Lugg & Trug: Das kannst du deiner Oma erzählen!

Wenn ein Spiel wie Lugg & Trug entwickelt und geschrieben wird, dann steht natürlich ein künstlerischer Aspekt ganz vorne mit dabei. Man möchte etwas Echtes, etwas mit Bedeutung Wohlgefälliges erschaffen. Es gibt aber auch einen klaren kommerziellen Aspekt: Ein Spiel definiert sich durch die Leute, die es spielen. Ein Produkt definiert sich durch die Leute, die es kaufen. Die Frage lautet deshalb: Was ist die Zielgruppe für so ein Fantasy-Abenteuerspiel?
Derer gibt es grundsätzlich zwei: Die erste ist die Gruppe von Rollenspielern, die eines Abends zusammensitzen, und niemand hat etwas für den Abend vorbereitet. Vielleicht gab es ein Missverständnis bei der Absprache, vielleicht ist der Spielleiter überraschend krank geworden oder anderweitig verhindert. Da sitzt man also nun und schaut sich ratlos an. Vielleicht werden dann ein paar staubige Brettspiele vom Speicher geholt oder man geht ins Kino oder in die Kneipe. Nur in ganz seltenen Fällen kommt es an so einem Abend noch zu einem Rollenspielerlebnis. Selbst Einsteiger-Rollenspiele kommen um eine Vorbereitungszeit durch den Spielleiter von ein bis zwei Stunden kaum herum, und außerdem müssen auch noch Charaktere gemacht werden. Kooperative Brettspiele auf der anderen Seite bieten zwar viel spielerisches Flair, dieses aber in eine vergleichsweise dünne Handlung verpackt, die zudem immer nach demselben Schema F abläuft.
Genau da bietet sich dann Lugg & Trug an. Die Regeln sind einfacher als die eines Brettspiels: Der Erzähler fordert dich auf, auf eine Fertigkeit zu würfeln. Du würfelst so viele Würfel, wie beim Wert der Fertigkeit auf deinem Heldendokument steht. Alle 5er und 6er sind Erfolge; die Anzahl der Erfolge teilst du dem Erzähler mit. Er sagt daraufhin, was passiert. Um dein Ergebnis nachträglich zu verbessern, kannst du Schicksalspunkte ausgeben, von denen du aber nur über eine begrenzte Anzahl verfügst. Soweit die Regeln.
Jeder Spieler schnappt sich einen der acht vorgefertigten Helden. Das sind typische Fantasy-Helden, für jeden Geschmack ist etwas dabei. Dann geht das Spiel los. Es dauert drei Stunden. Es ist unterhaltsam, kurzweilig, spannend. Man muss sich Mühe geben, um das Abenteuer zu bestehen. Man kann nicht auf Spielleiter-Gnade zählen, denn der Spielleiter würfelt bei diesem Spiel nicht. Kein einziges Mal.
Ach ja: Diesen ganzen „Rollenspielabend-Rettungsschirm“ gibt es zum Preis einer einzelnen Kinokarte. Ein echtes Schnäppchen! Das ist sicherlich auch ein nicht zu unterschätzender Aspekt.
Und nun die zweite Zielgruppe: Die Rede ist von deiner Oma; von deiner Tante, deinem Onkel, deinen Eltern. Nichten, Neffen usw. inklusive. Die Spieltests haben gezeigt, dass Lugg & Trug bedenkenlos familientauglich von 9 bis 99 Jahren ist. Es wird viel gekämpft (mehr als man in einem Spiel-Zeitraum von 3 Stunden erwarten würde), aber diese Auseinandersetzungen wurden bewusst für ein breites Publikum entworfen. Es geht beispielsweise nicht darum, Menschenleben auszulöschen. Ganz im Gegenteil hat man wiederholt die Möglichkeit, Menschenleben zu retten. Anstatt einen Gegner anzugreifen, gibt es immer auch noch andere, nicht-kämpferische Möglichkeiten, zum erfolgreichen Ausgang eines Kampfes beizutragen.
Ich bin der Meinung: Du kannst dich mit jeder beliebigen Gruppe von Menschen an einen Tisch setzen und dieses Spiel spielen. Wie ist das möglich? Nun, das gelingt vor allem durch einen Trick: Das Spiel geht sofort los. Es wird nicht erst lang und breit erklärt, worum es geht. Das Abenteuer startet sofort mit der ersten Szene. Bevor sich überhaupt irgendeine Form von Widerwillen bei den Spielern regen kann, sind sie bereits mitten im Spiel! Du sagst ihnen: „Hier, nimm mal diese acht Würfel und würfle sie! Sag mir, wie viel 5er und 6er dabei sind, das sind deine ‘Erfolge’.“ Und schon haben sie die Regeln kapiert. Und wenn nicht, macht das auch nichts. Das Spiel geht weiter, einigen Spielern musst du vielleicht mehrmals sagen, was sie tun sollen. Aber irgendwann versteht es jeder.
Die Idee dahinter ist, völlig unbedarften Leuten ein Gefühl dafür zu geben, warum Rollenspiele toll sind: Weil man selbst an der Handlung teilnimmt. Und wenn diese Leute auf den Geschmack kommen und vielleicht mal selber einen Charakter basteln wollen, dann empfehlen wir als nächsten Schritt ein Abenteuerspiel wie John Sinclair oder Justifiers. Und danach folgt vielleicht ein Rollenspiel wie Das Schwarze Auge. Und so werden wir sie nach und nach ins Hobby holen. Jedenfalls einen Teil von ihnen.
Und seien wir ruhig ehrlich: Deine Tante wird niemals irgendetwas anderes spielen als Lugg & Trug. Einen eigenen Spielercharakter zu entwickeln und diesen durch eine Phantasiewelt laufen zu lassen, überschreitet schlicht und ergreifend die Toleranzgrenze der meisten Menschen. Aber das macht ja nichts. Deine Tante weiß danach auf jeden Fall besser, was du da mit deinen Freunden spielst. Das gegenseitige Verständnis ist gewachsen, und das ist doch auch schon mal was.
Es braucht natürlich Mut, diese Zielgruppe anzugehen. Bis in die letzte Konsequenz habe ich das selbst auch noch nicht getrieben. Meine bisherigen Erfolge beschränken sich auf Kids und Rollensspielpartner, das ist ein Anfang. Aber ich bin sehr optimistisch und werde natürlich über die Resultate hier berichten, auf das sie den geschätzten Lesern als Inspiration dienen mögen.
Wer Lugg & Trug live und in Farbe kennen lernen möchte, hat dazu auf der Dreieichcon am 19. November Gelegenheit. Ich freue mich über jeden, der vorbeischaut. Geplant ist zunächst eine Autoren-Runde am Samstagabend, aber wenn Interesse besteht, hänge ich auch gerne noch weitere Runden dran.


Autor: Christian Lonsing
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