Rollenspieltheorie Kicker und Bangs - Wer arbeitet damit?

Silvermane

Wahnsinniger
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Hallo alle Miteinander...

Ich begrüsse euch auch diese Woche wieder zu einer neuen Folge aus unserer Reihe "Auf Sorcerer's Spuren: Expeditionen ins GNS-Reich".

Disclaimer: Alle gezeigten Techniken funktionieren auch in allen anderen RPGs. Und eventuell haben ein paar Leute vielleicht sogar schon damit gearbeitet, obwohl sie es gar nicht wissen.

Heute werden wir mal den Kicker und den Bang in seiner angestammten Umgebung beobachten. Diese bedrohlich aussehenden, aber eigentlich ganz harmlosen Techniken versetzen alteingessessene Rollenspielgruppen in der ganzen Welt in Furcht und Schrecken. Grund genug, sie uns einmal näher anzusehen.

Was ist ein Kicker?

Kurz gesagt, ein Ereignis das die Story schwungvoll kickstartet. Der Kicker ist das, was einen Charakter in die Story einbindet. Ich finde, jeder Char sollte einen haben.
Ein Kicker ist ein (für den Charakter) sehr persönliches, einschneidendes Erlebnis das ihn zum Handeln ZWINGT. Als Folge daraus darf der Spieler ihn im Idealfall selber entwickeln, um zu vermeiden das er ihn ignoriert.

Schön, da haben wir nun also Joe Normalheld. Joe hat einen netten Job, geregeltes Einkommen, eine hübsche Frau, 2 brave Kinder...und absolute keinen Grund was interessantes anzustellen.
Stinklangweilig, nicht wahr? Joe braucht einen tritt in den Arsch, sonst wird das storymässig nie etwas.
Fragen wir also Joe's Spieler.
Joe's Spieler hat von dem ganzen heile-Welt-Gedöns den Kanal voll und beschliesst daher einen recht radikalen Kicker: Als er eines schönen Abends von der Arbeit nach Hause kommt stellt er fest, das seine beiden braven Kinder fehlen und das jemand ihm eine Nachricht in Latein auf die abgezogene Haut seiner hübschen Frau geschrieben hat.

Das ist der Kicker. Joe wird wohl auf diese offene Kampfansage reagieren, selbst wenn er nicht weiss, wer der Übeltäter ist oder warum er es getan hat. Diese Details sind dem GM überlassen; klar ist allerdings, das Joe's Spieler eine Auseinandersetzung mit einem aussergewöhnlichen Gegner sucht.

Geben wir sie ihm. Oh, und die anderen Leute am Tisch? Die wollen doch sicher auch einen Kicker...und hier beginnt die Kunst.

Im idiotischsten Falle haben die Charactere keine Bindung zueinander und die Kicker keinerlei Verbindung. Das ist ein Risiko, allerdings auch ein kommunikatives Armutszeugnis für die betreffende Gruppe.

Besser ist, wenn die Charactere eine Verbindung haben, also zur gleichen Organisation gehören. Nicht optimal, aber eine Basis auf der man arbeiten kann.

Die Königsdisziplin ist das subtile Verknüpfen der Kicker untereinander.

Nehmen wir Jane Normalheldin. Jane ist unverheiratet, hat keine Kinder und ist auch sonst nicht mit Joe verwandt. Aber he, es sollen ja beide in der Geschichte vorkommen.
Also, Jane...dein Kicker.
Janes Spielerin entschliesst sich etwas Einfaches zu nehmen. Vor dem Lokal, in dem sie gerade ihr Mittagessen abgeholt hat (eine große 24 mit extra Käse) steht eine große, schwarze Limousine. Soweit nichts ungewöhnliches, bis auf die zwei heulenden (aber eigentlich ansonsten braven) Kinder, die panisch und blutverschmiert von innen an die Scheibe trommeln.
Ich weiss, andere Spieler würden jetzt die Pizza futtern und die Kinder Kinder sein lassen, aber es war Janes Idee. SIE wird etwas tun.


Und schon können wir sicher sein das die beiden sich irgendwo mit überschneidenden Interessen treffen werden.

Ein Kicker muß vage genug sein, um verschiedene Wege der Lösung zu erlauben, aber gleichzeitig definiert genug, um als Ausgangspunkt für eine Story zu dienen. Plus, der Kicker ist die beste Möglichkeit sicherzustellen das die Spieler das Abenteuer interessiert. Immerhin ist es ihr eigenes.


Lassen wir den Kicker nun alleine seinen Paarungsritualen nachgehen. Beobachten wir stattdessen nun den gemeinen "Bang".

Was ist ein Bang?

Wieso der Bang Bang heisst? Weil er knallt. Ein Bang ist ein akutes, storybezogenes Problem das die Charactere überwinden müssen; ein Bang verlangt meist eine Entscheidung oder bringt einen Hinweis, die beide die Story vorantreiben.

Bleiben wir bei Jane und Joe. Die beiden haben sich getroffen und sind gerade dabei, sich persönlich etwas näherzukommen, als ein bestialischer Dämon durch die Verandatür kracht und versucht, die beiden zu Hackfleisch zu verarbeiten.
*BANG*

Das Problem ist ziemlich akut, es ist nicht einfach zu lösen (es ist ein grosser, böser Dämon), und es bringt einen Hinweis: Der Urheber ist übernatürlich begabt, genau wie Joe. Sein verdacht erhärtet sich, und wenn er es geschickt anstellt kann er sogar herausbekommen, wer ihm dieses pelzige Ungetüm zum Abendbrot geschickt hat.

Alternative: Don Alonzo findet im Schlafgemach seiner Ehegattin einen Degen. Nicht sein eigener, wohlgemerkt!
*BANG*

Abgesehen davon, das dieser sicher nicht der Ehegattin zur Selbstverteidigung dient, fühlt sich der Don in seinem Verdacht der ehelichen Untreue seitens seiner Gattin bestätigt.
Das Ganze könnte jetzt mehrere Wendungen nehmen: Don Alonzo könnte sein untreues Weib durchbohren, er könnte bei Hofe nachforschen wessen Waffe dies ist oder er könnte diesen Degen dazu benutzen, dem Ehebrecher einige schlimme Dinge anzuhängen und ihn dann vor Gericht zu stellen.

Bangs werden benutzt, um die Story voranzutreiben. Ein Bang muss daher immer die Story weiterführen. Ebenso muß der Bang die Charactere zu einer Entscheidung zwingen oder zu einer Tat anstiften (wobei auch das eine Entscheidung vorraussetzt, nämlich die, die Tat zu vollbringen). Meistens bewirkt das Ergebnis des Bangs auch einen Wechsel des Ortes.

Don Alonzo fragt die örtlichen Schwertfeger, wer diese Klinge gekauft hat. Joe und Jane verschwinden in ein Hotel, um ihre Wunden zu lecken, bevor sie den Antagonisten suchen.


So, das wars dann auch schon wieder für Heute abend. Falls es Fragen gibt oder weitere Beispiele benötigt werden: einfach in diesen Thread posten.

-Silver
 
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