[Lange hat es gedauert, bis sich etwas schreibenswertes Ereignet hat - die Ereignisse des Convent von Thornes, so wie er in unserer Chronik gelaufen ist, möchte ich euch jedoch auf keinen Fall vorenthalten. Die Folgende Rede wurde von Alutius auf diesem Convent gehalten - und hatte, zusammen mit der Rede eines Klüngelmitgliedes gravierende Folgen...]
Thornes, England, 18.10.1493
Alutius trat an das Rednerpult, und stellte einen Spiegel vor sich auf, die spiegelnde Obefläche den Anwesenden Kainiten zugewandt.
"Werte ach so mächtigen Anarchen, und alle ach so weisen Ahnen. Schaut in diesen Spiegel, und sagt mir, was ihr seht!
Wollt ihr wissen was ich sehe? Ich sehe einen Haufen erbärmlicher Kreaturen, die sich über Kleinigkeiten den Kopf zerbrechen, die in ihrer selbstherrlichen Dekadenz blind für das Offensichtliche sind.
Ich sehe Ventrue, die sich nur darüber Gedanken machen, wie sie aus der derzeitigen Lage am meisten Vorteile ziehen können, um weiterhin ihre Machtpositionen zu behalten und weiterhin die Gesellschaft nach ihrem Gusto zu Korrumpieren. Aber auf ihrem hohen Roß sind sie eh zu weit weg von den Worten jener die „unter“ ihnen sind.. Und wenn dann jene „niederen“ ihnen das Pferd unter dem Arsch wegziehen werden die Folgen so offensichtlich sein, das auch die Könige sie in ihrer Blindheit erkennen werden
Ich sehe Lasombra, deren streben darauf hin abzielt, eben jenen Ventrue deren Ziele zunichte zu machen, um selbst mehr macht anhäufen zu können, die weiter ihren belanglosen Kleinkrieg um Einfluß und Macht führen und dabei weiterhin mit großen Enthusiasmus ihre Kinder oder unschuldige Sterbliche opfern. Aber diese Worte sind wohl vergebens. Wie kann man jemandem einen Spiegel vorhalten, wenn er nicht in der Lage ist, sich selbst darin zu sehen.
Ich sehe Tzimisce, die noch nicht einmal versuchen, ihre Machenschaften hinter dem sonst üblichen Schleier der Stille des Blutes zu verbergen, sondern sich voll und ganz ihren dekadenten, zur Perversion verkommenen Machtgelüsten hingeben. Sie versuchen ihre Macht durch eine Schreckensherrschaft aufrecht zu erhalten, die schon nahezu Beispiellos ist. Tzimisce, die sich Flügel wachsen lassen, um den Schöpfer und sein Werk zu verspotten.
Ich sehe Toreador, die dermaßen in ihrer Dekadenz aufgegangen sind, das dieser Begriff neu definiert werden müßte, Toreador, die Belanglosigkeiten dermaßen viel Gewicht zumessen, das man den Eindruck gewinnen könnte, sie selbst seien der Mittelpunkt des Universums. Ich habe eine Neuigkeit für euch: ihr seid weit weg von dem, was ihr glaubt zu sein.
Ich sehe Brujah, die noch immer einem zweitausend Jahre altem Ideal nachtrauern, das es niemals gegeben hat, und die sich in ihrer Trauer in eine Wut auf jene hineinsteigern, die ihnen gerechtfertigter weise einen Spiegel vorgehalten haben, anstatt sich endlich darum zu bemühen, ihre Ideale diesmal richtig zu verwirklichen.
Ich sehe Kappadozianer.... oder besser gesagt, ich sehe keine mehr. Statt dessen sehe ich jene Giovanni, die dem Vorbild der Tremere folgten, die jedoch, anders als die Usurpatoren, mit offenen Armen in unseren Reihen empfangen wurden. Wie sehr sie mit ihrer morbiden Dekadenz doch in unsere Gesellschaft passen. Und die Kappadozianer... nun, vielleicht haben sie in ihrem Fatalismus endlich die letzten Geheimnisse des Todes ergründen können.
Dann sehe ich Assamiten, deren Bestreben unter anderem der Ausrottung unserer allen Existenz besteht. Wenn man davon absieht, das sie dies aus Gründen tun, die alles andere als gut zuheißen sind, ist ihr Vorhaben sogar löblich, denn was hat der Großteil von uns schon geleistet, das all die Untaten aufwiegen würde, die von unsereins begangen wurde – und das schließt die Kinder Haqims mit ein.
Ich sehe Setiten.... nun, hier sind sie ausnahmsweise mal nicht zu finden, aber ich bin sicher, sie haben ihre Schergen und Informanten irgendwo hier. Sie aalen sich in unser aller Dekadenz und Korruption. Natürlich, jeder hier versucht, diese Verführer zu beseitigen, doch fallen die meisten von uns dann doch auf sie herein. Und warum? Weil sie genau wissen, wie verkommen wir sind.
Ich sehe Ravnos, erbärmliche Halunken und Rumtreiber, die das Unleben nur als ein Spiel betrachten, das dafür da ist, sie zu amüsieren, die ihrem Laster ohne zu zögern nachgeben und so weiter in die Sündhaftigkeit abdriften – schließlich ist dies alles ja nur ein Spaß, oder? Nun, wir werden sehen, wer als letztes Lachen wird, wenn Gehenna kommt.
Ich sehe Nosferatu, die sich demütig ihrer Rolle als Abschaum der kainitischen Gesellschaft einfügen, und das Große Spiel auf ihre Weise mitspielen, als Spione und Handlanger der mächtigen, und gelegentlich versuchen sie, einen gegen den anderen Auszuspielen, um sich selbst auch ein kleines Stückchen vom Kuchen einzuverleiben. Und werden damit genauso zu machtgierigen Monstern – nach oben Buckeln, nach unten treten...
Ich sehe Gangrel, die sich in die Einsamkeit zurückziehen, die dem Tier nachgeben, die glauben, in dem sie die Augen schließen und sich abwenden, werden die Dinge besser. Auch euch erzähle ich ein Geheimnis: nur weil man etwas nicht sehen kann, heißt das nicht, das es nicht doch da ist. Aber wer weiß, vielleicht ist es auch gut, sich wie ein Kaninchen in den Bau zu flüchten und manchmal zu Knurren wie der große Böse Wolf...
Mein eigener Clan, die Malkavianer.... nun, verborgen hinter dem Wahnsinn erfüllt mein Clan viele Rollen: Die des Beraters, die des Propheten, oder häufiger, die des Narren. Nun, auch wenn viele von uns Mondkindern die Wahrheit kennen – sie den anderen Mitzuteilen und dann darauf warten, das etwas passiert, reicht nicht – nicht mehr. Es ist an der Zeit, das wir endlich etwas tun, sonst sind wir nicht besser als der übrige Abschaum.
Bleiben noch die Tremere. Zunächst ein Wort der Bewunderung: Wie eine Kakerlake ist auch dieser Clan scheinbar nicht totzukriegen. Und wie eine Kakerlake ist er dieser Clan ein Ungeziefer mitten unter uns. Aber alles in Gottes Schöpfung hat einen Sinn, und so hat auch diese Kakerlake einen Sinn: Die Tremere sind der Spiegel, der uns allen Vorgehalten wird. Die wenigsten von uns sind wirklich besser als sie. Die meisten sind wie sie – nutzloses Ungeziefer – Kakerlaken.
Ich könnte noch mehr sagen, zum Beispiel über jene Kyasid, die ihre Erfüllung darin sehen, in staubigen Bibliotheken zu sitzen uns sich Wissen anzulesen. Was, frage ich, nützt all euer Wissen, wenn ihr nicht in der Lage seid, es nutzbringend zum Wohle aller anzuwenden?
Oder über die Baali, unsere schwerste Prüfung, die wir immer noch nicht gemeistert haben? Jahrtausende sind vergangen, und dieses Krebsgeschwür existiert immer noch. Und warum? Weil wir besseres zu tun haben. Weil wir es ihnen dank unserer Machtgier sogar ermöglichen, sich unter uns zu mischen.
Und die Salubri? Vernichtet, von den Tremere. Jeder hat sie dafür Verflucht, aber hat irgendwer den Salubri geholfen? Nein, niemand. Und viele Salubri haben sich nicht mal selbst gewehrt, sondern haben sich in einem Fatalismus, so wie nach ihnen die Kappadozianer, in ihr Schicksal ergeben.
Die Probleme, vor denen wir stehen, haben wir uns selbst zuzuschreiben. Sie sind das Resultat schier endloser Selbstzufriedenheit und Ignoranz. Die Menschen sind nicht dumm, sie haben erkannt was wir sind, und wie wir sind. Und das wir erst jetzt damit beginnen, uns darüber Gedanken zu machen, zeigt nur, wie unfähig wir sind. So beginnen wir nun, uns darüber Gedanken zu machen, wie man das Problem anzugehen hat, aber wie eigentlich, wenn die meisten noch nicht mal sehen, was das Problem ist? Die Menschen sind nicht das Problem, und auch die Anarchen sind nur eine Folge des eigentlichen Problems. Das Problem sind wir, diese Versammlung von Narren und Narzissen.
Wir sind verflucht, von Gott und Kain, und wir genießen diesen Fluch – und das ist unser eigentliches Problem. Wir nutzen unsere Macht nicht, um anderen zu helfen, in der Hoffnung, irgendwann erlöst zu werden, nein, wir nutzen unsere Macht aus Selbstsucht, in der wahnsinnigen Annahme, Gehenna würde ausbleiben, wenn man nur fest genug daran glaubt.
Und deshalb widert ihr mich an. Ich würde kotzen, wenn ich das noch könnte. Aber ich weiß, was ihr denkt, das sind ja nur die Worte eines Wahnsinnigen. Vielleicht ist dem so, ich jedoch bezweifele es. Führt weiter eure erbärmlich unwichtigen Kleinkriege, egal ob Ahnen oder Anarchen, Camarilla oder Assamiten. Fahrt fort mit eurem nutzlosen Blabla darüber, wie ihr eure unwichtigen Spiele um Macht und Dekadenz weiter führen könnt. Wir haben die Feuer der Inquisition verdient, und sie werden uns verzehren – heute oder in 500 Jahren. Den hohe Wesen, die wir sind, können tief fallen – sehr tief. In diesem Sinne: ich wünsche euch allen ein fröhliches Gehenna...."
Mit diesen letzten Worten warf Alutius den Spiegel mitten unter die Anwesenden, wo er mit lautem getöse zerbarst, und verließ dann das Rednerpult.
....
Es folgten 4 Tage voller Reden, Diskussionen und Verhandlungen, an deren Ende die Camarilla uns mit einem Vertrag "beglückte", jenem Vertrag, der als der "Dornenvertrag" in die kainitische Geschichte eingehen würde.
Jedoch ließ sich Alutius (und auch seine Klüngelgefährten) es sich nicht nehmen, auch diesen Vertrag zu kommentieren. Nach Verlesung des Vertrages trat er an das Rednerpult.
"Ihr alle glaubt doch nicht Ernsthaft, das ich dieses Machwerk akzeptiere? Für wie Wahnsinnig haltet ihr mich? Mein Standpunkt ist klar: als Prinz von Kronstadt erkläre ich hiermit, das Kronstatt kein Teil dieser Camarilla ist, dies niemals war und auch niemals sein wird. Und sollte dies für die Mitglieder dieser Institution und meines Clans ein Problem sein, so verkünde ich hiermit zugleich, das ich mich nicht mehr als einen Teil dieser Fraktion meines Clanes betrachte. Und was das mögliche Vorhaben der Tremere angeht. Sollten diese wirklich gegenn deren Willen Maßnahmen gegen die Assamiten, oder andere, die sich nicht als Teil der Camarilla betrachten, ergreifen, so glaubt mir, das dies nicht ohne Konsequenzen bleiben wird. Nochmals: Kronstadt erklärt sich hiermit offiziell als von der Camarilla unabhängig. Die Tore meiner Stadt stehen für jene offen, die der weder der Anarchenbewegung noch dieser Institution namens Camarilla beitreten wollen, sondern die einen anderen Weg gehen wollen."
[Danach wurde eine Einladung ausgesprochen, am 1.3.1494 in Kronstadt der Gründungsversammlung einer "Sekte" mit Namen "Platonis Liga" beizuwohnen, die auf freiheitlichen Idealen fundiert. Ein entsprechender Beitrag wird folgen, jedoch sind mit Leuten Joseph von Bauren (Nosferatu) und Raphael de Corazon (Toreador) bereits mächtige Kainiten dieser Gruppierung beigetreten. Ja, zwei der Gründungsväter der Camarillahaben - zumindest in unserer Chronik - die Camarilla verlassen und sind einer anderen Fraktion beigetreten .... wie gesagt, die Folgen waren gravierend....]