome intensiv, versuchte zu erkennen, ob sich etwas an ihm geändert hatte, aber sie erkannte nichts. Er war immer noch der alte, jener edle Ritter, der Alutius all die Jahre begleitete, und mit dem sie schon unzählige Male den Waffengang geübt hatte. Nun, eine Änderung war schon da. Seine Aura war... blasser. Er war jetzt ein Kainit. Alutius blickte von Gerome zu Tatjana. Dann lächelte er: „Begrüßt euren Bruder, Tatjana. Nun ist er auch ein’Engel der Nacht‘.“
 
Wow, das nenne ich mal Spieltiefe!

Besonders die Stelle mit dem Leidensweg Christi ist der Hammer.

Ich freu mich schon auf mehr... 8)
 
Ich finde, dass solche Geschichten den Einstieg für "fachfremde" Rollenspieler etwas erleichtert. Wenn auch einiges unklar bleiben dürfte, erhält man doch aus einer zusammenhängenden Geschichte einige Hintergrundinfos...
 
[Lange hat es gedauert, bis sich etwas schreibenswertes Ereignet hat - die Ereignisse des Convent von Thornes, so wie er in unserer Chronik gelaufen ist, möchte ich euch jedoch auf keinen Fall vorenthalten. Die Folgende Rede wurde von Alutius auf diesem Convent gehalten - und hatte, zusammen mit der Rede eines Klüngelmitgliedes gravierende Folgen...]



Thornes, England, 18.10.1493

Alutius trat an das Rednerpult, und stellte einen Spiegel vor sich auf, die spiegelnde Obefläche den Anwesenden Kainiten zugewandt.

"Werte ach so mächtigen Anarchen, und alle ach so weisen Ahnen. Schaut in diesen Spiegel, und sagt mir, was ihr seht!
Wollt ihr wissen was ich sehe? Ich sehe einen Haufen erbärmlicher Kreaturen, die sich über Kleinigkeiten den Kopf zerbrechen, die in ihrer selbstherrlichen Dekadenz blind für das Offensichtliche sind.

Ich sehe Ventrue, die sich nur darüber Gedanken machen, wie sie aus der derzeitigen Lage am meisten Vorteile ziehen können, um weiterhin ihre Machtpositionen zu behalten und weiterhin die Gesellschaft nach ihrem Gusto zu Korrumpieren. Aber auf ihrem hohen Roß sind sie eh zu weit weg von den Worten jener die „unter“ ihnen sind.. Und wenn dann jene „niederen“ ihnen das Pferd unter dem Arsch wegziehen werden die Folgen so offensichtlich sein, das auch die Könige sie in ihrer Blindheit erkennen werden

Ich sehe Lasombra, deren streben darauf hin abzielt, eben jenen Ventrue deren Ziele zunichte zu machen, um selbst mehr macht anhäufen zu können, die weiter ihren belanglosen Kleinkrieg um Einfluß und Macht führen und dabei weiterhin mit großen Enthusiasmus ihre Kinder oder unschuldige Sterbliche opfern. Aber diese Worte sind wohl vergebens. Wie kann man jemandem einen Spiegel vorhalten, wenn er nicht in der Lage ist, sich selbst darin zu sehen.

Ich sehe Tzimisce, die noch nicht einmal versuchen, ihre Machenschaften hinter dem sonst üblichen Schleier der Stille des Blutes zu verbergen, sondern sich voll und ganz ihren dekadenten, zur Perversion verkommenen Machtgelüsten hingeben. Sie versuchen ihre Macht durch eine Schreckensherrschaft aufrecht zu erhalten, die schon nahezu Beispiellos ist. Tzimisce, die sich Flügel wachsen lassen, um den Schöpfer und sein Werk zu verspotten.

Ich sehe Toreador, die dermaßen in ihrer Dekadenz aufgegangen sind, das dieser Begriff neu definiert werden müßte, Toreador, die Belanglosigkeiten dermaßen viel Gewicht zumessen, das man den Eindruck gewinnen könnte, sie selbst seien der Mittelpunkt des Universums. Ich habe eine Neuigkeit für euch: ihr seid weit weg von dem, was ihr glaubt zu sein.

Ich sehe Brujah, die noch immer einem zweitausend Jahre altem Ideal nachtrauern, das es niemals gegeben hat, und die sich in ihrer Trauer in eine Wut auf jene hineinsteigern, die ihnen gerechtfertigter weise einen Spiegel vorgehalten haben, anstatt sich endlich darum zu bemühen, ihre Ideale diesmal richtig zu verwirklichen.

Ich sehe Kappadozianer.... oder besser gesagt, ich sehe keine mehr. Statt dessen sehe ich jene Giovanni, die dem Vorbild der Tremere folgten, die jedoch, anders als die Usurpatoren, mit offenen Armen in unseren Reihen empfangen wurden. Wie sehr sie mit ihrer morbiden Dekadenz doch in unsere Gesellschaft passen. Und die Kappadozianer... nun, vielleicht haben sie in ihrem Fatalismus endlich die letzten Geheimnisse des Todes ergründen können.

Dann sehe ich Assamiten, deren Bestreben unter anderem der Ausrottung unserer allen Existenz besteht. Wenn man davon absieht, das sie dies aus Gründen tun, die alles andere als gut zuheißen sind, ist ihr Vorhaben sogar löblich, denn was hat der Großteil von uns schon geleistet, das all die Untaten aufwiegen würde, die von unsereins begangen wurde – und das schließt die Kinder Haqims mit ein.

Ich sehe Setiten.... nun, hier sind sie ausnahmsweise mal nicht zu finden, aber ich bin sicher, sie haben ihre Schergen und Informanten irgendwo hier. Sie aalen sich in unser aller Dekadenz und Korruption. Natürlich, jeder hier versucht, diese Verführer zu beseitigen, doch fallen die meisten von uns dann doch auf sie herein. Und warum? Weil sie genau wissen, wie verkommen wir sind.

Ich sehe Ravnos, erbärmliche Halunken und Rumtreiber, die das Unleben nur als ein Spiel betrachten, das dafür da ist, sie zu amüsieren, die ihrem Laster ohne zu zögern nachgeben und so weiter in die Sündhaftigkeit abdriften – schließlich ist dies alles ja nur ein Spaß, oder? Nun, wir werden sehen, wer als letztes Lachen wird, wenn Gehenna kommt.

Ich sehe Nosferatu, die sich demütig ihrer Rolle als Abschaum der kainitischen Gesellschaft einfügen, und das Große Spiel auf ihre Weise mitspielen, als Spione und Handlanger der mächtigen, und gelegentlich versuchen sie, einen gegen den anderen Auszuspielen, um sich selbst auch ein kleines Stückchen vom Kuchen einzuverleiben. Und werden damit genauso zu machtgierigen Monstern – nach oben Buckeln, nach unten treten...

Ich sehe Gangrel, die sich in die Einsamkeit zurückziehen, die dem Tier nachgeben, die glauben, in dem sie die Augen schließen und sich abwenden, werden die Dinge besser. Auch euch erzähle ich ein Geheimnis: nur weil man etwas nicht sehen kann, heißt das nicht, das es nicht doch da ist. Aber wer weiß, vielleicht ist es auch gut, sich wie ein Kaninchen in den Bau zu flüchten und manchmal zu Knurren wie der große Böse Wolf...

Mein eigener Clan, die Malkavianer.... nun, verborgen hinter dem Wahnsinn erfüllt mein Clan viele Rollen: Die des Beraters, die des Propheten, oder häufiger, die des Narren. Nun, auch wenn viele von uns Mondkindern die Wahrheit kennen – sie den anderen Mitzuteilen und dann darauf warten, das etwas passiert, reicht nicht – nicht mehr. Es ist an der Zeit, das wir endlich etwas tun, sonst sind wir nicht besser als der übrige Abschaum.

Bleiben noch die Tremere. Zunächst ein Wort der Bewunderung: Wie eine Kakerlake ist auch dieser Clan scheinbar nicht totzukriegen. Und wie eine Kakerlake ist er dieser Clan ein Ungeziefer mitten unter uns. Aber alles in Gottes Schöpfung hat einen Sinn, und so hat auch diese Kakerlake einen Sinn: Die Tremere sind der Spiegel, der uns allen Vorgehalten wird. Die wenigsten von uns sind wirklich besser als sie. Die meisten sind wie sie – nutzloses Ungeziefer – Kakerlaken.

Ich könnte noch mehr sagen, zum Beispiel über jene Kyasid, die ihre Erfüllung darin sehen, in staubigen Bibliotheken zu sitzen uns sich Wissen anzulesen. Was, frage ich, nützt all euer Wissen, wenn ihr nicht in der Lage seid, es nutzbringend zum Wohle aller anzuwenden?

Oder über die Baali, unsere schwerste Prüfung, die wir immer noch nicht gemeistert haben? Jahrtausende sind vergangen, und dieses Krebsgeschwür existiert immer noch. Und warum? Weil wir besseres zu tun haben. Weil wir es ihnen dank unserer Machtgier sogar ermöglichen, sich unter uns zu mischen.

Und die Salubri? Vernichtet, von den Tremere. Jeder hat sie dafür Verflucht, aber hat irgendwer den Salubri geholfen? Nein, niemand. Und viele Salubri haben sich nicht mal selbst gewehrt, sondern haben sich in einem Fatalismus, so wie nach ihnen die Kappadozianer, in ihr Schicksal ergeben.


Die Probleme, vor denen wir stehen, haben wir uns selbst zuzuschreiben. Sie sind das Resultat schier endloser Selbstzufriedenheit und Ignoranz. Die Menschen sind nicht dumm, sie haben erkannt was wir sind, und wie wir sind. Und das wir erst jetzt damit beginnen, uns darüber Gedanken zu machen, zeigt nur, wie unfähig wir sind. So beginnen wir nun, uns darüber Gedanken zu machen, wie man das Problem anzugehen hat, aber wie eigentlich, wenn die meisten noch nicht mal sehen, was das Problem ist? Die Menschen sind nicht das Problem, und auch die Anarchen sind nur eine Folge des eigentlichen Problems. Das Problem sind wir, diese Versammlung von Narren und Narzissen.
Wir sind verflucht, von Gott und Kain, und wir genießen diesen Fluch – und das ist unser eigentliches Problem. Wir nutzen unsere Macht nicht, um anderen zu helfen, in der Hoffnung, irgendwann erlöst zu werden, nein, wir nutzen unsere Macht aus Selbstsucht, in der wahnsinnigen Annahme, Gehenna würde ausbleiben, wenn man nur fest genug daran glaubt.
Und deshalb widert ihr mich an. Ich würde kotzen, wenn ich das noch könnte. Aber ich weiß, was ihr denkt, das sind ja nur die Worte eines Wahnsinnigen. Vielleicht ist dem so, ich jedoch bezweifele es. Führt weiter eure erbärmlich unwichtigen Kleinkriege, egal ob Ahnen oder Anarchen, Camarilla oder Assamiten. Fahrt fort mit eurem nutzlosen Blabla darüber, wie ihr eure unwichtigen Spiele um Macht und Dekadenz weiter führen könnt. Wir haben die Feuer der Inquisition verdient, und sie werden uns verzehren – heute oder in 500 Jahren. Den hohe Wesen, die wir sind, können tief fallen – sehr tief. In diesem Sinne: ich wünsche euch allen ein fröhliches Gehenna...."

Mit diesen letzten Worten warf Alutius den Spiegel mitten unter die Anwesenden, wo er mit lautem getöse zerbarst, und verließ dann das Rednerpult.
....
Es folgten 4 Tage voller Reden, Diskussionen und Verhandlungen, an deren Ende die Camarilla uns mit einem Vertrag "beglückte", jenem Vertrag, der als der "Dornenvertrag" in die kainitische Geschichte eingehen würde.
Jedoch ließ sich Alutius (und auch seine Klüngelgefährten) es sich nicht nehmen, auch diesen Vertrag zu kommentieren. Nach Verlesung des Vertrages trat er an das Rednerpult.
"Ihr alle glaubt doch nicht Ernsthaft, das ich dieses Machwerk akzeptiere? Für wie Wahnsinnig haltet ihr mich? Mein Standpunkt ist klar: als Prinz von Kronstadt erkläre ich hiermit, das Kronstatt kein Teil dieser Camarilla ist, dies niemals war und auch niemals sein wird. Und sollte dies für die Mitglieder dieser Institution und meines Clans ein Problem sein, so verkünde ich hiermit zugleich, das ich mich nicht mehr als einen Teil dieser Fraktion meines Clanes betrachte. Und was das mögliche Vorhaben der Tremere angeht. Sollten diese wirklich gegenn deren Willen Maßnahmen gegen die Assamiten, oder andere, die sich nicht als Teil der Camarilla betrachten, ergreifen, so glaubt mir, das dies nicht ohne Konsequenzen bleiben wird. Nochmals: Kronstadt erklärt sich hiermit offiziell als von der Camarilla unabhängig. Die Tore meiner Stadt stehen für jene offen, die der weder der Anarchenbewegung noch dieser Institution namens Camarilla beitreten wollen, sondern die einen anderen Weg gehen wollen."



[Danach wurde eine Einladung ausgesprochen, am 1.3.1494 in Kronstadt der Gründungsversammlung einer "Sekte" mit Namen "Platonis Liga" beizuwohnen, die auf freiheitlichen Idealen fundiert. Ein entsprechender Beitrag wird folgen, jedoch sind mit Leuten Joseph von Bauren (Nosferatu) und Raphael de Corazon (Toreador) bereits mächtige Kainiten dieser Gruppierung beigetreten. Ja, zwei der Gründungsväter der Camarillahaben - zumindest in unserer Chronik - die Camarilla verlassen und sind einer anderen Fraktion beigetreten .... wie gesagt, die Folgen waren gravierend....]
 
Einen schönen Spiegel hast du den Clans da vorgehalten. Gefällt mir.

Hehe, hat dein Charakter Mut 5? Bist du zuversichtlich, dass du die nächsten Nächte überleben wirst?

Eine Anregung hätt ich noch (auch wenns jetzt zu spät ist): Du sprichst bei den Baali von einem "Krebsgeschwür". Das dürfte damals aber ziemlich unbekannt gewesen sein. "Pestbeule" passt da imho besser.
 
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